Entscheidung - WULLBRANDT Rechtsanwälte

Für den Verkauf und Vertrieb sogenannter „Medienbriefe“ als vermeintlich sichere Geldanlage hat das Landgericht Osnabrück einen 62-jährigen wegen Betruges in 165 Fällen und Insolvenzverschleppung zu 6 Jahren Haft verurteilt.

Betrug mit „Medienbriefen“ – Landgericht Osnabrück verhängt 6 Jahre Haft

Der Angeklagte war in der Vergangenheit Herausgeber der „Osnabrücker Sonntagszeitung“ gewesen. Die durch die Strafkammer des Landgerichts ausgeurteilte Strafe fiel verhältnismäßig hoch aus – wohl auch, da es sich bei den Opfern des Mannes fast ausschließlich um einfache Leute gehandelt hatte, die dem Mann in Erwartung einer absolut sicheren Kapitalanlage Gelder anvertraut hatten, auf welche sie für ihre Familien und den Ruhestand angewiesen waren.

Kleinanleger im Rahmen eines Schneeballsystems betrogen

Was war geschehen? Der Angeklagte war von Dezember 2009 bis einschließlich 2014 alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter eines Verlages gewesen, welcher die „Osnabrücker Sonntagszeitung“ herausgab. Als solcher hatte er fortlaufend in der von ihm herausgegebenen Sonntagszeitung die sogenannten „Medienbriefe“ als sichere Geldanlage mit einer Rendite von 4 bis 6,25% beworben. Den Vertrieb dieser „Medienbriefe“ tätigte er selbst. Dabei teilte er den Interessenten in den Beratungsgesprächen jeweils mit, dass es sich dabei um eine sichere Geldanlage handele, welche jederzeit ohne Verlustrisiko wieder veräußert werden könne. Der Angeklagte informierte die Interessenten indes nicht, dass es sich bei den „Medienbriefen“ um stille Gesellschaftsbeteiligungen an der Verlagsgesellschaft mit Totalverlustrisiko handele. Ebenso verschwieg er, dass die Gesellschaft bereits seit 2001 keine Gewinne mehr eingefahren hatte.

Anlegergelder zur Auszahlung von Vorabgewinnen genutzt

Da die Verlagsgesellschaft defizitär war, verwendete der Angeklagte zunächst weite Teile der eingesammelten Anlegergelder, um die andernfalls drohende Insolvenz des Unternehmens abzuwehren und den Betrieb der Sonntagszeitung aufrecht zu erhalten. Daneben nahm er Auszahlungen von Vorabgewinnen an bestehende Anleger vor, welche so nie erzielt worden waren. Durch das Handeln des Angeklagten entstand bei dern betrogenen Anlegern ein Gesamtschaden in Höhe von etwa 1.6 Millionen Euro. Besonders bitter für einige der Anleger: Der für die Abwicklung der Insolvenz des Verlagshauses bestellte Insolvenzverwalter fordert nun auch die durch den Angeklagten – formal zu unrecht – geleisteten Gewinnauszahlungen von den Anlegern zurück, da diese stille Gesellschafter des Verlagshauses geworden waren.

Bei einem Anlagebetrug im Rahmen eines Schneeballsystems gilt die gesamte Anlagesumme als Schaden. Dies entschied der BGH mit Beschluss vom 02.03.2016 – Aktenzeichen 1 StR 433/15 (Vorinstanz LG Nürnberg-Fürth).

Bei Anlagebetrug gilt gesamte Anlagesumme als Schaden

Der BGH verwarf mit diesem Beschluss die Revision der Angeklagten, welche sich gegen die Verurteilung durch das Landgericht Nürnberg-Fürth gewehrt hatten.

Der für die Bestimmung des Vermögensschadens aufgrund einer Gesamtsaldierung maßgebliche Zeitpunkt ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung durch den Geschädigten (näher BGH, Urteile vom 2. Februar 2016 – 1 StR 435/15 Rn. 20 und 1 StR 437/15 Rn. 33 mwN). Nach Auffassung des BGH auf Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Rahmen der Hauptverhandlung vor dem Landgericht konnten die Rückzahlungsansprüche der Anleger im zu entscheidenden Fall bereits zu diesem Zeitpunkt, also als die Anlage (und damit die Vermögensverfügung) getätigt wurde, als wirtschaftlich wertlos angesehen werden, weil die Möglichkeit der Rückführung der vereinnahmten Gelder sowie ggf. der Auszahlung vertraglich versprochener Renditen ausschließlich von der zukünftigen Einnahme weiterer betrügerisch erlangter Gelder von Anlegern durch den Angeklagten abhing (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, Rn. 18). Dies ist der typische Fall im Rahmen sogenannter „Schneeballsysteme“. Die späteren Entwicklungen in Gestalt von Rückzahlungen an die Anleger berühren den tatbestandlichen Schaden nicht (BGH, Beschlüsse vom 23. Februar 2012 – 1 StR 586/11, Rn. 15 und vom 4. Februar 2014 – 3 StR 347/13).

