Die Regenbogenfamilie – Eine Gefahr für das Kindeswohl?

Regenbogenfamilie

Die sogenannte „Regenbogenfamilie“ ist eine immer mehr aufkommende Lebensform in der modernen Gesellschaft, wie wir sie gerade erleben. Dennoch stoße ich in meiner beruflichen Tätigkeit immer wieder auf ein großes Unverständnis gegenüber dieser neuen Lebensform. An dieser Stelle möchte ich ein paar Gedanken sammeln, die mich zu diesem Thema bewegen.

Was genau ist eine Regenbogenfamilie?

Für viele stellt der Begriff „Regenbogenfamilie“ immer noch einen ungewohnten oder gar unbekannten Begriff dar, weshalb ich diesen vorab kurz erläutern möchte:

Als Regenbogenfamilie bezeichnet man eine Familie, welche aus zwei gleichgeschlechtlichen Elternteilen und einem oder mehreren Kindern besteht. Für viele Menschen führt der Gedanke, dass zwei Frauen oder zwei Männer ein Kind alleine versorgen und großziehen zu Unbehagen und Kritik. Zwei Mütter oder zwei Väter die gemeinsam beim Elternabend erscheinen, stellen nicht nur ein ungewohntes Bild dar, sondern sorgen, vor allem in ländlichen Regionen, auch immer noch für großes Aufsehen und „Getuschel“.

„Das arme Kind“, „Dem fehlt doch der Vater/die Mutter“, „Aus dem kann doch nichts werden“.

 „ Früher wäre so was nicht vorstellbar gewesen“

Richtig!

Früher wäre es nicht vorstellbar gewesen, aber war früher wirklich alles besser, oder scheuen wir Menschen uns nicht doch nur manchmal vor Veränderungen – auch wenn diese das Leben und das Zusammenleben sogar verbessern könnten?

Nehmen wir hier mal die Patchworkfamilie als Beispiel:

Die Patchworkfamilie früher und heute

Die Patchworkfamilie ist aufgrund der hohen Trennungsrate von Eltern mittlerweile zum geläufigen Begriff geworden und wird in der Gesellschaft als neue Familienform generell anerkannt. Kinder, deren Eltern getrennt leben und neue Familien mit „Stiefgeschwistern“ und „Stiefeltern“ gegründet haben, gehören mittlerweile in jedes Klassenbild und stellen keine Besonderheit mehr dar. Etwa jede siebte Familie in Deutschland lebt mittlerweile in diesem Modell, die Klassische „Mutter – Vater – Kind – Familie“ wird immer stärker vom Patchworkmodell verdrängt.

Noch vor wenigen Jahren jedoch wurde auch diese Familienform durch die Gesellschaft stark kritisiert und die Kinder und Familien leider oftmals ins Abseits gedrängt.

„Das arme Kind“, „Dem fehlt doch der Vater/die Mutter“, „Aus dem kann doch nichts werden“.

 „Früher wäre so was nicht vorstellbar gewesen“

Scheidung „früher“

Man kann es sich heute kaum noch vorstellen, dass bis 1977 das Prinzip der sogenannten „Schuldhaften Scheidung“ bestand, insbesondere Ehefrauen, die sich entschlossen, die Scheidung durchzuführen, gesellschaftlich geächtet wurden, die Kinder aus „zerrütten“ Familien ebenfalls mit Nachteilen zu kämpfen hatten, Kinder, die unehelich geboren wurden, galten als „Bastarde“.

Das Familienbild war zu diesem Zeitpunkt klar geschlechtstypisch orientiert. Während der Mann und Vater „das Geld nach Hause“ brachte, war die eheliche Pflicht der  Frau und Mutter sich um den Haushalt und die Kinder zu kümmern und den mehr oder weniger treuen Mann zu umsorgen.

Gleichberechtigung und berufliche Selbstverwirklichung der Frau standen nicht zur Debatte. Frauen, die neben der Familie einer Tätigkeit nachgehen wollten, galten oft als „Rabenmütter“, Scheidungswillige wurden als „Ehebrecher/innen“ deklariert, ein Mann der sich am Haushalt und der Kinderbetreuung beteiligte stand „unter dem Pantoffel“ und hatte „nicht die Hosen an“.

Glücklicherweise hat sich das Familienbild im Laufe der letzten fast 40 Jahre stark gewandelt, die „klassische Rollenverteilung“ hat sich bei den meisten Beziehungen aufgelöst. Sowohl Frau als auch Mann sind für die Kinderbetreuung, den Haushalt und das Auskommen der Familie gleichermaßen verantwortlich geworden. Väter dürfen nicht nur in Elternzeit gehen, dies wird sogar staatlich gefördert, Frauen werden beruflich stark gefördert um auch in den von Männern dominierten Berufen Fuß zu fassen und sich zu verwirklichen.

Eine Scheidung ist heute – genau wie das Modell der Patchworkfamilie – nicht nur gesellschaftsfähig geworden sondern auch weitestgehend anerkannt.

Neue Lebensform: „Homoehe“

In den letzten Jahren wurde in Deutschland im Zuge der Gleichberechtigung nun auch die sogenannte Homoehe anerkannt.

