Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass sich die Auskunftspflicht eines GmbH-Geschäftsführers im Rahmen eines Insolvenzverfahrens ausschließlich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft, nicht jedoch auf seine persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse bezieht.

Auskunftspflicht des Geschäftsführers nur hinsichtlich GmbH, nicht jedoch privat

Nach dem Leitsatz der Entscheidung BGH, Beschluss vom 05.03.2015 – IX ZB 62/14 hat der Geschäftsführer über die rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse der von ihm vertretenen Gesellschaft einschließlich gegen Gesellschafter und ihn selbst gerichteter Ansprüche Auskunft zu erteilen, wenn gegen die GmbH das Insolvenzverfahren beantragt wird. Er ist hingegen nicht verpflichtet, über seine eigenen Vermögensverhältnisse und die Realisierbarkeit etwaiger gegen ihn gerichteter Ansprüche Angaben zu machen.

Der Fall: Insolvenzantragstellerin beantragt Haft gegen GmbH-Geschäftsführer

Die Insolvenzantragstellerin, eine gesetzliche Krankenversicherung, beantragte wegen Beitragsrückständen  die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der M. GmbH. Die Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der Schuldnerin hatte durch notariellen Vertrag ihren Geschäftsanteil an der Schuldnerin im Nennbetrag von 25 000 EUR für einen Kaufpreis von 3 000 EUR an K veräußert. Anschließend berief der neue Alleingesellschafter K die Geschäftsführerin der GmbH ab und übernahm selbst diese Funktion.

Sachverständiger verlangt Auskunft über private Vermögensverhältnisse

Zur Aufklärung des Sachverhalts ordnete das Insolvenzgericht dann die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch den Sachverständigen S an, den die ehemalige Geschäftsführerin über die inneren Verhältnisse der GmbH unterrichtete. Der Sachverständige forderte sie ebenfalls – jedoch ohne Erfolg – auf, außerdem über ihre eigenen Vermögensverhältnisse Auskunft zu erteilen, um die Werthaltigkeit etwaiger gegen sie gerichteter Erstattungsansprüche – insbesondere solcher aus § 64 GmbHG – prüfen zu können. Das Insolvenzgericht erneuerte diese Aufforderung mit dem Hinweis, dass bei einer Verweigerung der Auskunft ein Vorführungs- oder Haftbefehl erlassen werden könne.

Insolvenzgericht erlässt Vorführbeschluss gegen Geschäftsführerin und ordnet Haft an

Den gegen die ehemalige Geschäftsführerin erlassenen Vorführungsbeschluss  hob das Insolvenzgericht durch Beschluss wieder auf, nachdem sie durch Anwaltsschriftsatz mitgeteilt hatte, auch im Rahmen einer Vorführung keine Auskunft zu erteilen.
Daraufhin ordnete das Gericht durch weiteren Beschluss gegen die ehemalige Geschäftsführerin Haft an, um eine umfassende Auskunft über ihr eigenes Vermögen zu erzwingen. Die dagegen eingelegte Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde beantragte sie nun die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und der Haftanordnung.

BGH: Rechtsbeschwerde ist zulässig

Der BGH entschied nun mit dem hier besprochenen Beschluss, dass die Rechtsbeschwerde statthaft und auch im Übrigen zulässig ist. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen.


 

Die Entscheidung im Volltext:

BGH, Beschluss vom 05.03.2015IX ZB 62/14

Tenor

Auf die Rechtsmittel der weiteren Beteiligten zu 2 werden der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 3. September 2014 und der Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 12. Mai 2014 aufgehoben.

Der Gegenstandswert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die weitere Beteiligte zu 1 (fortan: Beteiligte zu 1), eine gesetzliche Krankenversicherung, beantragte wegen Beitragsrückständen am 3. Juni 2013 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der M. GmbH (nachfolgend: GmbH). Die weitere Beteiligte zu 2 (fortan: Beteiligte zu 2) war Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der Schuldnerin. Durch notariellen Vertrag vom 12. März 2013 übertrug die Beteiligte zu 2 ihren Geschäftsanteil an der Schuldnerin im Nennbetrag von 25.000 € zu einem Kaufpreis von 3.000 € an K. . Anschließend berief der neue Alleingesellschafter die Beteiligte zu 2 als Geschäftsführerin der GmbH ab und übernahm selbst diese Funktion.

Zur Aufklärung des Sachverhalts ordnete das Insolvenzgericht am 13. August 2013 die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens durch den weiteren Beteiligten zu 3 (fortan: Beteiligter zu 3) an, den die Beteiligte zu 2 über die inneren Verhältnisse der GmbH unterrichtete. Der Beteiligte zu 3 forderte die Beteiligte zu 2 ohne Erfolg auf, außerdem über ihre eigenen Vermögensverhältnisse Auskunft zu erteilen, um die Werthaltigkeit etwaiger gegen sie gerichteter Erstattungsansprüche – insbesondere solcher aus § 64 GmbHG – prüfen zu können. Das Insolvenzgericht erneuerte diese Aufforderung mit dem Hinweis, dass bei einer Verweigerung der Auskunft ein Vorführungs- oder Haftbefehl erlassen werden könne. Den gegen die Beteiligte zu 2 erlassenen Vorführungsbeschluss vom 30. April 2014 hob das Insolvenzgericht durch Beschluss vom 12. Mai 2014 auf, nachdem die Beteiligte zu 2 durch Anwaltsschriftsatz mitgeteilt hatte, auch im Rahmen einer Vorführung keine Auskunft zu erteilen.

Durch weiteren Beschluss vom 12. Mai 2014 hat das Insolvenzgericht gegen die Beteiligte zu 2 Haft angeordnet, um eine umfassende Auskunft über ihr eigenes Vermögen zu erzwingen. Die dagegen eingelegte Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde beantragt die Beteiligte zu 2 die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und der Haftanordnung.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, § 6 Abs. 1 Satz 1, § 98 Abs. 3 Satz 3 InsO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen.

1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung bei ZInsO 2015, 411 abgedruckt ist, hat ausgeführt, der Geschäftsführer einer GmbH sei als deren organschaftlicher Vertreter auskunftspflichtig, wenn er wie die Beteiligte zu 2 nicht länger als zwei Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Amt geschieden sei. Gegenstand der Auskunft seien auch Forderungen aus § 64 GmbHG, die der GmbH gegen die Beteiligte zu 2 als frühere Geschäftsführerin zustünden. Um die Werthaltigkeit dieser Forderungen beurteilen zu können, sei das Insolvenzgericht auf die Auskünfte der Beteiligten zu 2 zu ihren eigenen Vermögensverhältnissen angewiesen. Die Durchsetzbarkeit der Forderung sei für die Bestimmung der Ist-Masse ebenso bedeutsam wie ihr Bestand. Diese Würdigung stehe in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, derzufolge das Merkmal „alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse“ in § 97 InsO weit auszulegen sei. Das Gesetz sehe keine Auskunftspflicht außenstehender Dritter, sehr wohl aber der Geschäftsführer vor. Die Auskunftspflicht erstrecke sich auch auf Tatsachen, die geeignet seien, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit herbeizuführen. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass sich die Auskunftspflicht auch auf die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschäftsführers beziehe.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Haft sind im Streitfall allerdings gegeben.

