,

Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Möglichkeit der Ausnahme

LAG Rheinland-PfalzUrteil vom 12.12.2014 – 1 Sa 501/14

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 06. Juni 2014, AZ: 4 Ca 184/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung (§ 133 Abs. 1 in Verbindung mit § 143 Abs. 1 InsO) zur Rückzahlung erhaltener Arbeits- und Mehrarbeitsvergütung sowie Gerichtsvollzieherkosten in Gesamthöhe von 7.344,60 EUR verpflichtet ist.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein von 2011 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn G. H. (Insolvenzschuldner) eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Beklagte war bei dem Insolvenzschuldner seit dem 01.08.2008 als Verkäuferin beschäftigt. Der Insolvenzschuldner war von 2007 bis 2011 selbstständig mit der Produktion und dem Verkauf von Fleisch- und Wurstwaren sowie mit dem Betrieb eines Partyhauses nebst Partyservice tätig. Mit Schreiben vom 30.03.2010 (Bl. 514 d. A.) kündigte der Insolvenzschuldner das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.04.2010. Er verwies in dem Kündigungsschreiben auf laufende Umsatzeinbußen, weshalb die Notwendigkeit bestehe, Personal zu entlassen. Ausweislich der Angaben im genannten Schreiben unterhielt der Insolvenzschuldner insgesamt 6 Filialen. Mit Versäumnis-Urteil vom 03.05.2010 (Bl. 11 f. d. A.) wurde die Unwirksamkeit der Kündigung des Insolvenzschuldners festgestellt. Ferner wurde er zur Zahlung an die Beklagte von 489,88 EUR netto für den Monat Februar 2010 und 1.550,00 EUR für den Monat März 2010 verurteilt. Mit weiterem Versäumnis-Urteil vom 05.07.2010 (Bl. 13 f. d. A.) wurde der Insolvenzschuldner zur Zahlung von 4.795,96 EUR brutto an die Beklagte verurteilt. Nachdem eine freiwillige Zahlung nicht erfolgte, beauftragte die Beklagte eine Gerichtsvollzieherin, die ohne weitere Vollstreckungsmaßnahmen mehrere Teilzahlungen nach Darstellung des Klägers wie folgt zugunsten der Beklagten entgegennahm:

19.08.2010:250,00 EUR

07.09.2010:296,20 EUR

31.08.2010:500,00 EUR

16.09.2010:1.000,00 EUR

05.10.2010:750,00 EUR

09.11.2010:500,00 EUR

18.01.2011:500,00 EUR

18.02.2011:500,00 EUR

15.03.2011:500,00 EUR

28.04.2011:500,00 EUR

31.05.2011:414,60 EUR

27.10.2010:500,00 EUR

30.11.2010:500,00 EUR

28.12.2010:633,80 EUR

Der Beklagten war zumindest bekannt, dass im Rahmen der Zwangsvollstreckung Teilzahlungen durch den Insolvenzschuldner an die Gerichtsvollzieherin erfolgt waren.

Zum Zeitpunkt der ersten Zahlung am 19.08.2010 bestanden nach Darstellung des Klägers Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners in Höhe von 503.215,12 EUR (Bl. 33 f. d. A.). Nach der vom Kläger zu den Akten gereichten Insolvenztabelle (Bl. 15 ff. d. A., Stand 24.01.2014) waren Forderungen in Gesamthöhe von 1.977.034,66 EUR zur Insolvenztabelle angemeldet.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des wechselseitigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 06.06.2014, Az. 4 Ca 184/14 (Bl. 475 ff. d. A.).

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht die auf Zahlung von 7.344,60 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung – zusammengefasst – ausgeführt:

Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung nach § 143 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit §§ 133 Abs. 1 Satz 1, 2 InsO bestehe nicht. Zwar handele es sich bei den angefochtenen Zahlungen ungeachtet ihrer Entgegennahme durch die Gerichtsvollzieherin um Rechtshandlungen des Schuldners im Sinne des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO. Durch diese Zahlungen seien auch die übrigen Gläubiger benachteiligt worden, da die Insolvenzmasse durch die anfechtbare Handlung verkürzt worden sei. Eine Anfechtung scheitere aber daran, dass die Beklagte keine Kenntnis von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners gehabt habe und diese Kenntnis auch nicht gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten sei. Insbesondere lägen keine ausreichenden, in Kenntnis der Beklagten stehenden Umstände vor, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners hingewiesen hätten. Angesichts der im Vergleich zu den nach Angaben des Klägers bestehenden Verbindlichkeiten mache die Forderung der Beklagten nur einen geringen Bruchteil aus, was dafür spreche, dass die Forderung in Bezug auf den Zuschnitt des Geschäftsbetriebs als nicht erheblich erscheine. Als Verkäuferin fehle der Beklagten auch ein Gesamtüberblick über die Liquidität und Zahlungslage des Schuldners. Auch soweit die Beklagte einräume, der Lohn sei auch sonst unregelmäßig und wiederholt erst auf Drängen von Mitarbeitern gezahlt worden, stelle auch dies kein ausreichendes Indiz für eine Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes dar. Dies gelte auch für die seitens des Insolvenzschuldners mit der Gerichtsvollzieherin vereinbarte Ratenzahlung. Diese entspreche der gesetzlich vorgesehene Vorgehensweise in der Zwangsvollstreckung nach § 802 b ZPO. Auch bei einer gebotenen Gesamtbetrachtung sei nicht von einer Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes auszugehen. Der Beklagten habe nicht nur der Gesamtüberblick über die Liquiditätslage des Schuldners gefehlt. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Insolvenzschuldner beginnend ab August 2010 regelmäßig Zahlungen geleistet und innerhalb von 10 Monaten insgesamt 7.344,60 EUR gezahlt habe. Für die Beklagte sei damit nicht ersichtlich gewesen, dass der Beklagte sich nicht nur in einem momentanen Zahlungsengpass befand, sondern unter Umständen Zahlungsunfähigkeit gedroht habe.

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 20.08.2014 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 25.08.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 26.09.2014, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, begründet.

Nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 507 ff. d. A.), macht der Kläger zur Begründung seines Rechtsmittels im Wesentlichen geltend:

Hinsichtlich der Frage, ob die Beklagte Umstände kannte, aus denen sich bei zutreffender rechtlicher Würdigung ergebe, dass eine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit vorliege, habe das Arbeitsgericht nicht alle wesentliche Umstände berücksichtigt. Unberücksichtigt sei geblieben, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Insolvenzschuldner zum Zeitpunkt der ersten Zahlung bereits seit über drei Monate beendet war und die Beklagte bereits im Mai 2010 eine Tätigkeit bei einem anderen Unternehmen aufgenommen habe. Die Zahlung sei daher nicht in einem engen, zeitlichen Zusammenhang mit der von der Beklagten erbrachten Arbeitsleistung erfolgt, so dass die Beklagte nicht habe davon ausgehen können, dass die Zahlung erfolge, um im Sinne einer erfolgversprechenden Unternehmensfortführung auch zukünftig ihre Arbeitsleistung zu erhalten. Trotz Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung mit Versäumnis-Urteil vom 03.05.2010 und vollständiger Titulierung der rückständigen Gehaltsansprüche habe die Beklagte ein neues Arbeitsverhältnis aufgenommen, weil sie aufgrund der von ihr geführten Rechtsstreite habe erkennen müssen, dass der Insolvenzschuldner zahlungsunfähig sei. Ihre Behauptung, der Insolvenzschuldner habe eine neue Filiale eröffnet, sei falsch. Vielmehr sei es seit 2010 bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu Filialschließungen gekommen. Die Notwendigkeit der Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen, der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung sowie die unregelmäßige Zahlung des Lohnes bereits in der Vergangenheit stellten jedenfalls in einer Gesamtschau Umstände dar, die zwingend auf eine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit schließen ließen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 06.06.2014, Az: 4 Ca 184/14, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.344,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.10.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil mit ihrem Berufungserwiderungsschriftsatz vom 06.10.2014, auf den Bezug genommen wird (Bl. 536 f. d. A.), als zutreffend.

Im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Das Rechtsmittel ist nach § 64 Abs. 1, Abs. 2 b) ArbGG an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- sowie fristgerecht eingelegt und – auch inhaltlich ausreichend – begründet (§ 66 Abs. 1, § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO).

