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Organhaftung

Der eingetragene Geschäftsführer einer GmbH ist jedenfalls strafrechtlich verantwortlich – auch wenn er gegenüber einem faktischen Geschäftsführer tatsächlich machtlos ist. Notfalls müsse er eben gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. 

BGH, Beschluss vom 13.10.2016, 3 StR 352/16

Der eingetragene Geschäftsführer ist strafrechtlich immer verantwortlich – auch bei Machtlosigkeit gegenüber einem faktischen Geschäftsführer

Der Bundesgerichtshof hat in einem vom Landgericht Koblenz ausgehenden Verfahren nochmals entschieden, dass der eingetragene Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft strafrechtlich immer verantwortlich ist – auch, wenn er gegenüber einem faktischen Geschäftsführer praktisch machtlos ist und ausschließlich der faktische Geschäftsführer die Geschicke der Gesellschaft lenkt.

In dem hier entschiedenen Fall hatte die Angeklagte mit ihrer Revision das Ziel verfolgt, vom Bundesgerichtshof als nicht strafrechtlich verantwortlich für das Handeln der Gesellschaft angesehen zu werden. Der BGH machte diesem Vorhaben jedoch einen Strich durch die Rechnung.

Kurz zur Sache: Die Angeklagte war aufgrund einstimmigen Gesellschafterbeschlusses einer luxemburgischen Kapitalgesellschaft als alleinige Geschäftsführerin im Handelsregister eingetragen worden. Tatsächlich jedoch gab es neben ihr den in erster Instanz ebenfalls angeklagten M, der als faktischer Geschäftsführer die Gesellschaft führte. Zur Anklage kam unter anderem die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen, wobei die Angeklagte vortrug, es sei ihr tatsächlich unmöglich gewesen, die Beiträge abzuführen, da sie keinen Zugang zur tatsächlichen Geschäftsführung und den Geschäftsunterlagen gehabt habe.

Bereits die Eintragung als Geschäftsführer begründet die Verantwortlichkeit gemäß § 14 Abs.1 Nr.1  StGB

Bereits die Eintragung der Angeklagten als Geschäftsführerin im Handelsregister begründe deren strafrechtliche Verantwortlichkeit für das Handeln der Gesellschaft gemäß § 14 Abs.1 Nr.1 StGB.

§ 14
Handeln für einen anderen

(1) Handelt jemand

1. als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs,
2. als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder
3. als gesetzlicher Vertreter eines anderen,

so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) die Strafbarkeit begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen.

Dies gilt auch dann, wenn eine andere Person für die Gesellschaft mit solch weitreichenden Kompetenzen auftritt, dass es sich dabei um eine faktische Geschäftsführung handelt. Die Verantwortlichkeit des formellen eingetragenen Geschäftsführers entfällt eben nicht dadurch, dass er – gleich einem Strohmann – im Innenverhältnis zu Gesellschaft und faktischem Geschäftsführer praktisch keine bedeutsamen Kompetenzen zustehen, um auf die Entwicklung der Gesellschaft einfluss nehmen zu  können.

Keine Entlastung durch faktischen Geschäftsführer

Der BGH stellt sich mit seiner Entscheidung in Widerspruch zu diversen Land- und Oberlandesgerichten und betont ausdrücklich, dass die Eintragung als formeller Geschäftsführer bei gleichzeitigem Bestehen einer faktischen Geschäftsführung nur einen Rechtsschein hervorrufe. Denn: Der eingetragene Geschäftsführer hat von Gesetzes wegen alle tatsächlichen und rechtlichen Handlungskompetenzen.

Die Verantwortlichkeit aus § 14 Abs.1 Nr.1 StGB knüpfe schließlich an die Organstellung und nicht an das interne Dienstverhältnis an.

Tatsächliche Geschäftsführung ist für den eingetragenen Geschäftsführer nie unmöglich

Der Einwand der Angeklagten, ihr sei die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge tatsächlich nicht möglich gewesen, griff bei der Kammer des BGH nicht durch. Der BGH wies darauf hin, dass es der Angeklagten jederzeit möglich gewesen wäre, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn ihr die tatsächliche Geschäftsführung durch den faktischen Geschäftsführer verwehrt wurde. Hätte auch dies nicht zu hinreichendem Erfolg geführt, hätte sie ihr Amt niederlegen müssen.