Die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners aus § 97 InsO gelten gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 InsO auch im Insolvenzeröffnungsverfahren. Da sich das Eröffnungsverfahren hier gegen eine GmbH und damit nicht gegen eine natürliche Person richtet, sind gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2, § 101 Abs. 1 Satz 1 InsO die Mitglieder des Vertretungsorgans zur Auskunft verpflichtet. Die Beteiligte zu 2, die binnen zwei Jahren vor Antragstellung als Geschäftsführerin der GmbH abberufen wurde, unterliegt gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2, § 101 Abs. 1 Satz 2 InsO weiterhin einer Auskunftspflicht. Verweigert der Verpflichtete die Auskunft, kann das Gericht ihn gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2, § 98 Abs. 2 Nr. 1 InsO zwangsweise vorführen und nach Anhörung in Haft nehmen. Im Streitfall konnte vor Anordnung der Erzwingungshaft von einer weiteren Anhörung der Beteiligten zu 2 abgesehen werden, weil sie im Rahmen der Vorführungsanordnung auf die Möglichkeit der Haft hingewiesen worden war (MünchKomm-InsO/Stephan, 3. Aufl., § 98 Rn. 22). Die Auskunft kann auch gegenüber einem ehemaligen Vertretungsorgan wie der Beteiligten zu 2 im Wege der Haft erzwungen werden (MünchKomm-InsO/Stephan, aaO § 101 Rn. 24b; Jaeger/ Schilken, InsO, § 101 Rn. 21; HK-InsO/Kayser, 7. Aufl., § 101 Rn. 10). Aus der Haftanordnung geht hervor, dass von der Beteiligten zu 2 umfassende Auskunft über ihr Vermögen (Einkommen, Forderungen gegen Dritte, bewegliches und unbewegliches Vermögen, Konto- oder Versicherungs- und Wertpapierguthaben, Beteiligungen pp) verlangt wird. Damit sind die Mitwirkungspflichten der Beteiligten zu 2 hinreichend konkretisiert worden (BGH, Beschluss vom 17. Februar 2005 – IX ZB 62/04, BGHZ 162, 187, 196 ff).

b) Jedoch hat die Beteiligte zu 2 den sie gemäß § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 Satz 2, § 20 Abs. 1 Satz 2 InsO als ehemalige Geschäftsführerin im Eröffnungsverfahren treffenden Auskunftspflichten genügt. Da sich die Auskunftspflicht auf die Verhältnisse der Schuldnerin beschränkt, ist die Beteiligte zu 2 nicht verpflichtet, im Blick auf die Durchsetzbarkeit gegen sie gerichteter, auf § 64 GmbHG beruhender Ansprüche Angaben zu ihren persönlichen Vermögensverhältnissen zu machen.

aa) Die Regelung des § 101 Abs. 1 Satz 2 InsO will dem Missbrauch begegnen, dass Geschäftsleiter ihr Amt in der Krise niederlegen, um sich ihren verfahrensrechtlichen Verpflichtungen zu entziehen (HK-InsO/Kayser, aaO § 101 Rn. 1; MünchKomm-InsO/Stephan, aaO § 101 Rn. 23; Schmidt/Jungmann, InsO, 18. Aufl., § 101 Rn. 9). Vor diesem Hintergrund unterliegen die ehemaligen Mitglieder des Vertretungsorgans nicht einer lediglich subsidiären Auskunftspflicht, die erst eingreift, wenn neu bestellte Organe die Auskunft nicht erteilen können oder wollen (in diesem Sinne aber Henssler, ZInsO 1999, 121, 124; Jaeger/Schilken, aaO § 101 Rn. 21). Vielmehr ist der Auskunftspflicht im Interesse einer effektiven Verfahrensförderung auch dann uneingeschränkt zu genügen, wenn neu bestellte Vertretungsorgane vorhanden sind (Schmidt/ Jungmann, aaO § 101 Rn. 12).

bb) Die Auskunftspflicht des Geschäftsführers einer GmbH erstreckt sich inhaltlich auf sämtliche rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse der Gesellschaft. In diesem Rahmen hat er auch Tatsachen zu offenbaren, die Forderungen der insolventen Gesellschaft gegen ihn selbst – etwa aus § 64 GmbHG – nahelegen können. Keine Auskunft ist hingegen über die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse zu geben.

(1) Auskunft ist nach §§ 20, 97 InsO über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse zu erteilen. Dieser Begriff ist weit auszulegen und umfasst alle rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse, die für das Verfahren in irgendeiner Weise von Bedeutung sein können. Die Verpflichtung zur Auskunft ist nicht davon abhängig, dass an den Schuldner entsprechende Fragen gerichtet werden. Der Schuldner muss vielmehr die betroffenen Umstände von sich aus, ohne besondere Nachfrage offenlegen, soweit sie offensichtlich für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sein können und nicht klar zutage liegen (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2010 – IX ZB 126/08, WM 2010, 524 Rn. 5; vom 15. April 2010 – IX ZB 175/09, WM 2010, 976 Rn. 9; vom 17. März 2011 – IX ZB 174/08, WM 2011, 760 Rn. 7; vom 8. März 2012 – IX ZB 70/10, ZInsO 2012, 751 Rn. 13; vom 22. November 2012 – IX ZB 23/10, ZInsO 2013, 138 Rn. 4; vom 11. April 2013 – IX ZB 170/11, WM 2013, 1030 Rn. 18). Von dem Geschäftsführer einer GmbH ist namentlich über alle Aktiva und Passiva der Gesellschaft, also sämtliche Forderungen und Verbindlichkeiten, Auskunft zu erteilen (MünchKomm-InsO/Stephan, 3. Aufl., § 97 Rn. 14a; HK-InsO/ Kayser, 7. Aufl., § 97 Rn. 11; Schmidt/Jungmann, InsO, 18. Aufl., § 97 Rn. 8; Jaeger/Schilken, aaO § 97 Rn. 17; Piekenbrock in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 97 Rn. 6). Die Auskunftspflicht des Geschäftsführers erstreckt sich auch auf die tatsächlichen Umstände, durch die Forderungen der Gesellschaft oder gegen sie gerichtete Verbindlichkeiten entstanden sind (MünchKomm-InsO/Stephan, aaO; Piekenbrock in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO).

(2) Ansprüche der insolventen Gesellschaft gegen Gesellschafter und Geschäftsführer sind Bestandteil der Insolvenzmasse. Die Auskunftspflicht dient darum auch dem Zweck, Ansprüche des insolventen Unternehmens gegen Gesellschafter oder Geschäftsführer aufzudecken (Pape/Uhländer/Wedekind, InsO, § 97 Rn. 25; Stobbe, Die Durchsetzung gesellschaftsrechtlicher Ansprüche der GmbH in Insolvenz und masseloser Liquidation, 2001, Rn. 37). Mit Rücksicht auf den Vorrang der Gläubigerinteressen sind von den Geschäftsführern folglich Informationen zu offenbaren, die sich zum Nachteil der Gesellschafter oder auch zum eigenen Nachteil auswirken können (Henssler, ZInsO 1999, 121, 123). Da der Geschäftsführer selbst zur Offenbarung solcher Tatsachen verpflichtet ist, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen (Jaeger/Schilken, aaO § 101 Rn. 15), hat er auch Umstände preiszugeben, die eine Forderung des insolventen Unternehmens gegen ihn begründen (Henssler, aaO; Uhlenbruck, Festschrift Kreft, S. 543, 556). Im Blick auf Forderungen der Gesellschaft gegen Gesellschafter hat der Geschäftsführer etwa auf Ansprüche aus Kapitalersatz und auf Leistung von Nachschüssen hinzuweisen (Henssler, aaO; Jaeger/Schilken, aaO; HK-InsO/Kayser, 7. Aufl., § 97 Rn. 11). Ebenso hat der Geschäftsführer Umstände offenzulegen, die Ansprüche der Gesellschaft gegen ihn selbst, sei es aus §§ 43, 64 GmbHG oder anderen Vorschriften, nahelegen können (Henssler, aaO; Stobbe, aaO Rn. 36, 38; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 97 Rn. 7; HmbKomm-InsO/Herchen, 5. Aufl., § 97 Rn. 12).

