Besitz und Verbreitung von Kinderpornographie – erneut Gesetzesänderung geplant

Ein Paragraph vor petrolfarbenem Hintergrund

Die Diskussion über die Strafbarkeit und Bestrafung der Verbreitung von Kinderpornographie in Deutschland erfährt eine bedeutende Wendung. Geplante Gesetzesänderungen im Strafgesetzbuch werfen ein Licht auf die Komplexität dieses sensiblen Themas und lösen kontroverse Debatten aus.

Der Gesetzgeber plant die Einführung eines minder schweren Falls im Kontext der Verbreitung von Kinderpornographie, begleitet von einer vorgesehenen Senkung der Strafen. Diese geplante Anpassung hat das Potenzial, die bestehende rechtliche Landschaft grundlegend zu verändern und wirft zahlreiche Fragen auf.

Wir verteidigen laufend und spezialisiert Mandanten gegen Vorwürfe wie Besitz von Kinderpornographie oder Verbreitung von kinderpornographischem Material. In den vergangenen Jahren kam dabei regelmäßig das Problem auf, dass bei einer Feststellung der Taten teils völlig unverhältnismäßige hohe Strafen mit verheerenden Folgen ausgeurteilt werden mussten. Dazu ein Beispiel:

Unser 14jähriger Mandant hat von einer 13jährigen Mitschülerin ein Nacktfoto zugesendet bekommen. Faktisch liegt damit der Besitz von Kinderpornographie – also ein Verbrechen – beim jugendlichen Mandanten vor. Unmittelbar nach Einleitung der Ermittlungen informiert die Staatsanwaltschaft das Jugendamt, welches Kontakt zu Eltern, Schule und Vereinen aufnimmt. Der Leumund des jugendlichen Mandanten ist nachhaltig angegriffen.

oder:

Unser erwachsener Mandant hat  in einer WhatsApp-Gruppe einen Sticker, der ein jugendpornographisches Bild zeigt, erhalten und selbst in eine WhatsApp-Gruppe weitergeleitet. Faktisch stellt die Verbreitung dieses einen Stickers ein Verbrechen dar, der Mandant wird (bei einer Schuldfeststellung) zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr aufwärts verurteilt.

In diesem Artikel werfen wir einen eingehenden Blick auf die geplanten Änderungen, untersuchen die Gründe hinter dieser Initiative und beschreiben die Folgen für die Verteidigung in den betreffenden Verfahren.

Die aktuelle Gesetzeslage – Besitz und Verbreitung von Kinderpornographie

Die Gesetzeslage bezüglich der Verbreitung von Kinderpornographie in Deutschland ist im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Unter § 184b StGB wird der Besitz, die Herstellung, die Verbreitung sowie das Zugänglichmachen von kinderpornographischen Schriften unter Strafe gestellt.

Aktuell sieht die Gesetzeslage rigorose Strafen vor:

Für den Besitz kinderpornographischer Schriften sowie die Herstellung, Verbreitung oder das Zugänglichmachen solcher Schriften drohen Freiheitsstrafen ab einem Jahr aufwärts.

Es ist wichtig anzumerken, dass das deutsche Strafrecht eine Null-Toleranz-Politik gegenüber der Verbreitung von kinderpornographischem Material verfolgt und harte Strafen für diese Straftaten vorsieht. Im Zuge der letzten Gesetzesänderung wurden die Strafen drastisch erhöht – bis zu einem Maß, welches die Gerichte in den vergangenen Jahren zur Verhängung von Strafen zwang, die nicht mehr als angemessen angesehen werden können.

Welche Änderungen sind für 2024 geplant?

Die angekündigte Gesetzesänderung bezüglich der Verbreitung von Kinderpornographie sieht die Einführung eines „minder schweren Falls“ vor, der im Strafgesetzbuch verankert werden soll. Dies würde bedeuten, dass bei bestimmten Fällen, die als weniger schwerwiegend eingestuft werden, mildere Strafen verhängt werden könnten.

Zusätzlich wird diskutiert, die Strafen für die Verbreitung von kinderpornographischem Material zu senken. Konkrete Details über die geplante Höhe der Strafen oder die Kriterien, die einen „minder schweren Fall“ definieren, können Teil der vorgeschlagenen Gesetzesänderungen sein. Wie genau die neue gesetzliche Regelung aussehen wird, das steht heute noch nicht fest.

Die Absicht hinter diesen Änderungen ist, eine feinere Differenzierung zwischen unterschiedlichen Tatbeständen vorzunehmen, um angemessene und differenzierte Strafen zu ermöglichen.

Welche Auswirkungen wird eine solche Gesetzesänderung haben?

Die potenziellen Auswirkungen der geplanten Gesetzesänderungen auf die Verbreitung von Kinderpornographie könnten vielschichtig sein:

Wir erwarten, dass eine Einführung des „minder schweren Falls“ und eine Senkung der Strafen zu einer differenzierteren Bestrafung bei erfolgtem Tatnachweis führen werden. Dies könnte bedeuten, dass weniger schwere Fälle mit deutlich milderen Strafen geahndet werden, während schwerwiegendere Verstöße weiterhin mit hohen Strafen bedroht werden.

Die Einführung neuer Kriterien für den „minder schweren Fall“ könnte auch zu einer Neubewertung und Klarstellung von rechtlichen Standards und Richtlinien seitens der Gerichte führen. Dies könnte Auswirkungen auf die Praxis in der Justiz haben und möglicherweise zu einer verbesserten Konsistenz bei der Urteilsfindung beitragen.

Was bedeutet das für die Verteidigung in Kinderpornographie-Fällen?

Bereits heute haben die angekündigten Änderungen Auswirkung auf unsere Verteidigung in aktuellen Verfahren. Wir sind derzeit bestrebt, alle Verfahren so weit hinauszuzögern, dass eine Entscheidung in laufenden Verfahren erst nach Rechtskraft der Gesetzesänderungen erfolgt. In dem Fall wären die neuen Regelungen anwendbar.

Nach Wirksamwerden der Änderungen können wir als Verteidiger unsere Strategien anpassen, um Staatsanwaltschaften und gerichte zu zwingen, die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Die Einführung eines „minder schweren Falls“ wird neue Argumentationslinien eröffnen, um bei einer Tatsachenfeststellung mildere Strafen für unsere Mandanten und damit noch bessere Ergebnisse zu erreichen.

Die dann mögliche differenziertere Bestrafung gibt uns die Möglichkeit einer noch individuelleren Verteidigung, die die spezifischen Umstände des Falles und des Mandanten stärker berücksichtigt, um eine angemessene und gerechte Verteidigung zu gewährleisten.

Fazit?

Wir begrüßen die angekündigten Änderungen sehr und freuen uns darauf, nach deren Wirksamwerden für unsere Mandanten noch individuellere und angemessenere Verfahrensabschlüsse erreichen zu können.

Wenn Sie sich einem Verfahren wegen des Verdachts des Besitzes oder der Verbreitung von Kinderpornographie entgegensehen und sich professionell beraten oder verteidigen lassen wollen, dann freuen wir uns auf Ihre unverbindliche Anfrage per Mail an Rechtsanwalt Tim Wullbrandt.