(Teilweise) Rückzahlung ist unerheblich

Nach Ansicht des BGH, welche dieser in allen zuvor genannten Entscheidungen vertritt, ist es daher für die Berechnung des Schadens auch unerheblich, ob der Täter zwischenzeitlich den Anlegern des Schneeballsystems (anteilige) Beträge zurückerstattet hat. Das wirkt sich lediglich auf die Strafzumessung aus. Für die Berechnung des Schadens beim Anlagebetrug ist daher lediglich relevant, ob das Anlagesystem wie bei einem Schneeballsystem von Anfang an darauf ausgelegt war, das Geld der Anleger zweckwidrig zu verwenden. In diesem Fall ist der Schaden bereits in voller Höhe der Anlagesumme entstanden, wenn der Anleger die Anlagesumme an den Betreiber des Schneeballsystems verfügt hat.

 

Am 19.11.2015 begann vor der Jugendstrafkammer des Landgerichts Heidelberg der Prozess gegen vier Männer und eine Frau, die als Mitarbeiter eines Handyladens mit fingierten Verträgen einen Schaden von über 100.000 EUR verursacht haben sollen. Rechtsanwalt Wullbrandt hat die Verteidigung eines der Angeklagten übernommen.

Hier gelangen Sie zum Pressebericht des SWR.

Verfahren am Landgericht Heidelberg beendet – Haftstrafen für Angeklagte

Nach dem gestrigen Ende der Hauptverhandlung in dem Verfahren gegen sechs Georgier, denen die Mitgliedschaft in einer Bandenstruktur und in diesem Zusammenhang die Teilnahme an über 40 Einbrüchen in Heidelberg und Umgebung vorgeworfen wurde, berichtet die Rhein-Neckar-Zeitung über den Ausgang des Verfahrens.

Sein Einsatz hatte nach seiner unfreiwilligen Enttarnung bereits hohe mediale Wellen geschlagen – jetzt hat auch das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit kürzlich bekannt gewordenen Urteilen bestätigt, dass der Einsatz des verdeckten Ermittlers „Simon Brenner“ in der linken Szene von Heidelberg rechtswidrig war.

Einsatz des verdeckten Ermittlers in linker Szene in Heidelberg rechtswidrig

Über Monate hinweg hatte ein verdeckter Ermittler der Polizei sich unter dem Decknamen „Simon Brenner“ unter linke Studenten in Heidelberg gemischt und seiner Einsatzführung über das dortige Treiben berichtet. Die Anordnung zum Einsatz des Ermittlers war ursprünglich vom Polizeipräsidium Mannheim mit dem Ziel der Ausspähung zweier Zielpersonen sowie zweier Kontaktpersonen ergangen. Der eingesetzte Polizeibeamte hatte sich sodann zum Sommersemester 2010 an der Universität in Heidelberg in die Fächer Germanistik und Ethnologie eingeschrieben – unter Vorlage von Abiturzeugnis und Personalausweis. Daraufhin nahm er ganz „normal“ am Unileben teil und freundete sich (gezielt) mit den Mitgliedern diverser linker Studentengruppen an und nahm aktiv an den Veranstaltungen dieser Gruppen teil.

Das Polizeipräsidium Mannheim – Kriminalpolizei Heidelberg – begründete den Einsatz damit, man habe politische Straftaten verhindern wollen. Es habe eine klare Gefährdungsprognose gegeben, welche den ANlass zum Einsatz des Ermittlers gegeben habe. Ein Anlass sei der Fund von Molotowcocktails bei einer Kontaktperson von einem der Kläger im Kraichgau gewesen.

Verdeckter Ermittler „Simon Brenner“ flog auf Party auf

Dem unter Pseudonym „Simon Brenner“ handelnden Ermittler wurde – wie so vielen anderen Heidelberger Studenten wohl in anderer Weise auch – das Heidelberger Nachtleben zum Verhängnis: Im Dezember 2010 begegnet er er dort einer jungen Frau, die er bereits im vorhergehenden Sommer im Frankreich-Urlaub getroffen hatte und ihr dort erzählt hatte, er arbeite für die Polizei.

Klagen vor Verwaltungsgericht erfolgreich – Maßnahme rechtswidrig

Insgesamt sieben Männer und Frauen hatten nach der Aufdeckung der Maßnahme bereits im August 2011 auf die Feststellung deren Rechtswidrigkeit geklagt. Mit Urteilen vom 26.08.2015, deren Begründung nunmehr vorliegt, hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe den Klagen der sieben Klägerinnen und Klägern aus der sogenannten „Linken Szene“ in Heidelberg stattgegeben.

Lediglich einer der sieben Kläger (Verfahren mit dem Aktenzeichen 4 K 2107/11) war in den Anordnungen als eine der Personen genannt, auf die sich die Datenerhebung bezog. In Bezug auf die sechs weiteren Klägerinnen und Kläger, die in den Einsatzanordnungen nicht namentlich genannt worden waren, machte das beklagte Land Baden-Württemberg, im Prozess vertreten durch das Polizeipräsidium Mannheim, im Prozess geltend, deren Klage sei bereits unzulässig, weil der Einsatz des Verdeckten Ermittlers nicht gegen sie gerichtet gewesen sei.