(3) Da die Auskunftspflicht der organschaftlichen Vertreter aus § 101 Abs. 1 InsO auf das Vermögen der früher oder gegenwärtig von ihnen geleiteten Gesellschaft bezogen ist, sind sie jedoch entgegen der Auffassung der Vordergerichte nicht verpflichtet, über ihre eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse und die Realisierbarkeit gegen sie gerichteter Forderungen Auskünfte zu erteilen.

Ist der Schuldner keine natürliche Person, treffen die Verpflichtungen aus § 97 InsO die organschaftlichen Vertreter des Schuldners (BT-Drucks. 12/2443, S. 143). Die Vorschrift des § 101 Abs. 1 InsO stellt eine Ergänzung des § 97 InsO dar (HK-InsO/Kayser, 7. Aufl., § 101 Rn. 1), indem sie die Organvertreter zu einer Auskunftserteilung nach Maßgabe des § 97 InsO verpflichtet (HK-InsO/Kayser, aaO § 101 Rn. 6). Folglich obliegen den Organen die gleichen insolvenzverfahrensrechtlichen Verpflichtungen wie dem Schuldner (Münch-Komm-InsO/Stephan, 3. Aufl., § 101 Rn. 21). Die Geschäftsführer haben damit Auskunftspflichten im Umfang des § 97 Abs. 1 InsO zu genügen (Jaeger/ Schilken, aaO § 101 Rn. 15; Uhlenbruck in Festschrift Kreft, 2004, S. 543, 548).

Dem Wortlaut des § 101 Abs. 1 InsO und dem Regelungszusammenhang mit § 97 Abs. 1 InsO kann sonach entnommen werden, dass die Auskunftspflichten der Organvertreter auf die Verhältnisse der insolventen oder mit einem Insolvenzantrag konfrontierten Gesellschaft beschränkt sind. Da die Auskunftspflicht an die Vertreterstellung anknüpft, kann von dem Organ nur Auskunft über die Vermögensverhältnisse der von ihm vertretenen Gesellschaft, aber nicht über seine eigenen Vermögensverhältnisse verlangt werden. Aus dem Umstand, dass bei einer juristischen Person die Auskunft nur durch die Organvertreter erteilt werden kann, folgt keine Erweiterung der Auskunftspflicht auch auf die persönlichen Verhältnisse dieser Personen (vgl. Stobbe, Die Durchsetzung gesellschaftsrechtlicher Ansprüche der GmbH in Insolvenz und masseloser Liquidation, 2001, Rn. 38). Eine Auskunftspflicht hinsichtlich rechtlicher, wirtschaftlicher und tatsächlicher Verhältnisse einer dritten, an dem Verfahren nicht beteiligten Person findet im Gesetz keinen Anhalt. Die Auskunftspflicht des Geschäftsführers einer GmbH beschränkt sich darum ausschließlich auf das Vermögen und die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft. Ebenso wenig wie von einem Schuldner verlangt werden kann, über die Verhältnisse einer GmbH, deren Geschäftsführer er ist, Auskunft zu erteilen (LG Dortmund, NZI 2005, 459; Piekenbrock in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 97 Rn. 7), besteht eine Verpflichtung des Geschäftsführers einer GmbH, gegen die ein Insolvenzantrag gestellt wurde, seine persönlichen Vermögensverhältnisse zu offenbaren. Auskunftsansprüche gegen den Geschäftsführer umfassen darum nicht Angaben hinsichtlich der Realisierbarkeit gegen ihn gerichteter Haftungsansprüche (Uhlenbruck in Festschrift Kreft, 2004, S. 543, 554 ff; ders., InsO, 13. Aufl., § 97 Rn. 7; aA HmbKomm-InsO/Herchen, 5. Aufl., § 97 Rn. 12). Bei dieser Sachlage sind die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Da der Rechtsbeschwerdeführerin keine Partei im zivilprozessrechtlichen Sinne gegenübersteht, scheidet eine Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten nach § 4 InsO in Verbindung mit § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO trotz des Obsiegens im Verfahren aus (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2012 – IX ZB 15/11, ZInsO 2012, 455 Rn. 9 mwN).

Kayser Gehrlein Vill Fischer Grupp Vorinstanzen:

Vorinstanzen:

AG Münster, Entscheidung vom 12.05.2014 – 86 IN 21/13 –

LG Münster, Entscheidung vom 03.09.2014 – 5 T 326/14 –

(Quelle: openjur.de – Link)

Das Leerspielen eines Spielautomaten ist nicht strafbar, wenn die Spieler den Automaten formell ordnungsgemäß bedienen und dabei einen technischen Fehler in der Programmierung des Automaten ausnutzen, welcher dem Hersteller bereits bekannt ist.

Leerspielen von Geldautomaten – keine Straftat wenn der Hersteller den Fehler kennt

So entschied das Kammergericht Berlin in seinem Urteil KG Berlin, Urteil vom 08.12.2014 – 161 Ss 216/13, (3) 161 Ss 216/13. Welcher Fall lag der Entscheidung zu Grunde?

Der Fall: „Fruits on fire“

Die zwei Angeklagten hatten im März 2011 eine Spielothek aufgesucht und dort an vier Automaten des Typs Royal Admiral Crown Slant das Spiel „Fruits on Fire“ gespielt und dabei mehrere hundert Euro gewonnen, um diese für sich zu behalten. Dabei nutzten sie einen ihnen bekannten Fehler in der Software des Spiels aus. Durch eine spezielle Tastenkombination und Spielweise war es zu einem bestimmten Zeitpunkt im Rahmen des Spiels möglich, den Automaten mit dem höchstmöglichen Gewinn herzustellen (die genaue Beschreibung des Fehlers findet sich in der Entscheidung weiter unten). Dies wussten die beiden Angeklagten und verfuhren nach diesem System. Woher die beiden Angeklagten den Fehler kannten ließ sich im Prozess nicht feststellen.

Hersteller kannte den Fehler – Spielhallenbetreiber war informiert

Der Hersteller der Software hatte ebenfalls bereits im März 2011 durch Hinweise Kenntnis von dem Fehler erlangt und nach und nach alle Spielhallenbetreiber zunächst per SMS, später postalisch informiert. Auch der Betreiber der betroffenen Spielothek war informiert worden. Einige Tage später empfahl der Hersteller die Deaktivierung der Geräte.

Amtsgericht entscheidet in erster Instanz falsch – Verurteilung zu Geldstrafen

Das Amtsgericht Tiergarten hatte die beiden Angeklagten zunächst wegen Computerbetrugs gemäß § 263a StGB zu Geldstrafen in Höhe von 120 und 80 Tagessätzen verurteilt. Diese Entscheidung war – jedenfalls nach Ansicht des Kammergerichts – rechtsfehlerhaft.

Die Entscheidung: Täter handelten nicht „unbefugt“

Das Landgericht hat die Angeklagten zu Recht aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Ihr Handeln erfüllt nicht den Straftatbestand des Computerbetrugs gemäß § 263 a StGB in der vorliegend in Betracht kommenden Variante vier durch unbefugtes Einwirken auf den Ablauf eines Datenverarbeitungsvorgangs.

War das Leerspielen „unbefugt“?

Das Gericht klärt in seiner Entscheidung zunächst darüber auf, was nach seiner Auffassung notwendig ist, um die Anforderungen des Tatbestandsmerkmals der „unbefugten“ Verwendung von Daten zu erfüllen.  Unbefugt“ sei dabei lediglich eine solche Verwendung von Daten, die täuschungsäquivalent ist, die Handlung des Täters müsse also Täuschungswert haben. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall – es liege keine Täuschungshandlung vor.

