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Verurteilt das Gericht einen Angeklagten wegen einer festgestellten gefährlichen Begehungsweise wegen gefährlicher statt „normaler“ Körperverletzung, dann darf es die brutale Begehungsweise der Tat im Rahmen der STrafzumessung gesondert würdigen und begeht dabei keinen Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot.

OLG Düsseldorf: Brutalität der Begehungsweise ist nicht mit Gefährlichkeit gleichzusetzen

Die Angeklagten K und W nahmen an einer Demonstration teil. Auf Zuruf und Handbewegung eines Gruppenmitgliedes hin, stürmten schlagartig alle Demonstranten nach vorne zu einem Absperrgitter und versuchten, dieses zu überwinden. Der W stürmte von ganz hinten oben nach vorne, wo zunächst kein Polizeibeamter stand, und begann sofort, auf das Gitter zu steigen. Hierdurch wirkte er an der Überrumpelung der Polizeibeamten mit und band deren Aufmerksamkeit. Sodann folgten Übergriffe anderer Gruppenmitglieder, auch des K, auf die hinter dem Gitter befindlichen Polizeibeamten, vor allem wiederholtes Einschlagen mit Fäusten und mitgeführten Fahnenstangen, wobei einzelne Polizeibeamten verletzt wurden.

Amtsgericht verurteilt Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte

Das Amtsgericht hat K und W wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im besonders schweren Fall verurteilt. Hiergegen richten sich die Angeklagten im Wege der Revision.

Das OLG hat die Revisionen mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Schuldsprüche hinsichtlich der Angeklagten K und W dahin berichtigt werden, dass jeweils die Zusätze „im besonders schweren Fall“ entfallen. Den Schuldsprüchen stet insbesondere nicht entgegen, dass W nicht selbst mit Fahnenstangen auf die Polizeibeamten eingeschlagen habe.

Maßgeblich für gemeinschaftliche Verurteilung ist gemeinsamer Tatplan

Bei unmittelbarer Ausführung nur durch andere Beteiligte müssten deren Handlungen sich als Verwirklichung des gemeinsamen Tatplans darstellen.

Bei unmittelbarer Ausführung nur durch andere Beteiligte müssen deren Handlungen sich als Verwirklichung des gemeinsamen Tatplans darstellen (BGH, NStZ 2009, 25, juris). Maßgeblich ist eine wertende Gesamtbetrachtung.

Abgrenzung zur Teilnahme – Beurteilungsspielraum des Tatrichters nur eingeschränkt überprüfbar

Hinsichtlich der Abgrenzung zur bloßen Teilnahme hat der Tatrichter einen in der Revision nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum (vgl. Fischer, a. a. O., § 25 Rn. 25). Kriterien für die Abgrenzung sind der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, den Umfang der Tatbeteiligung, die objektive Tatherrschaft und den Willen zur Tatherrschaft (vgl. insgesamt zum Maßstab und zur Abgrenzung Fischer, a. a. O., § 25 Rn. 26).

Tatherrschaft setzt dabei voraus, dass der in Rede stehende Beteiligte im Zusammenwirken mit einem oder mehreren Anderen einen für das Gelingen der Tat wesentlichen Beitrag leistet, nicht erforderlich ist eine Mitwirkung am Kerngeschehen (vgl. BGH, NStZ 2009, 292, juris). Ein Mittäter muss seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit der anderen Täter und deren Beitrag als Ergänzung seines eigenen Tatanteils wollen. Dabei ist die Verteilung der Tatbeiträge grundsätzlich ohne Bedeutung, es reicht grundsätzlich jede Form der Förderung der als gemeinsam gewollten Tat, sei es auch nur durch Bestärken im Tatwillen (BGHSt 16,14, juris)

Dies sei im konkreten Fall bei W der Fall gewesen.

Strafschärfende Berücksichtigung der Brutalität kein Verstoß gegen Doppelbestrafungsverbot

In der strafschärfenden Berücksichtigung der erheblichen Brutalität gegenüber den Polizeibeamten liege kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot gem. § 46 III StGB.

Das Verbot der Doppelverwertung von Strafzumessungstatsachen beinhaltet, dass die Merkmale des Tatbestandes, welche die Strafbarkeit begründen und der Bestimmung des gesetzlichen Strafrahmens zugrunde liegen, nicht nochmals bei der Strafzumessung berücksichtigt werden dürfen.