Land argumentierte mit steigender Fallzahl linker Gewalt im Raum Heidelberg

Das Land trug im Verfahren vor, hinsichtlich des Klägers im Verfahren 4 K 2107/11 (der persönlich in der Anordnung der Maßnahme benannt war) sei der Einsatz deswegen gerechtfertigt gewesen, weil im Jahr 2009 bundesweit und auch in Heidelberg ein weiterer Anstieg der Fallzahlen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität festzustellen gewesen sei, insbesondere im Bereich der linksmotivierten Straftaten. Der Einsatz habe sich ausschließlich gegen Personen der linksextremistischen Szene gerichtet, die entsprechenden Gruppierungen nahegestanden hätten beziehungsweise deren Führungspersonal zuzurechnen gewesen seien. Zwei dieser Gruppierungen seien die Antifaschistische Initiative Heidelberg und die Anarchistische Initiative Kraichgau-Odenwald.

Gefundene Molotow-Cocktails gaben Startschuss für verdeckte Ermittlungen

Neben einer Reihe von Ereignissen im Zusammenhang mit Demonstrationen im Zeitraum Juli 2009 bis November 2010 sei auf einen Vorfall am 04.11.2009 zu verweisen. Anlässlich einer Hausdurchsuchung in Räumlichkeiten der „Anarchistischen Initiative Kraichgau-Odenwald“ seien unter anderem sieben gebrauchsfertige Brandsätze (Molotow-Cocktails) sichergestellt worden. Angesichts einer anhaltenden Rechts-Links-Konfrontation im Raum Heidelberg/Rhein-Neckar-Kreis habe zwingend ein Aufklärungsbedürfnis zur weiteren Erforschung der konkret vorliegenden Gefahrenlage bestanden. Wegen der intensiven szenentypischen Abschottung insbesondere gegenüber den Ermittlungsbehörden sei nur noch der Einsatz verdeckter Ermittler erfolgversprechend gewesen.

Verwaltungsgericht: Formelle und materielle Voraussetzungen für Einsatz des verdeckten Ermittlers lagen nicht vor

Dieser Argumentation ist die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts nicht gefolgt und hat den auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Einsatzes gerichteten Anträgen sämtlicher Klägerinnen und Kläger entsprochen. Im Verfahren des Klägers, der in den Einsatzanordnungen namentlich benannt war (4 K 2107/11), führte die Kammer aus, dass die nach Maßgabe von § 22 PolG erforderlichen formellen und materiellen Voraussetzungen für den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers gegen diesen Kläger nicht vorlagen.

Keine hinreichende Bestimmtheit des eingesetzten Mittels – Polizei muss bei Anordnung der Maßnahme ermittelnden Beamten bestimmen

Es fehle an der hinreichenden Bestimmtheit hinsichtlich des eingesetzten Mittels, insbesondere ließen die dem Gericht vorliegenden Kopien der Einsatzanordnungen offen, wer konkret als Verdeckter Ermittler eingesetzt gewesen sei. Der Einsatz des Verdeckten Ermittlers erweise sich aber auch als materiell rechtswidrig. Die vom beklagten Land vorgelegten Unterlagen rechtfertigten nicht die Annahme, dass von diesem Kläger eine konkrete Gefahr für eines der in § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG genannten Rechtsgüter (Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- und Vermögenswerte) ausgegangen sei. So fehle es an konkreten Feststellungen zu der behaupteten Gewaltbereitschaft der Antifaschistischen Initiative Heidelberg.

Keine konkreten Feststellungen zu Gewaltbereitschaft – Anordnung war materiell rechtswidrig

Eine vom Kläger ausgehende konkrete Gefahr lasse sich auch nicht daraus ableiten, dass dieser anlässlich einer Demonstration in Sinsheim am 19.09.2009 bei einer der Anarchistischen Initiative Kraichgau-Odenwald zugerechneten Person gestanden habe, in dessen Wohnung am 04.11.2009 die Molotow-Cocktails gefunden worden seien. Eine konkrete Verbundenheit des Klägers mit dieser Person beziehungsweise mit der Anarchistischen Initiative Kraichgau-Odenwald sei in den vom beklagten Land überlassenen Unterlagen nicht dokumentiert. Letztlich aus den gleichen Gründen lägen auch die Voraussetzungen für eine Datenerhebung nach § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG, also zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung, nicht vor.

Klagen der unbenannten Personen zulässig und begründet

Die Klagen der weiteren sechs Klägerinnen und Kläger hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts für zulässig erachtet. Dem stehe nicht entgegen, dass diese Klägerinnen und Kläger in den Einsatzanordnungen nicht als eine der Personen genannt seien, gegen die sich der Einsatz des Verdeckten Ermittlers habe richten sollen. Diese Kläger hätten – unwidersprochen – vorgetragen, dass sie nicht nur gelegentlichen, sondern intensiven Kontakt mit dem Verdeckten Ermittler gehabt hätten, woraus folge, dass dem Verdeckten Ermittler zwangsläufig Daten über diese Kläger bekannt geworden sein müssten.