Fazit

Wir raten an dieser Stelle im Hinblick auf die sehr deutliche Ansicht des BGH dringend dazu, keinesfalls Eintragungen als Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften vornehmen zu lassen, ohne die tatsächliche Geschäftsführung inne zu haben. In unserer Beratungspraxis erleben wir oft, dass die Übernahme einer formellen Geschäftsführung insbesondere bei Familienangehörigen, näheren Bekannten oder auf Grundlage dubioser Geschäftsführerverträge erfolgt. Konsequenz dieser Eintragung ist oftmals, dass sich die eigentlich unbedarften formellen Geschäftsführer teils Jahre nach der Eintragung als Angeklagte eines Strafverfahrens wiederfinden – ohne auch nur ansatzweise eine Kenntnis der angeklagten Taten zu haben. Dass diese Unkenntnis nicht vor Anklage und Bestrafung schützt hat der BGH nun in der zitierten Entscheidung nochmals eindrucksvoll dargelegt.

Bei einem Anlagebetrug im Rahmen eines Schneeballsystems gilt die gesamte Anlagesumme als Schaden. Dies entschied der BGH mit Beschluss vom 02.03.2016 – Aktenzeichen 1 StR 433/15 (Vorinstanz LG Nürnberg-Fürth).

Bei Anlagebetrug gilt gesamte Anlagesumme als Schaden

Der BGH verwarf mit diesem Beschluss die Revision der Angeklagten, welche sich gegen die Verurteilung durch das Landgericht Nürnberg-Fürth gewehrt hatten.

Der für die Bestimmung des Vermögensschadens aufgrund einer Gesamtsaldierung maßgebliche Zeitpunkt ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung durch den Geschädigten (näher BGH, Urteile vom 2. Februar 2016 – 1 StR 435/15 Rn. 20 und 1 StR 437/15 Rn. 33 mwN). Nach Auffassung des BGH auf Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Rahmen der Hauptverhandlung vor dem Landgericht konnten die Rückzahlungsansprüche der Anleger im zu entscheidenden Fall bereits zu diesem Zeitpunkt, also als die Anlage (und damit die Vermögensverfügung) getätigt wurde, als wirtschaftlich wertlos angesehen werden, weil die Möglichkeit der Rückführung der vereinnahmten Gelder sowie ggf. der Auszahlung vertraglich versprochener Renditen ausschließlich von der zukünftigen Einnahme weiterer betrügerisch erlangter Gelder von Anlegern durch den Angeklagten abhing (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, Rn. 18). Dies ist der typische Fall im Rahmen sogenannter „Schneeballsysteme“. Die späteren Entwicklungen in Gestalt von Rückzahlungen an die Anleger berühren den tatbestandlichen Schaden nicht (BGH, Beschlüsse vom 23. Februar 2012 – 1 StR 586/11, Rn. 15 und vom 4. Februar 2014 – 3 StR 347/13).

(Teilweise) Rückzahlung ist unerheblich

Nach Ansicht des BGH, welche dieser in allen zuvor genannten Entscheidungen vertritt, ist es daher für die Berechnung des Schadens auch unerheblich, ob der Täter zwischenzeitlich den Anlegern des Schneeballsystems (anteilige) Beträge zurückerstattet hat. Das wirkt sich lediglich auf die Strafzumessung aus. Für die Berechnung des Schadens beim Anlagebetrug ist daher lediglich relevant, ob das Anlagesystem wie bei einem Schneeballsystem von Anfang an darauf ausgelegt war, das Geld der Anleger zweckwidrig zu verwenden. In diesem Fall ist der Schaden bereits in voller Höhe der Anlagesumme entstanden, wenn der Anleger die Anlagesumme an den Betreiber des Schneeballsystems verfügt hat.

 

Der Zeitpunkt der ersten Einlassung des Angeklagten darf vom Gericht nicht nachteilig bewertet werden. Es darf dem Angeklagten auch nicht zur Last gelegt werden, wenn er von seinem Schweigerecht Gebrauch macht.

BGH: Es darf nicht zum Nachteil des Angeklagten gewertet werden, wann dieser seine erste Einlassung abgibt

So entschied der Bundesgerichtshof (BGH) zuletzt durch Beschluss vom 13.10.2015 – 3 StR 344/15. In dem ursprünglichen Verfahren war der Angeklagte wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmittelb zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Zu dem „bewaffneten“ Handeltreiben kam es, da bei der Festnahme des Angeklagten neben Drogen auch eine mit 5 Schuss geladene Gaspistole im Auto unter dem Fahrersitz gefunden wurde. Der Strafverteidiger des Angeklagten hatte gegen das Urteil des Landgerichts Revision eingelegt, da das Landgericht seine Entscheidung unter anderem mit dem Zeitpunkt der EInlassungen zum Thema „wie kam die Waffe dorthin“ des Angeklagten und seiner Verlobten begründet. Das war nach Ansicht des BGH rechtsfehlerhaft.