Die Angeklagten haben lediglich bereits bestehende technische Unzulänglichkeiten der Spielautomaten im Rahmen einer formell ordnungsgemäßen Bedienung – sie hatten ganz legal gespielt und Tasten gedrückt – ausgenutzt, die insbesondere dem Automatenaufsteller bekannt war. Sie haben nicht programmwidrig gespielt, und sie haben ebenfalls keine Programmfehler manipulativ herbeigeführt. Damit haben sie nicht im Sinne des § 263 a StGB „unbefugt“ auf den Ablauf des Programms eingewirkt. Dieses Verhalten stellt – übertragen auf den Betrugstatbestand – eine bloße Ausnutzung eines bereits bestehenden Irrtums eines Leistenden dar, der straflos ist.

Wille des Automatenherstellers zählt nicht, wenn dieser den Fehler kennt und nichts unternimmt

Auch hat hier der Automatenbetreiber diese Art des Spielens stillschweigend gestattet. Denn im relevanten Tatzeitraum hatte er bereits Kenntnis von dem Programmfehler, der die Möglichkeit, größere Gewinne zu erzielen, eröffnete und zunächst keine Vorkehrungen ergriffen, um das Spielen mit dem Spiel „Fruits on fire“ zu unterbinden. Ferner hat das Gericht hier nicht feststellen können, dass sich die Angeklagten ihre Kenntnisse über den Programmfehler auf illegalem Wege beschafft hätten.

Spieler hat auch keine Offenbarungspflicht

Nach Auffassung des Gerichts besteht grundsätzlich bei überlegenem Wissen oder Fähigkeiten auch keine Offenbarungspflicht des Täters. Auch gibt der Spieler in einem solchen Fall konkludent keine Erklärung ab, dass er nicht über ein solches Wissen oder solche Fähigkeiten verfügt.

Die Angeklagten waren danach freizusprechen.


Hier die Entscheidung im Volltext:

KG · Urteil vom 8. Dezember 2014 · Az. (3) 161 Ss 216/13 (160/13)

1. Zur Frage des unbefugten Einwirkens auf den Ablauf des Datenverarbeitungsvorgangs nach § 263a Abs. 1 4. Var. StGB durch „Leerspielen eines Spielautomatens“ .

2. Nutzen die Angeklagten bestehende technische Unzulänglichkeiten eines Spielautomaten im Rahmen einer formell ordnungsgemäßen Bedienung aus, die dem Automatenhersteller bekannt ist, liegt kein unbefugtes Einwirken i.s.d. § 263a Abs. 1 4. Var. StGB vor.Denn es fehlt an dem geforderten Täuschungsäquivalent (im Anschluss an BGHSt 47, 160) und dem entgegenstehenden und damit schützenswerten Willen des Automatenbetreibers (im Anschluss an BGHSt 40,331ff).

Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft Berlin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 20. August 2013 wird verworfen.

Die Kosten der Revision und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten trägt die Landeskasse Berlin.

Gründe

Wegen Computerbetrugs hat das Amtsgericht Tiergarten am 20. November 2012 den Angeklagten x zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 30,– Euro und den Angeklagten y zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30,– Euro verurteilt. Auf die dagegen gerichteten Berufungen der Angeklagten hat das Landgericht Berlin am 20. August 2013 das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Angeklagten freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft Berlin, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Das Rechtsmittel, das von der Generalstaatsanwaltschaft Berlin vertreten wird, hat keinen Erfolg.

1.

Nach den Feststellungen des Urteils des Landgerichts Berlin suchten die beiden Angeklagten aufgrund eines zuvor gefassten gemeinsamen Entschlusses in den frühen Morgenstunden des 19. März 2011 das Automatenspielcasino in der …straße 22 b in … Berlin auf und erspielten dort an zumindest vier Spielautomaten des Typs Royal Admiral Crown Slant gegen den Willen des Casinobetreibers in Kenntnis und unter Ausnutzung eines Fehlers der Software des dort ablaufenden Spiels „Fruits on fire“ Geldbeträge in Höhe von jedenfalls mehreren Hundert Euro, um diese für sich zu behalten.

Bei dem Spiel „Fruits on fire“ handelt es sich um ein Computerprogramm, welches seit Anfang des Jahres 2011 auf dem Markt ist und das – neben anderen Spielen – auf den Spielautomaten des vorgenannten Typs läuft. Der Spieler muss zunächst Hartgeld in den Automaten einwerfen, den Geldbetrag durch das Gerät in Spielpunkte umwandeln lassen, das Spiel auswählen und durch Drücken der Starttaste in Gang setzen. Es setzen sich dann neun virtuelle Walzen mit verschiedenen Symbolen in Bewegung, die nach einer gewissen Zeit automatisch stoppen. Wenn mehrere Walzen übereinstimmende Symbole zeigen, erzielt der Spieler einen Gewinn in Ge-stalt einer Punktegutschrift, die er sich auf Wunsch zu einem beliebigen Zeitpunkt durch die Maschine wieder in Geld (zurück-) wechseln und auszahlen lassen kann.

Nach einer von einem Zufallsgenerator bestimmten Anzahl solcher normalen Punktespiele – statistisch mehrere Hundert – ermöglicht die Software dem Spieler ein Gratis-Spiel (so genanntes Feature-Game) mit erhöhten Gewinnchancen. Dabei zeigen mindestens drei der Walzen gleiche Symbole an und der Spieler hat durch Drücken der Starttaste die Möglichkeit, lediglich diejenigen Walzen wieder in Bewegung zu setzen, die noch nicht auf Gewinn stehen, bis ein Gewinn erreicht ist. Nach einem derartigen Feature-Game wechselt der Automat wieder in den Normalmodus.

Infolge eines Programmierfehlers der Software war es einem Spieler – vorliegend den beiden Angeklagten – allerdings möglich, über eine bestimmte Tastenkombination nach einem Feature-Game sogleich wieder zu einem solchen zu gelangen. Dazu musste er den zuvor erzielten Gewinn annehmen, den Einsatz zwei Mal verstellen, das Spiel über die Spielauswahltaste verlassen, es gleich wieder anwählen und dann mit der Start-Taste in Gang setzen, wobei er nun auch die Möglichkeit hatte, den höchsten Einsatz zu wählen. Die Maschine stellte dann sogleich wieder die Sonderspielsituation her, wie sie zum Ende des vorangegangenen Feature-Game bestand, und der Spieler konnte das Feature-Game spielen, bis alle Walzen dasselbe Symbol zeigten, bis mithin – bei vollem Einsatz – der größtmögliche Gewinn erreicht war. Erst dann wechselte der Automat endgültig in den Normalmodus zurück.

Den Automaten in der zuvor dargestellten Art zu bedienen, wäre einem Spieler grundsätzlich auch dann technisch möglich gewesen, wenn die Software fehlerfrei funktioniert hätte. Die Tastenfolge hätte dann allerdings nicht zu einem weiteren Sonderspiel geführt.

Wie die Angeklagten Kenntnis von dem Softwarefehler und der Möglichkeit, ihn in der beschriebenen Weise auszunutzen, erlangt haben, konnte das Gericht nicht feststellen. Möglicherweise haben sie ihn selbst entdeckt, wahrscheinlich ist er ihnen jedoch – zumindest mittelbar – über das Internet bekannt geworden, wo er schon vor dem in Rede stehenden Geschehen in einschlägigen Foren publiziert worden war.