Verdeckter Ermittler erhob persönliche Daten aller Personen, nicht nur der mit der Anordnung bestimmten

Die Klagen der weiteren Klägerinnen und Kläger seien auch begründet. Aufgrund der glaubhaften Angaben eines der Kläger in der mündlichen Verhandlung sei das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Verdeckte Ermittler über sämtliche weiteren Kläger persönliche Daten erhoben und an das Landeskriminalamt weitergegeben habe. Der darin zu sehende Grundrechtseingriff sei mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig gewesen. Die Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Verlängerungen erfassten die weiteren Klägerinnen und Kläger nicht. Die Datenerhebung über sie lasse sich auch nicht auf § 22 Abs. 4 PolG stützen, wonach Daten auch dann nach § 22 Abs. 3 PolG – also auch durch Einsatz Verdeckter Ermittler – erhoben werden dürften, wenn Dritte unvermeidbar betroffen würden. Dies setze jedenfalls voraus, dass hinsichtlich einer Ziel- beziehungsweise einer Kontakt-/Begleitperson eine Erhebung von Daten rechtmäßig angeordnet worden sei. Dies sei hier nicht der Fall; denn die hierfür allenfalls in den Blick zu nehmende Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Verlängerungen seien aus den im Verfahren 4 K 2107/11 dargelegten Gründen formell und materiell rechtswidrig gewesen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, das beklagte Land Baden-Württemberg kann binnen eines Monats Berufung zum VGH Baden_Württemberg einlegen.

(Quelle: Pressestelle VG Karlsruhe, http://vgkarlsruhe.de/pb/,Lde/Heidelberg_+Einsatz+eines+Polizeibeamten+als+Verdeckter+Ermittlers+war+rechtswidrig/?LISTPAGE=1220792)

 

In seinem Urteil vom 17.06.2015 – 5 StR 140/15 – entschied der Bundesgerichtshof nun, dass die Geheimhaltung der eigenen Identität durchaus zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten darstellt.

Keine Strafschärfung bei Geheimhaltung der Identität im Prozess

Da es sich bei der Geheimhaltung der Identität also um zulässiges Verteidigungsverhalten handelt, darf dieser Umstand auch nicht straferhöhend – auch nicht bei der Bemessung einer Gesamtfreiheitsstrafe – berücksichtigt werden.

Weiter hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil die Auffassung des Landgerichts bestätigt, dass es sich bei den im Verfahren der Vorinstanz am Landgericht abgelegten Geständnissen um besonders „werthaltige“ Geständnisse handelt.

Geständnisse besonders werthaltig

Die Werthaltigkeit, welche hier bei einem Angeklagten sogar zur Verurteilung im nur minder schweren Fall führte, bestand für das Gericht darin, dass durch die Geständnisse umfangreiche und kostspielige Ermittlungen im Ausland vermieden werden konnten. Einige der angeklagten Taten seien nur aufgrund der Geständnisse zur Verurteilung gekommen und ohne die Geständnisse nicht nachweisbar gewesen.


Aus den Gründen der Entscheidung des BGH:

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetruges in 31 Fällen für schuldig befunden. Es hat den Angeklagten T. unter Einbeziehung weiterer 60 zehnmonatiger Freiheitsstrafen aus einer früheren, wegen vergleichbarer Taten ergangenen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten Z. zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Die vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen, zuungunsten der Angeklagten eingelegten, auf die Sachrüge gestützten und auf den Strafausspruch beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben keinen Erfolg.

1. Die angegriffenen Einzelstrafaussprüche in den Fällen 1 bis 13, 15, 17 bis 27 halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand. Die insofern erfolgte Zugrundelegung des Strafrahmens des minder schweren Falls nach § 263a Abs. 2, § 263 Abs. 5 StGB ist nicht zu beanstanden.

Das Landgericht ist bei seiner Prüfung von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen. Es hat die Anwendung der minder schweren Fälle maßgeblich damit begründet, dass die von den Angeklagten abgelegten Geständnisse in diesen konkreten Fällen besonders „werthaltig“ waren, weil sie umfangreiche und kostspielige Ermittlungen im Ausland entbehrlich gemacht haben und diese Taten ohne Geständnisse nicht nachzuweisen gewesen wären (vgl. UA S. 26 f.). Dass es sich hierbei nach dem Revisionsvorbringen um „taktische Formalgeständnisse“ gehandelt habe, ist nicht nur – wie bereits von der Revision selbst erkannt – urteilsfremd, sondern wird durch die Urteilsgründe widerlegt (vgl. UA S. 17 f.). Entgegen den Revisionen durften die planvolle intensive und nicht nur gelegentliche Begehung der Straftaten ebenso wie das arbeitsteilige Vorgehen in der organisierten Bande nicht strafschärfend berücksichtigt werden (§ 46 Abs. 3 StGB), weil diese Umstände bereits durch das Tatbestandsmerkmal der „Bande“ im Sinne des § 263a Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 5 StGB umfasst sind. Die Urteilsgründe lassen – wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat – nicht besorgen, dass das Landgericht die ausdrücklich als strafschärfend berücksichtigten aufwendigen technischen Abschirmungsmaßnahmen (vgl. UA S. 27 f.) bei der Strafrahmenwahl aus dem Blick verloren hat.

