Tim Wullbrandt || Strafrecht in Mannheim

zu AG Köln , Urteil vom 05.08.2015

AG Köln: 3 Jahre Haft für Hooligan nach „HOGESA“-Krawallen

Knapp neun Monate nach den sogenannten „HOGESA“-Krawallen in Köln hat das Amtsgericht Köln heute einen der damaligen beteiligten Hooligans zu drei Jahren Haft verurteilt. Der entscheidende Richter am Amtsgericht sagte dem Angeklagten mit der Urteilsbegründung, dieser „habe ein Gewaltproblem, das er nicht bearbeite“. Der 24-Jährige Angeklagte, der bereits vor den Krawallen eine Haftstrafe abgesessen hatte und einschlägig vorbestraft war, sei ein „unkontrollierbarer Mensch“.

Polizisten mit Rohr und Flasche beworfen

Der Angeklagte hatte gegenüber Gericht und Staatsanwaltschaft gestanden, bei den Krawallen im Oktober 2014 ein schweres Rohr in Richtung einer Polizeikette geworfen zu haben. Die Beamten wurden dabei nur knapp verfehlt. Zudem beteiligte er sich an der Plünderung einer Bäckerei und bewarf einen weiteren Polizisten mit einer Flasche. Die Verurteilung erfolgte nun wegen gefährlicher Körperverletzung und Diebstahls.

Bei Demonstration 49 Einsatzkräfte verletzt

Im Herbst 2014 hatten an der Demonstration, die als Kundgebung gegen Salafisten angemeldet worden war, rund 5.000 Hooligans und Rechtsextremisten unter dem Leitsatz „Hooligans gegen Salafisten – HoGeSa“ teilgenommen. Sie lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei, 49 Einsatzkräfte wurden verletzt.



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Rechtsanwalt & Strafverteidiger Tim Wullbrandt

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Straftaten, bei denen das Opfer verletzt wurde, führen meist auch dazu, dass das Opfer nach Abschluss des Strafverfahrens vor den Zivilgerichten, oder aber bereits unmittelbar im Rahmen des Strafverfahrens durch ein sogenanntes „Adhäsionsverfahren“ gegenüber dem Täter oder den Tätern seine zivilrechtlichen Ansprüche auf Zahlung von Schmerzensgeld geltend macht. Der BGH hatte nun über einen Fall zu entscheiden, in welchem die beiden Täter gemeinschaftlich im Rahmen des Adhäsionsverfahrens zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an das Opfer verurteilt wurden. Dabei wurde vom Landgericht in der Vorinstanz entschieden, dass die beiden Täter das Schmerzensgeld als Gesamtschuldner zu gleichen Teilen schulden. Dem trat nun der Bundesgerichtshof mit seinem Beschluss vom 28.04.2015 – 3 StR 52/15 – entgegen.

BGH: Beurteilung der Mittäterschaft für zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch

Ausgangspunkt für die Entscheidung ist die Regelung in § 830 Abs.1 BGB. Diese lautet:

§ 830 BGB

(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.

Der BGH hat in der hier zitierten Entscheidung nun festgehalten, dass sich die Beurteilung der Mittäterschaft im Sinne von § 830 Abs.1 BGB bezüglich eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen richtet. Die wechselseitige Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge reicht dabei nicht weiter als der gemeinsame Vorsatz und scheidet aus, soweit einer der Mittäter im Exzess Handlungen begeht, die vom gemeinsamen Tatplan und dem Vorsatz der anderen nicht gedeckt sind.

Der Fall:

Was war hier genau geschehen?

Nach den Feststellungen des Landgerichts umstellten der Angeklagte, der Mitangeklagte sowie zwei unbekannt gebliebene Mittäter den Nebenkläger und einen weiteren Geschädigten, um einem gemeinsamen Tatplan entsprechend die Herausgabe von Geld und Mobiltelefonen zu erzwingen. Als der Nebenkläger sich weigerte, sein Smartphone herzugeben, traten der Mitangeklagte sowie andere aus der Gruppe ihn gegen die Beine. Zudem versetzte der Mitangeklagte ihm zur Untermauerung der Forderung zwei Schläge mit einem Schlagring, die ihn an der linken Schläfe und unter dem linken Auge trafen. Aus Angst vor weiterer Gewaltanwendung gab der Nebenkläger das Handy schließlich heraus.

Das Landgericht hat den Angeklagten daraufhin wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung eines früheren Urteils zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es ihn dazu verurteilt, gesamtschuldnerisch mit dem Mitangeklagten S. an den Nebenkläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 12. Juni 2014 zu zahlen.

Das Problem:

Das Landgericht hat dem Angeklagten den Einsatz des Schlagrings durch den Mitangeklagten als Mittel der räuberischen Erpressung mit rechtsfehlerfreien Erwägungen (sukzessive Mittäterschaft) zugerechnet und ihn auf dieser Grundlage nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB schuldig gesprochen. Es hat jedoch nicht festzustellen vermocht, dass die Benutzung dieses Tatmittels von Anfang an vom gemeinsamen Tatplan umfasst war, und sie daher hinsichtlich der Körperverletzung als Exzess des Mittäters gewertet. Aus diesem Grund ist die gemeinschaftliche Verurteilung zur Zahlung des Schmerzensgeldes als Gesamtschuldner als rechtsfehlerhaft anzusehen. Denn: Die Höhe des zu zahlenden Schmerzensgeldes ergibt sich für das Landgericht alleine aus dem Einsatz des Schlagringes. Dass der Schlagring zum Einsatz kam wurde dem Angeklagten aber gerade nicht angelastet – daher kommt eine Zurechnung der Nutzung des Schlagringes zu Lasten des Angeklagten in diesem Fall bei der Bemessung seiner Haftungsquote im Hinblick auf das Schmerzensgeld gerade nicht in Betracht. Die Beurteilung des haftungsrelevanten Tatbeitrags im Sinne von § 840 BGB richtet sich insoweit nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Die wechselseitige Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge reicht dabei nicht weiter als der gemeinsame Vorsatz und scheidet aus, soweit einer der Mittäter im Exzess Handlungen begeht, die vom gemeinsamen Tatplan und dem Vorsatz der anderen nicht gedeckt sind


Die Entscheidung im Volltext:

BGH, 28.04.2015 – 3 StR 52/15

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 13. August 2014, soweit es ihn betrifft, im Adhäsionsausspruch abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a) Der Schmerzensgeldanspruch des Nebenklägers aufgrund der am 27. Juli 2013 gegen 1 Uhr in der J. -Straße in K. zu seinem Nachteil verübten Straftat ist gegenüber dem Angeklagten B. dem Grunde nach gerechtfertigt;

b) im Übrigen wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag des Nebenklägers gegen den Angeklagten B. abgesehen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Ebenso werden ihm die in der Revisionsinstanz entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen des Nebenklägers sowie die im Adhäsionsverfahren in der 1. Instanz entstandenen gerichtlichen Auslagen auferlegt. Die gerichtlichen Auslagen des Adhäsionsverfahrens der Revisionsinstanz fallen der Staatskasse zur Last (§ 472a StPO).

Gründe

1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung eines früheren Urteils zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es ihn dazu verurteilt, gesamtschuldnerisch mit dem Mitangeklagten S. an den Nebenkläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 12. Juni 2014 zu zahlen.

2 Das auf die allgemeine Sachrüge gestützte Rechtsmittel des Angeklagten ist zum Schuld- und Strafausspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Auch die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes unterliegt im Ausgangspunkt keiner Beanstandung. Demgegenüber kann die Adhäsionsentscheidung im Hinblick auf die Bemessung des von dem Angeklagten zu leistenden Schmerzensgeldes keinen Bestand haben.

3 Nach den Feststellungen umstellten der Angeklagte, der Mitangeklagte sowie zwei unbekannt gebliebene Mittäter den Nebenkläger und einen weiteren Geschädigten, um einem gemeinsamen Tatplan entsprechend die Herausgabe von Geld und Mobiltelefonen zu erzwingen. Als der Nebenkläger sich weigerte, sein Smartphone herzugeben, traten der Mitangeklagte sowie andere aus der Gruppe ihn gegen die Beine. Zudem versetzte der Mitangeklagte ihm zur Untermauerung der Forderung zwei Schläge mit einem Schlagring, die ihn an der linken Schläfe und unter dem linken Auge trafen. Aus Angst vor weiterer Gewaltanwendung gab der Nebenkläger das Handy schließlich heraus.

4 Das Landgericht hat dem Angeklagten den Einsatz des Schlagrings durch den Mitangeklagten als Mittel der räuberischen Erpressung mit rechtsfehlerfreien Erwägungen (sukzessive Mittäterschaft) zugerechnet und ihn auf dieser Grundlage nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB schuldig gesprochen. Es hat jedoch nicht festzustellen vermocht, dass die Benutzung dieses Tatmittels von Anfang an vom gemeinsamen Tatplan umfasst war, und sie daher hinsichtlich der Körperverletzung als Exzess des Mittäters gewertet. Demgemäß hat es den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung allein in der Variante des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, nicht jedoch in derjenigen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB verurteilt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2011 – 5 StR 515/10, NStZ-RR 2011, 111, 112).

5 Vor diesem Hintergrund kann die Verurteilung des Angeklagten, dem Nebenkläger gesamtschuldnerisch mit dem Mitangeklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 € zu zahlen, keinen Bestand haben.

6 Das Landgericht hat die Höhe des Schmerzensgeldes mit den durch den Einsatz des Schlagrings verursachten Verletzungsfolgen begründet. Die Verwendung dieses Mittels zur Verletzung des Nebenklägers hat es dem Angeklagten aber gerade nicht angelastet. Damit kommt eine Zurechnung dieses Tatbeitrages aber auch bei der Prüfung der Frage, inwieweit sich der Angeklagte im Sinne des § 830 Abs. 1 BGB als Mittäter an einer die zivilrechtliche Haftung begründenden deliktischen Verhaltensweise beteiligt hat, nicht in Betracht, was wiederum den Umfang seiner gesamtschuldnerischen Haftung nach § 840 Abs. 1 BGB begrenzt. Die Beurteilung richtet sich insoweit nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Die wechselseitige Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge reicht dabei nicht weiter als der gemeinsame Vorsatz und scheidet aus, soweit einer der Mittäter im Exzess Handlungen begeht, die vom gemeinsamen Tatplan und dem Vorsatz der anderen nicht gedeckt sind (BGH, Beschlüsse vom 8. November 2005 – 4 StR 321/05, BGHR StPO § 403 Anspruch 8; vom 7. Februar 2013 – 3 StR 468/12, […]; Urteil vom 23. März 1999 – VI ZR 53/98, BGHR BGB § 830 Abs. 2 Teilnahme 2). Die zur Grundlage des Schmerzensgeldanspruchs gemachten Verletzungsfolgen – aus dem Einsatz des Schlagrings – können deshalb nicht zur Begründung dafür herangezogen werden, den Angeklagten in gleicher Höhe wie den Mitangeklagten zur Schmerzensgeldzahlung zu verurteilen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Februar 2013 – 3 StR 468/12, […]; vom 8. Januar 2014 – 3 StR 372/13, StraFo 2014, 217 [BGH 08.01.2014 – 3 StR 372/13]).

7 Da der Angeklagte dem Nebenkläger jedoch wegen der anderen, ihm zuzurechnenden Körperverletzungshandlungen ein angemessenes Schmerzensgeld schuldet, ändert der Senat den ihn betreffenden Adhäsionsanspruch in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO in eine Verurteilung dem Grunde nach ab (§ 406 Abs. 1 Satz 2 StPO). Im Übrigen ist von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abzusehen (§ 406 Abs. 1 Satz 3 und 4 StPO); denn eine Zurückverweisung der Sache allein zur Bestimmung der Höhe des Schmerzensgeldes kommt nicht in Betracht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 406a Rn. 5 mwN). Die Bemessung des Schmerzensgeldes ist vielmehr dem zuständigen Zivilgericht übertragen (§ 406 Abs. 3 Satz 4 StPO).

8 Der geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt eine Ermäßigung der Gebühr und eine Auferlegung eines Teils der Auslagen auf die Staatskasse nach § 473 Abs. 4 StPO nicht. Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen des Adhäsionsverfahrens ergibt sich aus § 472a Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 StPO.

Becker

RiBGH Dr. Schäfer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben.
Becker

Mayer

Gericke

Spaniol

Tim Wullbrandt || Strafrecht in Mannheim

Das Landgericht Regensburg hat in seinem Urteil vom 16.10.2014 – 3 Ns 112 Js 5299/14 – entschieden, dass die Wiederholungsgefahr beim Betrug dann kein Haftgrund ist, wenn die Einzelschäden geringer als 560 Euro sind.

LG Regensburg: Wiederholungsgefahr bei niedrigen Betrugsschäden kein Haftgrund (16.10.2014 – 3 Ns 112 Js 5299/14)

Was war geschehen? Das Amtsgericht hatte den Angeklagten am 18.9.2014 wegen Betrugs in 10 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr 3 Monaten verurteilt. Gleichzeitig hatte es den bis dahin bestehenden Haftbefehl aufgehoben und zur Begründung angeführt, dass der Haftgrund der Wiederholungsgefahr nicht vorliege, da eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung durch die einzelnen Anlasstaten nach § 263 StGB (also die einzelnen Betrugstaten) nicht eingetreten sei.

Die Staatsanwaltschaft hatte gegen das Urteil Berufung eingelegt, welche sie auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte. Zusätzlich wurde Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, den Haftbefehl erneut in Vollzug zu setzen. Zur Begründung führte die Staatsanwaltschaft aus, dass weiterhin Wiederholungsgefahr bestehe, weil der Angeklagte bei einer zuvor erfolgten Außervollzugsetzung bereits Straftaten begangen habe und dies erneut zu erwarten sei. Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab.

Landgericht: Keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung

Die sachlich zuständige Berufungskammer des Landgerichts Regensburg lehnte den Antrag der Staatsanwaltschaft (als solcher war die Beschwerde zu werten) ab. Die Voraussetzungen des hier allein in Betracht kommenden Haftgrunds der Wiederholungsgefahr, auf den auch die Staatsanwaltschaft ihre Beschwerde stütze, waren nach Auffassung des Gerichts nicht gegeben. Zwar sei aufgrund des rechtskräftigen Schuldspruchs des Urteils des Amtsgerichts davon auszugehen, dass der Angeklagte wiederholt Straftaten nach § 263 StGB – also Betrugstaten -begangen habe, wobei ihm gewerbsmäßiges Handeln zur Last zu legen sei. Es fehle jedoch nach Ansicht der Berufungskammer an einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtsordnung aufgrund der wiederholt begangenen Anlasstaten, wie sie von § 112a I 1 Nr. 2 StPO vorausgesetzt werde. Erforderlich seien hierfür Anlasstaten, die einen überdurchschnittlichen Schweregrad und Unrechtsgehalt aufweisen, also mindestens in der oberen Hälfte der mittelschweren Straftaten liegen. Maßgebend bei der Bewertung seien – jedenfalls bei Anlasstaten nach § 263 StGB – insbesondere Art und Umfang des jeweils angerichteten Schadens. Gemessen daran war nach Auffassung der Berufungskammer der erforderliche Schweregrad bei den vom Angeklagten verursachten Schäden in der Größenordnung von 55 bis 560 EUR (bei weitem) nicht erreicht. Auf den vom Angeklagten  verursachten Gesamtschaden von mindestens 2.000 EUR könne dabei nicht abgestellt werden, weil für den Haftgrund des § 112a I 1 Nr. 2 StPO bei einer wiederholten Begehung der Anlasstat der erforderliche Schweregrad grundsätzlich bei jeder einzelnen Tat vorliegen müsse.

Was sind Anlasstaten nach § 112a StPO?

Zur Erläuterung hier zunächst einmal der Gesetzestext:

§ 112a [Haftgrund der Wiederholungsgefahr]

(1) Ein Haftgrund besteht auch, wenn der Beschuldigte dringend verdächtig ist,

1. eine Straftat nach den §§ 174, 174a, 176 bis 179 oder nach § 238 Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches oder
2. wiederholt oder fortgesetzt eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat nach den §§ 89a, 89c Absatz 1 bis 4, nach § 125a, nach den §§ 224 bis 227, nach den §§ 243, 244, 249 bis 255, 260, nach § 263, nach den §§ 306 bis 306c oder § 316a des Strafgesetzbuches oder nach § 29 Abs. 1 Nr. 1, 4, 10 oder Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 des Betäubungsmittelgesetzes begangen zu haben, und bestimmte Tatsachen die Gefahr begründen, daß er vor rechtskräftiger Aburteilung weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begehen oder die Straftat fortsetzen werde, die Haft zur Abwendung der drohenden Gefahr erforderlich und in den Fällen der Nummer 2 eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten ist. In die Beurteilung des dringenden Verdachts einer Tatbegehung im Sinne des Satzes 1 Nummer 2 sind auch solche Taten einzubeziehen, die Gegenstand anderer, auch rechtskräftig abgeschlossener, Verfahren sind oder waren.

(2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn die Voraussetzungen für den Erlaß eines Haftbefehls nach § 112 vorliegen und die Voraussetzungen für die Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls nach § 116 Abs. 1, 2 nicht gegeben sind.

Der § 112a Absatz 1 Nummer 2 setzt also voraus, dass der Beschuldigte weitere im Einzelfall erhebliche Straftaten begeht. Dies war nach Ansicht des Landgerichts hier nicht der Fall, da die einzelnen Taten die Schwelle zur Erheblichkeit nicht überschritten hatten.

Fazit

Eine andere Beurteilung rechtfertige sich in Anbetracht dessen auch nicht daraus, dass der Angeklagte zu den Tatzeiten unter Bewährung stand und gewerbsmäßig gehandelt habe. Bedenken bestünden auch gegen die Erforderlichkeit der Sicherungshaft, die fehle, wenn die vom Beschuldigten ausgehende Gefahr durch andere Maßnahmen abgewendet werden könne. Vorliegend sie ein anderes Urteil, mit dem der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt wurde, aufgrund des Beschlusses des OLG zwischenzeitlich rechtskräftig, sodass es durch den anstehenden Strafvollzug der Anordnung der Sicherungshaft nicht bedürfe.


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Die Frage, ob eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall vorliegt, beantwortet sich nicht maßgeblich nach der Bewertung der Haupttat, sondern danach, ob das Gewicht der Beihilfehandlung selbst die Annahme eines besonders schweren Falles rechtfertigt.

Beihilfe im besonders schweren Fall nur, wenn gerade die Beihilfe die Qualifikation erfüllt

So entschied der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss BGH, Beschluss vom 27.01.2015 – 1 StR 142/14, dass nicht entscheidend ist, dass sich die Tat des Haupttäters, zu der Beihilfe geleistet wird, als besonders schwerer Fall erweist. Zu prüfen sei vielmehr, ob das Gewicht der Beihilfehandlung selbst die Annahme eines besonders schweren Falles rechtfertigt . Dies gilt nicht nur in Fällen unbenannter besonders schwerer Fälle, sondern auch dann, wenn im Wege einer Gesamtwürdigung zu klären ist, ob die Indizwirkung eines oder mehrerer Regelbeispiele für besonders schwere Fälle widerlegt ist. Das Landgericht hatte in der Vorinstanz rechtsfehlerhaft auch nicht bedacht, dass das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes Beihilfe Anlass sein kann, einen besonders schweren Fall zu verneinen.


Die Entscheidung im Volltext:

BGH, Beschluss vom 27.01.2015 – 1 StR 142/14

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 9. Juli 2013, soweit es den Angeklagten D. betrifft, aufgehoben a) im Strafausspruch und b) im Ausspruch über den Verfall des Wertersatzes.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten D. – neben den Mitan- geklagten K. und S. – wegen 69 Fällen der Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig gesprochen. Es hat ihn deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zudem hat es gegen den Angeklagten den Verfall von Wertersatz in einer Höhe von 30.000 Euro angeordnet. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und auf den Strafausspruch sowie die Höhe des angeordneten Verfalls von Wertersatz beschränkten Revision die Verletzung materiellen Rechts, ohne dabei die diesen Aussprüchen zugrunde liegenden Feststellungen anzugreifen. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

a) In den Jahren 2010/2011 sahen sich die Zollbehörden mit einer neuen Form international organisierter Kriminalität konfrontiert. Sie bestand darin, als Formenöl deklariertes Gasöl zur Verwendung als Kraftstoff in mittel- und osteuropäische Länder zu veräußern. Da es in Tschechien nur eine Raffinerie gab und die Eigenproduktion die Nachfrage nicht decken konnte, gab es dort einen erheblichen Bedarf an Dieselkraftstoff. Hintergrund dieser Kriminalitätsform ist, dass Gasöl im Gegensatz zu Formenöl der Energiesteuer unterliegt (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 EnergieStG).

Auch die gesondert verfolgten G. und Ga. planten die Herstel- lung eines scheinbaren Formenöls, um es unbelastet mit deutscher Energiesteuer als Kraftstoff insbesondere in Tschechien und Polen zu vermarkten. Sie bedienten sich hierfür der Firma Sy. Sp. (im Folgenden: Sy. ), bei der durch simples Vermischen von einem hohen Anteil von Dieselkraftstoff und einem geringen Anteil von Basisöl ein Gemisch hergestellt werden sollte, das weiterhin als Kraftstoff verwendbar war. Das Produkt sollte zwar als Formenöl ausgegeben werden, das etwa als Trennmittel im Baugewerbe verwendet werden kann; es sollte aber als Kraftstoff vermarktet werden.

Nach den Planungen von G. und Ga. sollte den Zollbehörden zunächst vorgetäuscht werden, dass durch Zumischen von Basisöl ein energiesteuerfreies Formenöl entstehe, um sich die Erlaubnis zum Bezug unversteuerten Dieselkraftstoffs zu erschleichen. Denn gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 24 Abs. 2 Satz 1 EnergieStG dürfen Energieerzeugnisse mit behördlicher Erlaubnis steuerfrei zu anderen Zwecken als zur Verwendung als Kraft- oder Heizstoff verwendet werden. Geplant war aber eine unzulässige Verwendung, weil das herzustellende Gemisch weiterhin die Eigenschaften von Gasöl im Sinne der Kombinierten Nomenklatur (KN; vgl. Verordnung [EG] Nr. 948/2009 der Kommission vom 30. September 2009 zur Änderung von Anhang I der Verordnung [EWG] Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABl. EU Nr. L 287 vom 31. Oktober 2009, S. 1) besaß.