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Rückzahlungsanspruch des Klägers nach § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO wegen des hier einzig in Betracht kommenden Anfechtungstatbestandes nach § 133 Abs. 1 InsO besteht nicht.

1. Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass ein derartiger Rückforderungsanspruch allerdings nicht bereits daran scheitert, dass es sich bei den erfolgten (Teil-)Zahlungen nicht um Rechtshandlungen des Schuldners im Sinn des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO handeln würde. Werden vom Schuldner Leistungen aufgrund einer Ratenvereinbarung gemäß § 802 b ZPO erbracht, handelt es sich ungeachtet der Tatsache, dass die Leistungen zur Abwendung einer ihm angedrohten, demnächst zu erwartenden Vollstreckung erbracht werden, um anfechtbare Rechtshandlungen. Trotz Beginn der Einzelzwangsvollstreckung verbleibt dem Schuldner die Entscheidung, ob er die angeforderte Leistung erbringt oder verweigert (BGH 10.12.2009 – IX ZR 128/08 -, NJW 2010, 1671). Ebenso zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass durch die erfolgten Zahlungen auch die übrigen Gläubiger im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO benachteiligt wurden, da ohne die erfolgten Zahlungen die hierzu verwendeten Mittel später der Gläubigergesamtheit zur Verfügung gestanden hätten.

2. Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens des Klägers scheitert ein Anspruch des Klägers aber daran, dass nicht festgestellt werden kann, dass die Beklagte einen Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung des Insolvenzschuldners im Sinne des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO kannte und auch keine Umstände im Sinne des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vorliegen, die eine solche Kenntnis vermuten lassen.

Tatsachen, die ohne Rücktritt auf die Vermutungsregelung des § 133 Abs. 1 Satz 2 auf die erforderlich positive Kenntnis von einem evtl. Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners schließen lassen, liegen nicht vor.

Aber auch in Anwendung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO kann nicht vermutet werden, dass die Beklagte Kenntnis von einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Insolvenzschuldners hatte.

Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ist Voraussetzung einer derartigen Vermutung u. a., dass der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte. Der Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hinweisen. Erforderlich aber auch ausreichend hierfür ist, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Beurteilung die drohende Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (BGH 08.10.2009 – IX ZR 173/07 – ZinsO 2009, 2148; BAG 06.10.2011 – 6 AZR 732/10 – juris, Rz. 41). Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind dabei nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Würdigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen, wobei zu berücksichtigen ist, dass es sich bei den subjektiven Tatbestandsmerkmalen der Vorsatzanfechtung um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt, auf die regelmäßig nur mittelbar aus objektiven Tatsachen im Sinne von mehr oder weniger gewichtigen Beweisanzeichen geschlossen werden kann, wobei eine Gesamtwürdigung erforderlich ist und sich eine schematische Betrachtung bietet (BAG 06.10.2011, a. a. O.; LAG Rheinland-Pfalz 25.09.2013 – 3 Sa 242/13 -, juris, Rz. 42).

Eine positive Kenntnis der Beklagten lag nicht vor. Der Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergibt, wodurch die Beklagte diese Kenntnis erlangt haben soll. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Schuldner etwa gegenüber der Beklagten oder anderen Beschäftigten erklärt habe, er sei zahlungsunfähig oder drohe dies zu werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte als Verkäuferin über die vorhandenen Vermögenswerte des Schuldners unterrichtet gewesen sei oder das Zahlungsverhalten des Schuldners insgesamt gekannt habe, bestehen nicht.

Der Beklagten waren zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen auch keine Tatsachen bekannt, die im Sinne der zuvor zitierten Rechtsprechung bei der gebotenen Gesamtbetrachtung und -würdigung zwingend auf eine drohende (oder schon bestehende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen ließen. Die vorliegenden Tatsachen lassen allenfalls Schlussfolgerungen auf Zahlungsschwierigkeiten, Zahlungsstockungen oder eine Tendenz zum Vermögensverfall zu, was nicht ausreichend ist (vgl. BGH 19.02.2009 – IX ZR 62/08 – juris, Rz. 17).