Seit 2001 ist es gleichgeschlechtlichen Paaren erlaubt, eine sogenannte Lebenspartnerschaft einzugehen. Während zu Beginn der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes die Rechte der Lebenspartner nur in Ansätzen den der Ehegatten entsprochen haben, wurde in den letzten Jahren von Seiten des Gesetzgebers tatsächlich viel getan, um die Rechte der gleichgeschlechtlichen Paare zu stärken. So wurde beispielsweise der Versorgungsausgleich und die steuerliche Begünstigung eingeführt und die Lebenspartnerschaft somit immer mehr der Ehe vor dem Gesetz gleichgestellt. Auch in der Gesellschaft wird diese Lebensform immer weiter akzeptiert und etabliert, und die Kaufkraft der „neuen Zielgruppe“ mittlerweile auch von vielen Unternehmen entdeckt. Das Thema Homosexualität wird offen ausgelebt und diskutiert, Politiker, Sportler und Prominente bekennen sich zu ihrer Einstellung, und ernten hierfür überwiegend Anerkennung und Respekt.

Beschließen jedoch die gleichen Menschen, die wir für ihre Individualität und ihren Mut sich zu ihrer Lebensform zu bekennen anerkennen, ein gemeinsames Kind zu bekommen, hört der Spaß und das Verständnis offensichtlich abrupt auf.

Adoption in einer Homoehe – (Wieso) hört unsere Toleranz hier auf?

Hat einer der Lebenspartner bereits ein leibliches Kind in die Partnerschaft eingebracht, kann dieses seit 2005, sofern die weiteren Voraussetzungen vorliegen, vom anderen Partner adoptiert werden. Diese Fälle werden jedoch nicht die Regel darstellen. Zum einen setzt dies voraus, dass einer der Partner zuvor eine heterosexuelle Beziehung geführt hat, zum anderen gibt es in den meisten Fällen noch einen zweiten Elternteil, der auf sein Sorgerecht trotz der Trennung nicht verzichten möchte.

Für die meisten Paare bleibt daher nur der Weg der Adoption offen. Die gemeinsame Adoption eines Kindes in einer Lebenspartnerschaft ist jedoch weiterhin nicht erlaubt.

Zwar darf ein  Alleinstehende/r ein Kind zu adoptieren, hier muss auch der Lebenspartner/in der Adoption zustimmen, kann jedoch nicht die volle elterliche Sorge von beiden Elternteilen ausgeübt werden. Ein Elternteil wird vor dem Gesetz wie ein Stiefelternteil nach §1687b BGB behandelt und erhält lediglich ein sogenanntes kleines Sorgerecht.

Welche Auswirkungen hat dies auf ein Kind?

Durch diese Regelung ergeben sich für das Kind im  Alltag keine spürbaren Veränderungen, egal ob Alleiniges oder Gemeinsames Sorgerecht, das Kind lebt mit „seinen Eltern“ zusammen und sieht diese als „seine Familie“ an. Auch nach außen hin ist die Beschränkung der Elternrechte eines Lebenspartners zunächst nicht ersichtlich.

Was aber passiert mit dem Kind, wenn ein Elternteil stirbt, die Beziehung in die Brüche geht, oder wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen und der sorgeberechtigte Elternteil nicht greifbar ist?

Auch Unterhalts- und Erbansprüche des Kindes werden auf den Sorgeberechtigten Lebenspartner beschränkt.

Mit dieser Problematik musste sich im vergangenen Jahr auch das Bundesverfassungsgericht auseinandersetzen. In zwei Fällen wurde durch einen Lebenspartner/in ein Kind adoptiert und anschließend die Adoption des Kindes durch den anderen Lebenspartner beantragt. Nachdem die Anträge auf Adoption in der ersten Instanz beim Amtsgericht gescheitert sind, wurden diese durch die Oberlandesgerichte Hamm und Hamburg dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das Bundesverfassungsgericht hat richtig entschieden und das Adoptionsverbot für unzulässig erklärt, da dieses gegen das Gleichbehandlungsrecht verstoße.

Auch wenn die Gleichberechtigung im Mittelpunkt der Entscheidung stand, wurden das Kindeswohl und die Interessen des Kindes ebenfalls ausgiebig gewertet, insbesondere wurde durch eine Studie und Sachverständige geprüft, ob die Homosexualität dem Kindeswohl schaden könnte. Das Fazit der Studie mag an sich nicht verblüffen:

„Entscheidend für die Entwicklung der Kinder ist nicht die Struktur der Familie, sondern die Qualität der innerfamiliären Beziehungen”.

Eine Studie der Universität aus Melbourne aus dem Jahr 2014 kam sogar zu dem Ergebnis, dass die „allgemeine Gesundheit“ sowie der „Familienzusammenhalt in sogenannten Regenbogenfamilien um 6 Prozent besser war als die in „traditionellen Familien“. Es bleibt daher meiner Ansicht nach nur noch eine Frage der Zeit, bis auch gleichgeschlechtlichen Paaren das volle Adoptionsrecht zugestanden wird und diesen, ohne alle Instanzen bestreiten zu müssen, ein gemeinsames Sorgerecht ermöglicht wird.

Bis dahin bleibt der, nun durch den Bundesverfassungsgericht bestätigte, Weg der sukzessiven Zweitadoption für alle gleichgeschlechtlichen Paare mit gemeinsamen Kinderwunsch.

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