Angeklagter bestritt Kenntnis von der Waffe

Der Angeklagte hatte nach seiner Festnahme zwar den Besitz und die Absicht, zumindest Teile der gefundenen Drogen verkaufen zu wollen, gestanden. Er bestritt jedoch, von der Waffe Kenntnis gehabt zu haben. Die Waffe habe vielmehr wohl seine Verlobte ohne sein Wissen im Auto abgelegt. Dies habe sie getan, da im Haus – wo die Waffe für gewöhnlich deponiert war – ein Kindergeburtstag stattgefunden habe und sie nicht wollte, dass bei dieser Gelegenheit die Waffe im Haus war.

Landgericht glaubt Einlassung nicht – weil sie spät erfolgt

Die entscheidende Strafkammer am Landgericht Lüneburg glaubte diese Einlassung jedoch nicht und sah sie als widerlegt an. Ebenso schenkte das Gericht der Zeugenaussage der Verlobten des Angeklagten in der Hauptverhandlung keinen Glauben. Das Gericht begründete dies damit, dass es keinen Grund gäbe, weshalb die Verlobte mit ihrer entlastenden Aussage – welche sie dem Strafverteidiger des Angeklagten gegenüber bereits wesentlich früher geäußert hatte – bis zur Hauptverhandlung warten solle. Das Gericht leitete für sich daraus ab, dass es sich dabei offensichtlich um eine abgesprochene Aussage handele.

BGH sagt: Es ist egal, wann eine Einlassung des Angeklagten kommt

Der Bundesgerichtshof sah dies in der vom Verteidiger des Angeklagten eingelegten Revision anders. Der BGH führt aus, dass die Erwägung, es handele sich bei der EInlassung des Angeklagten um eine abgestimmte Einlassung, da sie erst spät im Verlauf der Hauptverhandlung erfolgt und aus diesem Grund sei ihr kein Glauben zu schenken

…gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten verstößt. Diesem kann der Zeitpunkt, zu dem er erstmals eine entlastende Einlassung vorbringt, nicht zum Nachteil gereichen.

Schweigerecht ist elementarer Bestandteil des Strafverfahrens

Das Schweigerecht eines Angeklagten und damit der Grundsatz, dass sich niemand selbst belasten muss, ist elementarer Bestandteil eines fairen Verfahrens und damit des rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Der Angeklagte im Strafverfahren kann jederzeit selbst entscheiden, ob er eine Aussage macht oder nicht. Macht der Angeklagte keine Aussage, dann darf ihm das nicht zum Nachteil gereichen. Diese absolute Entscheidungsfreiheit setzt natürlich voraus, dass der Angeklagte nicht befürchten muss, dass ihm nur aus dem Zeitpunkt einer – wahrheitsgemäßen – Einlassung könnten ihm Nachteile entstehen. Denn: Auch die Gründe und Beweggründe für eine Aussage dürfen nicht nachteilig bewertet werden. Muss der Angeklagte also befürchten, dass er bei einer Einlassung im Nachhinein negative Konsequenzen erleidet, weil er diese EInlassung erst spät abgibt, dann ist er dazu verleitet lieber gar keine Aussage zu machen als eine späte. Diese Motivationslage darf nicht herrschen. Der BGH hat also noch einmal festgehalten, dass weder aus der durchgehenden noch aus der anfänglichen Aussageverweigerung – und damit auch nicht aus dem Zeitpunkt, zu dem sich der Angeklagte erstmals einlässt – nachteilige Schlüsse gezogen werden dürfen. Dass der Angeklagte die Ermittlungsbehörden also nicht früher über die Angaben seiner Verlobten in Kenntnis gesetzt hatte, darf deshalb bei der Bewertung seiner Aussage keine Berücksichtigung finden.


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Ein thüringischer Richter am Amtsgericht wurde zu Recht wegen Rechtsbeugung im Amt in 7 Fällen verurteilt. So zumindest entschied kürzlich der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 24.02.2016 – Aktenzeichen 2 StR 533/15. Dabei wollte er „nur“ der Bußgeldbehörde eine Lektion erteilen…

BGH bestätigt die Verurteilung eines Amtsrichters wegen Rechtsbeugung

Was war geschehen? Der angeklagte Richter hatte mehrfach, jedenfalls in 7 Fällen, Temposünder in Ordnungswidrigkeitenverfahren freigesprochen. Dies hatte er jeweils damit begründet, es läge ein „Verfahrenshindernis“ vor, da die jeweilige Bußgeldbehörde weder Messprotokoll noch Eichschein der jeweiligen Messung von sich aus vorgelegt habe. Das Landgericht Erfurt hatte hierin jeweils Fälle der Rechtsbeugung gesehen und den Richter wegen dieser Vorgänge zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt und die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen hatte der Richter Revision eingelegt.