Zum Nachweis der Eignung dieses „Formenöls“ als Kraftstoff für die Abnehmer, zugleich aber zur Verschleierung und eigenen Absicherung, sollten die Produkteigenschaften durch ein für das Prüfgebiet Mineralöl akkreditiertes Labor bestätigt werden. Durch dieses sollten neun für Dieselkraftstoff charakteristische Parameter geprüft werden, bei denen acht die Sollwerte für Dieselkraftstoff nach der DIN EN 590 einhalten sollten. Lediglich der Sollwert dieser DIN-Norm für die Destillation von 95% bei maximal 360 Grad Celsius sollte um wenige Grad überschritten werden. Ein solches Prüfergebnis sollte zugleich als Beleg für die vordergründige Behauptung dienen, es handele sich bei dem Produkt wegen der Normüberschreitung bei der DIN in einem Punkt gar nicht um Dieselkraftstoff und deswegen auch nicht um zu versteuerndes Gasöl. Demnach sollte das Produkt zwar einerseits für die Abnehmer als Dieselkraftstoff erkennbar sein, andererseits aber für die Zollbehörden kein Dieselkraftstoff sein. Für die Steuerpflicht nach dem Energiesteuergesetz kommt es jedoch allein auf die zolltarifliche Einreihung als Gasöl und nicht auf die Einhaltung aller Sollwerte der DIN EN 590 an.

Der anderweitig verfolgte G. beauftragte den Angeklagten damit, eine Betriebsstätte ausfindig zu machen und sodann in dem Betrieb als Vertrauensmann und Aufpasser vor Ort zu fungieren. Der Angeklagte, der in alle Umstände eingeweiht wurde, war einverstanden und wollte G. bei seinen auf Dauer angelegten Verbrauchsteuerhinterziehungen unterstützen. Er wollte – ebenso wie die Mitangeklagten K. und S. , die lediglich billigend in Kauf nahmen, dass der Geschäftsbetrieb der Sy. die Herstellung eines Scheinprodukts zur Verwendung als Kraftstoff zum Gegenstand hatte – im Wege der Entlohnung seiner Zuarbeit von dem auf die Hinterziehung von Energiesteuer ausgerichteten Geschäftsprinzip profitieren. Auf der Grundlage seiner Bemühungen konnte die Sy. ein Biodieselwerk in Gr. als Betriebs- stätte für drei Jahre anmieten.

Mit Schreiben vom 6. Mai 2010 beantragte G. als Geschäftsführer der Sy. beim Hauptzollamt Stralsund die Erlaubnis als Verwender nach § 24 Abs. 2 Satz 1 EnergieStG und erklärte hierbei, dass Dieselkraftstoff zur Vermischung mit einem Basisöl verwendet werden solle, um hierdurch ein „Formenöl“ der Unterposition 2710 1999 der Kombinierten Nomenklatur herzustellen. Dem Antrag war eine Betriebserklärung beigefügt, mit der angezeigt wurde, dass durch Mischen von 88 Anteilen Dieselkraftstoff und 12 Anteilen Basisöl das „Endprodukt Schmieröl (KN 2710 1999)“, d.h. Formenöl, hergestellt werde.

Mit Bescheid vom 29. Juni 2010 erteilte das Hauptzollamt Stralsund der Sy. die Erlaubnis, Dieselkraftstoff nach Maßgabe der vorgelegten Be- triebserklärung steuerfrei nach § 25 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG zu verwenden. In dem beigefügten Merkblatt für Verwender wurde darauf hingewiesen, dass Energiesteuer entsteht, wenn die Energieerzeugnisse entgegen der in der Erlaubnis genannten Zweckbestimmung verwendet werden, und dass in diesem Fall unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben ist.

Auf der Grundlage dieser Erlaubnis stellte die Sy. aus unversteuert bezogenem Dieselkraftstoff und steuerfreiem Basisöl angeblich Formenöl her. Bei dem Gemisch handelte es sich aber um Gasöl im Sinne der Kombinierten Nomenklatur. Das somit im Gegensatz zu Formenöl der Energiesteuer unterliegende Mischprodukt wurde zur Verwendung als Kraftstoff hergestellt. Die Energiesteuer wurde weder angemeldet noch entrichtet. Insgesamt wurden im Zeitraum vom 5. August 2010 bis 12. Dezember 2011 in 69 Fällen 32.483.922 Liter dieser Mischung ausgeliefert und mangels Abgabe von Steueranmeldungen Energiesteuer im Umfang von 15.280.436,91 Euro verkürzt.

b) Bei der Produktion fungierte der Angeklagte als Bindeglied zwischen G. und Ga. einerseits und dem Betriebsleiter der Sy. in Gr. , dem Mitangeklagten K. , andererseits. Ihm kam zudem die Aufgabe zu, die Daten der Fahrer der Tankfahrzeuge, die das hergestellte Produkt abholten, zu überprüfen und dem Mitangeklagten K. die Freigabe der jewei- ligen Lieferung mitzuteilen. Zudem übernahm er es, Proben zum Prüflabor der Firma GU. zu bringen und für einen laufenden Bürobetrieb zu sorgen.

c) Den Zollbehörden wurden über die Zusammensetzung des hergestellten Gemischs die folgenden Umstände bekannt:

Der Vertreter des Lieferanten des Dieselkraftstoffs, der Zeuge Dr. , hatte erfahren, dass das Produkt der Sy. nach Tschechien ausgeführt wer- den sollte. Nachdem er Verdacht geschöpft hatte, dass der steuerfrei gelieferte Dieselkraftstoff nicht regulär verwendet wurde, übergab er das vom Mitangeklagten K. erhaltene Ergebnis einer Laboranalyse am 13. Oktober 2010 an den Prüfungsdienst des Hauptzollamtes Hannover. Hieraus ergab sich, dass die Probe bei 350 Grad Celsius einen Destillationswert von 93 Raumhundertteilen (Volumenprozent) aufwies und dass es sich somit in Wirklichkeit um Gasöl nach der Kombinierten Nomenklatur handelte.

Veranlasst durch die Informationen des Zeugen Dr. verlangte der Zollbeamte Di. vom Hauptzollamt Hannover am 16. November 2010 im Rahmen der Steueraufsicht eine Probe des hergestellten Gemischs zur Prüfung der zweckgerechten Verwendung des steuerfrei bezogenen Dieselkraftstoffs. Die Probe wurde durch das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung untersucht. Nach dessen Untersuchungszeugnis vom 31. Januar 2011 handelt es sich bei dem Gemisch um Gasöl nach Unterposition 2710 1941 der Kombinierten Nomenklatur. Am selben Tag leitete das Zollfahndungsamt gegen die Verantwortlichen der Sy. ein Ermittlungsverfahren ein. In Anbetracht des Steuergeheimnisses schwieg der Zollbeamte Di. , der den Betrieb der Sy. im monatlichen Rhythmus zur Überprüfung der Verbu- chung der versandten Ware aufsuchte, zu dem Untersuchungsergebnis.

Am 22. November 2010 kontrollierte die Zolldirektion Prag einen Tankwagen mit dem von der Sy. produzierten „Formenöl“. Das Fahrzeug und die Ladung wurden beschlagnahmt. Die Überprüfung von sieben Proben ergab am 30. November 2010, dass es sich bei sämtlichen Proben um Gasöl handelte. Gleichwohl unterrichtete der Zollverbindungsbeamte der tschechischen Botschaft die deutschen Zollbehörden am 19. Januar 2011 im Rahmen einer „Spontanauskunft“ dahin, dass in vier Kammern des Tankwagens Formenöl und in drei Kammern Gasöl geladen gewesen sei. Erst am 21. März 2011 korrigierte der Zollverbindungsbeamte seine Auskunft dahin, dass es sich um einen Irrtum gehandelt habe und sämtliche sieben Proben Gasöl enthalten hätten.

Nach der Fahrzeugbeschlagnahme in Prag stellte die Sy. die Pro- duktion bis Mitte Dezember 2010 ein und verlangte dann von dem Prüflabor Prüfberichte, in denen für die Vorlage beim Zoll eine Bestätigung des Labors enthalten war, dass es sich bei dem Produkt um Formenöl handele. Die Lieferungen nach Tschechien wurden erst im Juni 2011 wieder aufgenommen (UA S. 14).

Erst mit Bescheid vom 19. Dezember 2011 widerrief das Hauptzollamt Stralsund die Erlaubnis vom 29. Juni 2010 mit der Begründung, es bestehe der Verdacht, dass entgegen der Erlaubnis und entgegen der Betriebserklärung kein Schmieröl nach Unterposition 2710 1999 der Kombinierten Nomenklatur, d.h. kein Formenöl, hergestellt werde.

2. Das Landgericht hat die Mitwirkung des Angeklagten als 69 Fälle der Beihilfe zur Hinterziehung von Energiesteuer durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 30 Abs. 2 Satz 4 EnergieStG sowie § 23 Abs. 6 Satz 3 EnergieStG, § 27 Abs. 1 StGB) gewertet.

a) Indem mit der Vermischung des steuerfrei bezogenen Gasöls mit Basisöl entgegen der in der Erlaubnis enthaltenen Zweckbestimmung wiederum Gasöl hergestellt worden sei, sei gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG für den verwendeten Dieselkraftstoff Energiesteuer entstanden. Für das zur Herstellung des Gemischs eingesetzte Basisöl sei die Steuer gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EnergieStG mit der Abgabe entstanden, weil das Gemisch ein Energieerzeugnis nach § 4 EnergieStG gewesen sei.

b) Die Sy. sei gemäß § 30 Abs. 2 Satz 4 bzw. § 23 Abs. 6 Satz 3 EnergieStG verpflichtet gewesen, unverzüglich die entstandene Energiesteuer anzumelden. Dieser Verpflichtung sei der anderweitig verfolgte G. als ge- setzlicher Vertreter der Sy. nicht nachgekommen. Er habe hierdurch das Hauptzollamt in allen 69 Fällen in Unkenntnis darüber gelassen, dass Energiesteuer entstanden sei. Dadurch habe er jeweils die Energiesteuer verkürzt. Zwar habe ab Anfang Februar 2011 nach Bekanntwerden des Ergebnisses der im November 2010 gezogenen Produktprobe und erst Recht nach einer erneuten „positiven“ Probe aus dem September 2011 Anlass zu der Annahme bestanden, es werde erlaubniswidrig Gasöl hergestellt. Die beiden Stichproben hätten aber noch keine für eine Steuerfestsetzung hinreichende Anknüpfungsbasis geboten. Weder die zolltarifliche Einreihung des im verbleibenden Produktionszeitraum erzeugten Gemischs sei hinreichend sicher zu beurteilen gewesen, noch seien die hergestellten und veräußerten Mengen hinreichend überschaubar gewesen (UA S. 42).

c) Die in den einzelnen Produktionswochen geleisteten Unterstützungshandlungen des Angeklagten hat das Landgericht jeweils als Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zur Steuerhinterziehung des G. gewertet.

II.

Die zum Nachteil des Angeklagten D. eingelegte und wirk- sam auf den Strafausspruch und die Verfallsentscheidung (ohne die zugrunde liegenden Feststellungen) beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg.

1. Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Allerdings ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. Juni 2013 – 1 StR 226/13, wistra 2013, 471; BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 127; jeweils mwN). Solche Rechtsfehler liegen hier indes vor.

b) Das Landgericht hat bei der Strafzumessung strafmildernd gewertet, dass der Angeklagte Untersuchungshaft von über einem Jahr erlitten hat (UA S. 43). Dies ist rechtsfehlerhaft. Denn der durch Untersuchungshaft erlittene Freiheitsentzug ist bei Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe wegen der vollen Anrechenbarkeit nach § 51 StGB kein strafmildernd zu berücksichtigender Nachteil (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 21; BGH, Urteil vom 22. Mai 2012 – 1 StR 103/12, wistra 2012, 350). Mit dem Vollzug der Untersuchungshaft für den Angeklagten verbundene besondere Erschwernisse hat das Landgericht nicht festgestellt.

Bereits dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung aller Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht höhere Strafen verhängt hätte, wenn es den Vollzug der Untersuchungshaft nicht strafmildernd gewertet hätte.

c) Darüber hinaus begegnet in den Fällen 25 bis 69 der Urteilsgründe die Zumessung der Einzelstrafen weiteren durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

In diesen Fällen hat das Landgericht die Indizwirkung der Regelbeispiele der Steuerverkürzung in großem Ausmaß (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO) und der bandenmäßigen Begehung (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO) mit der Begründung als widerlegt angesehen, die Aufrechterhaltung der Erlaubnis, steuerfreien Dieselkraftstoff zu beziehen, sei ab Februar 2011 vorwerfbar im Sinne eines Eigenverschuldens des geschädigten Fiskus gewesen (UA S. 45). Es hat deshalb die Strafen dem gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO entnommen.

aa) Bereits die Annahme des Landgerichts, bei ordnungsgemäßem Handeln der Zollbehörden hätte es ab Februar 2011 zu keinen Steuerverkürzungen mehr kommen können, ist rechtsfehlerhaft.

Dieser Annahme liegt die Prämisse zugrunde, dass mit Bekanntwerden der Ergebnisse der zollinternen Untersuchung der bei der Sy. gezogenen Gemischprobe am 31. Januar 2011 für die Zollbehörden Anlass bestanden habe, unverzüglich eine weitere Probe zu nehmen und sofort zu untersuchen. Hätten sie dies aber getan, hätten sie erkannt, dass die Erlaubnis der Sy. zum steuerfreien Bezug von Dieselkraftstoff zwingend gemäß § 24 Abs. 5 Satz 2 EnergieStG hätte widerrufen werden müssen. Wäre aber die Erlaubnis widerrufen worden, hätte die Produktion des „Formenöls“ bei der Sy. ein „unmit- telbares Ende“ gefunden. Damit wären auch keine weiteren Steuerschäden entstanden (UA S. 45). Diese Erwägungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

(1) Zwar trifft es zu, dass hier gemäß § 24 Abs. 5 Satz 2 EnergieStG ein Grund für den Widerruf der Erlaubnis gegenüber der Sy. zum steuerfreien Bezug von Dieselkraftstoff bestand. Denn die Sy. stellte (auch weiterhin) ein Gemisch her, das Gasöl und damit Kraftstoff im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnergieStG war. Damit fehlte ihr die für die Gewährung einer Erlaubnis der steuerfreien Verwendung von Dieselkraftstoff erforderliche steuerliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 24 Abs. 5 Satz 2 EnergieStG. Wäre im Rahmen der Steueraufsicht bei der Sy. eine weitere Probe des hergestellten Ge- mischs genommen und untersucht worden, hätte der Widerrufsgrund auch erkannt werden können.

(2) Allerdings war das Verhalten der Zollbehörden nur dann vorschriftswidrig, wenn sie sich zu dieser Probe gedrängt sehen mussten. Zu dieser Frage sind die Ausführungen des Landgerichts lückenhaft.

Zum einen hat das Landgericht Umstände rechtsfehlerhaft nicht in den Blick genommen, die gegen eine steuerliche Unzuverlässigkeit der Firma Sy. und damit gegen das Vorliegen eines Widerrufsgrundes gemäß § 24 Abs. 5 Satz 2 EnergieStG sprechen konnten. Denn nach den Urteilsfeststellungen hatte die Sy. die Lieferungen nach Tschechien eingestellt, nachdem dort im November 2010 ein Tankwagen beschlagnahmt worden war. Damit bestand für den Zoll, der die Verbuchung der Auslieferungen bei der Sy. mo- natlich prüfte (UA S. 13) jedenfalls kein Anhaltspunkt mehr für eine zweckwidrige Verwendung des steuerfreien Dieselkraftstoffs als Kraftstoff für den tschechischen Markt. Erst nach mehreren Monaten nahm die Sy. die Produktion für den tschechischen Markt wieder auf (UA S. 14). Das Landgericht hat dies nicht berücksichtigt. Zudem hat das Landgericht in seine Erwägungen nicht einbezogen, dass der Zollverbindungsbeamte der tschechischen Botschaft die deutschen Zollbehörden am 19. Januar 2011 im Rahmen einer Spontanauskunft (objektiv unzutreffend) dahingehend informiert hatte, dass in vier von sieben Kammern Formenöl geladen gewesen sei (UA S. 13).

Auch hat das Landgericht in diesem Zusammenhang rechtsfehlerhaft nicht erörtert, dass das unabhängige Prüflabor nunmehr Bestätigungen mit angegebener Zolltarifnummer vorlegte, mit denen bescheinigt wurde, dass es sich bei dem jeweils geprüften Produkt um Formenöl handelte. Die Wertung des Landgerichts, es habe „aller Anlass bestanden, unverzüglich eine weitere Probe zu nehmen und sofort zu untersuchen“ (UA S. 45), beruht somit auf einer lückenhaften Erörterung des festgestellten Sachverhalts und ist damit rechtsfehlerhaft.

(3) Schließlich hat das Landgericht auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen es den Zollbehörden möglich gewesen sein sollte, bei einer erneuten Probennahme am 31. Januar 2011, wobei die Probe erst noch untersucht werden musste, schon Anfang Februar 2011 im Besitz der für den Widerruf der Erlaubnis erforderlichen Nachweise der steuerlichen Unzuverlässigkeit der Sy. zu sein.

bb) Auch die Wertung der Strafkammer, es sei als Mitverschulden des Staates am Steuerschaden zu werten, dass effektive strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen erst nach Monaten ergriffen worden seien, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Das Landgericht ist der Auffassung, es sei in solchen Fällen vor dem Hintergrund des weiter anwachsenden Steuerschadens nur dann vertretbar, die strafrechtlichen Ermittlungen verdeckt zu halten, um weitere Tatverdächtige und eventuelle Hintermänner festzustellen, wenn alsbald effektive Ermittlungsmaßnahmen, die die Ahnungslosigkeit der Tatbeteiligten voraussetzen, insbesondere Observationen und Telekommunikationsüberwachung, auch durchgeführt würden. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. Observationen hätten erst ab Juni 2011 und Telekommunikationsüberwachungen erst ab September 2011 stattgefunden (UA S. 45).

Damit verkennt das Landgericht, dass ein Anspruch eines Straftäters darauf, dass die Ermittlungsbehörden rechtzeitig gegen ihn einschreiten, um seine Taten zu verhindern, nicht besteht (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 – 1 StR 312/07, NStZ 2007, 635; BGH, Beschluss vom 25. September 2012 – 1 StR 407/12, BGHR § 370 Abs. 1 Strafzumessung 23). Insbesondere folgt ein solcher Anspruch nicht aus dem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2010 – 1 StR 275/10 Rn. 31, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Angaben 10; BGH, Beschluss vom 21. November 2012 – 1 StR 391/12, wistra 2013, 107 mwN; vgl. auch BVerfG [Kammer] Beschluss vom 4. Dezember 2003 – 2 BvR 328/03).

Es war daher bereits im Ansatz rechtsfehlerhaft, in den Fällen 25 bis 69 der Urteilsgründe die Art und Weise der Durchführung der strafrechtlichen Ermittlungen seitens der Strafverfolgungsbehörden als Mitverschulden des Staates an den mit Unterstützung des Angeklagten herbeigeführten Steuerverkürzungen zu werten. Ein Straftäter hat auch dann keinen Anspruch auf ein frühzeitiges Eingreifen der Strafverfolgungsbehörden, wenn durch sein Handeln fortlaufend weitere hohe Steuerschäden entstehen.

cc) Auch die Wertung des Landgerichts, es begründe eine Mitverantwortung des Staates für den entstandenen Steuerschaden, wenn die Zollbehörden weitere Steuerstraftaten zuließen, weil sie trotz Vorliegens eines Widerrufsgrundes die Erlaubnis für die Verwendung steuerfreien Dieselkraftstoffs nicht widerriefen, ist rechtsfehlerhaft.

(1) Zwar trifft es zu, dass das Verhalten des Steuerfiskus als Verletztem – nicht anders als bei einem sonstigen Geschädigten einer Straftat – strafmildernd berücksichtigt werden kann, wenn es für den Taterfolg mitverantwortlich war.

(2) Jedoch ist zu beachten, dass das Besteuerungssystem auf wahrheitsgemäße Angaben des Steuerpflichtigen angewiesen ist; eine umfassende Überprüfung aller steuerrechtlich relevanten Sachverhalte durch die Finanzverwaltung ist ausgeschlossen. Die Kontrollmechanismen der Finanzverwaltung müssen in vielen Bereichen auf Stichproben beschränkt bleiben. Missbraucht ein Täter diese systembedingt nicht sehr intensiven Kontrollmechanismen, kann ihm dies nicht zugutekommen (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1847). Deswegen ist eine staatliche Mitverantwortung für Steuerverkürzungen regelmäßig nur dann gegeben, wenn das staatlichen Stellen vorwerfbare Verhalten unmittelbar auf das Handeln des Täters Einfluss genommen hat (etwa weil dieser bislang nicht tatgeneigt war oder ihm wenigstens durch das Verhalten der Finanzbehörden die Tat erleichtert wurde) und den staatlichen Stellen die Tatgenese vorgeworfen werden kann (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2010 – 1 StR 275/10 Rn. 30, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Angaben 10 mwN; BGH, Beschluss vom 25. September 2012 – 1 StR 407/12, BGHR § 370 Abs. 1 Strafzumessung 23; vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. Mai 1983 – 1 StR 25/83, wistra 1983, 145). Die bloße kausale Mitverursachung eines Taterfolgs durch staatliche Stellen genügt demgegenüber nicht (vgl. auch BGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – 3 StR 474/08, NStZ-RR 2009, 167).