Tatbestand in diesem Sinne sind ebenfalls die Voraussetzungen für die Anwendung eines bestimmten Strafrahmens, mithin von Qualifikationstatbeständen wie auch von Regelbeispielen. Sowohl den Qualifikationen des § 224 I Nr. 2 und 4 StGB ebenso wie dem Regelbeispiel des § 113 II Nr. 1 StGB liegt die erhöhte Gefährlichkeit der Art und Weise der Tatbegehung durch Verwendung eines gefährlichen Werkzeuges bzw. durch gemeinschaftliche Begehungsweise zugrunde. Die strafschärfend berücksichtigte besondere Brutalität der Begehungsweise ist jedoch mit der (bloßen) Gefährlichkeit der Begehungsweise nicht notwendig gleichzusetzen. Sie kennzeichnet vielmehr die konkrete Qualität und Intensität der Einwirkung durch das gefährliche Werkzeug bzw. durch mehrere Beteiligte.

Die Schuldsprüche der erstinstanzlichen Urteile hat der Senat wie tenoriert berichtigt, weil die Aufnahme von Strafzumessungsregeln oder das Vorliegen gesetzlicher Regelbeispiele für besonders schwere Fälle nicht zur rechtlichen Bezeichnung der Tat im Sinne von § 260 IV 1 StPO und damit nicht in den Schuldspruch gehören.


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Die Entscheidung im Volltext:

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.06.2015 – III-3 RVs 18/15

Tenor

  1. Die Revisionen werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass sowohl der Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten K. im erstinstanzlichen Urteil des Amtsgerichts Solingen vom 27. August 2013 als auch der Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten W. im erstinstanzlichen Urteil des Amtsgerichts Solingen vom 7. November 2013 dahin berichtigt werden, dass jeweils die Zusätze (Angeklagter K.) bzw. der Zusatz (Angeklagter W.) „im besonders schweren Fall“ entfallen.
  2. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.

Gründe:

I. Mit Urteil vom 27. August 2013 hat das Amtsgericht – Schöffengericht – Solingen den Angeklagten K. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Landfriedensbruch im besonders schweren Fall und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im besonders schweren Fall sowie wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit Urteil vom 7. November 2013 hat das Amtsgericht Solingen den Angeklagten W. wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Auf die gegen das Urteil des Amtsgerichts – Schöffengericht – Solingen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte K. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt wird. Die gegen das Urteil des Amtsgerichts gerichtete Berufung des Angeklagten W. hat das Landgericht verworfen. Hiergegen richten sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, die sie auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts stützen.

II.

Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Mit ihren Verfahrensrügen dringen die Angeklagten nicht durch.

a) Angeklagter K.
Die von dem Angeklagten K. erhobenen Verfahrensrügen sind sämtlich bereits nicht ordnungsgemäß erhoben (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO) und mithin unzulässig. Eine Verfahrensrüge ist in einer solchen Weise zu begründen, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der abgegebenen Revisionsbegründung prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das Beschwerdevorbringen zutrifft (BGHSt 29, 203, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., 2015, § 344, Rn. 21 m. w. N.). Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung des Angeklagten K. im Hinblick auf keinen der geltend gemachten Verfahrensverstöße.

aa) Dies gilt, soweit der Angeklagte die Rüge nach § 338 Nr. 3 StPO wegen zu Unrecht abgelehnter Befangenheitsgesuche gegen die Vorsitzende der zur Entscheidung berufenen Strafkammer erhebt. Zum notwendigen Revisionsvorbringen gehört die wörtliche, zumindest aber dem ganzen Inhalt nach vollständige Mitteilung des Ablehnungsgesuchs, des ablehnenden Gerichtsbeschlusses, der dienstlichen Äußerung nach § 26 Abs. 3 StPO sowie sonstiges zum Verständnis der Rüge erforderliches Vorbringen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 338, Rn. 29 m. w. N.). Daran fehlt es hier. Das Vorbringen des Angeklagten enthält weder eine inhaltlich vollständige und verständliche Wiedergabe seines ersten Ablehnungsgesuches noch eine ansatzweise Wiedergabe des die Ablehnungsgesuche des Angeklagten zurückweisenden Gerichtsbeschlusses.