2. Die Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafen begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

Zwar müssen bei diesem Zumessungsakt (§ 54 Abs. 1 Satz 2 StGB) die hierfür maßgebenden Gesichtspunkte in einer Gesamtschau erneut berücksichtigt werden; jedoch ist nicht in jedem Fall eine ausdrückliche Wiederholung in den Urteilsgründen erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 1988 – 2 StR 353/88 und Beschluss vom 15. August 1989 – 1 StR 382/89, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 1 und 4). Das Landgericht hat die Zumessung der Einzelstrafen bereits in einer zusammenfassenden Würdigung eingehend begründet und deren Höhe entsprechend dem Ausmaß der Schäden abgestuft. Auf diese zusammengefasste Würdigung durfte es bei der Gesamtstrafenbildung Bezug nehmen.

Dass der Angeklagte Z. seine wahre Identität vor dem Landgericht nicht preisgegeben hat, hält sich im Rahmen seines zulässigen Verteidigungsverhaltens (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Mai 2013 – 4 StR 151/13, StV 2013, 697) und durfte entgegen der Ansicht der Revision auch nicht bei der Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe strafschärfend berücksichtigt werden. Die Erhöhung der Einsatzstrafe von einem Jahr und sechs Monaten fällt zwar beim Angeklagten Z. relativ gering aus, wird jedoch unter anderem mit der Mitgliedschaft in nur einer Bande noch vertretbar begründet (UA S. 28).

Die verhängten Gesamtstrafen werden schließlich auch ihrem Zweck, gerechter Schuldausgleich zu sein, noch gerecht.

3. Die hinsichtlich des Angeklagten Z. getroffene Bewährungsentscheidung ist eingehend begründet und enthält keinen Rechtsfehler. Die Ausführungen, mit denen das Landgericht eine positive Kriminalprognose gestellt hat (u.a. erstmalige Freiheitsstrafe, beeindruckende Wirkung der Untersuchungshaft und des Verfahrens insgesamt, flankierende Maßnahmen nach § 56c und § 56d StGB), sind nicht zu beanstanden. Zutreffend hat es als besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB das abgelegte – wie dargestellt außerordentlich gewichtige – Geständnis und die verbüßte Untersuchungshaft herangezogen. Das Revisionsvorbringen, das sich in eigenen Würdigungen erschöpft, zeigt keinen Rechtsfehler auf; auch bei der Aussetzungsentscheidung kann dem Angeklagten Z. nicht angelastet werden, dass er seine wahre Identität nicht preisgegeben hat.

4. Ein die Strafzumessung betreffender Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten liegt ebenfalls nicht vor (§ 301 StPO).

 

Tim Wullbrandt als Strafverteidiger in Großverfahren am Landgericht Heidelberg aktiv

Die Staatsanwaltschaft Heidelberg wirft den insgesamt 6 Angeklagten vor, sich spätestens bis zum 31.07.2014 einer Bande angeschlossen zu haben, um sich durch die fortgesetzte Begehung von Wohnungseinbrüchen und Ladendiebstählen sowie der anschließenden Veräußerung des Diebesgutes eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen.

Angeklagte Teil einer internationalen Bande?

Dabei hätten alle Angeklagten gewusst, dass die Bande aus einer Vielzahl weiterer Bandenmitglieder bestanden habe und international verzweigt gewesen sei. Die einzelnen Angeklagten hätten dann in der Zeit 06.09.2013-25.11.2014 u.a. im Rhein-Neckar-Kreis und den
Stadtgebieten von Heidelberg und Mannheim insgesamt 44 Ladendiebstähle und Einbrüche durchgeführt – mit einem Gesamtschaden im Bereich von ca. 450.000 EUR

Hauptverhandlung vermutlich bis Dezember

Die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Heidelberg hat zur Durchführung der Beweisaufnahme 23 Zeugen geladen und 16 Hauptverhandlungstermine bis in den Dezember hinein angesetzt.

Verhandlungsankündigung Landgericht Heidelberg KW 40

Bundesverfassungsgericht: Durchsuchungen bei Presse unzulässig, wenn gegen Informanten ermittelt wird

In seinem Beschluss vom 13.07.2015, Aktenzeichen 1 BvR 1089/13 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Durchsuchungen in Redaktionsräumen dann nicht verfassungsrechtlich zulässig sind, wenn sie alleine dazu dienen, Straftaten eines Informanten der Presse aufzudecken.

Der Sachverhalt

Was war geschehen? Die Verfassungsbeschwerde wurde von einem Journalisten und einem Verlagshaus geführt. Das Verlagshaus gibt unter anderem die Berliner Morgenpost (MoPo) heraus, der Journalist ist für die MoPo tätig. Der Journalist reiste im Frühjahr 2011 nach Amsterdam, um über das Verschwinden zweier Kinder in den 1990er Jahren zu recherchieren. Der (deutsche) Polizeioberkommissar N. begleitete ihn auf dieser Reise. Der Journalist zahlte dem Polizisten angeblich (!) 100 EUR für die Weitergabe von Informationen. Der Polizist N. stellte nach Abschluss der Reise eine Rechnung über 3.149,07 Euro an die Chefredaktion der MoPo. Auf der Rechnung findet sich die Zahlungsanweisung: „Wegen der Konspirativität in dieser Sache bitte ich um Barauszahlung“.