(3) Es kann daher zwar bei der Gesamtwürdigung des Schuldgehalts einer Tat im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden, wenn der Fiskus einem Steuerpflichtigen steuerliche Vergünstigungen gewährt, obwohl deren Voraussetzungen nicht oder nicht mehr gegeben sind. Ein Strafmilderungsgrund mit dem Gewicht einer staatlichen Mitverantwortung für die begangenen Steuerstraftaten und deren Verkürzungsumfang liegt darin jedoch nicht. Hier wurden die Taten nicht bereits durch den von der Zollbehörde ermöglichten steuerfreien Bezug des Dieselkraftstoffs begangen, sondern erst durch dessen zweckwidrige Verwendung durch die Sy. entgegen § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnergieStG.

(4) Durch den nicht vorgenommenen Widerruf der Erlaubnis schafften die Zollbehörden für die Sy. lediglich die allgemeine Möglichkeit, durch zweckwidrige Verwendung rechtmäßig steuerfrei erworbener Energieerzeugnisse Steuern zu hinterziehen. Denn die Steuern, die Gegenstand der Steuerstraftaten waren, entstanden überhaupt erst mit der zweckwidrigen Verwendung des Dieselkraftstoffs durch die Sy. . Damit hatte der unterlassene Widerruf lediglich zur Folge, dass die Tatbeteiligten die tatsächliche Möglichkeit hatten, Energiesteuern auf diese Weise zu verkürzen. Eine staatliche Verantwortung für den aus den Steuerhinterziehungen sich ergebenden Steuerschaden ergab sich daraus nicht.

dd) Schließlich ist zu besorgen, dass das Landgericht bei der Strafrahmenwahl dem Verhalten des Fiskus ein zu großes Gewicht beigemessen hat.

Denn die Wertung des Landgerichts, das Verhalten der Finanzbehörden in den Fällen 25 bis 68 der Urteilsgründe habe die Indizwirkung zweier Regelbeispiele für Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 5 AO) vollständig kompensiert, beruht auf einem weiteren Rechtsfehler.

Kommt Versäumnissen staatlicher Organe im Rahmen der Strafzumessung Bedeutung zu, muss nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in jedem Fall strafschärfendes Verhalten des Tatbeteiligten (etwa Skrupellosigkeit, Raffinesse oder Hartnäckigkeit) ins Verhältnis zum Verhalten der zum Schutze der staatlichen Vermögensinteressen berufenen Beamten gesetzt werden (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2010 – 1 StR 275/10 Rn. 30, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Angaben 10 mwN). Nutzt ein Täter gezielt die Schwächen der Kontrollmechanismen der Finanzverwaltung aus, wird dies im Ergebnis strafschärfend und nicht strafmildernd zu werten sein (vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. September 2012 – 1 StR 407/12, BGHR § 370 Abs. 1 Strafzumessung 23). Dies gilt erst recht, wenn der Täter zur Täuschung der Finanzbehörden sein Verhalten gezielt verschleiert.

Hier hat das Landgericht das Verhalten des Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung nicht zu dem der Zollbehörden ins Verhältnis gesetzt. Dies war rechtsfehlerhaft. Denn die Vorgehensweise der Tatbeteiligten zur Täuschung der Zollbehörden wurde nach dem Aufgriff des Tankwagens in Tschechien am 22. November 2010 sogar noch verfeinert. Gerade der Angeklagte sorgte dafür, dass in die Prüfberichte des Prüflabors von da an eine ausdrückliche Bestätigung aufgenommen wurde, dass es sich bei dem Produkt um Formenöl handele, welches den Produktanforderungen der Unterposition 2710 1999 der Kombinierten Nomenklatur entspreche. Dieser Umstand hatte auch für das Gewicht der Beihilfehandlungen des Angeklagten erhebliche Bedeutung.

ee) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne diese Rechtsfehler die Indizwirkung der Regelbeispiele besonders schwerer Fälle der Steuerhinterziehung nicht verneint und die Einzelstrafen entweder dem gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO oder (unter Verbrauch des vertypten Milderungsgrundes Beihilfe) dem Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO (ohne weitere Milderung gemäß §§ 27, 49 StGB) entnommen hätte.

2. Der Ausspruch über den Verfall von Wertersatz hat ebenfalls keinen Bestand. Die Handhabung der Härtevorschrift des § 73c StGB durch das Landgericht war rechtsfehlerhaft.

a) Die Annahme einer „unbilligen Härte“ im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB setzt nach ständiger Rechtsprechung eine Situation voraus, nach der die Anordnung des Verfalls das Übermaßverbot verletzen würde, also schlechthin „ungerecht“ wäre. Die Auswirkungen müssen im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen; es müssen besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des Verfallszwecks liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht zugemutet werden kann (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 – 4 StR 153/08, wistra 2009, 23).

b) Diesen Maßstäben werden die Erwägungen des Landgerichts zum Vorliegen einer „unbilligen Härte“ nicht gerecht.

Das Landgericht hat zunächst die Beträge festgestellt, die der Angeklagte im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB für die von ihm begangenen Taten erhalten hat. Es hat sodann den Verfall von Wertersatz (§ 73a StGB) auf den Betrag von 30.000 Euro beschränkt. Als Begründung hierfür hat es lediglich angeführt, dass in Anbetracht der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und des Umstands, dass er mit einer Inanspruchnahme für die Steuerschulden der Sy. aus § 71 AO zu rechnen habe, eine Verfallsanordnung in voller Höhe der erlangten Beträge für ihn eine unbillige Härte darstellen würde. Ohne nähere Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten kann der Senat jedoch nicht feststellen, ob diese Wertung zutrifft.

3. Einer Aufhebung der dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen bedarf es nicht, da sie von den Wertungsfehlern und Erörterungsmängeln nicht betroffen sind, wegen derer das Urteil teilweise aufgehoben wird (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht hat mit den bisherigen nicht im Widerspruch stehende ergänzende Feststellungen zu treffen. Im Hinblick auf die Frage des Verfalls wird es dabei insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten in den Blick nehmen.

Rothfuß Graf Jäger Radtke Mosbacher

Quelle: openjur.de (Link)

Tim Wullbrandt || Strafrecht in Mannheim

(Einmaliger Konsum einer Kräutermischung kann Entzug des Führerscheins rechtfertigen – zu VG Trier , Beschluss vom 31. März 2015, Az.: 1 L 669/15.TR) Kräutermischungen sind in der jüngeren Vergangenheit eine immer häufiger verbreitete Alternative zum Konsum von „klassischen“ Drogen wie beispielsweise Marihuana, LSD, Exctasy oder Speed. Oftmals erfolgt der Konsum der Kräutermischungen in der irrigen Annahme, es handele sich dabei um sogenannte „legal highs“ – also legale Rauschmittel. Die abschließende Bewertung, ob legal oder illegal, kann dabei vom Konsumenten selbst kaum vorgenommen werden, da er den genauen Inhalt der Kräutermischung selbst gar nicht kennt. Neben der Gefahr einer Strafverfolgung wegen illegalen Besitzes von Betäubungsmitteln gerät der Konsument daher – wie auch die hier besprochene neue Entscheidung des Verwaltungsgerichts Trier zeigt – in die Gefahr weiterer, oftmals unmittelbar schwerer wiegender Strafen. Ganz konkret: Es droht der sofortige Entzug des Führerscheins!

Einmaliger Konsum von Kräutermischung mit „harter Droge“ rechtfertigt den Führerscheinentzug

Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier hat jüngst in ihrem Beschluss vom 31.03.2015 entschieden, dass schon der einmalige Konsum von Kräutermischungen, die nachgewiesenermaßen einen Wirkstoff beinhalten, der in der Anlage zum Betäubungsmittelgesetz als sog. „harte Droge“ aufgenommen ist, dazu führt , dass die zuständige Fahrerlaubnisbehörde, unabhängig von der Menge der im Blut festgestellten Wirkstoffkonzentration, die Fahrerlaubnis entziehen darf.

Ein solcher Entzug der Fahrerlaubnis setzt nur eines voraus: Die konsumierte Kräutermischung muss Wirkstoffe enthalten haben, die im der Anlage zum Betäubungsmittelgesetz als „harte Droge“ geführt werden (wobei die Kenntnis des Konsumenten hiervon grundsätzlich unbeachtlich ist). Achtung: Was ausdrücklich keine Voraussetzung für den Entzug darstellt ist die Teilnahme am Straßenverkehr! Das bedeutet, dass der Führerschein auch dann entzogen werden kann, wenn die Drogen zwar konsumiert wurden, der Konsument aber gar nicht am Straßenverkehr teilgenommen hat.

Entzug der Fahrerlaubnis auch ohne Teilnahme am Straßenverkehr

Auch das VG Trier stützt sich in seienr Entscheidung auf die diesbezüglich herrschende Rechtsprechung und auf den Erfahrungssatz aus § 46 Abs. 1 S. 2 FeV i.V.m. Ziff. 9.1 Anlage 4 FeV, wonach bereits die einmalige Einnahme von Drogen im Sinne des BtMG – mit Ausnahme von Cannabis – regelmäßig die Fahreignung des Konsumenten ausschließt. Diese Annahme gilt dabei völlig unabhängig von der Höhe der nachgewiesenen Wirkstoffkonzentration beim Konsumenten, der Teilnahme am Straßenverkehr und eventuellen Ausfallerscheinungen.

Fahrer zeigte unter Drogeneinfluss Ausfallerscheinungen

Tim Wullbrandt | Strafverteidiger | Heidelberg & WörrstadtIn dem vom VG Trier entschiedenen Fall musste sich das Gericht sich mit dieser Frage jedoch nicht beschäftigen. Der Antragsteller des Verfahrens war nämlich mit seinem Fahrzeug im Mai 2014 in eine Polizeikontrolle gekommen, in der er sich auffällig verhielt. Er wurde daraufhin zur Polizeidienststelle mitgenommen und es wurde ihm eine eine Blutprobe genommen, welche die Aufnahme von verschiedenen synthetischen Cannabinoiden, u.a. von JWH-210, das in etwa die 90-fache pharmakologische Potenz des Cannabiswirkstoffs THC hat, ergab. Wegen der Wirkstoffintensität und dem damit einhergehenden erheblichen Gefährdungspotenzial ist dieses Cannabinoid seit 2012 in der Anlage zum Betäubungsmittelgesetz erfasst. Obwohl in der Blutprobe des Antragstellers nur eine geringe Menge dieses Stoffes nachgewiesen werden konnte, entzog die zuständige Fahrerlaubnisbehörde des Landkreises Bernkastel-Wittlich die Fahrerlaubnis mit sofortiger Wirkung.

Eilantrag des Betroffenen gegen Entzug des Führerscheins bleibt erfolglos

Der Antragsteller legte Widerspruch gegen die Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde ein und beantragte daneben, die Aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen. Das Verwaltungsgericht lehnte diesen Antrag nun jedoch ab.

Zu Recht, so die Richter der 1. Kammer, habe die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis (vorläufig) entzogen. Dem Antragsteller stehe kein Anspruch auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches zu. Die einschlägigen Vorschriften der Fahrerlaubnisverordnung sähen vor, dass schon die einmalige Einnahme von Betäubungsmitteln  regelmäßig die Fahreignung ausschließe – und zwar (wie oben dargestellt) unabhängig von der Menge des Konsums und etwaiger Ausfallerscheinungen). Es handele sich dabei um eine normative Wertung, an welche sich das Gericht gebunden sah. Deren Hintergrund sei, so dass Gericht, dass die im BtMG genannten Stoffe wegen ihrer Eigenschaft als Gifte gefährlich und schlecht kontrollierbar seien. Daneben bestehe bei diesen Stoffen eine erhebliche Gefahr der schnell eintretenden Abhängigkeit mit den damit zumeist einhergehenden Folgen für das Sozialverhalten des Konsumenten. Wegen der typischen Verstrickung in eine Szene entwickelten sich oft Konsummuster, die eine strikte Trennung von Konsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen von vorneherein unmöglich machten.

Cannabis ist anders zu werten als synthetische Drogen

Bei synthetischen Drogen wisse der Konsument zudem regelmäßig nicht, welche Substanzen er überhaupt in welcher Zusammensetzung und in welcher Konzentration einnehme.Aufgrund des stark erhöhten Risikopotenzials verbiete sich eine Gleichbehandlung derartiger Drogen mit THC. Von solchen Stoffen gehe ein signifikant höheres Risiko für den Straßenverkehr aus, was regelmäßig die Entziehung der Fahrerlaubnis erforderlich mache.

Fazit

Als Fazit auch dieser Entscheidung lässt sich erneut nur festhalten, dass grundsätzlich der Konsum harter Drogen neben den Gefahren für die Gesundheit der Gefahr der Strafverfolgung auch immer latent eine Bedrohung für den Besitz der Fahrerlaubnis darstellt. Deren Verlust ist oftmals mit existentiellen Einschnitten im Leben des Betroffenen verbunden (Verlust von Arbeitsplatz und Existenz). Dieses enorme Risiko besteht um so mehr, wenn der Betroffene Drogen konsumiert, von denen er gar nicht weiß, um welche Drogen es sich handelt (was bei Kräutermischungen praktisch immer der Fall ist).

 

Rechtsanwalt für Jugendstrafrecht in Heidelberg & WörrstadtKONTAKT

Rechtsanwalt & Strafverteidiger Tim Wullbrandt
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Die Entscheidung im Volltext:

Verwaltungsgericht Trier , Beschluss vom 31. März 2015, Az.: 1 L 669/15.TR

Tenor
  1. Der Antrag wird abgelehnt.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
  3. Der Streitwert wird auf 2.500,- € festgelegt.
Gründe:

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid über die Entziehung der Fahrerlaubnis vom 15.  Dezember 2014 wiederherzustellen bzw. hinsichtlich der Androhung unmittelbaren Zwangs und der Gebührenfestsetzung anzuordnen, ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaft. Der von dem Antragsteller eingelegte Widerspruch (Eingang beim Antragsgegner am 29. Dezember 2014) hat, soweit er sich gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis (Ziff. 1) und die Abgabe des Führerscheins (Ziff. 2) des angefochtenen Bescheides richtet, wegen der angeordneten sofortigen
Vollziehung keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Soweit er sich gegen die in dem Bescheid ausgesprochene Androhung eines Zwangsmittels (Ziff. 4) bzw. die Gebührenfestsetzung (Ziff. 5) richtet, kommt ihm bereits von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zu (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 VwGO i. V. m. §§ 20 AGVwGO, 65 LVwVG). Ziffer 6 des
Bescheides hat keinen eigenständigen Regelugsgehalt, sondern beinhaltet lediglich einen Hinweis auf die Voraussetzungen für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Sie ist insbesondere gemäß § 80 Abs. 3 VwGO ausreichend mit den überragenden Interessen der Verkehrssicherheit und
damit von Leib, Leben und hochwertigen Sachgütern anderer Verkehrsteilnehmer begründet.

Im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung des Bescheides das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, weil der Bescheid rechtmäßig ist und es aus Gründen der Verkehrssicherheit erforderlich ist, das Führen von Kraftfahrzeugen durch den Antragsteller auch schon vor Bestandskraft
des angefochtenen Bescheides zu unterbinden.

Der angefochtene Bescheid vom 15. Dezember 2014 ist rechtmäßig. Gemäß § 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – i.V.m. § 46 Abs. 1 S. 1 der Fahrerlaubnisverordnung – FeV – ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das gilt nach Satz 2 der letztgenannten Vorschrift insbesondere, wenn ein Mangel nach der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV – Anlage 4 FeV – vorliegt. In § 46 Abs. 1 S. 2 FeV i.V.m. der Anlage 4 FeV hat der Verordnungsgeber eine Bewertung der Auswirkungen bestimmter Verhaltensweisen und Erkrankungen auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorgenommen, indem er die auf wissenschaftlicher Grundlage gewonnenen und bereits im Gutachten „Krankheit und Kraftverkehr“ zusammengefassten Erkenntnisse in die FeV integriert und damit normativ als für den Regelfall zutreffend gekennzeichnet hat. § 46 Abs. 1 S. 2 FeV i.V.m. Ziff. 9.1 Anlage 4 FeV beinhaltet den Erfahrungssatz, dass schon die einmalige Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (außer Cannabis), also sogenannter harter Drogen, unabhängig von der Höhe der nachgewiesenen Betäubungsmittelkonzentration, unabhängig von einer Straßenverkehrsteilnahme im berauschten Zustand und unabhängig davon, ob konkrete Ausfallerscheinungen im Hinblick auf die Fahrtüchtigkeit beim Betroffenen zu verzeichnen waren, regelmäßig die Fahreignung ausschließt. An diese normative Wertung ist das Gericht gebunden, solange im Einzelfall keine Umstände vorliegen, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen (ständige Rechtsprechung des OVG RP, u.a. Beschluss
vom 25. Januar 2012 -10 B 11430/11- sowie Beschluss vom 14. Februar 2006 -10 B 10085/06.OVG- m.w.N.; BayVGH, Beschluss vom 18. Oktober 2010 -11 CS 10.1810-; juris).

Hintergrund für die in Nr. 9.1 der Anlage 4 FeV getroffene Anordnung ist, dass Personen, die Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes einnehmen, charakterlich-sittliche Mängel offenbaren, die den Schluss rechtfertigen, dass der betreffende Konsument bereit ist, die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit eigenen Interessen unterzuordnen und dabei die sich hieraus
ergebenden Gefahren im Straßenverkehr in Kauf zu nehmen. Die im Betäubungsmittelgesetz genannten Stoffe sind auch wegen des durchaus typischen Ausmaßes der missbräuchlichen Verwendung der Drogen und auch wegen ihrer Toxizität gefährlich und schlecht kontrollierbar. Mit erheblicher Wahrscheinlichkeit besteht ferner die Gefahr, dass sich problematische Konsummuster bilden, die mehr oder weniger zum Verlust der Verhaltenskontrolle führen können. Darüber hinaus kann der Konsument von Betäubungsmitteln im
Sinne des Betäubungsmittelgesetzes, das gilt gerade bei den hier in Rede stehenden synthetischen Drogen, nur schwer einschätzen, wie der Verlauf und die Intensität der Wirkung solcher Substanzen ist. Das eigene Verhalten ist hierdurch schwer zu steuern. Auch ist es im Regelfall durchaus problematisch, die Konsummenge dem anzupassen, was der jeweilige Konsument verträgt. Ferner
sind für die Einnahme solcher Substanzen das Auftreten atypischer Rauschverläufe, unerwünschter und oft auch unerwarteter Nachhalleffekte in der Nachrauschphase sowie Abklingsyndrome und Entzugserscheinungen typisch. Dabei weiß der Konsument bei synthetischen Drogen regelmäßig nicht, welche Substanzen er überhaupt in welcher Zusammensetzung und in welcher Konzentration einnimmt. Wegen der typischen Verstrickung in eine Szene entwickeln sich mitunter Konsummuster, die eine strikte Trennung von Konsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen von vornherein verunmöglichen bzw. erschweren (BayVGH, a.a.O.).

Der Antragsteller hat sich nach derzeitiger Sach- und Rechtslage hiernach als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Er hat Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes konsumiert, wobei sich wegen der hohen pharmakologischen Potenz schon allein des nachgewiesenen Cannabinoids JWH-210 eine Parallele zur Einnahme von THC verbietet. Umstände, die die normative Regelannahme in Frage stellen könnten und für die damit der Antragsteller darlegungs- und nachweispflichtig ist (BayVGH, Beschluss vom 8. November 2006 – 11 CS 05.2688 – m.w.N.), liegen hier nicht vor. Das steht fest aufgrund des Geschehens vom 18. Mai 2014. Am fraglichen Tag befuhr der Antragssteller mit seinem PKW der Marke BMW (amtliches Kennzeichen ****) die L 141 von ***** kommend in Fahrtrichtung ****. Der Antragsteller fuhr zu schnell und wurde deshalb von zwei Polizeibeamten kontrolliert. Als dem Antragsteller mitgeteilt wurde, dass er auf seine Fahrtauglichkeit überprüft werden solle, wurde dieser lautstark und aufbrausend. Er wollte sich nicht in die Augen leuchten lassen. Die Polizeibeamten wären hierfür nicht qualifiziert. Das sei nur Ärzten erlaubt. Der Antragsteller wirkte ausweislich der Einsatzmeldung sehr angespannt. Er zitterte an den Fingern. Der Antragsteller zeigte insgesamt starke Stimmungsschwankungen von lautstark/aufbrausend/einschüchternd bis ruhig und distanzlos. Er wurde sodann mit zur Polizeidienstelle genommen, wo er sich mit einer Blutprobe einverstanden erklärte. Ausweislich des toxikologischen Befundes vom
23. Juli 2014 wurde das entnommene Serum selektiv auf mehr als 60 verschiedene Cannabinoid-Rezeptor-Agonisten untersucht. Dabei wurde die Aufnahme von synthetischen Cannabinoiden nachgewiesen. Im Einzelnen handelte es sich um: EAM-2201, STS-135, ABICA und JWH-210. Ausweislich der gutachterlichen Stellungnahme bedeutet dies, dass diese Substanzen im Gehirn
an Cannabinoid-Rezeptoren wirken und somit ganz ähnliche psychotrope Effekte verursachen können, wie der Cannabiswirkstoff THC. Dabei entspricht jedoch die pharmakologische Potenz von JWH-210, grob abgeschätzt über die Rezeptoraffinität, in etwa der 90-fachen des THCs. Genauere Daten über die pharmakologischen und toxikologischen Eigenschaften der anderen synthetischen
Cannabinoid-Rezeptor-Agonisten bzw. zu deren Rezeptoraffinitäten sind nach dem toxikologischen Befund derzeit in der wissenschaftlichen Literatur nicht verfügbar.

Wegen der beschriebenen Wirkstoffintensität und der hierauf beruhenden in besonderer Weise gesteigerten Gefahren wurde das synthetische Cannabinoid JWH-210 durch die 26. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften mit Wirkung vom 26. Juli 2012 der Anlage II des Betäubungsmittelgesetzes zugeordnet. In der Gesetzesbegründung (http://www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/Downloads/B/Betaeubungsmittelgesetz/26_Verordnung_zur_AEnderung_betaeubungsmittelrechtlicher_Vorschriften_120223.pdf) heißt es, dass die neu in die Anlage 2 des Betäubungsmittelgesetzes aufzunehmenden synthetischen Cannabinoide ein dem THC sehr ähnliches Wirkspektrum aufweisen, wobei jedoch im Vergleich zu THC eine deutlich erhöhte pharmakologische Potenz vorliegt. Hieraus ergibt sich, so die Gesetzesbegründung weiter, ein erhebliches Gefährdungspotenzial, das aus den Eigenschaften der Substanzen an sich resultiert. Wegen der unbekannten
Verteilung der wirksamen Substanzen in den Kräutermischungen stellen diese darüber hinaus auch ein unkalkulierbares Gesundheitsrisiko für die Konsumenten dar.