bb) Auch die von dem Angeklagten K. auf die Verletzung des § 244 Abs. 4 StPO gestützte Verfahrensrüge wegen zu Unrecht erfolgter Ablehnung eines Beweisantrages genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Zum notwendigen Revisionsvorbringen gehört insoweit nicht nur die Mitteilung des Inhalts des Beweisantrages, sondern auch diejenige des Inhalts des gerichtlichen Ablehnungsbeschlusses (vgl. BGHSt 3, 213, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 244 Rn. 85 m. w. N.). Jedenfalls Letzterer ist in dem Revisionsvorbringen ersichtlich unvollständig wiedergegeben.

cc) Soweit der Angeklagte mit seinem Revisionsvorbringen auch – im Hinblick auf die Verwertung der Aussage des Zeugen PK H. – einen Verstoß gegen § 136a StPO beanstanden will, ist diese Rüge gleichfalls nicht zulässig erhoben. Zum notwendigen Revisionsvorbringen gehört bei einer im Ermittlungsverfahren gewonnenen Aussage vollständiger Tatsachenvortrag sowohl hinsichtlich ihrer Entstehung als auch ihrer Verwertung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 136a Rn. 33 m. w. N.). Daran fehlt es hier. Das Revisionsvorbringen erschöpft sich in der Wiedergabe der vom Angeklagten zu Protokoll gegebenen Erklärung gemäß § 257 Abs. 2 StPO.

b) Angeklagter W.
Die vom Angeklagten W. nach § 338 Nr. 3 StPO wegen zu Unrecht abgelehnter Befangenheitsgesuche des Angeklagten vom 27. und 29. Oktober 2014 angebrachte Rüge ist zwar zulässig erhoben, in der Sache bleibt sie indes ohne Erfolg.

Bei ordnungsmäßiger Ablehnungsrüge hat das Revisionsgericht unter Anwendung von Beschwerdegrundsätzen zu prüfen, ob das Gesuch rechtzeitig vorgebracht und nach den damaligen Verhältnissen sachlich gerechtfertigt war oder nicht (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl. 2013, § 338 Rn. 59 m. w. N.). Diese Überprüfung führt hier dazu, dass die Ablehnungsgesuche des Angeklagten W. durch den Beschluss des Landgerichts vom 29. Oktober 2014 im Ergebnis zu Recht als unbegründet zurückgewiesen wurden. Insoweit wird zunächst auf dessen im Wesentlichen zutreffende Gründe verwiesen.

Ergänzend merkt der Senat an: Insbesondere die vom Angeklagten beanstandeten Äußerungen der Vorsitzenden der zur Entscheidung berufenen Strafkammer im Hauptverhandlungstermin vom 27. Oktober 2014 betreffend die Plakataufschrift „Lies!“ rechtfertigten nicht die Ablehnung der Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß § 24 Abs. 1, 2 StPO. Bei verständiger Würdigung vom – maßgebenden – Standpunkt eines vernünftigen Angeklagten boten sie keinen Grund zu der Annahme, dass die Vorsitzende der Strafkammer gegenüber dem Angeklagten W. eine innere Haltung eingenommen hatte, die ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen konnte (vgl. grds. Meyer-Goßner/Schmidt, a. a. O., § 24 Rn. 8 m. w. N.). Werden die Äußerungen insbesondere in dem verfahrenstechnischen Kontext betrachtet, in dem sie getätigt wurden, nämlich anlässlich der Inaugenscheinnahme von Bildern und der Verlesung eines darauf abgedruckten Wortes, so stellen sich die beanstandeten Äußerungen jedenfalls bei verständiger Würdigung als bloß assoziativ zustande gekommene Lesart des (verlesenen) Wortes in einer Fremdsprache dar, welche nach der reinen Syntax des Wortes nicht ausgeschlossen ist. Dabei verkennt der Senat nicht, dass in der Äußerung dieser Assoziation ein nicht unerhebliches Maß an Gedankenlosigkeit zum Ausdruck kommt. Dieser Umstand rechtfertigt aber noch nicht den Schluss auf eine gegenüber den Angeklagten voreingenommene Haltung. Die angegriffenen Äußerungen lassen letztlich angesichts ihres vor allem assoziativ erklärbaren Inhalts und ungefilterten Charakters die (auch nur „unbewusste“) Kundgabe einer inneren Haltung oder Einstellung gerade nicht erkennen. Der Senat vermag darin insbesondere weder die persönliche Herabwürdigung der Angeklagten unmittelbar oder deren religiöser Überzeugung noch eine unangemessene bzw. unsachliche Art der Verhandlungsführung (vgl. hierzu etwa die dem hiesigen Fall nicht vergleichbaren Beispiele bei Meyer-Goßner/Schmidt, a. a. O., § 24 Rn. 17 m. w. N.) zu erkennen. Auch die Gesamtschau der beanstandeten Äußerungen mit den weiteren in den Ablehnungsgesuchen genannten Umständen gibt zu einer solchen Annahme keinen Anlass.