Der Softwarehersteller, die C. Technologies GmbH, und deren Muttergesellschaft, die A. G. Industries GmbH, haben ebenfalls bereits im März 2011 von ihren Kunden, den Automatenaufstellern, erste Hinweise auf diese Fehlfunktionen erhalten. Sie haben daraufhin kurz vor dem 19. März 2011 entsprechende Warnungen per SMS an einige Spielcasinobetreiber, unter anderem auch diejenigen des Casinos in der …straße 22 b, gesandt, und diesen sodann mit Schreiben vom 21. März 2011 – [Anmerkung des Senats: mithin zwei Tage nach der Tat] – die vorübergehende Deaktivierung des Spiels „Fruits on fire“ empfohlen. Mittlerweile ist der Fehler durch ein Software-Update behoben (UA S. 4-6).

2.

Das Landgericht hat die Angeklagten zu Recht aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Ihr Handeln erfüllt nicht den Straftatbestand des Computerbetrugs gemäß § 263 a StGB in der vorliegend in Betracht kommenden Variante vier durch unbefugtes Einwirken auf den Ablauf eines Datenverarbeitungsvorgangs.

„Unbefugt“ ist dabei lediglich eine solche Verwendung von Daten, die täuschungsäquivalent ist (vgl. BGHSt 47, 160). Die Handlung des Täters muss also Täuschungswert haben. Sie müsste sich, würde sie gegenüber einem Menschen und nicht einer Maschine erfolgen, als Täuschung im Sinne des § 263 StGB darstellen. Denn mit §263 a StGB sollte die Strafbarkeitslücke geschlossen werden, die dadurch entstanden war, dass der Tatbestand des Betrugs menschliche Entscheidungsprozesse voraussetzt, die bei dem Einsatz von EDV-Anlagen fehlen (vgl. BGH a. a. O.). An einem solchen Täuschungsäquivalent fehlt es vorliegend.

Die Angeklagten haben lediglich bereits bestehende technische Unzulänglichkeiten der Spielautomaten im Rahmen einer formell ordnungsgemäßen Bedienung ausgenutzt, die insbesondere dem Automatenaufsteller bekannt war. Sie haben nicht programmwidrig gespielt, und sie haben ebenfalls keine Programmfehler manipulativ herbeigeführt. Damit haben sie nicht im Sinne des § 263 a StGB „unbefugt“ auf den Ablauf des Programms eingewirkt. Dieses Verhalten stellt – übertragen auf den Betrugstatbestand – eine bloße Ausnutzung eines bereits bestehenden Irrtums eines Leistenden dar, der auch gemäß § 263 StGB straflos ist (vgl. BGH MDR 1994, 186; Perron in Schönke/Schröder, StGB 29. Aufl., § 263 Rdn. 46 m. w. N.).

Es besteht grundsätzlich bei überlegenem Wissen oder Fähigkeiten auch keine Offenbarungspflicht des Täters (vgl. BGHSt 16, 120 – kein Rennwettbetrug durch Spätwette). Auch gibt der Spieler in einem solchen Fall konkludent keine Erklärung ab, dass er nicht über ein solches Wissen oder solche Fähigkeiten verfügt.

Soweit der Bundesgerichtshof in einer früheren Entscheidung (BGHSt 40, 331 ff) im Rahmen der Auslegung des Merkmals „unbefugt“ im Sinne des § 263 a StGB dem geschützten Rechtsgut – dem Individualvermögen – und damit „dem Willen des Automatenbetreibers“ als Inhaber des Rechtsgutes eine maßgebliche Bedeutung beimisst, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Es ist auf den Erwartungshorizont des Automatenbetreibers abzustellen (BGHSt 40, 331 ff). Daraus zieht der BGH den Schluss, dass Gewinn bringendes Spielen an einem Geldspielgerät nicht unbefugt sei, wenn der Aufsteller dieses Spiel ausdrücklich oder stillschweigend gestattet habe oder wenn es seinem mutmaßlichen Willen entspräche. Ferner misst der BGH der Art des Erlangens der Kenntnisse eines vom Spieler ausgenutzten Programmdefektes Bedeutung bei. Wenn der Spieler diese Kenntnis rechtswidrig erlange – etwa durch Auswerten eines rechtwidrig erlangten Computerprogramms – sei ein solches „Spielen“ nicht mehr mit dem Willen des Automatenbetreibers vereinbar (BGHSt a. a. O.). Es liege jedenfalls dann eine unbefugte Einwirkung vor.

Im vorliegenden Fall hat der Automatenbetreiber diese Art des Spielens stillschweigend gestattet. Denn im hier relevanten Tatzeitraum hat er von dem von den Angeklagten ausgenutzten Softwarefehler Kenntnis gehabt, der die Möglichkeit, größere Gewinne zu erzielen, eröffnete und zunächst keine Vorkehrungen ergriffen, um das Spielen mit dem Spiel „Fruits on fire“ zu unterbinden. Ferner hat das Landgericht hier nicht feststellen können, dass sich die Angeklagten ihre Kenntnisse über den Programmfehler auf illegalem Wege beschafft hätten.

Die Entscheidung des OLG Braunschweig (NStZ 2008, 402), wonach es zur Verwirklichung des § 263 a StGB bei einem fehlerhaft arbeitenden Automaten bereits ausreichen soll, dass der Täter sein besonderes Wissen – unabhängig von der Art der Kenntniserlangung – einsetzt, überzeugt nicht (vgl. Niehaus/Augustin, JR 2008, 436, Anmerkung zu dem Urteil des OLG Braunschweig). Zwar erwähnt das OLG Braunschweig, dass der Bundesgerichtshof in der o. g. Entscheidung maßgeblich auf die rechtswidrig erlangte Kenntnis des Programmablaufs abgestellt hat, misst dieser jedoch – ohne nähere Begründung – keine größere Bedeutung zu, weil bei einem defekten Gerät bereits das Sonderwissen hinsichtlich des Defektes und der entgegenstehende Wille des Automatenbetreibers ausreichen müsse.

Abweichend von der Fallgestaltung, die der Entscheidung des OLG Braunschweig zugrunde lag, ist vorliegend jedoch nicht von einem entgegenstehenden Willen des Automatenbetreibers auszugehen. Daher kann auch die Argumentation der Staatsanwaltschaft in der Revisionsbegründung nicht überzeugen, die ausdrücklich von einem entgegenstehenden und damit schützenswerten Willen des Automatenaufstellers ausgeht und nicht auf die Art und Weise der Kenntniserlangung des Täters abstellt.

Insoweit ist auch die von dem Landgericht vertretene Auslegung des Tatbestands des Computerbetrugs als Ausdruck einer gerechten Risikoverteilung im Ergebnis nicht zu beanstanden, weil derjenige der einen Spielautomaten zu seinem finanziellen Vorteil betreibt, für dessen fehlerloses Funktionieren zu sorgen hat und anderenfalls keines strafrechtlichen Schutzes bedarf.

3.

Das Landgericht hat ebenfalls zutreffend eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Unterschlagung verneint. Denn als sie die von den Automaten ausgezahlten Spielgewinne in Empfang genommen haben, fehlte es an der Fremdheit der Münzen. Mit der Ausschüttung der Münzen bei formell ordnungsgemäßer Bedienung der Spielautomaten – wie vorliegend – erfolgt deren Übereignung (vgl. Niehaus/Augustin, a. a. O., m. w. N.).

Ein entgegenstehender Vorbehalt dürfte nicht bestanden haben, weil das geschädigte Unternehmen die Automaten in Kenntnis des Softwarefehlers weiter betrieben hat. Jedenfalls hat sich ein solcher Vorbehalt nicht nach außen manifestiert.

4.