Wegen des hiernach gegebenen stark erhöhten Risikopotenzials verbietet sich von vornherein eine Gleichbehandlung derartiger synthetischer Drogen mit THC. Von solchen Stoffen geht für den Straßenverkehr ein signifikant höheres Risiko für den Straßenverkehr aus, was regelmäßig die Entziehung der Fahrerlaubnis erforderlich macht (so auch VG Augsburg, Beschluss vom 10. Mai 2013 -Au 7 S 13.576-; VG München, Beschluss vom 25. Juni 2010 – M 1 S 10.2253-; VG Neustadt/Wstr., Beschluss vom 7. Mai 2009 – 3 L 315/09.NW-, letztere zur vergleichbaren Droge JWH-018; juris). Die Privilegierung des gelegentlichen Konsums von Cannabis beruht auch auf gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen (VG Neustadt/Wstr. a.a.O., m.w.N.). Soweit der Antragsteller vorträgt, bei ihm sei nur eine sehr geringe Menge des Stoffes nachgewiesen worden, stellt dies die Rechtmäßigkeit der von dem Antragsgegner getroffenen Entscheidung nicht in Frage. Im Hinblick auf die Gefährlichkeit derartiger Drogen kommt es -wie bereits oben dargelegt- auf die Höhe der Betäubungsmittelkonzentration nicht an. Im Übrigen wurden im Blut des Antragstellers Spuren von weiteren synthetischen Cannabinoiden nachgewiesen und der Antragsteller hat im Rahmen der Verkehrskontrolle auch Ausfallerscheinungen an den Tag gelegt. Die Polizeibeamten haben erhebliche Stimmungsschwankungen und eine im Ansatz aggressive Grundstimmung beschrieben. Seine Finger zitterten. Angesichts des nachgewiesenen Konsums von Drogen nach dem Betäubungsmittelgesetz kommt eine  Ausnahme von der Regelannahme nicht in Betracht. Wegen der Bedeutung der abzuwendenden Gefahren für die Allgemeinheit müssen die von dem Antragsteller geltend gemachten Folgen für die Berufsausübung in ihrer Bedeutung zurückstehen.

Die Ablieferungspflicht hinsichtlich des Führerscheins folgt aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG und § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV. Rechtsgrundlage für die Anordnung unmittelbaren Zwangs sind §§ 61 Abs. 1, 62 Abs. 1 Nr. 3, 65 und 66 LVwVG. Keinen rechtlichen Bedenken begegnet auch die in dem Bescheid enthaltene Gebührenfestsetzung (vgl. §§ 1 bis 4 i.V.m. Ziff. 206 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr vom 26. Juni 1970, BGBl I 1970, 865, 1298, in der Fassung vom 11. Februar 2011, BGBl. I 98). Da der Antragsteller insoweit keine Einwände erhoben hat, erübrigen sich nähere Ausführungen hierzu. Der Antrag ist daher mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen.

Die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 46.3 des Streitwertkataloges, wobei das Gericht für das vorliegende Eilverfahren die Hälfte des sich hieraus ergebenden Betrages in Ansatz bringt.


Einschlägige Vorschriften:
§ 46 FeV – Entziehung, Beschränkung, Auflagen
  1. Erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
  2. Erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis noch als bedingt geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, schränkt die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis so weit wie notwendig ein oder ordnet die erforderlichen Auflagen an. Bei Inhabern ausländischer Fahrerlaubnisse schränkt die Fahrerlaubnisbehörde das Recht, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, so weit wie notwendig ein oder ordnet die erforderlichen Auflagen an. Die Anlagen 4, 5 und 6 sind zu berücksichtigen.
  3. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 entsprechend Anwendung.
  4. Die Fahrerlaubnis ist auch zu entziehen, wenn der Inhaber sich als nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Rechtfertigen Tatsachen eine solche Annahme, kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung der Entscheidung über die Entziehung die Beibringung eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr anordnen. § 11 Absatz 6 bis 8 ist entsprechend anzuwenden.
  5. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis hat die Entziehung die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen.
  6. Mit der Entziehung erlischt die Fahrerlaubnis. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis erlischt das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland.

Mit seiner Entscheidung vom 06.03.2015, Aktenzeichen 11 U 222/13 (Vorinstanz LG Hamburg, Kammer 13 für Handelssachen, vom 28. Februar 2013, Geschäfts-Nr. 413 HKO 40/12) macht das OLG Hamburg Ausführungen zur Haftung des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft im Zusammenhang mit verbotswidrigen Zahlungen auf debitorisch geführte Konten und äußert sich gleichzeitig über die Auswirkung einer Globalzession auf die Verbotswidrigkeit von Zahlungen als solche.

Globalzession verhindert Schmälerung der Masse

Im Hinblick auf die Verbotswidrigkeit einzelner Zahlungen hält das OLG fest, dass der Einzug von Forderungen auf ein debitorisch geführtes Konto dann nicht zu einer Masseschmälerung bei der insolvenzreifen Gesellschaft führt, wenn diese Forderungen von einer Globalabtretung erfasst werden.

Dem klagenden Insolvenzverwalter sei zwar insoweit zu folgen, als dass für den Fall der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der Gesellschaft die Entgegennahme von Zahlungen auf ein debitorisch geführtes Konto eine verbotene Zahlung im Sinne des § 93 Abs. 3 Satz 1 [a.F.] AktG darstellen kann. Dies rechtfertige sich daraus, dass durch einen Zahlungseingang auf einem debitorischen Konto das Aktivvermögen der Gesellschaft zu Lasten ihrer Gläubigergesamtheit (und zum Vorteil der Bank) in gleicher Weise geschmälert wird wie bei einer Auszahlung aus dem Barvermögen der Gesellschaft  In beiden Fällen wird der Insolvenzmasse zugunsten der Befriedigung eines Gläubigers ein Betrag entzogen, der anderenfalls zur (teilweisen) Befriedigung aller Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde. Demgegenüber sei vorliegend aber davon auszugehen, dass die Insolvenzmasse durch die klagegegenständlichen Einzahlungen auf die betreffenden Konten der Schuldnerin nicht geschmälert worden ist. Sämtliche Forderungen gegenüber Drittschuldnern der Schuldnerin waren nämlich bereits durch eine Globalabtretungsvereinbarung an eine (kreditgebende) Bank abgetreten, standen der Schuldnerin hiernach rechtlich und mit Rücksicht auf deren gegenüber der Bank bestehende Verbindlichkeiten auch wirtschaftlich nicht mehr zu und konnten damit schon vor den jeweiligen Zahlungsvorgängen nicht mehr Bestandteil des der Verpflichtung zum Masseerhalt unterliegenden Vermögens der Schuldnerin sein.

 Hier die Entscheidung im Volltext:

OLG Hamburg, Urteil vom 06.03.2015, Aktenzeichen 11 U 222/13

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 13 für Handelssachen, vom 28. Februar 2013, Geschäfts-Nr. 413 HKO 40/12, wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
  3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
  4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Ergänzend hierzu wird festgestellt:

Der Kläger nimmt die Beklagten als Vorstände und Aufsichtsräte der S. AG (im Folgenden: die Schuldnerin) auf die Erstattung von Einzahlungen auf zwei debitorisch geführte Bankkonten der Schuldnerin in Anspruch, die nach der von ihm behaupteten Insolvenzreife der Schuldnerin dort eingegangen sind.

Die im Bereich des Imports und Handels mit Möbeln und Wohnaccessoires tätige Schuldnerin, die über ein Grundkapital von DM 500.000,00 verfügt und zuletzt zwölf Mitarbeiter beschäftigte, unterhielt Bankverbindungen mit der Sparkasse H. und der V-Bank. Im Rahmen ihrer Geschäftsverbindung zur V-Bank kam es im Anschluss an entsprechende vorangegangene Vereinbarungen vom 30. Juli 1993 und vom 13. Juli 1995 am 26. Mai 2005 zum Abschluss einer Globalabtretungsvereinbarung (Anlagen B 1+2/3 = B 3.2 = B 1), durch die die Schuldnerin sämtliche gegenwärtigen und künftigen Ansprüche aus dem Geschäftsverkehr an die V-Bank abtrat. Die Beklagten zu 1. und 2. hatten sich nach der Behauptung des Klägers darüber hinaus in Höhe von bis zu € 689.000,00 für die Forderungen der V-Bank gegenüber der Schuldnerin ebenso verbürgt wie deren Ehefrauen, bei denen es sich um die beiden alleinigen Aktionäre der Schuldnerin handelt.

Nach der Behauptung des Klägers erfolgten in der Zeit vom 1. Februar bis zum 9. August 2007 auf dem durchgehend debitorisch geführten Konto der Schuldnerin bei der Sparkasse H. Zahlungseingänge in Höhe von insgesamt € 346.631,06. Auf dem ebenfalls durchgehend debitorisch geführten Konto der Schuldnerin bei der V-Bank erfolgten nach der Behauptung des Klägers in der Zeit vom 1. Februar bis zum 12. September 2007 Zahlungseingänge in Höhe von insgesamt € 988.477,99.

Am 10. August 2007 beantragten die Beklagten zu 1. und 2., die Vorstände der Schuldnerin, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen. Das Insolvenzverfahren wurde nachfolgend am 13. September 2007 unter gleichzeitiger Bestellung des Klägers zum Insolvenzverwalter eröffnet. Mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 13. August 2007 (Anlage B 3 = B 5/9) war der Kläger zuvor zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden.

Der Kläger hat gegen die Beklagten zu 1., 2., 4. und 5. am 25. Februar 2012 und gegen den Beklagten zu 3. am 28. Februar 2012 Klage erhoben, mit der er die Beklagten in Höhe von insgesamt € 1.335.109,05 gesamtschuldnerisch auf die Erstattung der nach seiner Behauptung seit dem 1. Februar 2007 auf den beiden Konten der Schuldnerin bei der Sparkasse H. und bei der V-Bank eingegangenen Zahlungen in Anspruch nimmt.

Der Kläger hat behauptet, die Schuldnerin sei bereits spätestens seit dem Jahr 2006, jedenfalls aber seit dem 1. Februar 2007 zahlungsunfähig und überschuldet gewesen. Die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin habe sich nach dem Ergebnis der Auswertung der Insolvenztabelle (Anlage K 1) schon daraus ergeben, dass seit dem 1. Januar bzw. seit dem 1. Februar 2007 Verbindlichkeiten der Schuldnerin in Höhe von € 52.929,87 bzw. in Höhe von € 63.401,23 fällig gewesen seien, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin nicht mehr erfüllt worden seien. Diese Verbindlichkeiten der Schuldnerin seien im Insolvenzverfahren auch bereits, was also solches unstreitig gewesen ist, in Höhe von € 44.341,77 festgestellt worden.

Der Kläger hat die von ihm geltend gemachte Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin darüber hinaus auch aus offenen Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber deren Vermieterin, der A. KG, aus der Anmietung von Garagencontainern hergeleitet. Hieraus hätten sich ausweislich eines Schreibens der Vermieterin vom 7. Februar 2007 (Anlage K 2) per 1. Februar 2007 offene Verbindlichkeiten der Schuldnerin in Höhe von weiteren € 25.000,00 ergeben. Auch wenn davon auszugehen sein sollte, dass die seitens der Schuldnerin insoweit für die Jahre seit 2002 geschuldeten Mietzahlungen von beiden Vertragsparteien schlicht vergessen worden und erst Anfang 2007 wieder in Erinnerung gelangt seien, so sei der Schuldnerin eine Gelegenheit zur ratenweisen Erfüllung dieser Verbindlichkeiten im Februar 2007 doch lediglich deshalb eingeräumt worden, weil sie gegenüber der Vermieterin ausdrücklich erklärt habe, den Rückstand nicht sogleich erfüllen und in dieser Höhe auch nicht binnen drei Wochen Kredit erlangen zu können, was wiederum auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zurückweise.

Die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ergebe sich zudem aber auch noch daraus, dass ausweislich eines Mahnschreibens der Vermieterin vom 23. Mai 2007 (Anlage K 2a) die für die Geschäftsräume insoweit geschuldete laufende Miete für April 2007 in Höhe von € 11.778,70 bis dahin noch nicht gezahlt worden sei und sich unter Berücksichtigung auch der beiden bereits für April und Mai 2006 in Höhe von € 11.778,70 und € 12.312,49 rückständig gebliebenen Mieten sowie der in Höhe von weiteren € 5.911,62 aus der Betriebskostenabrechnung für 2005 ausstehenden Restforderung ein Gesamtbetrag offener Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt € 61.443,61 ergeben habe. Die Schuldnerin habe sich insoweit über Monate die Stundung ihrer Verbindlichkeiten erzwungen. Eine Ratenzahlungsvereinbarung sei auch in der Folgezeit nicht mehr zustande gekommen, die Schuldnerin habe trotz Aufforderungen der Vermieterin schlicht nicht gezahlt.

Ferner hat der Kläger behauptet, die Schuldnerin habe sich gegenüber einer weiteren Gläubigerin, der M. GmbH, in einer – seitens des Klägers allerdings nicht eingereichten – E-Mail vom 11. April 2007 ebenfalls dahin geäußert, offene Forderungen dieser Gläubigerin in Höhe von € 42.425,44 nur im Wege der Ratenzahlung erfüllen zu können. Nur auf der Grundlage dieser eigenen Erklärung der Schuldnerin sei nachfolgend am 20. April 2007 eine entsprechende Ratenzahlungsvereinbarung (Anlagen K 3 und K 4) tatsächlich zustande gekommen. Die dieser Vereinbarung zu Grunde liegende Erklärung der Schuldnerin, zum sofortigen Rechnungsausgleich nicht in der Lage zu sein, lasse wiederum den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zu. Namentlich sei eine der in diese Ratenzahlungsvereinbarung einbezogenen Rechnungen der M. GmbH vom 27. Februar 2007 über € 32.712,15 bereits seit diesem Tag fällig gewesen und von der Schuldnerin gerade nicht zeitnah ausgeglichen worden. Die betreffende Ratenzahlungsvereinbarung sei zudem nachfolgend daran gescheitert, dass die Schuldnerin die am 15. Juli 2007 in Höhe von € 12.425,44 fällig gewordene letzte Rate schlicht nicht gezahlt habe.

Den gleichen Rückschluss auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin lasse schließlich auch die E-Mail-Korrespondenz der Schuldnerin mit einer Firma P. GmbH vom 11. Juni 2007 zu (Anlage K 5). Die Schuldnerin habe auch gegenüber dieser Gläubigerin um Ratenzahlung nachgesucht und hierdurch wiederum zumindest konkludent zu erkennen gegeben, nicht sämtliche dieser Gläubigerin gegenüber per 30. April 2007 in Höhe von € 28.498,57 bestehenden Verbindlichkeiten begleichen zu können.

Der Kläger hat darüber hinaus behauptet, die Schuldnerin sei bereits seit dem 31. Januar 2006 auch überschuldet gewesen. Hierfür hat der Kläger sich auf den am 16. Dezember 2006 erstellten Prüfbericht (Anlage K 6) zu dem auf diesen Stichtag erstellten Jahresabschluss der Schuldnerin bezogen, der die rückständigen Verbindlichkeiten der Schuldnerin aus den in den Vorjahren nicht gezahlten Mieten für Garagencontainer nicht ausgewiesen habe und auf dessen Grundlage schon deshalb eine Überschuldung der Schuldnerin im Umfang von zumindest € 23.344,17 festzustellen sei. Darüber hinaus sei aber auch davon auszugehen, dass die Daten bezüglich des als Aktiva ausgewiesenen Bestands an lagernder Ware fehlerhaft seien, zumindest seien diese Wertansätze anlässlich der Prüfung des Jahresabschlusses nicht gesondert überprüft worden. Es sei deshalb von einem Wertabschlag auf die Warenvorräte in Höhe von 10 % auszugehen, wodurch sich die bei der Schuldnerin eingetretene Überschuldung noch vergrößert habe.

Für den klagegegenständlichen Zeitraum ab dem 1. Februar 2007 ergebe sich die Überschuldung der Schuldnerin darüber hinaus auch aus einer von ihm selbst am 21. August 2007 erstellten „Arbeits-Bilanz“ zum 31. Januar 2007 (Anlage K 7), die wiederum nicht die rückständigen Verbindlichkeiten aus den Garagenmieten und zudem einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Verlust in Höhe von € 42.101,11 ausgewiesen habe. Tatsächlich hätte der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag sich unter Berücksichtigung eines weiteren neuerlichen Jahresfehlbetrags von € 180.232,52 allerdings auf € 166.091,52 belaufen müssen. Über stille Reserven habe die Schuldnerin nicht verfügt, namentlich habe sie kein eigenes Grundvermögen besessen. Für die von ihm geltend gemachte Überschuldung der Schuldnerin hat der Kläger sich ferner auf ein Sanierungskonzept der Unternehmensberatung E. vom 3. Juli 2009 (Anlage K 8) bezogen, in dem per 31. Januar 2007 ein negatives Kapital der Schuldnerin in Höhe von € 179.000,00 ausgewiesen worden sei. Auch mit Blick auf die Annahmen dieses Sanierungskonzepts gelte aber, dass sich wegen eines Wertansatzes für das Warenlager der Schuldnerin in zutreffender Höhe von höchstens € 500.000,00 in einem Überschuldungsstatus eine Überschuldung der Schuldnerin in Höhe von mindestens € 527.450,05 hätte ergeben müssen. Schließlich folge auch aus einer ebenfalls am 21. August 2007 von ihm erstellten „Arbeits-Bilanz“ zum 30. April 2007 (Anlage K 9) ein weiterer Fehlbetrag der Schuldnerin für das I. Quartal 2007 in Höhe von € 148.661,63.

Der Kläger hat gemeint, die Beklagten zu 1. und 2. seien in Anbetracht der Krise, in der sich die Schuldnerin bereits spätestens seit dem Jahr 2006 befunden habe, zur laufenden Prüfung der Insolvenzreife der Schuldnerin verpflichtet gewesen und hätten nach Eintritt der Insolvenzreife dafür Sorge tragen müssen, dass Zahlungseingänge der Schuldnerin nicht auf die debitorischen Konten bei der Sparkasse H. und der V-Bank vereinnahmt worden und so lediglich diesen beiden Gläubigerinnen zugutegekommen wären. Die gleiche Verpflichtung habe auch den Beklagten zu 3. bis 5. als den Aufsichtsräten der Schuldnerin oblegen. Diese hätten schon aufgrund des Berichts über die Prüfung des Jahresabschlusses der Schuldnerin zum 31. Januar 2006 ebenfalls von der Unternehmenskrise Kenntnis gehabt und hiernach die Überwachung der Tätigkeit des Vorstands steigern müssen und dem Vorstand auch außerplanmäßige Berichtspflichten aufgeben müssen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu 1. bis 5. werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 1.335.109,05 nebst 5 Prozentpunkten Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten zu 1. und 2. haben behauptet, die Vermieterin der Geschäftsräume habe die im Jahr 2006 ausstehend gebliebenen zwei Monatsmieten, zu denen es im Übrigen im Zusammenhang mit Wassereintritten im Lager der Schuldnerin gekommen sei, ebenso wenig ernsthaft eingefordert wie dies auch betreffend die Mieten für Garagencontainer der Fall gewesen sei, die zuvor vergessen und erst im Jahr 2007 als offen festgestellt worden seien und zu deren ratierlicher Begleichung die Vermieterin sogleich ebenso bereit gewesen sei wie sogar auch noch zu einer per 1. Februar 2007 erfolgten Erweiterung der Mietfläche (vgl. Anlage B 1+2/11 = B 15).

Soweit der Kläger sich zur Begründung der Zahlungseinstellung der Schuldnerin auf Verbindlichkeiten gegenüber einer H. a/s bezogen hat, haben die Beklagten zu 1. und 2. behauptet, innerhalb der mit dieser seit 2005 bestehenden Geschäftsverbindung seien Warenlieferungen nicht aufgrund von Wareneinkäufen der Schuldnerin, sondern vielmehr zum Aufbau eines eigenen Warenbestands der H. a/s erfolgt, der von der Schuldnerin dann lediglich auf Provisionsbasis habe veräußert werden sollen. Hiernach sei von fälligen Zahlungsansprüchen zu den seitens des Klägers geltend gemachten Zeitpunkten nicht auszugehen, es seien vielmehr Verhandlungen über die gegenseitigen Forderungen und deren Fälligkeiten geführt worden, was sich auch aus der E-Mail-Korrespondenz mit der H. a/s vom 29. Juni und 2. Juli 2007 (Anlage B 1+2/4) ergebe. Hierin habe die H. a/s eine aktuelle Berechnung der gegenüber der Schuldnerin bestehenden Forderungen angekündigt und zugleich deren ratenweiser Abzahlung zugestimmt. Die sich hiernach ergebende Gesamtforderung in Höhe von € 10.989,26 sei dann Gegenstand einer Zahlungsvereinbarung geworden, die erst beginnend mit dem 1. September 2007 monatliche Zahlungen der Schuldnerin in Höhe von lediglich € 1.000,00 vorgesehen habe (Anlage B 1+2/6).

Hinsichtlich der Forderungen der P. GmbH gegenüber der Schuldnerin sei es, so haben die Beklagten zu 1. und 2. behauptet, so, dass dieses Unternehmen im Zuge der Übernahme des Lagerbestandes eines anderen Unternehmens beauftragt worden sei. Dieser Auftrag sei unsachgemäß ausgeführt worden, weshalb sich auch Differenzen über die Höhe der geschuldeten Vergütung ergeben hätten, die der Beklagte zu 1. in einem Aktenvermerk vom 5. September 2007 (Anlage B 1+2/8) festgehalten habe. Dies sei auch der Hintergrund für die per E-Mail geführte Korrespondenz über eine Ratenzahlung gewesen, ein Rückschluss auf eine etwaige Zahlungsunfähigkeit lasse sich hieraus nicht entnehmen. Von einer Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bereits vor dem Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrags sei auch unter Berücksichtigung einer am 21. Mai 2007 erstellten Cash-Flow-Berechnung (Anlage B 1+2/9 = B 5/6) nicht auszugehen, die bis einschließlich Mai 2007 eine ausreichende Liquidität der Schuldnerin ausgewiesen habe.