Polizist stellte Redaktion Rechnung mit Bitte um Barzahlung

Gegen den N. wurde aus anderen Gründen ein Ermittlungsverfahren wegen Geheimnisverrats (§ 353b StGB) eröffnet. N. stand in dem Verdacht, Daten zu einer geplanten Razzia der Berliner Polizei im Rockermilieu an Journalisten weitergegeben zu haben. Über die bevorstehende Razzia hatte jedoch nicht der Zeitungsverlag vorab berichtet, sondern ein mit diesem nicht in Zusammenhang stehendes Online-Portal.Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens stieß man auf die Rechnung an die MoPo.

Ermittlungsverfahren gegen Polizist wegen Geheimnisverrats – und gegen Journalist wegen Beihilfe

Bei N. wurde im Rahmen dieses Strafverfahrens auch noch ein Handy sichergestellt, das auf eine nicht existierende Person angemeldet war und und auf dem ausschließlich die Nummer des beschwerdeführenden Journalisten sowie eines weiteren Journalisten gespeichert waren. Unter anderem fand man auf diesem Handy auch eine SMS an den Beschwerdeführer, in der sich N für die Zahlung von 100 EUR bedankte. Dies nahm die Staatsanwaltschaft zum Anlass, ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat einzuleiten. Im November 2012 wurden auf richterliche Anordnung die Redaktionsräume der MoPo sowie die Privatwohnung des Beschwerdeführers zu 1) durchsucht und dabei verschiedene Datenträger beschlagnahmt, obwohl die MoPo vor Vollstreckung des Durchsuchungsbeschlusses die den Polizeibeamten N betreffenden Abrechnungsunterlagen herausgegeben hatte.

Unter anderem hatte die MoPo einen im Dezember 2012 unter dem Titel „in eigener Sache“ erschienenen Artikel an die Staatsanwaltschaft versendet, in welchem es auszugsweise hieß:

Mitte der 90er-Jahre verschwand der zwölfjährige Manuel Schadwald aus Berlin-Tempelhof. Jahrelang gab es Gerüchte, dass er Opfer von Pädophilen geworden sein könnte. Immer wieder tauchte in diesem Fall auch der Name des belgischen Kinderhändlers Marc Dutroux auf. Der Chefreporter der Berliner Morgenpost recherchierte und berichtete zusammen mit einem Kollegen über das Verschwinden des Berliner Jungen.
Vor gut zwei Jahren meldete sich plötzlich ein neuer Informant. Es ergab sich erneut eine Spur, die nach Holland führte. Im Frühjahr 2011 reisten die beiden Journalisten nach Amsterdam. Der Verlag bestand darauf, dass auf der Recherchereise ein besonderer Sicherheitsstandard eingehalten wurde. Denn im Umfeld des Kinderhändlerrings von Marc Dutroux starben schon mehrere Zeugen. Neben zwei Personenschützern einer privaten Sicherheitsfirma wurde auch ein Sicherheitsexperte des Berliner Landeskriminalamts engagiert. Diesen kannte der Chefreporter seit vielen Jahren persönlich und vertraute ihm daher besonders. Der Beamte begleitete die Reporter außerhalb seiner Dienstzeit nach Amsterdam. Dafür erhielt der Polizist einen Tagessatz von 500 Euro. Solche Tagessätze gelten in der Sicherheitsbranche als üblich. Nach Angaben der Berliner Kuhr Security, die auch Personenschutz übernimmt, betragen die Kosten bei Auslandseinsätzen sogar deutlich mehr. Die Recherchen in Amsterdam dauerten vier Tage. Hinzu kamen Kosten für Flugtickets, Mietwagen und Hotel in Höhe von gut 1000 Euro. Damit belief sich die Gesamtsumme auf gut 3000 Euro (…).
Die Staatsanwaltschaft hingegen scheint bei der Fahrt nach Amsterdam von einer Vergnügungsreise auszugehen und leitet daraus den Vorwurf der Bestechung ab. Das der Berliner Polizei übergebene Material lässt aber eindeutig einen anderen Schluss zu: Die Reise war eine Recherchereise – mit persönlichem Risiko für die Reporter der Berliner Morgenpost.
Nach der Übergabe der Unterlagen an die Berliner Polizei passierte lange Zeit nichts. Bis der Beamte, der die Reporter in Amsterdam begleitet hatte, Mitte dieses Jahres in Verdacht geriet, eine geplante Razzia im Rockermilieu an Journalisten verraten zu haben. Die Polizeiführung leitete ein Verfahren wegen Geheimnisverrats an. Auf dem Computer und auf dem Handy des Beamten fanden die Ermittler eine Rechnung für die Recherchereise nach Holland in Höhe von gut 3000 Euro und die Telefonnummer des Morgenpost-Reporters
(.)
Eine Nebenrolle bei den Vorwürfen spielt auch eine SMS, in der sich der Polizist bei dem Reporter für 100 Euro bedankte. Dabei handelte es sich um eine Auslage für zwei Jacken, die der LKA-Beamte in einem Polizei-Shop für den Reporter und einen weiteren Kollegen erworben hatte. Dort können Polizisten einkaufen. Der Morgenpost Reporter gab ihm später das Geld für die Jacken zurück“.