Gleichfalls kam eine Verurteilung wegen Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 17 Abs. 2 UWG) nicht in Betracht. Wenn auch anerkannt sein mag, dass Programme eines Geldspielautomaten Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse sind (vgl. BGHSt. 40, 331), so ist fraglich, ob auch die – vom Geheimnisinhaber selbstverständlich nicht gewollte – Schwachstelle eines Programms als Geheimnis gelten kann. Letztlich kann aber auch diese Frage dahinstehen, denn die Strafkammer konnte keine sicheren Feststellungen dazu treffen, wie die Angeklagten die Kenntnis von dem Programmfehler erlangten (UA S. 8), so dass es an dem Tatbestandsmerkmal der unbefugten Erlangung fehlt.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO.

Fundstelle: openJur 2015, 4792 (Link)

Tim Wullbrandt | Strafverteidiger | Heidelberg & Wörrstadt

Wer sind jugendliche Intensivtäter? Was macht aus einem Kind einen Problemfall für die Justiz? Yehya ist 14 Jahre alt, als der Filmemacher Christian Stahl ihn in Berlin-Neukölln kennenlernt. Der Junge ist Sohn einer palästinensischen Flüchtlingsfamilie aus dem Libanon, ist ein guter Schüler, höflich und gut erzogen. Aber Yehya selbst hält sich für den ‚Boss von der Sonnenallee‘, und für die Behörden ist er im Alter von 17 Jahren bereits ein Intensivstraftäter.

Das Portrait eines Intensivtäters – Yehya E., Berlin-Neukölln

„Gansterläufer“ ist meiner Auffassung nach einer der eindrucksvollsten Filme über einen jugendlichen Straftäter. Christian Stahl dringt durch seine persönliche Beziehung zu Yehya äußerst tief zu ihm durch und portraitiert ihn und seine Vita in aller Offenheit.

Nach den Ereignissen aus dem Film wurde Yehya zunächst als Musterbeispiel für Resozialisierung und erfolgreichen Ausstieg aus der Kriminalität angesehen. Leider bewahrheitete sich das nicht – er wurde rückfällig und verbüßt seit Oktober 2013 eine langjährige Haftstrafe.

Wer mehr über die Geschichte und das, was nach dem Film geschah, erfahren möchte, dem sei das Buch des Filmemachers Christian Stahl „In den Gangs von Neukölln: Das Leben des Yehya E.“ empfohlen.

 

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Prozess || Tim Wullbrandt | Rechtsanwalt für Strafrecht

Der NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg befasste sich gestern, am 06.07.2015 in seiner Sitzung weiter mit der Aufklärung der Frage, ob es Verbindungen zwischen dem deutschen Ableger des Ku-Klux-Klans und der rechtsradikalen Terrorzelle NSU gab. Diese Verbindung drängt sich derzeit auf, da der Chef der ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter Mitglied des Ku-Klux-Klans war.

Kutten, Fackeln, Kreuzverbrennungen – Ex-Frau von Klangründer Achim S. berichtet von Ritualen

Die Ex-Frau von S., Yvonne F., selbst ehemals Mitglied in dem rassistischen Geheimbund, berichtete vor dem Gremium aufgewühlt vom Martyrium in ihrer Ehe. Ihr Mann habe sie so geschlagen, dass sie 2002 ins Frauenhaus ging. Sie stellte ihren Partner, von dem sie sich 2004 endgültig getrennt hat, als „total durchgeknallten“ und brutalen Menschen dar. Er habe gesagt: „Nennt mich Gott.“.

Sie erzählte unter anderem von Ritualen mit Kutten, Fackeln und Kreuzverbrennungen. „Es war der Horror, mit dem Mann zusammen zu sein“, sagte die Pflegeassistentin. Der deutsche Ableger des Klans habe seinerzeit nur aus 8 oder 9 Mitgliedern bestanden – zwei davon der Gründer, ihr Ehemann, und sie selbst. Im Jahr 2002 allerdings habe Achim S. die Führung des Klans abgegeben. Sie selbst hat 2009 mit der rechten Szene gebrochen.

Rechtsanwalt Wullbrandt als Zeugenbeistand im Untersuchungsausschuss

In der Funktion als Zeugenbeistand wurde die Ex-Frau des Klangründers bei Ihrer Vernehmung im Untersuchungsausschuss im Landtag von Rechtsanwalt Tim Wullbrandt, Heidelberg, begleitet. Vor den Untersuchungsausschüssen des Bundestages und der Landtage ist das Recht auf Hinzuziehung eines anwaltlichen Zeugenbeistands gewährleistet.

Einen ausführlichen Bericht über die Geschehnisse des gestrigen Tages im NSU-Untersuchungsausschuss BW erhalten Sie auf den Webseiten des SWR Fernsehens: SWR Fernsehen – „Nennt mich Gott“ (Externer Link)

 

 

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Ab dem 01. Juli 2015 gilt das neu eingeführte Kleinanlegerschutzgesetz. Mit diesem finden eine Vielzahl von Änderungen in die relevanten vermögensanlagespezifischen Gesetze wie das Vermögensanlagegesetz (VermAnlG), das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und andere Einzug. Einige dieser Änderungen haben gravierende Auswirkungen auf die notwendige juristische Ausgestaltung von Crowdfundings und Crowdinvestings. Bereits in seinem Beitrag auf Rhein-Main-Startups hat Rechtsanwalt Tim Wullbrandt einen ersten Überblick über die anstehenden Änderungen gegeben.

Kleinanlegerschutzgesetz und Crowdfunding – Rechtsanwalt Tim Wullbrandt im Gespräch

Nun hat Startupradio.de aus Sicht der Betreiber von Anbieterplattformen näher beleuchtet und zu diesem Zweck Tim Wullbrandtals anwaltlichen Berater von Startups und Anbieterplattformen sowie Patrick Mijnals, den Geschäftsführer der Anbieterplattform Bettervest.de zum Gespräch geladen. Hier können Sie direkt zum Interview auf Startupradio.de gelangen: Kleinanlegerschutzgesetz für Crowdinvesting – Talkrunde – startupradio.de (extern)

Prozess || Tim Wullbrandt | Rechtsanwalt für Strafrecht

Im Prozess gegen vier Männer, denen ein brutaler Raubüberfall in Hessental vorgeworfen wird, hat das Opfer vor der Strafkammer des Landgerichts Heilbronn ausgesagt. Der 37-Jährige ist der ältere Bruder des Hauptangeklagten.

Streit zwischen Brüdern eskaliert

Was war passiert? Die Angeklagten sollen am 30.11.2014 zum Wohnhaus des Geschädigten, dem Bruder des Hauptangeklagten, in Schwäbisch Hall gefahren sein. Dort sollen zwei der Angeklagten sich vermummt mit dem Haustürschlüssel des Hauptangeklagten in das Wohngebäude und in die dortige Wohnung des Geschädigten begeben haben. In der Wohnung sollen sie den Geschädigten getreten, gefesselt, bedroht und von ihm verlangt haben, den Verwahrort seiner EC- und Kreditkarte sowie die dazugehörige PIN herauszugeben. Die Bankkarten sollen sie sodann den beiden anderen Angeklagten übergeben haben, die im Auto gewartet haben und sodann zu verschiedenen Banken gefahren sein sollen, um Geld abzuheben, was jedoch misslungen sein soll. In der Zwischenzeit sollen die in der Wohnung verbliebenen zwei Angeklagten dort Stehlgut zusammengetragen haben. Dieses sollen alle vier Angeklagten nach Rückkehr der beiden im Auto befindlichen Angeklagten gemeinsam verladen haben. Den Geschädigten, der mehrere Verletzungen erlitten haben soll, sollen die Angeklagten in gefesseltem Zustand in der Wohnung zurückgelassen haben.