Von einer Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sei, so haben die Beklagten zu 1. und 2. weiter behauptet, auch deshalb nicht auszugehen, weil, was als solches unstreitig gewesen ist, der Schuldnerin am 31. Januar 2007 seitens eines Privatinvestors ein ungesichertes Darlehen in Höhe von € 100.000,00 zur Verfügung gestellt worden sei.

Auch von einer Überschuldung der Schuldnerin sei nicht auszugehen, diese habe sich schon gar nicht aus den über Jahre unbeglichen gebliebenen Mieten für die Garagencontainer ergeben können, weil diese zum Zeitpunkt der diese betreffenden Rückzahlungsvereinbarung teilweise sogar schon verjährt gewesen und erst mit dieser Vereinbarung auf eine neue vertragliche Grundlage gestellt worden seien. Die Behauptung des Klägers, der Warenbestand der Schuldnerin sei mit nicht mehr als € 500.000,00 anzusetzen gewesen, stünde im Übrigen im Widerspruch zu dem im Rahmen des Insolvenzverfahrens seitens des Klägers erstellten Gutachten, in dem dieser, was als solches unstreitig gewesen ist, allein für den Lagerbestand der Schuldnerin bei der P. GmbH bereits einen Einstandswert in Höhe von € 493.000,00 zu Grunde gelegt habe. Unter Berücksichtigung der als solche ebenfalls unstreitigen Rangrücktrittserklärungen unter anderem der beiden Aktionärinnen der Schuldnerin, wie diese sich dem geprüften Jahresabschluss per 31. Januar 2006 im Umfang von Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von zumindest € 328.000,00 entnehmen ließen, sei von einer Überschuldung auch nicht mit Blick auf den vom Kläger behaupteten Verlustvortrag in Höhe von € 297.747,05 auszugehen, das wirtschaftliche Eigenkapital der Schuldnerin sei vielmehr zu jeder Zeit positiv gewesen. Dies gelte auch mit Blick auf die sog. Arbeits-Bilanzen des Klägers zum 31. Januar und 30. April 2007.

Die Beklagten zu 3. bis 5. haben im Hinblick auf die seitens des Klägers behauptete Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin darüber hinaus behauptet, dass ihnen von angeblichen Zahlungsrückständen gegenüber dem Vermieter nichts bekannt gewesen sei, die laufenden Mietzahlungen für die Garagencontainer seien seit dem Jahr 2002 zudem schlicht nicht mehr bedacht und dementsprechend auch nicht ernstlich eingefordert worden, bei der nachfolgend im Jahr 2007 vereinbarten Ratenzahlung habe es sich um eine einvernehmliche Stundungsabrede gehandelt. Es sei dem Aufsichtsrat durch die Beklagten zu 1. und 2. auch im Zeitraum seit Februar 2007 beständig vermittelt worden, dass Zahlungsschwierigkeiten nicht bestünden, gerade das Verhältnis zur Vermieterin sich bestens gestalte und mit dieser Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen geschlossen worden seien bzw. auch Mietforderungen mit aus einem Wasserschaden stammenden Ansprüchen der Schuldnerin verrechnet werden sollten. Im Übrigen habe es der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin entgegengestanden, dass diese noch im Januar 2007 ein privates Darlehen eines potentiellen Investors in Höhe von € 100.000,00 vereinnahmt habe, wodurch nach den damaligen Angaben der Beklagten zu 1. und 2. in der Folgezeit sämtliche fälligen Verbindlichkeiten der Schuldnerin hätten erfüllt werden können. Sofern dies tatsächlich nicht geschehen sein sollte, sei dies nicht auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin, sondern vielmehr auf die Entscheidung des Vorstands über die Verwendung dieses neuen Kapitals zurückzuführen. Die gegenüber der Vermieterin angeblich bereits für April und Mai 2006 rückständig gebliebenen Mieten seien, was als solches unstreitig gewesen ist, bis auf einen Rest für Mai 2006 überdies gar nicht als Insolvenzforderung angemeldet worden und dementsprechend noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weitestgehend beglichen worden.

Auch die Beklagten zu 3. bis 5. sind der Behauptung des Klägers hinsichtlich einer spätestens zum 1. Februar 2007 eingetretenen Überschuldung der Schuldnerin entgegengetreten. Mit Blick auf die im – unstreitigen – Umfang von € 328.000,00 erklärten Rangrücktritte habe der in Höhe von € 179.000,00 negative bilanzielle Eigenkapitalausweis per 31. Januar 2007 die insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin nicht begründen können, vielmehr habe zu diesem Stichtag noch ein wirtschaftliches Eigenkapital der Schuldnerin in Höhe von € 149.000,00 bestanden. Es seien von den Beklagten zu 1. und 2. im Zeitraum ab Februar 2007 zudem auch keine Tatsachen berichtet worden, die auf eine Überschuldung der Schuldnerin hätten schließen lassen können. Es sei vielmehr in der gesamten Zeit vom Sommer 2006 bis zum Sommer 2007 an einer Neuausrichtung der Unternehmensstrategie gearbeitet worden, ohne dass während dieses Zeitraums von irgendwelchen Zahlungsschwierigkeiten oder einer akut drohenden Überschuldung die Rede gewesen sei. Zu einer derartigen Neuausrichtung habe der Vorstand der Schuldnerin sich unter anderem auch auf einer Aufsichtsratssitzung vom 28. November 2006 (Protokoll als Anlage B 3.4 = B 4 = B 5/3) ausdrücklich geäußert, in der hinsichtlich aufgelaufener Verluste auf den Einstieg eines möglichen Investors mit einem in Rede stehenden Investitionsvolumen von € 200.000,00 als Lösungsansatz Bezug genommen worden sei.

Die Beklagten zu 3. bis 5. haben ebenfalls geltend gemacht, dass eine etwaige Insolvenzreife der Schuldnerin für sie jedenfalls auch nicht erkennbar gewesen sei, namentlich hätten sie auch keine Kenntnis davon gehabt, dass die Schuldnerin fällige Verbindlichkeiten angeblich nicht beglichen habe. Auf der Aufsichtsratssitzung vom 28. November 2006 habe der Beklagte zu 1. vielmehr ausdrücklich erklärt, dass trotz aufgelaufener Verluste keine Anhaltspunkte für eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit vorlägen. Mit einem Bericht vom 5. Dezember 2006 (Anlage B 3.5 = B 5 = B 5/4) habe der Vorstand dann zudem dargestellt, dass sich die Schuldnerin wieder auf einem positiven Kurs befunden habe, die Prüfungshandlungen des Aufsichtsrats seien auch in der Folgezeit weiter intensiviert worden. Auf einer weiteren Aufsichtsratssitzung vom 27. März 2007 (Protokoll als Anlage B 3.6 = B 7 = B 5/3) sei seitens des Vorstands zwar ein Verlust in einer Größenordnung von € 160.000,00 dargestellt worden, gleichwohl sei im Hinblick auf das Darlehen des bereit stehenden Investors, der sich zudem mit weiteren € 100.000,00 als Aktionär habe beteiligen wollen, schon eine deutliche Entspannung der Liquiditätslage zu verzeichnen gewesen, zumal der für Februar 2007 geplante Umsatz sogar überschritten worden sei.

Der Aufsichtsrat habe gegenüber dem Vorstand unter anderem deutlich gemacht, dass er laufend monatlich über die aktuellen Zahlen unterrichtet werden wolle. Im Rahmen einer weiteren Aufsichtsratssitzung bereits am 29. Mai 2007 (Protokoll als Anlage B 3.7 = B 8 = B 5/3) habe der Vorstand dann von Umsatzsteigerungen berichtet, gleichwohl eingetretene Verluste seien nachvollziehbar mit nicht abgegrenzten Kosten beispielsweise aus der Teilnahme an Messen erläutert worden. Die Aufsichtsratsmitglieder hätten unter anderem darauf hingewiesen, dass der Schuldnerin das angekündigte frische Kapital zugeführt werden müsse, die Vorstandsgehälter für die Monate Mai und Juni 2007 gestundet, mit der V-Bank über eine Tilgungsaussetzung sowie mit einer Fima L. über Stundungsvereinbarungen verhandelt werden solle. Der Vorstand habe im Rahmen dieser Aufsichtsratssitzung indes mitgeteilt, dass sämtliche fälligen Verbindlichkeiten weiterhin beglichen würden, auch vor dem Hintergrund der aus der Liquiditätsvorschau (Anlage B 9) für Juni 2007 im Umfang von € 90.742,00 drohenden Unterdeckung sei dann die Anregung an den Vorstand zur Beauftragung eines Sanierungsgutachtens ergangen, der dieser auch nachgekommen sei. Erstmalig in der nachfolgenden außerordentlichen Aufsichtsratssitzung vom 19. Juli 2007 (Protokoll als Anlage B 3.8 = B 11 = B 5/3) habe der Beklagte zu 1. vor dem Hintergrund, dass der als Investor interessierte Darlehensgeber mangels entsprechender finanzieller Mittel nicht mehr in der Lage gewesen sei, sein beabsichtigtes Engagement aufrechtzuerhalten, dann darauf hingewiesen, dass er bei fehlenden weiteren Geldmitteln vorsorglich Insolvenzantrag werde stellen müssen, und zugleich davon berichtet, dass teilweise fällige Verbindlichkeiten nicht bezahlt werden konnten. Der Aufsichtsrat habe dies zum Anlass genommen, den Vorstand mit Schreiben vom 20. Juli 2007 (Anlage B 3.9 = B 12 = B 5/8) zur Insolvenzantragstellung aufzufordern, und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch darauf hingewiesen, dass Rechnungen keinesfalls mehr auch nur teilweise beglichen werden dürften.

Der Beklagte zu 5. hat darüber hinaus behauptet, er habe, was als solches unstreitig gewesen ist, wegen mehrerer Bandscheibenvorfälle krankheitsbedingt an keiner der vier in der Zeit vom 28. November 2006 bis zum 19. Juli 2007 durchgeführten Aufsichtsratssitzungen der Schuldnerin teilgenommen. Er habe sich aber gleichwohl fortlaufend über die Gegenstände der Aufsichtsratssitzungen unterrichten lassen.

Mit Urteil vom 28. Februar 2013 hat das Landgericht die Beklagten zu 1. und 2. wegen auf dem Konto der Schuldnerin bei der Sparkasse H. erfolgter Zahlungseingänge in Höhe von € 346.631,06 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Februar 2012 verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die Schuldnerin spätestens seit dem 1. Februar 2007 zahlungsunfähig gewesen sei. Die spätestens zu diesem Zeitpunkt eingetretene Zahlungsunfähigkeit sei aufgrund der Zahlungseinstellung der Schuldnerin zu vermuten. Die Zahlungseinstellung ergebe sich vorliegend daraus, dass die Schuldnerin ausweislich der Insolvenztabelle bis zur Verfahrenseröffnung Verbindlichkeiten in Höhe von € 44.341,77 nicht mehr beglichen habe, die bereits am 1. Februar 2007 fällig gewesen seien. Diese Forderungen hätten auch einen wesentlichen Teil der fälligen Verbindlichkeiten dargestellt, da sich die per 1. März 2007 unerfüllt gebliebenen Verbindlichkeiten auf insgesamt € 87.740,01 belaufen hätten. Darüber hinaus ergebe sich die den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin rechtfertigende Zahlungseinstellung der Schuldnerin zudem daraus, dass die Schuldnerin gegenüber der H a/s und der HL a/s Ratenzahlungen erbeten habe und derartige Bitten um Ratenzahlungen nach dem Klägervortrag auch gegenüber der M. GmbH und der P. GmbH erfolgt seien. Das Gesamtbild werde indiziell dadurch bekräftigt, dass das Betriebsergebnis der Schuldnerin stetig negativ verlaufen sei und nach der Insolvenztabelle die unbedient gebliebenen Verbindlichkeiten von € 87.740,01 per 1. März 2007 auf € 203.271,62 bis zum 1. Juli 2007 angestiegen seien.

Die Beklagten zu 1. und 2. hafteten hiernach auf die Erstattung der auf dem Konto der Schuldnerin bei der Sparkasse H. erfolgten Zahlungseingänge, die von ihnen nicht mit Substanz bestritten worden seien. Die Verpflichtung der Beklagten zu 1. und 2. als Vorstände der Schuldnerin sei auf die Masseerhaltung gerichtet gewesen und habe insoweit die Verpflichtung umfasst, Zahlungseingänge statt auf dem debitorischen Konto bei der Sparkasse H. auf ein kreditorisch geführtes Konto umzuleiten. Dass die Beklagten zu 1. und 2. dies versäumt hätten, sei auch nicht mit den an einen Geschäftsleiter in der Unternehmenskrise zu stellenden Sorgfaltsanforderungen zu vereinbaren, eine Aussicht auf eine kurzfristige Sanierung der Schuldnerin habe nicht bestanden, insoweit seien die Beklagten zu 1. und 2. von dem ihnen vorgeworfenen Versäumnis auch nicht exkulpiert. Einer Haftung auch für die auf dem Konto der Schuldnerin bei der V-Bank eingegangenen Zahlungen stünde demgegenüber die zu deren Gunsten erfolgte Globalzession entgegen.

Die Voraussetzungen einer Haftung auch der Beklagten zu 3. bis 5. lägen demgegenüber nicht vor. Zwar habe in der Unternehmenskrise auch der Aufsichtsrat die Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass der Vorstand verbotswidrige Zahlungen unterlasse. Insoweit unterliege der Aufsichtsrat Informations-, Beratungs- und Überwachungspflichten und müsse sich ein genaues Bild von der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft machen, die laufende Überwachung des Vorstands in allen Einzelheiten sei ohne Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten des Vorstands gleichwohl weder zu erwarten noch zulässig. Gemessen hieran habe der Kläger ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten der Beklagten zu 3. bis 5. aber schon nicht ausreichend dargelegt. Haftungsbegründend wären insofern bekannt gewordene Umstände gewesen, die dazu geführt hätten, dass die Beklagten zu 3. bis 5. die Zahlungseingänge auf dem Konto der Schuldnerin bei der Sparkasse H. hätten kontrollieren und deren Umleitung auf ein neutrales Konto hätten veranlassen müssen. Das sei indes nicht ausreichend dargetan. Dem Aufsichtsrat seien in dessen Sitzungen in der Zeit seit März 2006 keine Anhaltspunkte mitgeteilt worden, die eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nahe gelegt hätten. Es sei vielmehr unter anderem über mögliche Kooperationen und Beteiligungen berichtet worden, mit denen Kapitalzuflüsse verbunden gewesen wären, der Vorstand sei zudem dem an ihn gerichteten Wunsch nach fortlaufender Unterrichtung nachgekommen. Nach alledem habe es für den Aufsichtsrat keine Anhaltspunkte für eine bestehende oder drohende Insolvenzreife der Schuldnerin gegeben. Im Anschluss an die Aufsichtsratssitzung vom 19. Juli 2007, in der von der Nichtzahlung fälliger Rechnungen berichtet worden sei, sei der Vorstand aufgefordert worden, sich hinsichtlich einer drohenden Insolvenz rechtlich beraten zu lassen und die Begleichung von Rechnungen zu unterlassen. Davon, dass der Vorstand dieser Aufforderung zuwider handeln würde, hätten die Beklagten zu 3. bis 5. nicht ausgehen müssen.

Gegen dieses ihm am 28. Februar 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. März 2013 Berufung eingelegt, die er nach Fristverlängerung bis zum 27. Mai 2013 mit an diesem Tag eingegangener Berufungsbegründung begründet hat. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Klageantrag gegenüber allen fünf Beklagten unverändert weiter.

Der Kläger macht geltend, das Landgericht habe unzutreffend festgestellt, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erst zum 1. Februar 2007 eingetreten sei. Tatsächlich sei im Hinblick auf die unterbliebene Zahlung der Geschäftsraummieten für April und Mai 2006 von einer bereits spätestens im Juni 2006 eingetretenen Zahlungsunfähigkeit auszugehen. Darüber hinaus habe es das Landgericht zu Unrecht dahinstehen lassen, ob bei der Schuldnerin auch eine Überschuldung eingetreten sei. Tatsächlich sei, insoweit wiederholt der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen, von einer ebenfalls bereits spätestens zum 1. Februar 2007 eingetretenen Überschuldung der Schuldnerin auszugehen. Das per 31. Januar 2006 noch im Umfang von lediglich € 14.000,00 verbliebene positive Eigenkapital der Schuldnerin sei bereits nach dem 1. Quartal des am 1. Februar 2006 begonnenen neuen Geschäftsjahrs aufgebraucht gewesen.

Der Kläger macht ferner geltend, dass eine Haftung der Beklagten auch hinsichtlich der Zahlungseingänge der Schuldnerin bei der V-Bank bestünde. Die Verpflichtung der Beklagten zu 1. und 2. zur Massesicherung sei durch die – gegenüber den Drittschuldnern auch nicht offengelegte – Abtretung von Forderungen der Schuldnerin an die V-Bank nicht eingeschränkt worden, ungeachtet dieser Abtretung hätten die Beklagten zu 1. und 2. die tatsächliche Möglichkeit gehabt, die Zahlungen für die Schuldnerin auf einem kreditorisch geführten Bankkonto zu vereinnahmen. Es habe auch keine Absprachen der Schuldnerin mit der V-Bank gegeben, auf deren Grundlage die Schuldnerin etwa dazu verpflichtet gewesen wäre, den Forderungseinzug ausschließlich über das dort unterhaltene Konto durchzuführen. Dies zeige sich schon daran, dass die Schuldnerin Teile ihrer Forderungen tatsächlich auch über ihr bei der Sparkasse H. geführtes Konto eingezogen habe. Ohnehin wäre die Verpflichtung der Beklagten zu 1. und 2. zur Massesicherung gegenüber einer etwaigen Verpflichtung zur Vornahme des Forderungseinzugs ausschließlich über das bei der V-Bank geführte Konto höherwertig gewesen. Mit einem zulässigen Forderungseinzug auf ein anderes Konto als dasjenige bei der V-Bank wäre deren Sicherungsrecht erloschen und die Masse bezogen auf diese Forderungen zu Gunsten der Gläubigergesamtheit erhalten worden. Auf die Insolvenzfestigkeit der zu Gunsten der V-Bank erfolgten Sicherungsabtretung komme es entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht an, jedenfalls die ab dem 10. Mai 2007 eingezogenen Forderungen hätten aber schon deshalb nicht insolvenzfest sein können, weil diese Forderungen erst innerhalb des Zeitraums von drei Monaten vor dem Insolvenzantrag werthaltig gemacht worden seien. Das Landgericht habe in diesem Zusammenhang auch verkannt, dass der Forderungseinzug auf das Konto der Schuldnerin bei der V-Bank insbesondere der Entlastung der Beklagten zu 1. und 2. und deren Ehefrauen von den gegenüber der V-Bank bestehenden Bürgschaftsverpflichtungen gedient habe und insofern die Gläubigergesamtheit auf wertlose Ansprüche aus §§ 32a, 32b GmbHG, 135 InsO verwiesen worden sei.

Hinsichtlich der Inanspruchnahme der Beklagten zu 3. bis 5., die jeweils Kenntnis unter anderem davon gehabt hätten, dass die Konten der Schuldnerin bei der Sparkasse H. und der V-Bank debitorisch geführt worden seien, habe das Landgericht die Haftungsvoraussetzungen zu Unrecht zu eng angesetzt. Soweit das Landgericht angenommen habe, dass die Beklagten zu 3. bis 5. ihre Überwachungstätigkeit intensiviert und ihren Sorgfaltspflichten hierdurch genügt hätten, habe das Landgericht übersehen, dass die Beklagten zu 3. bis 5. in der ihnen ebenfalls bekannt gewordenen Unternehmenskrise tatsächlich überhaupt nichts unternommen hätten. Allein mit intensivierten Sitzungen und Kontakten hätten die den Beklagten zu 3. bis 5. obliegenden Pflichten in der verschärften Krise der Schuldnerin jedenfalls nicht erfüllt werden können. Den Beklagten zu 3. bis 5. seien ausweislich des Lageberichts des Vorstands zum geprüften Jahresabschluss zum 31. Januar 2006 die nahezu vollständige Aufzehrung des Eigenkapitals und der Umsatzeinbruch der Schuldnerin sowie die hieraus resultierende Unternehmenskrise ebenso bekannt gewesen wie der im nachfolgenden Geschäftsjahr sich fortsetzende Umsatzrückgang. Die Prüfung des Jahresabschlusses habe zudem einen im Umfang von € 481.000,00 negativen Cash-Flow bei der Schuldnerin ausgewiesen, der den Beklagten zu 3. bis 5. ebenfalls die zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit aufgezeigt habe.

Das Protokoll der am 28. November 2006 durchgeführten Aufsichtsratssitzung (Anlage B 3.4 = B 4 = B 5/3) habe wiederum aufgezeigt, dass unter anderem die finanzielle Situation der Schuldnerin unverändert stark angespannt gewesen und weitere Verluste erwirtschaftet worden seien. Hieraus hätte es sich den Beklagten zu 3. bis 5. aufdrängen müssen, dass die im geprüften Jahresabschluss per 31. Januar 2006 vorgesehene Veränderung der Geschäftspolitik, insbesondere hinsichtlich der Vermarktung zusätzlicher Produktlinien, gescheitert gewesen sei. Die im Rahmen dieser Aufsichtsratssitzung vorliegenden betriebswirtschaftlichen Auswertungen hätten per November 2006 zudem einen € 14.000,00 übersteigenden Verlust ausgewiesen, woraus sich erkennbar der Eintritt der Überschuldung ergeben habe.