Beschwerde gegen Durchsuchungsbeschluss verworfen

Die MoPo und der Journalist legten gegen die Durchsuchung Beschwerden ein – welche das Landgericht verwarf. Aus den Ermittlungen habe sich ein Anfangsverdacht gegen die Beschuldigten ergeben. Die Ergebnisse der Auswertung eines in dem wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen geführten Ermittlungsverfahren sichergestellten Mobiltelefons des N, welches auf eine nicht existente Person angemeldet gewesen sei und über welches N ausschließlich mit dem Beschwerdeführer zu I. sowie einem weiteren Journalisten Nachrichten mit eindeutig dienstlichem Bezug ausgetauscht habe, zeige eine ausreichende Wahrscheinlichkeit auf, dass dienstlich erlangte Informationen weitergegeben worden seien. Aus dem Ermittlungsverfahren sei ferner bekannt, dass N in der Nacht vom 25. auf den 26. Mai 2012 erhebliche Datenmengen per E-Mail von seinem Dienst- auf seinen Privatcomputer transferiert habe. Einige Tage danach habe Spiegel-Online über eine für kurze Zeit später geplante polizeiliche Maßnahme im Rockermilieu berichtet.

Der Durchsuchung stünden auch keine presserechtlichen Beschlagnahmeprivilegien entgegen. Das Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 5 Satz 1 StPO sei nicht anwendbar. Zwar bedürfe es in diesem Zusammenhang gemäß § 97 Abs. 5 Satz 2 StPO eines dringenden Tatverdachts einer Beteiligung und sei eine Beschlagnahme selbst dann nur zulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der Pressefreiheit nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht und die Erforschung des Sachverhaltes oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Der dringende Tatverdacht ergebe sich schon aus der konspirativen Nutzung des auf eine nicht existente Person angemeldeten „Journalisten-Handys“. Hinzu komme als weiteres Verdachtsmoment, dass N als dienstunfähig Erkrankter und zur Nachtzeit Daten mit dienstlichen Bezügen von seinem Dienst- auf seinen Privatcomputer übermittelt habe.

Gegen diese Beschlüsse des Landgerichts wendeten sich die Beschwerdeführer mit ihrer Verfassungsbeschwerde.

Bundesverfassungsgericht entscheidet: Eingriff in Pressefreiheit ist grundrechtlich unzulässig

Das Bundesverfassungsgericht ist der Ansicht, dass die Verfassungsbeschwerden, soweit sie die Verletzung ihrer Pressefreiheit rügen, offensichtlich begründet sind. Der Eingriff in die Pressefreiheit in Form der Durchsuchung der Redaktion und der Beschlagnahme der dort gefundenen Beweismittel ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

Pressefreiheit umfasst Vertrauensschutz der Informanten

Die Pressefreiheit umfasst den Schutz vor dem Eindringen des Staates in die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit sowie in die Vertrauenssphäre zwischen den Medien und ihren Informanten, hält das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung fest. Die Freiheit der Medien sei konstituierend für die freiheitliche demokratische Grundordnung. Eine freie Presse sei daher von besonderer Bedeutung für den freiheitlichen Staat. Geschützt sind namentlich auch die Geheimhaltung der Informationsquellen und das Vertrauensverhältnis zwischen Presse bzw. Rundfunk und den Informanten. Dieser Schutz ist sei nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts unentbehrlich, weil die Presse auf private Mitteilungen nicht verzichten kann, diese Informationsquelle aber nur dann ergiebig fließt, wenn sich der Informant grundsätzlich auf die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses verlassen kann.

Durchsuchung ist Beeinträchtigung der Pressefreiheit

Die Durchsuchung von Presseräumen stelle wegen der damit verbundenen Störung der redaktionellen Arbeit und der Möglichkeit einer einschüchternden Wirkung eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit dar. Die Beschlagnahme von Datenträgern und der damit einhergehende Zugang zu redaktionellem Datenmaterial greife zudem in besonderem Maße in die vom Grundrecht der Pressefreiheit umfasste Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit ein.

Anordnung der Durchsuchung war verfassungswidrig

Die Anordnung der Durchsuchung der Redaktionsräume und die Beschlagnahme der dort gefundenen Gegenstände waren nach der eindeutigen Auffassung des Bundesverfassungsgerichts verfassungswidrig. Der Tatverdacht gegen die Beschwerdeführer selbst habe unter Berücksichtigung des Grundrechts der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht ausgereicht, um eine Durchsuchung und Beschlagnahme bei ihnen zu rechtfertigen. Das BVerfG weist dabei auf die gesetzlichen Änderungen in § 353b StGB hin, wonach Beihilfehandlungen zum Geheimnisverrat nach Maßgabe des Abs. 3a StGB nicht mehr rechtswidrig sind. Strafbar blieben hingegen die Anstiftung zum Geheimnisverrat sowie Beihilfehandlungen, die der Vollendung der Haupttat vorausgehen oder über das Entgegennehmen und Veröffentlichen der Information hinausgehen. Dazu solle insbesondere die Zahlung eines Honorars für dienstlich erlangte Informationen gehören.