Anklage wegen schweren Raubes

Der Prozess vor dem Landgericht Heilbronn begann bereits am 22. Mai. Die Verteidigung des Hauptangeklagten – der jüngere Bruder des Opfers – hat der Heidelberger Rechtsanwalt Patrick Welke übernommen. Alle Angeklagten haben bereits am ersten Prozesstag Geständnisse abgelegt.

Im Fortsetzungstermin am vergangenen Mittwoch vernahm das Gericht weitere Zeugen zur Tat. Darunter befand sich ein älterer Bekannter der Angeklagten, welchen diese in Ihren Aussagen als Ideengeber und Organisator des Überfalls angaben. Da dieser Zeuge, gegen der bislang kein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, durch die anderen Angeklagten unmittelbar belastet wird, besteht bei seiner eigenen Aussage jederzeit die Gefahr, dass er sich selbst belastet. Um dies zu vermeiden stehen dem Zeugen umfangreiche Aussageverweigerungsrechte zu – zudem ist er berechtigt, sich bereits im Rahmen der Zeugenaussage von einem Rechtsanwalt als Zeugenbeistand begleiten zu lassen.

Rechtsanwalt Wullbrandt als Zeugenbeistand

Die Funktion des Zeugenbeistands im Strafverfahren für den belasteten Zeugen hat im hiesigen Verfahren Rechtsanwalt Tim Wullbrandt übernommen.

Das Verfahren wird fortgesetzt.. Mit einem Urteil ist frühestens am 08. Juli zuz rechnen.

 

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Rechtsanwalt & Strafverteidiger Tim Wullbrandt
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Rechtsanwältin für Familienrecht || Alexandra Wullbrandt

Die Erzieher streiken und die Kitas sind geschlossen – die Leidtragenden sind nahezu ausnahmslos die Eltern. Um der eigenen Arbeit nachgehen zu können muss irgendwoher eine ersatzweise Betreuung für die Kinder organisiert werden – was spätestens dann zum Problem wird, wenn die Großeltern selbst arbeitstätig sind und / oder nicht in greifbarer Nähe leben. Nachdem der Kita-Streik nun schon einige Wochen andauert, ziehen die Auswirkungen des Streiks erste weite Kreise: So fällt in einigen Schulen mittlerweile Unterricht aus, weil die Lehrer selbst ihre kleinen Kinder nicht mehr betreut werden.

Um so ärgerlicher ist für viele Eltern, dass die Gebühren und Beiträge für die Kinderbetreuung weiter anfallen – obwohl aufgrund des Streiks kein Betreuungsangebot zur Verfügung steht. Die Frage, ob man die Gebühren für den Streikzeitraum erstattet bekommen kann, stellt sich daher vielfach.

Auf diese Frage hört und liest man in den Medien bislang häufig nur Statements und Kommentare von Kommunen, welche ja in den meisten Fällen die Träger der Kinderbetreuung sind. Unter dem profanen Argument „Die Beiträge kommen ja den Kindern zu Gute“ lehnen bislang die meisten Kommunen eine Erstattung der gezahlten Beiträge ab. Lediglich einige große Städte wie München, Düsseldorf, Stuttgart und Dortmund haben bereits angekündigt, die Beiträge automatisch rückwirkend zu erstatten. Hier müssen Eltern nichts tun außer abwarten, bis die Erstattung per Verrechnung mit zukünftigen Beiträgen erfolgt.

In anderen Städten und Gemeinden funktioniert das leider nicht so einfach. In Anbetracht der oftmals leeren Stadtkassen bemühen sich die Kommunen ungemein, eine Rückerstattung der Beiträge für die Kinderbetreuung zu vermeiden. Was können und müssen betroffene Eltern in solchen Fällen tun?

Laufende Beiträge müssen gezahlt werden!

UnterhaltZunächst einmal folgendes: Laufende fällig werdende Beiträge müssen jedenfalls weiter gezahlt werden! Es funktioniert nicht, einfach die Zahlung der laufenden Beiträge auszusetzen, bis der Streik beendet ist. In diesem Fall würde man mit den fälligen Beiträgen in Verzug geraten und gerät in Gefahr, dass die Kommune die ausstehenden Beiträge mit erheblichen kosten (zu Recht) eintreibt. Das sollte unbedingt vermieden werden.

Mögliche Erstattung muss im Einzelfall geprüft werden

Ob eine Erstattung möglich ist, muss dagegen im Einzelfall geprüft werden. Dies hängt von mehreren Faktoren ab.

Zunächst muss man wissen, dass der Streik dem Arbeitgeber hinsichtlich der Personalkosten gewisse Erleichterungen bringt. Denn: Während eines Streiks muss der Arbeitgeber seinen streikenden Arbeitern und Angestellten keinen Lohn zahlen. Die Lohnansprüche der Streikenden werden während dieser Zeit aus den Streikkassen der Gewerkschaft (zumindest anteilig) bedient. Die tatsächlichen Kosten der Kommune für die (faktisch nicht stattfindende) Kinderbetreuung sinken also für die Dauer des Streiks erheblich.

In den meisten Fällen erfolgt die Kinderbetreuung in einer Kindertagesstätte auf Grundlage eines Vertrages zwischen Eltern und KiTa / deren Träger. Gegebenen Falles nimmt solch eine Vereinbarung auch Bezug auf eine kommunale Satzung, in der die Nutzung der Betreuungseinrichtung und die dafür fälligen Beiträge geregelt sind. Dieser Nutzungsvertrag und die zugrunde liegende Satzung (wenn es sie gibt) sind entscheidend für die Frage, ob eine Erstattung der Gebühren möglich ist oder nicht.

Erstattung vertragliche ausgeschlossen?

deutsche Gesetze & SmartphoneEinige Kommunen treffen in ihren Nutzungsverträgen Regelungen darüber, dass, wenn die Leistung des Trägers der KiTa aufgrund „außergewöhnlicher Umstände“ oder „höherer Gewalt“  nicht erbracht werden kann, eine Kostenerstattung ausgeschlossen ist. Im Umkehrschluss beruft man sich dann darauf, dass es sich bei einem Streik um solche „außergewöhnlichen Umstände“  oder „höhere Gewalt“ handelt. Diese Regelungen können verglichen werden mit beispielsweise den Regelungen und Vertragswerken beim Kauf von Flug- oder Bahntickets. Auch hier wurde in den meisten Fällen durch die Gerichte anerkannt, dass es sich bei einem Streik um „höhere Gewalt“ handelt – was paradox ist, da bei den Gehalts- und Tarifverhandlungen für Erzieher die Arbeitgeber mit am Tisch sitzen und diese daher den Arbeitskampf direkt beeinflussen können.

Erstattung grundsätzlich möglich – wenn keine wirksame Ausschlussklausel vorliegt

Findet sich im Vertrag oder der Satzung keine eindeutige Ausschlussregelung, dann sind die Beiträge grundsätzlich durch die Gemeinde zu erstatten. Die Gemeinde kann die Erstattung dann auch nicht mit dem Hinweis auf die leere Stadtkasse oder mit dem Einwand, man könne die Gebühren anderweitig nutzen, verweigern.

Weigert sich eine Kommune nachhaltig, die Gebühren zu erstatten, kann hier sogar gerichtlich eine Erstattung durchgesetzt werden. Im „schlimmsten“ Fall könne man hier die Gemeinde sogar zwingen, ihre gesamte Kalkulation dar zu legen, um die tatsächlichen Kostenersparnisse durch die Personaleinsparungen offen zu legen.

Was sollen Eltern nun tun?

Betroffene Eltern sollten jedenfalls gegenüber der Stadt oder der Gemeinde schriftlich die Erstattung der Beiträge geltend machen und einfordern!