In dieser Situation seien die Beklagten zu 3. bis 5. verpflichtet gewesen, gegenüber den Beklagten zu 1. und 2. auf die Einrichtung eines Überwachungssystems gemäß § 91 Abs. 2 AktG zu drängen und zusätzlich darauf, dass die Beklagten zu 1. und 2. eine ständige Prüfung des Vorliegens von Insolvenzgründen vornehmen und den Aufsichtsrat hierüber unterrichtet hielten. Die Beklagten zu 3. bis 5. hätten sich insofern nicht auf die bloße Behauptung der Beklagten zu 1. und 2. verlassen dürfen, dass eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht vorliege, sondern das Ergebnis einer entsprechenden Prüfung durch die Beklagten zu 1. und 2. zumindest ihrerseits auf Plausibilität prüfen müssen. Namentlich hätten die Beklagten zu 3. bis 5. im Hinblick auf die bereits in dem Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Januar 2006 (Anlage K 6) angesprochene Liquiditätskrise der Schuldnerin beaufsichtigen müssen, dass die Beklagten zu 1. und 2. bei jeder Zahlung die mögliche Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin prüfen. Tatsächlich sei eine derartige Prüfung der Zahlungsunfähigkeit aber zu keinem Zeitpunkt erfolgt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 28. Februar 2013 verkündeten Urteils des Landgerichts Hamburg, Aktenzeichen 413 HKO 40/12, werden die Beklagten zu 1. bis 5. als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 1.335.109,05 nebst 5% Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten zu 1. und 2. verteidigen das angefochtene Urteil.

Die Beklagten zu 3. bis 5. wenden sich gegen die Annahme des Landgerichts, es sei bei der Schuldnerin ab dem 1. Februar 2007 von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen. Soweit das Landgericht eine Zahlungseinstellung der Schuldnerin aus den zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen der H.-Gruppe hergeleitet habe, habe es verkannt, dass diese mit der Schuldnerin ein Verrechnungskonto geführt habe, das nicht geklärt gewesen sei und nach entsprechender Abstimmung zu der im Juli 2007 zustande gekommenen Ratenzahlungsvereinbarung geführt habe. Auch den mit der M. GmbH und der P. GmbH geführten Stundungsvereinbarungen habe zu Grunde gelegen, dass hinsichtlich der tatsächlichen Forderungshöhe Klärungsbedarf bestanden habe. Die Beklagten zu 3. bis 5. halten im Übrigen daran fest, dass ihnen Einzahlungen auf das nach den Behauptungen des Klägers fortlaufend debitorisch geführte Konto der Schuldnerin bei der Sparkasse H. nicht bekannt und auch nicht erkennbar gewesen seien. Im Übrigen überspanne der Kläger die an den Aufsichtsrat eines kleinen familiengeführten Unternehmens in der Krise zu stellenden Überwachungspflichten ganz erheblich.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1.a) Der vom Kläger gegenüber den Beklagten mit der Berufung weiterverfolgte Anspruch gemäß §§ 92 Abs. 3 Satz 1 [a.F.], 93 Abs. 3 Nr. 6 [a.F.], 116 Satz 1 [a.F.] AktG auf Ersatz in der Zeit vom 1. Februar bis zum 12. September 2007 auf die Konten der Schuldnerin bei der Sparkasse H. und bei der V-Bank erfolgter Einzahlungen besteht nicht.

aa) Dem Kläger ist zwar im rechtlichen Ausgangspunkt insoweit zu folgen, als dass für den Fall der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der Gesellschaft die Entgegennahme von Zahlungen auf ein debitorisch geführtes Konto eine verbotene Zahlung im Sinne des § 93 Abs. 3 Satz 1 [a.F.] AktG darstellen kann. Dies rechtfertigt sich daraus, dass durch einen Zahlungseingang auf einem debitorischen Konto das Aktivvermögen der Gesellschaft zu Lasten ihrer Gläubigergesamtheit (und zum Vorteil der Bank) in gleicher Weise geschmälert wird wie bei einer Auszahlung aus dem Barvermögen der Gesellschaft (BGH Urt. v. 26. März 2007 – II ZR 310/05 -, ZIP 2007, 1006 ff., juris Rn. 12). In beiden Fällen wird der Insolvenzmasse zugunsten der Befriedigung eines Gläubigers ein Betrag entzogen, der anderenfalls zur (teilweisen) Befriedigung aller Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde (BGH, Urt. v. 29. November 1999 – II ZR 273/98 -, BGHZ 143, 184 ff., juris Rn. 9).

bb) Demgegenüber ist vorliegend aber schon auf der Grundlage des eigenen Vorbringens des Klägers und des unstreitigen Vorbringens der Beklagten davon auszugehen, dass die Insolvenzmasse durch die klagegegenständlichen Einzahlungen auf die betreffenden Konten der Schuldnerin nicht geschmälert worden ist. Sämtliche Forderungen gegenüber Drittschuldnern der Schuldnerin waren nämlich bereits durch die Globalabtretungsvereinbarung vom 26. Mai 2005 an die V-Bank abgetreten, standen der Schuldnerin hiernach rechtlich und mit Rücksicht auf deren gegenüber der V-Bank bestehende Verbindlichkeiten auch wirtschaftlich nicht mehr zu und konnten damit schon vor den jeweiligen Zahlungsvorgängen nicht mehr Bestandteil des der Verpflichtung zum Masseerhalt unterliegenden Vermögens der Schuldnerin sein.

(1) Die Haftung gemäß §§ 93 Abs. 2 Nr. 6 AktG, 64 GmbHG, 130a Abs. 1 HGB setzt aber eine Masseschmälerung, einen Abfluss von Mitteln aus der im Stadium der Insolvenzreife der Gesellschaft zugunsten der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhaltenden Vermögensmasse, voraus (BGH, Urt. v. 18. November 2014 – II ZR 231/13 -, ZIP 2015, 71 ff., juris Rn. 9, 10). Da die gegenüber Drittschuldnern bestehenden Forderungen nicht Teil des geschützten Aktivvermögens der Schuldnerin waren, waren die Beklagten zur Vermeidung einer Inanspruchnahme aus §§ 92 Abs. 3 Satz 1 [a.F.], 93 Abs. 3 Nr. 6 [a.F.], 116 Satz 1 [a.F.] AktG dementsprechend auch nicht gehalten, die Globalabtretung zu Gunsten der V-Bank dadurch zu unterlaufen, dass sie die dieser zustehenden Forderungen auf ein neu eröffnetes, kreditorisch geführtes Bankkonto der Schuldnerin einzogen (Strohn, NZG 2011, 1161 ff., 1166; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Baumert, GmbHG, 5. Aufl. 2013, § 64 Rn. 33). Hierdurch hätte eine Masseverkürzung nämlich nicht verhindert, sondern allenfalls eine Massebereicherung herbeigeführt werden können, der das „Zahlungsverbot“ des § 92 Abs. 3 Satz 1 [a.F.] AktG indes nicht dient (BGH, a.a.O. Rn. 11 a.E.).

(2) Vorliegend hätte eine Vergrößerung des Aktivvermögens der Schuldnerin durch den Einzug von Forderungen auf einem kreditorisch geführten Bankkonto allerdings schon deshalb nicht herbeigeführt werden können, weil es sich bei den hierdurch begründeten Auszahlungsansprüchen der Schuldnerin gegenüber der kontoführenden Bank ebenfalls um Ansprüche gehandelt hätte, die wiederum von der auf „sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche aus dem Geschäftsverkehr, insbesondere aus Lieferungen und Leistungen“ gerichteten Globalabtretung zu Gunsten der V-Bank umfasst gewesen wären (OLG Frankfurt, Urt. v. 15. Juli 2009 – 4 U 298/08 -, ZIP 2009, 2293 ff., juris Rn. 18 f., und nachfolgend BGH, Urt. v. 25. Januar 2011 – II ZR 196/09 -, ZIP 2011, 422 ff., juris Rn. 3, 21).

(3) Eine im Rahmen der §§ 92 Abs. 3 Satz 1 [a.F.], 93 Abs. 3 Nr. 6 [a.F.], 116 Satz 1 [a.F.] AktG haftungsbegründend vorauszusetzende Masseschmälerung lässt sich schließlich auch nicht damit begründen, dass der Kläger im Falle des Forderungseinzugs auf ein kreditorisches Bankkonto der Schuldnerin gemäß §§ 170, 171 InsO Kostenbeiträge hätte erheben können. Die in § 171 InsO genannten Kostenbeiträge sollen allein dazu dienen, die Insolvenzmasse von den Kosten zu entlasten, die, soweit ein Absonderungsrecht geltend gemacht wird, für die Feststellung der Rechtslage sowie für die Verwertung der Gegenstände anfallen (BGH, Urt. v. 25. September 2014 – IX ZR 156/12 -, ZIP 2014, 2305 ff., juris Rn. 11; Urt. v. 20. November 2003 – IX ZR 259/02 -, ZIP 2004, 42 ff., juris Rn. 14; Urt. v. 9. Oktober 2003 – IX ZR 28/03 -, ZIP 2003, 2370 ff., juris Rn. 16).

cc) Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der zu Gunsten der V-Bank vereinbarten Globalabtretung zeigt der Kläger nicht auf, diese sind auch sonst nicht ersichtlich. Namentlich ist auch eine Übersicherung der V-Bank nicht zu erkennen. Hiergegen spricht schon, dass innerhalb des klagegegenständlichen Zeitraums nach dem eigenen Vorbringen des Klägers mit der Klageschrift unbeschadet der auf das Konto der Schuldnerin bei der V-Bank erfolgten Einzahlungen dessen Sollsaldo den Betrag von zuletzt € 313.128,99 zu Lasten der Schuldnerin zu keinem Zeitpunkt unterschritten hat.

Auch für eine Anfechtbarkeit der zu Gunsten der V-Bank erfolgten Globalabtretung ist nichts ersichtlich. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang mit der Berufung geltend macht, jedenfalls die ab dem 10. Mai 2007 eingezogenen Beträge seien als Forderungen anzusehen, die erst innerhalb des Drei-Monatszeitraums vor dem Insolvenzantrag werthaltig geworden seien und deshalb gemäß § 130 Abs. 1 InsO einer Anfechtung als kongruente Deckung unterlegen hätten (vgl. BGH, Urt. v. 26. Juni 2008 – IX ZR 144/05 -, ZIP 2008, 1435 ff., juris Rn. 17; Urt. v. 29. November 2007 – IX ZR 30/07 -, BGHZ 174, 297 ff., juris Rn. 35, 38; Urt. v. 29. November 2007 – IX ZR 165/05 -, ZIP 2008, 372 ff., juris Rn. 12, 14 f.), fehlt es an jeglichem Vorbringen des Klägers zu den den klagegegenständlichen Einzahlungen zu Grunde liegenden Einzelforderungen, anhand dessen diese Behauptung nachzuvollziehen sein könnte.

b) Auch soweit der Kläger sich hinsichtlich der Inanspruchnahme der Beklagten zu 1. und 2. zugleich auf §§ 32a [a.F.], 32b [a.F.] GmbHG, 135 InsO stützt und hierzu geltend macht, durch den Forderungseinzug auf das Konto der Schuldnerin bei der V-Bank seien deren Ehefrauen und sie selbst von den dieser gegenüber eingegangenen Bürgschaftsverpflichtungen entlastet worden, rechtfertigt dies eine auch nur teilweise Abänderung des angefochtenen Urteils zu Gunsten des Klägers nicht. Der Kläger verkennt in diesem Zusammenhang, dass die Beklagten zu 1. und 2. unstreitig nicht Aktionäre der Schuldnerin waren und dieser gegenüber insofern auch keiner Finanzierungsfolgenverantwortung unterlagen (BGH, Urt. v. 9. Mai 2005 – II ZR 66/03 -, ZIP 2005, 1316 ff., juris Rn. 10).

c) Gegenüber den Beklagten zu 3. bis 5. erweist sich die Berufung zudem aber auch schon deshalb als unbegründet, weil nicht festzustellen ist, dass es durch die diesen vorgeworfenen Pflichtverletzungen zu einem Vermögensverlust der Schuldnerin im Sinne des § 93 Abs. 3 Nr. 6 [a.F.] AktG gekommen wäre. Der Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Vermögensverlust unterliegt als Element der haftungsbegründenden Kausalität aber der Darlegungs- und Beweispflicht des Klägers (BGH, Urt. v. 16. März 2009 – II ZR 280/07 -, ZIP 2009, 860 ff., juris Rn. 16)

aa) Auf der Grundlage des Berichts des Wirtschaftsprüfers über die Prüfung des Jahresabschlusses der Schuldnerin zum 31. Januar 2006 (Anlage K 6) sowie der Protokolle der nachfolgenden Aufsichtsratssitzungen ist zwar davon auszugehen, dass die Unternehmenskrise auch den Beklagten zu 3. bis 5. als den Aufsichtsratsmitgliedern der Schuldnerin nicht entgangen ist. Hiernach unterlagen die Beklagten zu 3. bis 5. nicht zuletzt auch hinsichtlich des vom Vorstand einzuhaltenden Zahlungsverbots gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 [a.F.] AktG einer gesteigerten Überwachungspflicht, in deren Rahmen sie auch dazu verpflichtet waren, sich ein genaues Bild von der wirtschaftlichen Situation der Schuldnerin zu machen und insoweit die ihnen nach §§ 90 Abs. 3, 111 Abs. 2 AktG zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen auszuschöpfen (BGH, a.a.O. Rn. 15).

Es lässt sich aber nicht feststellen, dass die Beklagten zu 3. bis 5. durch die Wahrnehmung ihrer hinsichtlich der Bücher und Schriften der Schuldnerin bestehenden Einsichtnahme- und Prüfungsrechte eine nicht nur drohende, sondern bereits eingetretene Insolvenzreife der Schuldnerin mit der Konsequenz hätten erkennen können, dass die ihnen obliegenden Informations-, Beratungs- und Überwachungspflichten sich zu einer Verpflichtung dahingehend verdichtet hätten, darauf hinzuwirken, dass der Vorstand keine mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters nicht zu vereinbarenden Zahlungen mehr leiste (BGH, Urt. v. 20. September 2010 – II ZR 78/09 -, BGHZ 187, 60 ff., juris Rn. 13; Urt. v. 16. März 2009, a.a.O.) bzw. insofern auch keine Zahlungen auf etwa debitorisch geführte Bankkonten der Schuldnerin mehr entgegennehme.

bb) Für den Fall, dass die Beklagten zu 3. bis 5. die Geschäftsunterlagen der Schuldnerin unter dem Gesichtspunkt der bereits eingetretenen Insolvenzreife einer pflichtgemäß eigenständigen Prüfung unterzogen hätten, hätte zunächst eine das Zahlungsverbot des § 92 Abs. 3 Satz 1 [a.F.] auslösende Überschuldung der Schuldnerin nämlich deshalb nicht festgestellt werden können, weil von einer Überschuldung der Schuldnerin wiederum schon auf der Grundlage des eigenen Vorbringens des Klägers und des unstreitig gebliebenen Vorbringens der Beklagten tatsächlich nicht auszugehen ist.

Im Rahmen der von ihm behaupteten Überschuldung der Schuldnerin hat der Kläger die seitens der Beklagten unbestritten im Umfang von zumindest € 328.000,00 geltend gemachten Rangrücktrittserklärungen unter anderem der beiden Aktionärinnen der Schuldnerin mit den ihnen dieser gegenüber zustehenden Darlehensforderungen schlicht unberücksichtigt gelassen. Bei deren zutreffender Berücksichtigung hat sich eine Überschuldung der Schuldnerin im klagegegenständlichen Zeitraum aber bereits deshalb nicht ergeben können, weil die in einem Überschuldungsstatus zu bilanzierenden Verbindlichkeiten der Schuldnerin in diesem Fall um eben diesen Betrag geringer anzusetzen gewesen wären mit der Folge, dass entgegen dem Vorbringen des Klägers weder per 1. Februar 2007 von einem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von € 42.101,11 oder gar € 166.091,52 noch per 30. April 2007 von einem weiteren Fehlbetrag der Schuldnerin in Höhe von € 148.661,63 auszugehen gewesen wäre. Soweit der Kläger eine Überschuldung der Schuldnerin im Umfang von mindestens € 527.450,05 zudem daraus herleitet, dass deren Warenbestand in einem Überschuldungsstatus mit höchstens € 500.000,00 anzusetzen gewesen wäre, ermangelt es dem Vorbringen des Klägers jeglicher Substantiierung, auf deren Grundlage dieser Wertansatz nachvollzogen werden könnte.

cc) Es ist zugleich aber ebenso wenig festzustellen, dass die Beklagten zu 3. bis 5. für den Fall der pflichtgemäßen Wahrnehmung ihrer hinsichtlich der Geschäftsunterlagen der Schuldnerin bestehenden Einsichtnahmerechte deren bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hätten feststellen können. In diesem Zusammenhang gilt, dass auch der Kläger sich für die von ihm behauptete Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO) der Schuldnerin nicht etwa auf eine aus den Geschäftsunterlagen der Schuldnerin abgeleitete Liquiditätsbilanz, also eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten und der liquiden Mittel der Schuldnerin, stützt, sondern sich stattdessen lediglich auf solche Umstände bezieht, die eine Zahlungseinstellung und die hieraus gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO zu schlussfolgernde Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin indiziell nahelegen.

(1) Soweit der Kläger die Zahlungsunfähigkeit aus angeblich eigenen Erklärungen der Schuldnerin ableitet, ihre bestehenden Verbindlichkeiten nicht vollständig erfüllen zu können, kommt derartigen Äußerungen, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte verbunden sind, zwar regelmäßig eine erhebliche Bedeutung für die Frage der Zahlungseinstellung zu (BGH, Versäumnisurt. v. 10. Juli 2014 – IX ZR 280/13 -, ZIP 2014, 1887 ff., juris Rn. 28). Derartige eigene Erklärungen der Schuldnerin lassen sich den seitens des Klägers insoweit in Bezug genommenen Schriftstücken indes nicht entnehmen. Weder die beiden insoweit herangezogenen Schreiben der A. KG (Anlagen K 2 und K 2a), noch die von der M. GmbH erstellten Schriftstücke (Anlagen K 3 und K 4) und auch nicht die E-Mail-Korrespondenz des Beklagten zu 1. mit der P. GmbH (Anlage K 5) sind für eine angebliche Erklärung der Schuldnerin, zur Erfüllung diesen Gläubigern gegenüber bestehender Verbindlichkeiten nicht in der Lage zu sein, indiziell aussagekräftig. Dieser Korrespondenz lässt sich vielmehr lediglich entnehmen, dass die Schuldnerin um Ratenzahlungen nachgesucht hat. Dies allein lässt den Schluss auf eine Zahlungseinstellung für sich genommen aber noch nicht zu.

Von inhaltlich darüber hinausgehenden, etwa bloß mündlichen Erklärungen des Vorstands der Schuldnerin gegenüber deren Gläubigern, zur Erfüllung fälliger Verbindlichkeiten nicht in der Lage zu sein, hätten die Beklagten zu 3. bis 5. demgegenüber aber auch durch die Wahrnehmung ihrer gemäß § 111 Abs. 2 AktG auf die Geschäftsunterlagen der Schuldnerin bezogenen Einsichtnahmerechte noch keine Kenntnis erlangen können.

(2) Auch die aus der Nichtzahlung fälliger und bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens unbeglichen gebliebener Verbindlichkeiten für die Beurteilung der Zahlungseinstellung abzuleitende Indizwirkung (BGH, Urt. v. 19. November 2013 – II ZR 229/11 -, ZIP 2014, 168 ff., juris Rn. 21; Versäumnisurt. v. 24. Januar 2012 – II ZR 119/10 -, ZIP 2012, 723 ff., juris Rn. 13) müssen sich die Beklagten zu 3. bis 5. vorliegend nicht entgegenhalten lassen.

Zu den klägerseitig behaupteten Zeitpunkten des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hat sich aus deren Geschäftsunterlagen naturgemäß kein Anhaltspunkt dafür entnehmen lassen können, welche der jeweils aktuell bestehenden Verbindlichkeiten auch noch bis zur Eröffnung eines zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal beantragten Insolvenzverfahrens von der Schuldnerin zukünftig nicht mehr erfüllt werden würden. Der bloße Umstand, das die Schuldnerin zu den Zeitpunkten des seitens des Klägers behaupteten Eintritts der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin überhaupt fälligen Verbindlichkeiten ausgesetzt gewesen ist, hat aus der maßgeblichen damaligen Sicht der Beklagten zu 3. bis 5. für die Beurteilung einer bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit für sich genommen aber so lange noch nichts hergeben können, wie nicht zugleich festgestanden hat, dass diese Verbindlichkeiten innerhalb eines Zeitraums von drei Wochen zu mehr als zehn Prozent nicht mehr hätten erfüllt werden können (BGH, Urt. v. 24. Mai 2005 – IX ZR 123/04 -, BGHZ 163, 134 ff., juris Rn. 29 ff.). Dass dies der Fall gewesen wäre und zugleich die Beklagten zu 3. bis 5. dies den Geschäftsunterlagen der Schuldnerin hätten entnehmen können, lässt sich aber schon auf der Grundlage des eigenen Vorbringens des Klägers wiederum nicht feststellen.

Hiernach kommt auch insbesondere der Behauptung des Klägers keine ausschlaggebende Bedeutung für die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit zu, dass die Schuldnerin gegenüber ihrer Vermieterin bereits im Frühjahr 2006 mit lediglich zwei Monatsmieten in Rückstand geraten und nachfolgend geblieben ist. Dass diesem Sachverhalt nicht die Bedeutung einer Zahlungseinstellung hat zukommen können, erschließt sich nämlich schon daraus, dass die Zahlung der laufenden Monatsmieten von der Schuldnerin nachfolgend wieder uneingeschränkt aufgenommen worden ist.