Pressefreiheit findet ihre Grenzen in den allgemeinen Gesetzen

Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet die Pressefreiheit grundsätzlich ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Die Bestimmungen der StPO mit ihrer prinzipiellen Verpflichtung für jeden Staatsbürger, zur Wahrheitsfindung im Strafverfahren beizutragen und die im Gesetz vorgesehenen Ermittlungsmaßnahmen zu dulden, sind sind ein solches allgemeines Gesetz. Sie müssen allerdings ihrerseits im Lichte dieser Grundrechtsverbürgung gesehen werden.

Dieses Erfordernis war nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht erfüllt. Der den gerichtlichen Anordnungen zu Grunde liegende Tatverdacht gegen die Beschwerdeführer reichte unter Berücksichtigung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG für eine auf §§ 102, 94 StPO gegründete Durchsuchung und Beschlagnahme bei den in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO genannten Personen nicht aus. Denn: Dieser Anfangsverdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht (PrStG) die Beihilfe zur Verletzung des Dienstgeheimnisses durch die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des verratenen Geheimnisses straflos gestellt (§ 353b IIIa StGB) hat. Alles, was darüber hinausgeht – beispielsweise also die Zahlung eines Honorars – bleibt strafbar.

Durchsuchungsbeschluss aufgrund bloßer Mutmaßungen reicht nicht aus

Im vorliegenden Fall ging es den Strafverfolgungsbehörden nach Auffassung des Verfassungsgerichts zumindest vorwiegend um die Ermittlung belastender Tatsachen gegen einen Informanten aus Polizeikreisen, was auch in dem angefochtenen landgerichtlichen Beschluss deutlich wird. Diesem sollten Geldbeträge für Informationen im Zusammenhang mit bevorstehenden Ermittlungsmaßnahmen gezahlt worden sein. Dabei handelt es sich bezogen auf dessen Kontakt zu den Beschwerdeführern, deren Redaktionsräume durchsucht wurden, jedoch um bloße Mutmaßungen. Zum einen berichtete nicht die MoPo, für die der beschwerdeführende Journalist. arbeitet, über die bevorstehende Razzia, sondern Spiegel-Online. Weder dem Durchsuchungsbeschluss noch der Beschwerdeentscheidung ist zum anderen zu entnehmen, für welche den Beschwerdeführern übermittelte Informationen das Geld gezahlt worden sein soll. Der Tatbestand der Bestechung (§ 334 StGB) verlangt jedoch schon einfachrechtlich die Vornahme einer hinreichend konkreten Diensthandlung (vgl. BGHSt 15, 217 <222 f.>). Es mangele danach in Bezug auf die Beschwerdeführer an zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine den Beschlagnahmeschutz gemäß § 97 Abs. 5 Satz 1 StPO entfallen lassende Straftat.

Auch aus dem bloßen Umstand, dass der mitbeschuldigte Polizeibeamte ein auf eine fingierte Person angemeldetes „Journalisten-Handy“ nutzte, lässt sich nicht auf einen Tatverdacht der Bestechung gerade seitens der Beschwerdeführer schließen. Das „Journalisten-Handy“, auf dem die Namen des Beschwerdeführers und eines Journalisten von Spiegel-Online gespeichert waren, mag dafür sprechen, dass der Informant dienstliche Geheimnisse an Journalisten weitergegeben hat; wegen des in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Informantenschutzes rechtfertigt das bloße Interesse der Strafverfolgungsbehörden, dies zu erfahren, jedoch keine Durchsuchung in den Redaktionsräumen von Presseorganen. Insbesondere begründet dies noch keinen strafrechtlichen Vorwurf gegenüber den Beschwerdeführern. Warum der Eintrag des Beschwerdeführers in dem Mobiltelefon gerade für eine Weitergabe der betreffenden Informationen hinsichtlich einer Razzia an diesen sprechen soll, obschon demgegenüber das OnlineMagazin, für welches der andere eingespeicherte Journalist tätig ist, über diesbezügliche Ermittlungsmaßnahmen vorab berichtete, bleibt unklar.

Auch aus dem Vermerk auf der Rechnung ließe sich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf eine Bestechung schließen. So bezog sich die Rechnung auf die Reise nach Amsterdam, für deren Ermöglichung sich der Beamte als dienstunfähig gemeldet hatte und nach den amts- und landgerichtlichen Feststellungen auch über keine Nebentätigkeitsgenehmigung verfügte. Es erschien daher nicht fernliegend, dass sich der Vermerk darauf bezog, dass der Beamte disziplinarrechtliche Konsequenzen wegen der falschen Krankmeldung und mangelnden Nebentätigkeitsgenehmigung befürchten musste. Ein Verdacht gegenüber den Beschwerdeführern folgt hieraus jedoch nicht.

Die Verfassungsbeschwerde hatte damit vollen Erfolg.


Hier können Sie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Volltext einsehen:

Bundesverfassungsgericht – Durchsuchung bei Presse darf nicht vorrangig der Aufklärung möglicher Straftaten von Informanten dienen – Wullbrandt Rechtsanwälte – Heidelberg