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Prozess || Tim Wullbrandt | Rechtsanwalt für Strafrecht

Bei der Frage, ob im Laufe einer Haftzeit vielbegehrte Lockerungen möglich sind, spielen die Justizvollzugsanstalten neben der die Vollstreckung der Haft überwachenden Staatsanwaltschaft eine gewichtige Rolle. Oft entscheidet über die Gewährung von Lockerungen das Urteil der Justizvollzugsanstalt über das Verhalten des Gefangenen im bisherigen Haftverlauf. Dabei wird auch die Einstellung des Gefangenen zu seiner Tat berücksichtigt – wer sich intensiv damit auseinandersetzt und sein Unrecht erkennt, der wird eher gelockert, wer das nicht tut – oder einfach nur nicht zeigt – dem wird oftmals die Lockerung versagt. Das Oberlandesgericht Hamm entschied aber jetzt: Vollzugslockerungen müssen auch dann möglich sein, wenn der Gefangene die Tat weiterhin leugnet (OLG Hamm , Beschluss vom 29.09.2015 – 1 Vollz(Ws) 411/15).

Leugnen der Tat rechtfertigt keine Versagung von Lockerungen im Vollzug

Der im Jahr 1966 geborene Antragsteller verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe in einer Justizvollzugsanstalt am Niederrhein. Im Juni 2014 hatte er 15 Jahre der Freiheitsstrafe verbüßt. Im April 2015 schrieb die Justizvollzugsanstalt den Vollzugsplan für den Betroffenen fort, ohne Vollzugslockerungen – sogenannte vollzugsöffnende Maßnahmen – zu gewähren. Dies begründete die JVA damit, dass der Betroffene zu einer selbstkritischen Auseinandersetzung mit sich selbst nicht bereit sei und die der Verurteilung zugrunde liegende Tat leugne. Es bestehe daher weiterhin Flucht- und Missbrauchsgefahr, sollte man ihm Lockerungen zubilligen. Nach Ansicht der JVA ergebe sich eine Perspektive für Lockerungen erst dann, wenn der Betroffene bereit zu Veränderungen sei und er insbesondere die ihm nachgewiesenen Taten nicht mehr leugne. Nach der Bestätigung der Entscheidung der Justizvollzugsanstalt durch die zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kleve hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt.

Oberlandesgericht weist JVA zu neuer Entscheidung an

Das Oberlandesgericht Hamm hat nun auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit einem jetzt veröffentlichten Beschluss vom 29.09.2015 entschieden (Az.: 1 Vollz(Ws) 411/15, BeckRS 2015, 18004): Allein das Leugnen der Tat durch den Verurteilten rechtfertigt nicht das Versagen vollzugsöffnender Maßnahmen wie beispielsweise einer Ausführung oder eines Begleitausganges.

Der Erste Strafsenat des OLG Hamm hob den Vollzugsplan jdes Betroffenen auf, soweit er dem Betroffenen Vollzugslockerungen versagte. Das Oberlandesgericht wies die Justizvollzugsanstalt an, die Regelungen des Vollzugsplans über Vollzugslockerungen neu fortzuschreiben. Zwar habe die Justizvollzugsanstalt einen Beurteilungsspielraum bei der Prüfung, ob dem Betroffenen vollzugsöffnende Maßnahmen aufgrund einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr zu versagen seien. Hierbei müsse sie aber von einem vollständig ermittelten Sachverhalt ausgehen und alle für die Abwägung relevanten Umstände berücksichtigen. Zu diesen gehörten unter anderem die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, etwaige frühere Straftaten, die Umstände und das Gewicht der Tat sowie die Tatmotivation, außerdem sein Verhalten und seine Persönlichkeitsentwicklung im Vollzug.

Hier erhalten Sie die Entscheidung des Oberlandesgerichts im Volltext: OLG Hamm – Beschluss 1 Vollz Ws 411_15 – Vollzugslockerungen trotz Leugnen möglich – Rechtsanwalt für Strafrecht in Heidelberg Tim Wullbrandt


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