2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen den Schuldspruch hinsichtlich beider Angeklagten ebenso wie den sie betreffenden Rechtsfolgenausspruch rechtsbedenkenfrei.

Zu den Einzelausführungen des Angeklagten W. im Rahmen der Sachrüge bemerkt der Senat Folgendes:

a) Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen eine Verurteilung des Angeklagten wegen mittäterschaftlicher Begehung in objektiver wie auch subjektiver Hinsicht sowohl im Hinblick auf die gefährliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 StGB als auch im Hinblick auf den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, § 113 Abs. 1 StGB und auf das hier vom Landgericht als verwirklicht angesehene Regelbeispiel, § 113 Abs. 2 Nr. 1 StGB.

aa) Die tatsächlichen Feststellungen zum äußeren Kerngeschehen tragen uneingeschränkt den Schluss auf einen konkludent im Wege des arbeitsteiligen Zusammenwirkens gefassten gemeinsamen Tatplan (vgl. hierzu grds. BGHSt 37, 292, juris) der meisten der beteiligten Gruppenmitglieder, unter ihnen auch des Angeklagten W.. Dieser konkludent gefasste gemeinsame Tatplan manifestiert sich nach den Feststellungen in dem spontanen und geschlossenen Zusammenwirken mehrerer Beteiligter, nämlich darin, dass „die meisten Gruppenmitglieder“ (UA S. 17) – zumal im Anschluss an etliche Abstimmungsgesten (zwischen dem Angeklagten K. und anderen Versammlungsteilnehmern, insbesondere dem gesondert Verfolgten Koblitz, vgl. UA S. 16, zweiter und dritter Absatz) – auf einen „Ruf“ (UA S. 17) und die „weit ausholende Handbewegung“ (UA S. 17) eines Gruppenmitgliedes, des „Weißgewandeten“ (UA S. 17), „schlagartig und gleichzeitig nach vorne zum Absperrgitter“ stürmten „und versuchten, es zu überwinden, um das weitere Zeigen der Karikaturen zu verhindern“ (UA S. 17). Dass an diesem Kerngeschehen nicht sämtliche Gruppenmitglieder mitwirkten, hindert die Annahme eines gemeinsamen Tatplanes nicht. Es reicht das bewusste und gewollte Zusammenwirken mehrerer Beteiligter, welches hier gegeben ist, da sich das Geschehen nach den Feststellungen des Landgerichts gerade nicht als das Wirken nur einzelner (gewaltbereiter) Gruppenmitglieder darstellt.

bb) Dass auch der Angeklagte W. diesen Tatplan jedenfalls spontan billigte, hat das Landgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise – durch Feststellungen zur arbeitsteiligen Mitwirkung des Angeklagten belegt – angenommen:

Danach stürmte er „von ganz hinten oben nach vorne unten, und zwar ganz zu einer Seite der Gitterlinie, wo zu diesem Zeitpunkt zunächst kein Polizeibeamter stand, und begann sofort, auf das Gitter zu steigen“ (UA S. 17). Nicht zu beanstanden ist dabei die vom Landgericht vorgenommene Wertung, der Angeklagte W. habe dadurch „an der Überrumpelung der Polizeibeamten“ (UA S. 17) mitgewirkt, dass er „an seinem Gitterabschnitt deren Aufmerksamkeit band und deren Präsenz erforderte“ (UA S. 17). Hierbei handelt es sich um eine Feststellung, die auch durch die weitere Feststellung, dass an dem vom Angeklagten angesteuerten Gitterabschnitt „zunächst kein Polizeibeamter stand“ (UA S. 17), nicht lückenhaft wird. Aus dem vom Landgericht im Übrigen festgestellten Gesamtablauf – Ansturm zum Zwecke der Verhinderung des Zeigens der Karikaturen – erhellt gerade, dass der Angeklagte W. nach Erreichen seines Gitterabschnitts nicht unbemerkt und passiv am Rande des Geschehens verweilte, sondern vielmehr nach Eintreffen am Gitter durch dessen Besteigen aktiv agierte und hierdurch die Aufmerksamkeit und Präsenz von Polizeibeamten auch tatsächlich „band“ und „erforderte“.