(3) Soweit mit – nicht nachgelassenem – Schriftsatz vom 16. Februar 2015 der Kläger die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erstmals auch aus in dem Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Januar 2006 ausgewiesenen Liquiditätskennzahlen der Schuldnerin herleitet, haben die Beklagten zu 3. bis 5. den Schluss auf eine bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hieraus schon mit Blick darauf nicht ziehen müssen, dass die Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin in diesem Prüfbericht (Anlage K 6, dort S. 15) demgegenüber sogar ausdrücklich positiv festgestellt worden ist.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

(Quelle: http://openjur.de/u/767492.html)

 

Tim Wullbrandt || Strafrecht in Mannheim

§ 475 Abs. 1 S. 1 StPO gibt Privatpersonen einen Anspruch Auskünfte aus Akten zu erhalten, soweit diese hierfür ein berechtigtes Interesse darlegen. Auskünfte sind hingegen zu versagen, wenn der von der Auskunft Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat, § 475 Abs. 1 S. 2 StPO. Das berechtigte Interesse muss dabei nicht auf die Wahrnehmung formal eingeräumter Rechte – wie die Verfolgung bürgerlich-rechtlicher Ansprüche – gerichtet sein.

Auch ideelles Interesse kann berechtigtes Interesse an Auskunftserteilung sein

Das Landgericht Bad Kreuznach hat nun entschieden, dass auch ein ideelles Interesse ein berechtigtes Interesse an einer Auskunftserteilung über den Akteninhalt sein kann. Wenn wegen eines Todesfalls ermittelt wurde, haben nach Ansicht des Landgerichts Personen, die nahe Angehörige des Verstorbenen waren, ein solches berechtigtes Interesse.

LG Bad Kreuznach, Beschluss vom 26.02.20152 Qs 19/15

Aus den Gründen der Entscheidung:

I.
Bei dem Verfahren 2 UJs 10279/87 handelt es sich um eine Todesermittlungsakte betreffend den W. A. F., welcher am 05.12.1987 durch einen Sturz vom Rotenfels in Bad Münster am Stein zu Tode kam. Die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach stellte das Ermittlungsverfahren aufgrund des Vorliegens eines Unfalltodes am 07.12.1987 ein. Bei der Antragstellerin G. K. handelt es sich um die Tochter des Verstorbenen, der Antragsteller A. K. ist ihr Ehemann.

Mit Schreiben vom 29.10.2014 begehrten die Antragsteller nochmalige Akteneinsicht, nachdem ihnen die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach bereits am 23.10.2014 eine kurze Akteneinsicht in den Räumen der Staatsanwaltschaft gewährt hatte. Die Antragsteller machen geltend, dass sie sich über die genauen Todesumstände des W. A. F. informieren möchten. Hierfür sei insbesondere die Zeugenaussage des einzigen Augenzeugen erforderlich, da dieser mittlerweile verstorben sei. Darüber hinaus stellen sie klar, dass sie keine Rechtsverfolgung in irgendeiner Art und Weise beabsichtigen.

Hierauf erwiderte die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach mit Schreiben vom 04.11.2014, dass sie bereit sei, Auskunft auf konkrete Fragestellungen zu erteilen, soweit keine schutzwürdigen Belange entgehen stünden. Die Antragsteller wiesen mit Schreiben vom 08.11.2014 darauf hin, dass es ihnen mangels ausreichender Kenntnis der Akteninhalte nicht möglich sei, eine konkrete Fragestellung zu formulieren.

Mit Schreiben vom 11.11.2014 lehnte die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach das Akteneinsichtsgesuch der Antragssteller ab und verwies darauf, dass die Antragssteller kein berechtigtes Interesse an der Einsicht bzw. Auskunft vorgetragen hätten. Als berechtigtes Interesse definierte die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach ein schutzwürdiges rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse mit dem Zweck, die tatsächlichen und/oder rechtlichen Voraussetzungen für eine geplante oder bereits in die Wege geleitete Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zu schaffen oder auch nur zu verbessern bzw. zu verstärken. Die Ablehnung des Gesuchs ergäbe sich somit insbesondere aus dem Umstand, dass die Antragsteller nach ihrem eigenen Vortrag keine Rechtsverfolgung beabsichtigen.

Gegen diese Ablehnung ihres Gesuchs wendeten sich die Antragssteller mit Schreiben vom 07.12.2014, mit welchem sie einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellten. Mit Beschluss vom 14.01.2015 lehnte das Amtsgericht Bad Kreuznach das Akteneinsichtsgesuch der Antragsteller ab und begründete dies ebenfalls mit mangelnden berechtigtem Interesse der Antragsteller. Gegen diesen Beschluss wenden sich die Antragsteller mit ihren Schreiben vom 01.02.2015 sowie vom 10.02.2015. Sie tragen ergänzend vor, dass seit Mitte letzten Jahres Meldungen über einen angeblichen Suizid des W. A. F. kursieren würden und dies die Familie des Verstorbenen stark belaste. Sie erhofften sich aus dem beantragten Auskunftsersuchen Antworten zu finden, um diesen Gerüchten entgegen zu wirken oder zumindest selbst abschließenden Frieden finden zu können. Hierfür seien sie auch mit einer Schwärzung sämtlicher Namens- und Berufsbezeichnungen der damals am Verfahren Beteiligten einverstanden, um eventuelle schutzwürdige Belange Dritter zu wahren.
Im Anschluss an die Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 04.02.2015 wurden die Akten der Beschwerdekammer des Landgerichts Bad Kreuznach vorgelegt.

II.
Die zulässige Beschwerde der Antragsteller hat auch in der Sache Erfolg. Die Antragsteller haben ein berechtigtes Interesse an der Gewährung von Auskünften aus dem Verfahren 2 UJs 10279/87, § 475 Abs. 1 StPO.

§ 475 Abs. 1 S. 1 StPO gibt Privatpersonen einen Anspruch Auskünfte aus Akten zu erhalten, soweit diese hierfür ein berechtigtes Interesse darlegen. Auskünfte sind hingegen zu versagen, wenn der von der Auskunft Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat, § 475 Abs. 1 S. 2 StPO.

Der private Antragsteller muss somit ein berechtigtes Interesse an der Informationserteilung darlegen. Das bedeutet, er muss Tatsachen schlüssig vortragen, aus denen sich Grund und Umfang der benötigten Auskünfte ergeben. Das berechtigte Interesse muss hingegen nicht auf die Wahrnehmung formal eingeräumter Rechte – wie die Verfolgung bürgerlich-rechtlicher Ansprüche – gerichtet sein (vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 475, Rn. 2; Karlsruher Kommentar, StPO, § 475, Rn. 4).

Die Antragsteller haben ihr ideelles Interesse an der Auskunftserteilung im ausreichenden Maß dargelegt. Dass es ihnen nicht auf eine Rechtsverfolgung ankommt, ist ohne Belang. Gerade enge Familienmitglieder haben ein berechtigtes Interesse, die Umstände eines Todesfalles – sollte er auch schon Jahre her sein – zu erfahren. Die Antragsteller als Tochter und Schwiegersohn des Verstorbenen möchten nicht nur ihre eigenen Informationsinteressen befriedigen, sondern auch das Ansehen des Verstorbenen wahren und gegebenenfalls verteidigen. Entgegenstehende schutzwürdige Belange anderer Betroffener sind – gerade im Hinblick auf den nicht unwesentlichen Zeitablauf – nicht ersichtlich.

 

In Ordnungswidrigkeitenverfahren gilt gerade zu Beginn des Verfahrens eine goldene Regel: Je länger, desto lieber! Oftmals weiss ein Mandant bereits im Vorfeld eines Bußgeldbescheids, dass dieser demnächst zu erwarten ist. Das ist beispielsweise der Fall, wenn das Fahrzeug auf die Firma / einen Familienangehörigen zugelassen wurde, mit dem Erstanschreiben der Behörde der Mandant noch nicht erfasst wurde und die Identität des Mandanten erst ermittelt werden muss.  § 31 Abs.2 regelt, dass

strafrecht_ratgeber_guidelinesDie Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten verjährt, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt,

  1. in drei Jahren bei Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbuße im Höchstmaß von mehr als fünfzehntausend Euro bedroht sind,
  2. in zwei Jahren bei Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbuße im Höchstmaß von mehr als zweitausendfünfhundert bis zu fünfzehntausend Euro bedroht sind,
  3. in einem Jahr bei Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbuße im Höchstmaß von mehr als eintausend bis zu zweitausendfünfhundert Euro bedroht sind,
  4. in sechs Monaten bei den übrigen Ordnungswidrigkeiten.

Verjährung der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten in 6 Monaten

Gerade bei „klassischen“ Verkehrssachen (Bußgelder wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen, „Blitzen“) liegt das Bußgeld nahezu immer unter der G´renze von 1.000 EUR, so dass die Verfolgung dieser Taten nach 6 Monaten verjährt. Beginn der Verjährung ist dabei der Zeitpunkt, in welchem die Tat beendet ist (§ 31 Abs. 3 OWiG). In Folge dieser sehr kurzen Verjährungsregelung sind Verteidiger immer darum bemüht, die Identifizierung des Mandanten so weit als möglich nach hinten herauszuzögern – im besten Fall über die Halbjahresgrenze nach dem Verstoß hinaus. Die Gerichte und Bußgeldbehörden indes versuchen mit aller Macht, die Verjährung zu verhindern.

Unterbrechung der Verjährung

§ 33 OWiG legt in Bezug darauf fest, wann die Verjährung jeweils zum Ruhen kommt. Unter anderem bestimmt § 33 Abs.1 Nr. 11 OWiG, dass

jede Anberaumung einer Hauptverhandlung

die Verjährung unterbricht. In seinem Beschluss vom 23.02.2015 – 3 Ss OWi 218/15 – hat das OLG Bamberg nun festgehalten, dass eine richterliche Verfügung, mit dem Inhalt „NT („Neuen Termin“, Anm. d. Red.) bestimmen“ nicht geeignet ist, die Verjährung nach § 33 I Nr. 11 OWiG zu unterbrechen, da es sich insoweit nicht um die „Anberaumung einer Hauptverhandlung“ im Rechtssinne handelt. Von einer solchen kann nur gesprochen werden, wenn Ort, Tag und Stunde der vorgesehenen Hauptverhandlung festgesetzt werden.

Reiner Schiebetermin ist keine „Hauptverhandlung“ im Rechtssinne

Gleiches gelte für den Fall, dass lediglich die Geschäftsstelle des Gerichts einen Termin zur Hauptverhandlung bestimmt. Die Anberaumung von Hauptverhandlungsterminen obliegt dem vorsitzenden Richter.

WULLBRANDT Rechtsanwälte | Heidelberg & Wörrstadt

§ 12 Nr.4 Einkommensteuergesetz (EStG) bestimmt, dass Geldstrafen und sonstige Auflagen mit Strafcharakter nicht steuerlich abzugsfähig sind. Dies gilt insbesondere für solche Auflagen, welche nicht lediglich der Wiedergutmachung eines Schadens dienen (diese können durchaus abzugsfähig sein). Zu den nicht abzugsfähigen Auflagen und Weisungen gehören somit insbesondere Aufwendungen zur Erfüllung einer Auflage, nach welcher Zahlungen an die Staatskasse oder an eine gemeinnützige Einrichtung zu leisten sind. Diese Zahlungen an Dritte (eben nicht den Geschädigten der Tat) haben im Gegensatz zu schadenswiedergutmachenden Auflagen i.S. des § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO, die lediglich eine zivilrechtliche Schadensersatzpflicht nachzeichnen, Sanktionscharakter und sind ein der Geldstrafe vergleichbares Übel.

Übernimmt eine Personengesellschaft (GbR) für ihren Gesellschafter die Zahlung dieser Auflage, dann ist diese Aufwendung keinesfalls steuerlich als Betriebsausgabe abzugsfähig. Dies gilt auch dann, wenn die fragliche Straftat im Zusammenhang mit dem Unternehmen der Gesellschaft stand, selbst wenn die Gesellschaft durch die Übernahme der Zahlung einen Schaden im Hinblick auf ihren Ruf und ihr Ansehen in der Öffentlichkeit verhindern möchte.

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs:

Tatbestand:

I. Streitig ist die steuerrechtliche Beurteilung einer von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bezahlten Geldauflage i.S. des § 153a StPO, die zur Einstellung eines gegen einen Gesellschafter der GbR gerichteten Strafverfahrens geführt hat.

Der im Klageverfahren Beigeladene zu 1. und Revisionskläger (Revisionskläger) war im Streitjahr 2003 an einer Steuerberatungs-GbR, der Klägerin und Beteiligten (Klägerin), beteiligt. Am Gewinn und Verlust der Klägerin nahmen die Gesellschafter im Streitjahr wie folgt teil: der Revisionskläger mit 19 %, die A GbR mit 35 %, die Gesellschafterin B (Beigeladene zu 2.) mit 20 %, die Gesellschafterin C (Beigeladene zu 3.) mit 25 % sowie der Gesellschafter D (Beigeladener zu 4.) mit 1 %. 2004 schied der Revisionskläger aus der Gesellschaft aus. Die Beigeladenen zu 2. bis 4. hat der erkennende Senat nachträglich in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2013 durch Beschluss gemäß § 60 Abs. 3, § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO beigeladen.

Gegen den Revisionskläger war ein Strafverfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eingeleitet worden, das nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von insgesamt 51 000 EUR eingestellt worden war. Von diesem Betrag hatte der Revisionskläger 10 000 EUR an eine gemeinnützige Einrichtung und 41 000 EUR an die Staatskasse zu entrichten. Die Zahlungen wurden im Streitjahr vom Konto der Klägerin geleistet.

Im Rahmen einer Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin die Zahlungen der Geldauflagen als außerordentlichen Aufwand gewinnmindernd bei der Ermittlung des Gewinns der Gesamthand berücksichtigt hatte. Bei der Gewinnverteilung der Klägerin waren die insgesamt 51 000 EUR vorab den Beigeladenen zu 2. bis 4. anteilig als Verlust zugerechnet worden, und zwar der Beigeladenen zu 2. in Höhe von 20 000 EUR, der Beigeladenen zu 3. in Höhe von 30 000 EUR sowie dem Beigeladenen zu 4. in Höhe von 1 000 EUR. Zugleich erhöhte die Klägerin jedoch den quotal zu verteilenden Gesamthandsgewinn um die 51 000 EUR und verteilte diesen erhöhten Gewinn unter allen Gesellschaftern nach dem im Gesellschaftsvertrag bestimmten Gewinnverteilungsschlüssel. Dies sollte einen Beschluss der Mitgesellschafter des Revisionsklägers umsetzen, nach welchem der Revisionskläger im Innenverhältnis von der Auflagenzahlung freizustellen sei. Der Außenprüfer war dagegen der Auffassung, dass ein Betriebsausgabenabzug wegen § 12 Nr. 4 EStG ausgeschlossen sei. Für den Revisionskläger handle es sich um eine Sonderbetriebseinnahme in Höhe von 51 000 EUR. Denn aus Sicht des Prüfers liege in der Zahlung der Auflage durch die Klägerin an die öffentlichen Kassen wirtschaftlich eine gesellschaftsrechtlich veranlasste Zahlung der Beigeladenen zu 2. bis 4. an den Revisionskläger.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA –) setzte die Rechtsauffassung des Außenprüfers abweichend um. Es änderte den Feststellungsbescheid der Klägerin für 2003 im Hinblick auf die Auflagenzahlung dahin, dass es die laufenden Einnahmen aus selbständiger Arbeit der Gesamthand um 51 000 EUR erhöhte und diesen Betrag im Rahmen der Verteilung des Gesamthandsgewinns allein dem Revisionskläger zurechnete. Die von der Klägerin vorgenommene Zurechnung negativer Beträge an die Beigeladenen zu 2. bis 4. ließ das FA ebenso unverändert wie die quotale Verteilung des um 51 000 EUR erhöhten Gesamthandsgewinns. Daher enthielt der vom FA im Änderungsbescheid für den Revisionskläger festgestellte Anteil am Gesamthandsgewinn in Höhe von 196 005,21 EUR neben den direkt zugerechneten 51 000 EUR zusätzlich einen seinem Gewinnanteil in Höhe von 19 % entsprechenden Betrag an den „weiteren“ 51 000 EUR, die bereits im Rahmen der von der Klägerin eingereichten Feststellungserklärung in die quotale Verteilung des Gesamthandsgewinns eingeflossen waren. Dagegen unterließ das FA eine Erhöhung der bisher für den Revisionskläger aus anderen Gründen in Höhe von 8 251,96 EUR festgestellten Sonderbetriebseinnahmen. Der gegen diese Änderungen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

Mit der anschließend erhobenen Klage begehrte die Klägerin, den Feststellungsbescheid für 2003 dahingehend zu ändern, dass die Angaben der Klägerin in der Feststellungserklärung zugrunde gelegt werden.

Der Revisionskläger, der inzwischen aus der Klägerin ausgeschieden war, wurde mit Beschluss vom 15.6.2010 nach § 60 Abs. 3 FGO vom FG beigeladen. Er beantragte, Sonderbetriebseinnahmen in Höhe von 51 000 EUR zu streichen, hilfsweise, Sonderbetriebsausgaben in Höhe von 41 000 EUR zu berücksichtigen.

Das FA erließ für die Klägerin während des Klageverfahrens einen geänderten Feststellungsbescheid vom 25.4.2008. Die Änderungen betrafen keine der streitigen Feststellungen.

Das FG wies die Klage aus den in EFG 2011, 1616 genannten Gründen ab.

Mit der Revision rügt der Revisionskläger die Verletzung materiellen Rechts. Der Revisionskläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG Münster vom 4.10.2010 – 7 K 4735/07 F aufzuheben sowie den Feststellungsbescheid der Klägerin für 2003 vom 25.4.2008 dergestalt zu ändern, dass der Gewinn auf Ebene der Gesellschaft um 51 000 EUR gemindert und dem Revisionskläger nicht ein erhöhter Gewinnanteil in Höhe von 51 000 EUR zugerechnet wird, hilfsweise, dem Revisionskläger keine Sonderbetriebseinnahmen in Höhe von 51 000 EUR zuzurechnen. Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Die Klägerin hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert. Die Beigeladenen zu 2. bis 4. haben keine Anträge gestellt. Sie tragen übereinstimmend vor, der strittige Betrag von 51 000 EUR sei Gegenstand einer Gewinnverteilungsabrede gewesen, um die Mehrbelastung des Revisionsklägers durch die strafrechtlichen Verfahren auszugleichen. Deshalb seien die Gewinnanteile der Beigeladenen zu 2. bis 4. entsprechend gemindert worden. Das FA habe diese Gewinnverteilungsabrede richtig umgesetzt und die entsprechende Gewinnerhöhung zutreffend allein dem Revisionskläger zugerechnet. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2013 für das weitere Verfahren auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des Revisionsklägers ist teilweise begründet. Sie betrifft mehrere selbständige Streitgegenstände.

1. Soweit der Revisionskläger mit seinem ersten Hauptantrag bei der Ermittlung des Gewinns der Klägerin einen Betriebsausgabenabzug für die Auflagenzahlung begehrt, ist seine Revision unbegründet und deswegen zurückzuweisen – § 126 Abs. 2 FGO – (dazu im Folgenden unter II.1.a). Soweit der Revisionskläger mit dem zweiten Hauptantrag die Herabsetzung seines Anteils am Gesamthandsgewinn um 51 000 EUR erreichen will, ist die Revision hingegen begründet; insoweit ist die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben – § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO – (dazu im Folgenden unter II.1.b). Wegen der Einheitlichkeit der Gewinnverteilung ergeben sich daraus Folgewirkungen für die Gewinnanteile der Beigeladenen zu 2. bis 4. (dazu im Folgenden unter II.1.c).

a) Zu Recht hat das FG die Geldauflage von 51 000 EUR bei der Ermittlung des Gesamthandsgewinns der Klägerin nicht als Betriebsausgabe abgezogen. Denn die von der Klägerin für den Revisionskläger gezahlte Auflage nach § 153a StPO gehört zu den nichtabziehbaren Kosten der privaten Lebensführung des Revisionsklägers (§ 12 Nr. 4 EStG) und mindert den Gewinn der Klägerin nicht.

aa) Zu den nichtabzugsfähigen Ausgaben i.S. des § 12 Nr. 4 EStG gehören neben den in einem Strafverfahren festgesetzten Geldstrafen unter anderem auch Leistungen zur Erfüllung von Auflagen und Weisungen, soweit die Auflagen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen. Zu diesen Leistungen gehören auch Aufwendungen zur Erfüllung einer Auflage, nach welcher Zahlungen an die Staatskasse oder an eine gemeinnützige Einrichtung zu leisten sind – § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO – (Urteile des BFH vom 22.7.1986 – VIII R 93/85, BFHE 147, 346, BStBl. II 1986, 845, unter 1.d; vom 22.7.2008 – VI R 47/06, BFHE 222, 448, BStBl. II 2009, 151, unter II.2.b). Diese Zahlungen haben im Gegensatz zu schadenswiedergutmachenden Auflagen i.S. des § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO, die lediglich eine zivilrechtliche Schadensersatzpflicht nachzeichnen, finalen Sanktionscharakter (BFH-Urteil vom 15.1.2009 – VI R 37/06, BFHE 224, 140, BStBl. II 2010, 111, unter II.2.c) und sind ein der Geldstrafe vergleichbares Übel, bei dem die Beziehung zur Person des Täters im Vordergrund steht (BFH-Urteile in BFHE 147, 346, BStBl. II 1986, 845, mit weiteren Ausführungen; vom 14.4.1986 – IV R 260/84, BFHE 146, 411, BStBl. II 1986, 518). Aufgrund dieser Täterbezogenheit ist unerheblich, ob die vermeintliche Straftat im Zusammenhang mit der Tätigkeit für ein Unternehmen stand (BFH-Urteil vom 31.7.1991 – VIII R 89/86, BFHE 165, 260, BStBl. II 1992, 85).