Aufklärungspflicht in OWi-Verfahren gegen Temposünder verletzt

Warum gilt ein Freispruch als Rechtsbeugung? Nun, grundsätzlich ist das nicht per se der Fall. Hier ist es allerdings so, dass auch in Bußgeld- und Ordnungswidrigkeitenverfahren – ebenso wie in „normalen“ Strafsachen – das Gericht eine Aufklärungspflicht trifft. Das Gericht selbst hat also alle zur Wahrheitsfindung notwendigen Beweismittel beizuziehen. In Bußgeldverfahren gegen Temposünder ist es allgemein bekannt, dass zur Überprüfung der Messung das Messprotokoll und der Eichschein des Messgeräts notwendig sind. Liegen diese also nicht schon sowieso in der Bußgeldakte, dann muss das Gericht im Rahmen seiner Aufklärungspflicht diese von dort anfordern.

Richter wollte Bußgeldbehörde eine Lektion erteilen

Offensichtlich störte es den Richter, dass die Bußgeldbehörde in ihren Verfahrensakten nie die erforderlichen Messprotokolle und Eichscheine beifügte (und er sie gesondert anfordern musste). Er traf daher mehrere Entscheidungen dahingehend, dass die Temposünder wegen eines „Verfahrensfehlers“ (= die Protokolle lagen dem Richter nicht vor) freigesprochen wurden. Augenscheinlich wollte der Richter der Bußgeldbehörde damit eine Lektion a la „wenn ihr die Unterlagen nicht selbst beibringt, dann lasse ich die Leute laufen“ erteilen. Daraus wurde jedoch nichts, denn das thüringische Oberlandesgericht hob mehrere dieser Entscheidungen rückwirkend auf.

OLG Thüringen sah Aufklärungspflicht verletzt – den Richter störte das nicht

Das OLG Thüringen sah in den aufgehobenen Entscheidungen die Aufklärungspflicht des Richters verletzt. Diesen indes störte das offenbar wenig – er sprach weiter mehrere Temposünder frei, weil Protokolle nicht zu Beginn des OWi-Verfahrens vorlagen.

Landgericht Erfurt sieht Rechtsbeugung in den Freisprüchen

Das Landgericht Erfurt nahm sich der entsprechenden Anklage an und verurteilte den Richter wegen tatmehrheitlicher Rechtsbeugung. Es begründet seine Entscheidung damit, dass der verurteilte Richter bei seinen Entscheidungen es jedenfalls für möglich gehalten habe, dass diese falsch seien. Dies habe er jedoch in Kauf genommen, um der Bußgeldbehörde eine Lektion zu erteilen. Dabei habe er die ihm obliegende Aufklärungspflicht des Gerichts zwar gekannt, diese aber sehenden Auges missachtet.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts, welches ihn zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten zur Bewährung verurteilt hatte, hatte er (selbstverständlich) Revision eingelegt und diese damit begründet, er habe keinen Vorsatz hinsichtlich der abgeurteilten Rechtsbeugung gehabt. Ausserdem sei er zu den Tatzeitpunkten krankheitsbedingt schuldunfähig gewesen. Die Revision hatte keinen Erfolg – der BGH bestätigte nun die Entscheidung des Landgerichts Erfurt.

In seinem Urteil vom 17.06.2015 – 5 StR 140/15 – entschied der Bundesgerichtshof nun, dass die Geheimhaltung der eigenen Identität durchaus zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten darstellt.

Keine Strafschärfung bei Geheimhaltung der Identität im Prozess

Da es sich bei der Geheimhaltung der Identität also um zulässiges Verteidigungsverhalten handelt, darf dieser Umstand auch nicht straferhöhend – auch nicht bei der Bemessung einer Gesamtfreiheitsstrafe – berücksichtigt werden.

Weiter hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil die Auffassung des Landgerichts bestätigt, dass es sich bei den im Verfahren der Vorinstanz am Landgericht abgelegten Geständnissen um besonders „werthaltige“ Geständnisse handelt.