Selbst dann, wenn vertraglich ein Ausschluss vereinbart ist, gibt es einige Kommunen, die aus Kulanz Beiträge erstatten. Lehnt die Kommune die Erstattung unter Hinweis auf eine Ausschlussklausel ab, dann könnte noch immer eine Prüfung der Satzung auf ihre Rechtmäßigkeit erfolgen – was jedoch meist eine langwierige und oftmals unverhältnismäßig teure Sache ist. Lehnt die Kommune jedoch ohne nachhaltige Begründung ab, dann sollte man – eventuell mit anwaltlicher Unterstützung – die Ablehnung detailliert prüfen und seine Ansprüche konsequent gegenüber der Trägerin der Kindertagesstätte durchsetzen.

 

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Unterhalt

Viele Paare wünschen sich sehnlich eigene Kinder, können sich diesen Wunsch auf natürlichem Weg aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen oder aufgrund anderer Ursachen nicht erfüllen. Oftmals ist die letzte Chance auf ein eigenes Kind in diesen Fällen eine künstliche Befruchtung. Die Bundesregierung hat als Gesetzgeber bereits in der Vergangenheit einige Möglichkeiten (finanzieller Natur) geschaffen, um betroffene Paare in dieser Situation zu unterstützen.

Fördermittel für künstliche Befruchtungen

Mit Inkrafttreten der sogenannten „Richtlinie zur assistierten Reproduktion“ am 01.04.2012 stellte die Bundesregierung finanzielle Mittel  zur Verfügung, um bislang ungewollt kinderlos gebliebene Paare bei Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Behandlungen zu unterstützen. Diese Zuschüsse, welche aufgrund der Richtlinie gezahlt werden, ergänzen die Leistungen der Krankenversicherung und vermindern den ansonsten teils erheblichen Eigenanteil der Paare an den Behandlungskosten.

Zuwendungen an enge Bedingungen geknüpft

deutsche Gesetze & SmartphoneDie Gewährung dieser Zuwendungen steht unter gewissen Bedingungen, unter anderem werden sie nur Paaren gewährt, wenn

  • sie miteinander verheiratet sind,
  • sie im Bundesgebiet ihren Hauptwohnsitz haben,
  • sie im Bundesgebiet eine Reproduktionseinrichtung nutzen,
  • sie eine IVF-Behandlung (In-Vitro-Fertilisation) oder ICSI-Behandlung (Intrazytoplasmatische Spermieninjektion) durchführen wollen,
  • sie die erste bis vierte Behandlung durchführen und
  • die Bedingungen des § 27a SGB V erfüllt werden
    • ärztliche Feststellung der Unfruchtbarkeit
    • attestierte Erfolgsaussicht der Kinderwunschbehandlung
    • ausschließliche Verwendung von Ei- und Samenzellen der Ehepartner
    • vorherige medizinische wie psychosoziale Beratung
    • Alter der Frau zwischen 25 und 40, Alter des Mannes zwischen 25 und 50 Jahren

Weitere Voraussetzung ist allerdings, dass sich das Bundesland, in dem der Hauptwohnsitz des Paares liegt, mindestens in gleicher Höhe wie der Bund beteiligt. Derzeit machen Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen,Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bei dieser Kooperation mit. Noch im Jahr 2015 soll Berlin hinzukommen.

Förderung nur für verheiratete Paare – Erweiterungspläne der Familienministerin

Rechtsanwältin für Familienrecht || Alexandra WullbrandtBislang erfolgt eine solche Förderung also nur an Paare mit unerfülltem Kinderwunsch, welche jedenfalls miteinander verheiratet sein müssen. Nach dem Willen von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) soll sich dies nun zu Gunsten unverheirateter Paare ändern: Auch diese sollen in den Genuss einer staatlichen Förderung für künstliche Befruchtungen kommen können. Zur Zeit werde geprüft, wie die entsprechende Richtlinie geändert werden könne, sagte ein Sprecher des Familienministeriums am 17.05.2015 in Berlin.

Ministerin Schwesig ist der Ansicht, es sei nicht mehr zeitgemäß, unverheiratete Paare anders zu behandeln als Verheiratete. Damit die Förderung ausgeweitet werden kann, müsste Schwesig eine Aufstockung des Etats beim Bundesfinanzministerium durchsetzen.

Widerstand aus Reihen der Union

Die Unionsfraktion im Bundestag sprach sich unmittelbar nach Ankündigung der Pläne der Familienministerin (SPD) gegen eine Ausweitung der finanziellen Bezuschussung auf unverheiratete Paare aus. Marcus Weinberg (CDU), familienpolitischer Sprecher der CDU, führte gegenüber der Zeitung Welt zur Begründung der Ablehnung aus, „aus dem Blickwinkel des Kindes sei es am besten, in einer möglichst stabilen Beziehung aufzuwachsen“. Man ist daher der Auffassung, „der gesetzliche Anspruch auf Bezahlung einer künstlichen Befruchtung sei daher zu Recht auf miteinander verheiratete Paare begrenzt.“

Schleswig-Holstein prüft bereits Gesetzesänderung

Die Grünen im Bundestag indes bezeichneten die Haltung der Unionsfraktion zum Thema als „überholt“. Man darf indes gespannt sein, wie sich die Gesetzgebung zum Thema der Förderung künstlicher Befruchtungen für unverheiratete Paare in Zukunft ändern wird. Das Bundesland Schleswig-Holstein ist hier bereits einen Schritt weiter – dort wird eine entsprechende Gesetzes- und Richtlinienanpassung bereits konkret geprüft.

 

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lebenspartnerschaften_familienrecht

Sehr überraschend aber um so erfreulicher hat sich offensichtlich die – größten Teils erzkatholische – irische Bevölkerung an diesem Wochenende im Rahmen eines Referendums überaus deutlich für die Legalisierung der Homo-Ehe in Irland entschieden.

Legalisierung der Homoehe per Volksentscheid

Die Gegner einer Legalisierung der Homoehe hatten bereits kurz nach Beginn der Stimmenauszählung ihre Niederlage eingeräumt und zugestanden, dass die Befürworter der Legalisierung offensichtlich einen „sehr beeindruckenden Sieg“ erlangt hätten. Das grundsätzlich streng katholische Irland steht damit vor einem massiven gesellschaftlichen Wandel.

Noch liegen keine offiziellen Abstimmungsergebnisse vor. Sollten sich heute gegen Abend jedoch die Ergebnisse verfestigen, dann wäre Irland das erste Land, welches die Legalisierung der Homoehe per Volksentscheid eingeführt hätte.

Bislang nur Eintragung ohne echte Wirkung – Verfassungsänderung nötig

Schwule und lesbische Paare können in Irland seit vier Jahren zwar ihre Partnerschaften eintragen lassen, dies führte jedoch bislang nicht zu einer wirklichen Gleichstellung mit heterosexuellen (Ehe-)Paaren. Bei einem Sieg der Befürworter müsste die irische Verfassung geändert werden, um die Legalisierung auch gesetzlich zu verankern.

 

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Was können Großeltern tun, wenn die Eltern den Umgang mit den Enkeln verweigern? Bedauerlicher Weise stellt sich diese Frage häufig nach einer Trennung oder Scheidung der Eltern. Gerade bei kleinen Kindern, welche noch nicht in der Lage sind, selbst zu entscheiden und ihren Wunsch nach Besuch bei den Großeltern zu verwirklichen besteht die Gefahr, dass der erziehende Elternteil die Kinder gezielt von den Großeltern – zumeist den eigenen ehemaligen Schwiegereltern – fern hält.

Alexandra Wullbrandt, Rechtsanwältin für Familienrecht, gibt in ihrem Blogartikel erste Hinweise auf die Rechte und Möglichkeiten von betroffenen Großeltern, ob un wie diese eigene Umgangsrechte mit den Enkeln haben und durchsetzen können.