[21]bb) Die Zahlung einer Auflage nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO darf nach § 12 Nr. 4 EStG den Gewinn steuerrechtlich nicht mindern. Übernimmt eine Personengesellschaft für ihren Gesellschafter die Zahlung einer solchen Auflage, scheidet ein Abzug als Betriebsausgabe auch dann aus, wenn die fragliche Straftat im Zusammenhang mit dem Unternehmen der Gesellschaft stand (BFH-Urteil in BFHE 165, 260, BStBl. II 1992, 85), selbst wenn die Gesellschaft durch die Übernahme der Zahlung einen Schaden im Hinblick auf ihren Ruf und ihr Ansehen in der Öffentlichkeit verhindern möchte. Dies gilt bei freiberuflichen Personengesellschaften umso mehr. Denn diese werden durch das Engagement, die Kenntnisse und Fähigkeiten der einzelnen Gesellschafter, also durch deren Persönlichkeit geprägt. Gerade mit der Personenbezogenheit ist aber ebenso ein mögliches strafrechtliches Verschulden verbunden. Insofern ist der Wertung des § 12 Nr. 4 EStG auch auf der Ebene der Gesellschaft Vorrang vor dem Schadensabwendungsinteresse der Gesellschaft einzuräumen.

cc) Nach diesen Grundsätzen kann die Auflage des Revisionsklägers zur Einstellung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung den Gewinn der Klägerin nicht als Betriebsausgabe mindern. Die Auflage zur Zahlung eines Gesamtbetrages von 51 000 EUR ist insgesamt eine solche nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO und damit eine Auflage i.S. des § 12 Nr. 4 EStG. Denn es handelt sich weder bei der Zahlung an die Staatskasse noch bei der an die gemeinnützige Einrichtung um Geldzahlungen zur Wiedergutmachung eines eingetretenen Vermögensschadens. Die Höhe der zu zahlenden Auflage wurde nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Revisionsklägers bemessen und orientiert sich gerade nicht an der Höhe des Schadens aus der Steuerhinterziehung des Mandanten. Daher verbleibt es bei dem vom FA festgestellten laufenden Gewinn der Klägerin aus selbständiger Arbeit.

dd) Entgegen der Auffassung des Revisionsklägers folgt aus der Entscheidung des VI. Senats vom 7.7.2004 – VI R 29/00 (BFHE 208, 104, BStBl. II 2005, 367) keine abweichende Beurteilung. Zum einen ist der VI. Senat inzwischen mit seinem Urteil vom 14.11.2013 – VI R 36/12 (BFHE 243, 520, BStBl. II 2014, 278) von seiner in BFHE 208, 104, BStBl. II 2005, 367 geäußerten Rechtsauffassung abgerückt. Außerdem stellt sich die Frage, ob die Übernahme von Verwarnungsgeldern durch den Arbeitgeber zu Arbeitslohn führt, im Streitfall nicht. Adressat der Auflage ist nicht ein Arbeitnehmer der Klägerin, sondern ein Mitunternehmer. Daher ist es für den Streitfall unerheblich, ob die Strafauflagen – wären sie gegen einen Arbeitnehmer festgesetzt worden – zu Arbeitslohn führen würden. Vorliegend geht es zudem ausschließlich um den Abzug der Strafauflagen als Betriebsausgaben. Bezüglich des Werbungskostenabzugs geht auch der VI. Senat (Urteil in BFHE 222, 448, BStBl. II 2009, 151) davon aus, dass Auflagen nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO in keinem Fall abziehbar sind.

b) Zu Unrecht hat das FG die vom FA vorgenommene Erhöhung des dem Revisionskläger zugewiesenen Anteils am Gesamthandsgewinn der Klägerin nicht beanstandet.

aa) Die Vorentscheidung ist schon deshalb als rechtsfehlerhaft aufzuheben, weil das FG die Voraussetzungen einer dem Revisionskläger zugerechneten „Sonderbetriebseinnahme“ geprüft hat, obwohl der angefochtene Feststellungsbescheid eine solche Feststellung nicht enthält. Denn nach dem Inhalt des letzten Feststellungsbescheids, der in diesem Punkt mit sämtlichen vorangegangenen Änderungsbescheiden übereinstimmt, hat das FA für den Revisionskläger lediglich Sonderbetriebseinnahmen in Höhe von 8 251,96 EUR festgestellt. Diese betreffen einen anderen Sachverhalt und sind nicht angefochten worden. Dagegen hat das FG die im angefochtenen Bescheid enthaltene Feststellung eines um 51 000 EUR erhöhten Gewinnanteils des Revisionsklägers nicht überprüft.

bb) Die Sache ist spruchreif.

Der Gewinnanteil des Revisionsklägers ist um 51 000 EUR zu verringern. Für die vom FA vorgenommene zusätzliche Zurechnung der 51 000 EUR im Zusammenhang mit der Auflage nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO zum Gesamthandsgewinnanteil des Revisionsklägers gibt es keine Rechtsgrundlage. In dem erklärten Gewinnanteil des Revisionsklägers ist bereits ein seiner gesellschaftsvertraglich vereinbarten Gewinnbeteiligung entsprechender Anteil an den streitigen 51 000 EUR enthalten.

(1) Der Gesamthandsgewinn wird grundsätzlich nach Berücksichtigung von gesellschaftsvertraglichen Abreden im Hinblick auf Vorab-Gewinne nach der vertraglich vereinbarten Gewinnbeteiligungsquote verteilt. Der Gewinnanteil eines Mitunternehmers am Gesamthandsergebnis ist der Anteil am Steuerbilanzgewinn der Gesellschaft, der auf der Grundlage der aus der Handelsbilanz abgeleiteten Steuerbilanz ermittelt und nach dem handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel den Gesellschaftern (Mitunternehmern) zugerechnet wird (BFH-Urt. vom 29.3.2012 – IV R 18/08, BFH/NV 2012, 1095, unter Hinweis auf Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.2.1991 – GrS 7/89, BFHE 163, 1, BStBl. II 1991, 691; BFH-Urteil vom 29.5.2001 – VIII R 10/00, BFHE 195, 486, BStBl. II 2001, 747). Der handelsrechtlich maßgebliche Gewinnverteilungsschlüssel ergibt sich entweder aus dem Gesetz oder – wie im Streitfall – aus gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10.11.1980 – GrS 1/79, BFHE 132, 244, BStBl. II 1981, 164). Daher bleibt für die Gewinnverteilung allein die im Gesellschaftsvertrag geregelte Gewinnverteilung maßgeblich. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn ein Mehrgewinn bei der Personengesellschaft durch eine Außenprüfung festgestellt wird, der auf zu Unrecht als Betriebsausgaben behandelten Beträgen beruht (BFH-Beschluss vom 23.6.1999 – IV B 13/99, BFH/NV 2000, 29, m.w.N.).

(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist dem Revisionskläger ein Anteil in Höhe von 19 % von 51 000 EUR zuzurechnen. Denn der durch die Klägerin zu Unrecht um die Auflagenzahlung geminderte Gesamthandsgewinn war steuerrechtlich um 51 000 EUR zu erhöhen und den Gesellschaftern anteilig nach ihrer jeweiligen Gewinnverteilungsquote nach dem Gesellschaftsvertrag zuzurechnen. Allerdings führt die vom FA zu Recht vorgenommene Gewinnkorrektur bei der Klägerin im Streitfall nicht zu einer (weiteren) Erhöhung des Gewinnanteils des Revisionsklägers. Denn in der von der Klägerin im Rahmen der Feststellungserklärung erklärten Gewinnverteilung ist eben dieser Anteil an den 51 000 EUR dem Revisionskläger zu 19 % bereits zugerechnet worden. Die Klägerin hatte ihren geringeren Gesamthandsgewinn für Zwecke der Gewinnverteilung um 51 000 EUR erhöht und damit den steuerlich zutreffenden Gesamthandsgewinn im Ergebnis richtig auf alle Gesellschafter entsprechend ihren Gewinnanteilen verteilt. Eine weitergehende Erhöhung kommt nicht in Betracht.

(3) Entgegen der Annahme der Außenprüfung und des FG liegt auch keine Sonderbetriebseinnahme des Revisionsklägers in Höhe von 51 000 EUR vor. Eine Mehrung des (steuerlichen) Sonderbetriebsvermögens des Revisionsklägers ist nicht gegeben. Eine solche Sonderbetriebseinnahme würde einen persönlichen Ertrag voraussetzen, der wirtschaftlich durch den Mitunternehmeranteil veranlasst ist und daher zum Gesamtgewinn der (freiberuflichen) Mitunternehmerschaft gehört (Schmidt/Wacker, EStG, 33. Aufl., § 15 Rz 640). Dies kann im Übrigen für den Streitfall offen bleiben, weil das FA im angefochtenen Feststellungsbescheid tatsächlich keine entsprechenden Sonderbetriebseinnahmen des Revisionsklägers festgestellt hat.

c) Der Gewinn der Klägerin ist so zu verteilen, wie er sich ergibt, wenn der Gesamthandsgewinn, von dem die Geldauflage nicht abgezogen worden ist, nach dem gesellschaftsvertraglichen Verteilungsschlüssel auf die Gesellschafter verteilt wird. Dies hat zur Folge, dass die Erhöhung des Gewinnanteils des Revisionsklägers um 51 000 EUR rückgängig zu machen ist und dass die aufgrund der Geldauflage bei den Beigeladenen zu 2. bis 4. berücksichtigten Gewinnminderungen mit Rücksicht auf die Einheitlichkeit der Gewinnfeststellung entsprechend zu korrigieren sind.

Es ist nicht entscheidungserheblich, ob der Revisionskläger und die Beigeladenen zu 2. bis 4. eine Gewinnverteilungsabrede getroffen haben, um den Revisionskläger von den Belastungen durch die Geldauflage freizustellen. Eine solche Abrede hätte allenfalls gesellschaftsrechtliche Rechtsfolgen, ließe aber die steuerrechtliche Gewinnverteilung unberührt.

2. Da der zweite Hauptantrag des Revisionsklägers Erfolg hat, ist über seinen Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden.

 

WULLBRANDT Rechtsanwälte | Heidelberg & Wörrstadt

Das Landgericht Mannheim hatte die Angeklagte S. wegen Steuerhinterziehung in 18 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt; den Angeklagten B. hat es wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte Revision eingelegt, die sie auf Rügen der Verletzung sachlichen und des Verfahrensrechts stützt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Rügen der Verletzung formellen Rechts kommt es nicht mehr an.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Die Angeklagte S. handelte als Zwischenhändlerin mit Verbrauchsgütern, sogenannten „fast moving consumer goods“, vor allem Rasierklingen und Getränkedosen. Zu diesem Zweck betrieb sie im Tatzeitraum zwischen Januar 2009 bis Juli 2010 das Einzelunternehmen E. und ab August 2010 bis Mai 2011 als einzige Gesellschafterin und Geschäftsführerin die E. GmbH.

In dem genannten Tatzeitraum waren die beiden Firmen der Angeklagten als sogenannte „buffer“ in von unbekannt gebliebenen Initiatoren „europaweit aufgebaute betrügerische Umsatzsteuerkettengeschäfte eingebunden“. Diesen lag folgendes Muster zugrunde: Die Angeklagte erwarb die tatsächlich existierende Ware von jeweils einem von insgesamt drei in das System eingebundenen inländischen Zwischenhändlern mit Sitz in Deutschland, die die Funktion eines sogenannten missing trader einnahmen. Diese hatten die Ware von in anderen EU-Staaten ansässigen Händlern als innergemeinschaftliche Lieferung erworben und veräußerten sie anschließend zu unauffälligen Preisen unter gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer an die Firmen der Angeklagten. Dabei unterhielten die von den Initiatoren des Umsatzsteuerbetrugs gesteuerten „missing trader“ keinen Geschäftsbetrieb und entfalteten keine Geschäftstätigkeit; sie gaben gegenüber dem Finanzamt gar keine oder falsche Erklärungen ab und waren nur für einen begrenzten Zeitraum aktiv. Die Angeklagte verkaufte die Waren stets mit offenem Ausweis der Umsatzsteuer, „fast ausnahmslos“ an einen einzigen Kunden. Ab Anfang 2011 war vor dem Erwerb durch die Firmen der Angeklagten noch jeweils ein weiterer „buffer“ in die Lieferkette eingebunden, von dem die Angeklagte die Waren erwarb. Als solche zwischengeschalteten „buffer“ agierten zwei Firmen, die von den Initiatoren als „willenlose Werkzeuge“ gesteuert wurden.

Den Initiatoren des „Umsatzsteuerbetrugs“ kam es dabei darauf an, dass die „missing trader“ keine Umsatzsteuer erklären bzw. abführen, um auf diese Weise die vom inländischen Erwerber infolge des Weiterverkaufs mitüberwiesene Umsatzsteuer für sich zu vereinnahmen. Sie bemühten sich jedoch darum, diese Absicht der Angeklagten gegenüber zu verbergen und sich als „redliche Kaufleute“ zu gerieren. Daher wusste die Angeklagte beim Abschluss der Geschäfte „zwar nicht sicher“ um die Einbindung ihrer Firmen in den Umsatzsteuerbetrug, sie hielt eine solche jedoch zumindest für möglich und billigte sie, um durch den Weiterverkauf einen schnellen Gewinn zu erwirtschaften.

Dennoch machte sie in der Jahressteuererklärung 2009 und in den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar 2010 bis Mai 2011 die in den Rechnungen der „missing trader“ ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge in Höhe von insgesamt 5 844 667,97 Euro als Vorsteuer geltend.

II. Der Schuldspruch gegen die Angeklagte S. hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Die fehlende Berechtigung zum Vorsteuerabzug der Angeklagten ist nicht in allen Fällen tragfähig begründet.

a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt dabei voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Vorsteuerabzug dann zu versagen, wenn der Steuerpflichtige – im unionsrechtlichen Sinne – selbst eine Steuerhinterziehung begeht oder wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist und er deswegen als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen ist (EuGH, Urt. vom 6.7.2006 in den Rechtssachen C-439/04 und C-440/04 „Kittel und Recolta Recycling“, Slg. 2006, I-6161, Rn. 53, 55 f.; BGH, Beschl. vom 1.10.2013 – 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331 ff. m.w.N.).

Für die Frage, wann die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorliegen müssen, kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Abgabe der Steueranmeldung an, in welcher der Vorsteuerabzug vorgenommen wird. Vielmehr ist ein Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG dann zulässig, wenn dessen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Ausführung der Lieferungen bzw. sonstigen Leistungen vorgelegen haben. Eine einmal bestehende Berechtigung zum Vorsteuerabzug entfällt auch nicht etwa deshalb nachträglich wieder, weil der Unternehmer später von Umständen Kenntnis erlangt, die einem Vorsteuerabzug entgegengestanden hätten, wenn er sie bereits beim Bezug der Waren gekannt hätte (BGH, Beschl. vom 1.10.2013 – 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331, 334).

b) Diese Maßgaben hat das landgerichtliche Urteil nicht bedacht. Vielmehr lassen die Urteilsausführungen besorgen, dass es hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen für die fehlende Berechtigung zum Vorsteuerabzug unzutreffend auf einen späteren Zeitpunkt abgestellt hat.

Zwar stellt die Strafkammer im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung fest, dass die Angeklagte S. schon bei Abschluss der Geschäfte mit den „missing trader“ die Einbindung ihrer Firmen in ein Umsatzsteuerkarussell billigend in Kauf genommen hat. Dies wird jedoch von den beweiswürdigenden Erwägungen zum Vorstellungsbild der Angeklagten S. nicht getragen. Denn dort ist als Ergebnis der von der Strafkammer angestellten Würdigung festgehalten, dass aufgrund der Gesamtheit der Indizien keine Zweifel daran bestünden, dass „die Angeklagte bei Abgabe der Umsatzsteuererklärungen einen unberechtigten Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der missing trader bzw. buffer um ihrer Geschäfte willen zumindest billigend in Kauf nahm“.

aa) Bei den die Geschäftsbeziehungen zu jedem einzelnen „missing trader“ bzw. vorgeschalteten „buffer“ betreffenden Erwägungen – eine zusammenfassende Würdigung findet sich insoweit nicht – ist dann für die Firmen D., R., I., IE. zwar noch festgestellt, dass die Angeklagte „auch während der Geschäftsbeziehungen“ dieses Vorstellungsbild hatte. Damit ist aber nicht belegt, dass die Angeklagte S. zum relevanten Zeitpunkt, nämlich dem Bezug der jeweiligen Waren, um ihre fehlende Berechtigung zum Vorsteuerabzug wusste. Dies wird erhellt durch die Differenzierung hinsichtlich des Zeitpunkts des Vorliegens eines bedingten Vorsatzes der Angeklagten S. Konnte die Strafkammer sich betreffend Handelsbeziehungen zum „missing trader“ Ra. davon überzeugen, dass der bedingte Vorsatz schon zu deren Beginn vorlag, so ist für die Feststellung zum Vorstellungsbild in Bezug auf die anderen „missing trader“ bzw. „buffer“ ein anderer, späterer Zeitpunkt gewählt.

bb) Daneben lassen aber die von der Strafkammer im Rahmen ihrer jeweiligen Gesamtwürdigung herangezogenen Indizien ebenfalls besorgen, dass sie sich des rechtlich relevanten Zeitpunkts für das Vorstellungsbild der Angeklagten nicht bewusst war und sich mithin jedenfalls für die ersten Lieferungen auch keine entsprechende Überzeugung gebildet hat. So gründet sie ihre Überzeugung maßgeblich auf Fehler und Mängel, die sich aus den Rechnungen der jeweils betroffenen Firmen ergeben. Das Landgericht stellt aber nicht fest, wann der Angeklagten diese Unterlagen zugegangen sind. Ob dies in der Gesamtheit tatsächlich vor sämtlichen Lieferungen erfolgte, ist weder festgestellt, noch kann es den sonstigen Umständen der Handelstätigkeit der Angeklagten, die die Waren erst nach dem Weiterverkauf an ihre Kunden selber erwarb, entnommen werden.

cc) Zwar ist für die Geschäftsbeziehungen zur als „missing trader“ agierenden Firma Ra. festgestellt, dass die Angeklagte schon zu Beginn der Geschäftsbeziehungen die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen erfüllte (oben II.1.b.aa). Dies entbehrt aber einer tragfähigen Grundlage. Denn die Überzeugung wird maßgeblich auf Fehler und Mängel in den Rechnungen der Ra. gestützt. Auch insoweit ist nicht festgestellt, wann diese der Angeklagten vorgelegen haben und ob dies bereits vor Bezug der ersten Ware geschehen ist, mithin schon zu diesem Zeitpunkt Einfluss auf ihr Vorstellungsbild haben konnte.

2. Daneben leidet das Urteil an der fehlenden Nachvollziehbarkeit der Steuerberechnung. Die Urteilsgründe müssen die für erwiesen erachteten Tatsachen mitteilen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden (vgl. BGH, Urt. vom 12.5.1989 – 3 StR 55/89, BGHR, StPO, § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 4; Beschl. vom 19.4.2007 – 5 StR 549/06, NStZ 2007, 595; Urt. vom 12.5.2009 – 1 StR 718/08, NStZ 2009, 639, 640). Bei der Steuerhinterziehung, bei der die Strafvorschrift des § 370 AO durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften materiell-rechtlich ausgefüllt wird, müssen die jeweiligen Umstände festgestellt werden, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat. Dazu gehören insbesondere auch diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (BGH, Beschl. vom 13.7.2011 – 1 StR 154/11). Die auf den Besteuerungsgrundlagen aufbauende Steuerberechnung ist Rechtsanwendung und daher Aufgabe des Tatrichters (Urt. vom 12.5.2009 – 1 StR 718/08, NStZ 2009, 639, 640; Beschl. vom 25.3.2010 – 1 StR 52/10, wistra 2010, 228; Beschl. vom 13.7.2011 – 1 StR 154/11; Beschl. vom 19.11.2013 – 1 StR 498/13 wistra 2014, 102).

Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht in vollem Umfang gerecht, da es eine Auflistung der einzelnen Umsätze und deren Verteilung auf die jeweiligen Veranlagungszeiträume und die Bezugsquellen vermissen lässt. Soweit es stattdessen auf eine Berechnung durch einen zeugenschaftlich vernommenen Steuerfahnder verweist, ersetzt dies eine solche Darstellung nicht. Denn es ermöglicht dem Senat nicht, die Berechnung der von der Angeklagten hinterzogenen Steuern nachzuvollziehen. Dies gilt insbesondere, soweit für die Berechnungsweise des Zeugen wiedergegeben wird, er habe „im Falle für ihn nicht erklärlicher Differenzen“ bzw. bei für ihn nicht erklärlichen Abweichungen der erklärten Vorsteuern von den Buchhaltungsunterlagen den für die Angeklagte günstigsten Wert angenommen. Insoweit weist der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zu Recht darauf hin, dass es sich um eine Schlussfolgerung handelt, die mangels Kenntnis ihrer Grundlagen nicht nachvollzogen werden kann. Soweit das Urteil darauf verweist, dass der Zeuge die Steuerverkürzung berechnet habe, die auch der Anklageschrift zugrunde lag, weckt dies angesichts des von der Revision aufgezeigten Rechenfehlers für den Veranlagungszeitraum 2011, der sich gleichlautend in der Anklageschrift findet, durchgreifende Zweifel an der Berechnungsweise.

Dieser Darstellungsmangel stellt einen Rechtsfehler dar, der sich auf den Schuldspruch auswirkt. Denn es kann angesichts der nicht nachvollziehbaren Berechnung nicht ausgeschlossen werden, dass in einem Veranlagungszeitraum kein unberechtigter Vorsteuerabzug erklärt wurde.

3. Der Senat hebt das Urteil einschließlich sämtlicher Feststellungen auf; der nunmehr zur Entscheidung aufgeforderte Tatrichter kann so die erforderlichen Feststellungen insgesamt neu treffen.

4. Sollte das neu zuständige Tatgericht abermals zu dem Schluss kommen, dass die Firmen der Angeklagten Waren von als „missing trader“ agierenden Firmen bezogen, ohne aber mit diesen bzw. den Initiatoren des Umsatzsteuerhinterziehungskarussells kollusiv zusammenzuwirken, wird es eine sorgfältige Gesamtwürdigung der für und gegen die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen sprechenden Umstände vorzunehmen haben. Soweit es hierfür den Umstand berücksichtigen möchte, dass bei der Geschäftskorrespondenz der Angeklagten mit den jeweiligen „missing trader“ bzw. den vorgeschalteten „buffer“ teilweise identische Rechtschreibfehler und Mängel vorgelegen haben, so wird es die daraus resultierenden Folgerungen für das Vorstellungsbild der Angeklagten zu würdigen haben, allein der Hinweis darauf ersetzt eine solche Würdigung nicht.