cc) Die weiter im Urteil festgestellten tätlichen Übergriffe anderer Gruppenmitglieder auf die hinter dem Gitter befindlichen Polizeibeamten, nämlich das vielfache und wiederholte Einschlagen mit Fäusten und mitgeführten Fahnenstangen, welche in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang („auf breiter Front, entlang der Gitterlinie“) mit dem Erstürmen des Gitters durch den Angeklagten W. stattfanden (UA S. 17) und bei denen einzelne Polizeibeamten konkret verletzt wurden (UA S. 19-20), ebenso wie die weiteren Tätlichkeiten auf dem Rathausvorplatz erfüllen nicht nur objektiv die Merkmale der vom Landgericht zur Anwendung gebrachten Straftatbestände bzw. Regelbeispiele (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 bzw. § 113 Abs. 1, Abs. 2 StGB), sondern sind dem Angeklagten auch gemäß § 25 Abs. 2 StGB als Mittäter zuzurechnen.

Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass der Angeklagte W. nicht selbst mit Fahnenstangen auf die Polizeibeamten eingeschlagen hat. Bei unmittelbarer Ausführung nur durch andere Beteiligte müssen deren Handlungen sich als Verwirklichung des gemeinsamen Tatplans darstellen (BGH, NStZ 2009, 25, juris). Maßgeblich ist eine wertende Gesamtbetrachtung. Hinsichtlich der Abgrenzung zur bloßen Teilnahme hat der Tatrichter einen in der Revision nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum (vgl. Fischer, a. a. O., § 25 Rn. 25). Kriterien für die Abgrenzung sind der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, den Umfang der Tatbeteiligung, die objektive Tatherrschaft und den Willen zur Tatherrschaft (vgl. insgesamt zum Maßstab und zur Abgrenzung Fischer, a. a. O., § 25 Rn. 26). Tatherrschaft setzt dabei voraus, dass der in Rede stehende Beteiligte im Zusammenwirken mit einem oder mehreren Anderen einen für das Gelingen der Tat wesentlichen Beitrag leistet, nicht erforderlich ist eine Mitwirkung am Kerngeschehen (vgl. BGH, NStZ 2009, 292, juris). Ein Mittäter muss seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit der anderen Täter und deren Beitrag als Ergänzung seines eigenen Tatanteils wollen. Dabei ist die Verteilung der Tatbeiträge grundsätzlich ohne Bedeutung, es reicht grundsätzlich jede Form der Förderung der als gemeinsam gewollten Tat, sei es auch nur durch Bestärken im Tatwillen (BGHSt 16,14, juris)

Unter Berücksichtigung vorstehend aufgezeigter Kriterien begegnet die Annahme von Mittäterschaft des Angeklagten W. keinen durchgreifenden Bedenken. Der Angeklagte hatte nicht nur ein deutliches eigenes Interesse am Taterfolg (Herunterreißen der Karikaturen) – dies belegen nicht zuletzt sein aktives arbeitsteiliges Mitwirken an der „Front des Geschehens“ wie auch der Umstand, dass er sich im Vorfeld in der Nähe des unzweifelhaft eine Führungsrolle einnehmenden Angeklagten Keskin aufhielt (UA S. 16), also zu keiner Zeit passiv am Rande des Geschehens war -, sondern er besaß mit Rücksicht auf sein zielstrebiges und funktional keineswegs untergeordnetes Verhalten im Rahmen des konkludent arbeitsteiligen Zusammenwirkens auch objektive Tatherrschaft und den Willen dazu. Hierdurch billigte er im Übrigen die durch die anderen Gruppenmitglieder begangenen Tätlichkeiten.