Zutreffend ist, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der erfolgten Zahlungen ihre eigenen Gehalts- und Mehrarbeitsvergütungsansprüche und deren Nichterfüllung kannte und selbst angegeben hat, dass auch in der Vergangenheit Lohnansprüche von Mitarbeitern nicht ordnungsgemäß bzw. nur schleppend erfüllt worden seien. Bei institutionellen Gläubigern oder Gläubigern mit „Insiderkenntnissen“, etwa Arbeitnehmern, die eine Tätigkeit in der Finanzbuchhaltung oder in leitender Funktion im kaufmännischen Bereich wahrnehmen, kann die Nichtzahlung von Löhnen und Sozialversicherungsbeiträgen auf eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hinweisen. Bei einem Arbeitnehmer, der nicht über derartige Insiderkenntnisse verfügt, kann hiervon hingegen nicht ohne weiteres ausgegangen werden (BGH 19.02.2009 – IX ZR 62/08 -, juris, Rz. 16, 17).

Anhaltspunkte dafür, dass der Schuldner vorliegend auch mit der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen in Rückstand geraten war, bestehen nicht. Zudem war für die Beklagte nicht erkennbar, ob die Lohnrückstände gegenüber allen Arbeitnehmern gleich ausgeprägt waren und welchen Anteil ihre Forderung und evtl. Forderungen anderer Arbeitnehmer an den insgesamt fälligen und eingeforderten Geldschulden hatten. Wenn es zutrifft, dass bereits geraumer Zeit vor Insolvenzeröffnung immer wieder Lohnverbindlichkeiten von Arbeitnehmern schleppend bedient wurden, aber schlussendlich ausgeglichen wurden, deutet dies nicht auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit indiziell hin, sondern im Gegenteil eher auf ein saumseliges Zahlungsverhalten des Schuldners bzw. auf bloße Zahlungsschwierigkeiten oder Zahlungsstockungen.

Ebenso wenig stellt die Tatsache der Vereinbarung von Teilzahlungen im Zuge der Zwangsvollstreckung ein ausreichendes Indiz für eine drohende Zahlungsunfähigkeit dar. Unter Berücksichtigung der nach § 802 b Abs. 2 ZPO vorgesehenen Vorgehensweise rechtfertigt auch eine solche Vereinbarung nur Schlussfolgerungen allgemeiner Art wie diejenige auf Zahlungsschwierigkeiten, Zahlungsstockungen oder eine Tendenz zum Vermögensverfall. Ebenso wenig rechtfertigt der Hinweis der Berufung darauf, dass der Klägerin aus betriebsbedingten Gründen unter Hinweis auf erhebliche Umsatzeinbußen und die Notwendigkeit der Entlassung von Mitarbeitern gekündigt wurde und diese nach Obsiegen im Kündigungsschutzrechtsstreit ihre Tätigkeit beim Insolvenzschuldner nicht wieder aufgenommen, sondern ein anderweitiges Arbeitsverhältnis begründet hat, eine andere Beurteilung. Das Kündigungsschreiben weist zwar auf wirtschaftliche Schwierigkeiten hin, dokumentiert aber gerade, dass der Insolvenzschuldner u. a. durch entsprechende Personalanpassungsmaßnahmen auf die Situation reagieren wollte und spricht daher aus der Sicht eines mit den näheren Einzelheiten nicht vertrauten Lesers dafür, dass der Schuldner von der Möglichkeit der Fortführung seines Unternehmens ausging. Die Tatsache der Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses ist ohne Indizwirkung. Wenn auch schon vor Insolvenznähe Zahlungen immer wieder zögerlich erfolgten, ist die Entscheidung, nach einer erfolgten Kündigung ein anderweitiges Arbeitsverhältnis zu begründen, nachvollziehbar.

Auch bei einer wertenden Gesamtschau der genannten Tatsachen begründen diese keine ausreichende Grundlage, um aus ihnen auf eine Kenntnis der Beklagten von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu schließen. Diese Tatsachen verschafften der Beklagten nicht den erforderlichen Gesamtüberblick über die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens des Insolvenzschuldners. § 130 Abs. 2 InsO verlangt aber gerade Kenntnisse von den konkreten Umständen, die ein eindeutiges Urteil über die Liquiditätsgesamtlage des Unternehmens ermöglichen (BGH 19.02.2009 – IX ZR 62/08 -, juris, Rz. 17).

Die Berufung des Klägers war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Ein Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.