Eine Überschreitung des dem Tatrichter eingeräumten Beurteilungsspielraums ist auch unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) nicht gegeben. Vorliegend geht es nicht um die Frage einer pauschalen Haftung eines Demonstrationsteilnehmers, der sich (aktiv) an lediglich einzelnen Gewalttaten beteiligt, für alle anlässlich der Großdemonstration entstandenen Schäden, wie sie der vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidung (BGH NJW 1984, 1226) zugrunde lag. Es ist überdies verfassungsrechtlich unbedenklich, Rechtsgutverletzungen, die über die Missachtung behördlicher Maßnahmen – deren Rechtmäßigkeit zwar im Lichte des Art. 8 GG zu beurteilen ist, die mit Rücksicht auf die von der Gruppe der Angeklagten ausgehenden Tätlichkeiten hier aber keinem Zweifel unterliegt – hinausgehen, nach den allgemeinen Grundsätzen des Strafrechts zu ahnden (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 30. April 2007 – 1 BvR 1090/06 -, juris).

b) Im Hinblick auf den Rechtsfolgenausspruch bemerkt der Senat zu den Einzelausführungen:

aa) Keinen durchgreifenden Bedenken begegnet, dass das Landgericht die Strafe dem Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 1. Hs StGB entnommen und das Vorliegen eines minder schweren Falles ohne weitere Erörterung abgelehnt hat. Eine solche Erörterung drängte sich vor dem Hintergrund des keineswegs unbedeutenden, arbeitsteilig sich einfügenden Tatbeitrages des Angeklagten nicht auf.

bb) Auch die konkreten Strafzumessungserwägungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen.
28In der strafschärfenden Berücksichtigung der erheblichen Brutalität gegenüber den Polizeibeamten liegt kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, § 46 Abs. 3 StGB. Insbesondere hat das Landgericht damit nicht das (bloße) Vorliegen der Qualifikationsmerkmale des § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB strafschärfend gewertet. Das Verbot der Doppelverwertung von Strafzumessungstatsachen beinhaltet, dass die Merkmale des Tatbestandes, welche die Strafbarkeit begründen und der Bestimmung des gesetzlichen Strafrahmens zugrunde liegen, nicht nochmals bei der Strafzumessung berücksichtigt werden dürfen. Tatbestand in diesem Sinne sind ebenfalls die Voraussetzungen für die Anwendung eines bestimmten Strafrahmens, mithin von Qualifikationstatbeständen wie auch von Regelbeispielen (vgl. Fischer, a. a. O., § 46 Rn. 76 f.). Sowohl den Qualifikationen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB ebenso wie dem Regelbeispiel des § 113 Abs. 2 Nr. 1 StGB liegt die erhöhte Gefährlichkeit der Art und Weise der Tatbegehung, bei § 224 Absatz 1 Nr. 2 und § 113 Abs. 2 StGB erreicht durch Verwendung eines gefährlichen Werkzeuges, zugrunde, bei § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB bewirkt durch die gemeinschaftliche Begehungsweise. Die vom Landgericht strafschärfend berücksichtigte besondere Brutalität der Begehungsweise ist jedoch mit der (bloßen) Gefährlichkeit der Begehungsweise nicht notwendig gleichzusetzen. Sie kennzeichnet vielmehr die konkrete Qualität und Intensität der Einwirkung durch das gefährliche Werkzeug bzw. durch mehrere Beteiligte.

Ein Rechtsfehler bei der Strafzumessung ist auch nicht insoweit gegeben, als das Landgericht gegen den Grundsatz verstoßen hätte, dass die Strafe für jeden Mittäter grundsätzlich nach dem Maß der jeweiligen individuellen Schuld zu bestimmen ist (vgl. Fischer, a. a. O., § 46, Rn. 22 m. w. N.). Vielmehr hat das Landgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf unterschiedlich hohe Freiheitsstrafen für den Angeklagten W. und den Angeklagten K. erkannt und damit auch den individuellen Tatbeiträgen und sonstigen Zumessungsfaktoren Rechnung getragen.

3. Die Schuldsprüche der erstinstanzlichen Urteile hat der Senat wie tenoriert berichtigt, weil die Aufnahme von Strafzumessungsregeln – um eine solche handelt es sich bei § 125a StGB (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 125a Rn. 1) – oder das Vorliegen gesetzlicher Regelbeispiele für besonders schwere Fälle – wie für § 113 Abs. 2 StGB zutreffend (vgl. Fischer, a. a. O., § 113 Rn. 37) – nicht zur rechtlichen Bezeichnung der Tat im Sinne von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO und damit nicht in den Schuldspruch gehört (Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 260 Rn. 25).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.