Geständnisse besonders werthaltig

Die Werthaltigkeit, welche hier bei einem Angeklagten sogar zur Verurteilung im nur minder schweren Fall führte, bestand für das Gericht darin, dass durch die Geständnisse umfangreiche und kostspielige Ermittlungen im Ausland vermieden werden konnten. Einige der angeklagten Taten seien nur aufgrund der Geständnisse zur Verurteilung gekommen und ohne die Geständnisse nicht nachweisbar gewesen.


Aus den Gründen der Entscheidung des BGH:

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetruges in 31 Fällen für schuldig befunden. Es hat den Angeklagten T. unter Einbeziehung weiterer 60 zehnmonatiger Freiheitsstrafen aus einer früheren, wegen vergleichbarer Taten ergangenen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten Z. zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Die vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen, zuungunsten der Angeklagten eingelegten, auf die Sachrüge gestützten und auf den Strafausspruch beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben keinen Erfolg.

1. Die angegriffenen Einzelstrafaussprüche in den Fällen 1 bis 13, 15, 17 bis 27 halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand. Die insofern erfolgte Zugrundelegung des Strafrahmens des minder schweren Falls nach § 263a Abs. 2, § 263 Abs. 5 StGB ist nicht zu beanstanden.

Das Landgericht ist bei seiner Prüfung von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen. Es hat die Anwendung der minder schweren Fälle maßgeblich damit begründet, dass die von den Angeklagten abgelegten Geständnisse in diesen konkreten Fällen besonders „werthaltig“ waren, weil sie umfangreiche und kostspielige Ermittlungen im Ausland entbehrlich gemacht haben und diese Taten ohne Geständnisse nicht nachzuweisen gewesen wären (vgl. UA S. 26 f.). Dass es sich hierbei nach dem Revisionsvorbringen um „taktische Formalgeständnisse“ gehandelt habe, ist nicht nur – wie bereits von der Revision selbst erkannt – urteilsfremd, sondern wird durch die Urteilsgründe widerlegt (vgl. UA S. 17 f.). Entgegen den Revisionen durften die planvolle intensive und nicht nur gelegentliche Begehung der Straftaten ebenso wie das arbeitsteilige Vorgehen in der organisierten Bande nicht strafschärfend berücksichtigt werden (§ 46 Abs. 3 StGB), weil diese Umstände bereits durch das Tatbestandsmerkmal der „Bande“ im Sinne des § 263a Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 5 StGB umfasst sind. Die Urteilsgründe lassen – wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat – nicht besorgen, dass das Landgericht die ausdrücklich als strafschärfend berücksichtigten aufwendigen technischen Abschirmungsmaßnahmen (vgl. UA S. 27 f.) bei der Strafrahmenwahl aus dem Blick verloren hat.

2. Die Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafen begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

Zwar müssen bei diesem Zumessungsakt (§ 54 Abs. 1 Satz 2 StGB) die hierfür maßgebenden Gesichtspunkte in einer Gesamtschau erneut berücksichtigt werden; jedoch ist nicht in jedem Fall eine ausdrückliche Wiederholung in den Urteilsgründen erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 1988 – 2 StR 353/88 und Beschluss vom 15. August 1989 – 1 StR 382/89, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 1 und 4). Das Landgericht hat die Zumessung der Einzelstrafen bereits in einer zusammenfassenden Würdigung eingehend begründet und deren Höhe entsprechend dem Ausmaß der Schäden abgestuft. Auf diese zusammengefasste Würdigung durfte es bei der Gesamtstrafenbildung Bezug nehmen.

Dass der Angeklagte Z. seine wahre Identität vor dem Landgericht nicht preisgegeben hat, hält sich im Rahmen seines zulässigen Verteidigungsverhaltens (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Mai 2013 – 4 StR 151/13, StV 2013, 697) und durfte entgegen der Ansicht der Revision auch nicht bei der Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe strafschärfend berücksichtigt werden. Die Erhöhung der Einsatzstrafe von einem Jahr und sechs Monaten fällt zwar beim Angeklagten Z. relativ gering aus, wird jedoch unter anderem mit der Mitgliedschaft in nur einer Bande noch vertretbar begründet (UA S. 28).

Die verhängten Gesamtstrafen werden schließlich auch ihrem Zweck, gerechter Schuldausgleich zu sein, noch gerecht.

3. Die hinsichtlich des Angeklagten Z. getroffene Bewährungsentscheidung ist eingehend begründet und enthält keinen Rechtsfehler. Die Ausführungen, mit denen das Landgericht eine positive Kriminalprognose gestellt hat (u.a. erstmalige Freiheitsstrafe, beeindruckende Wirkung der Untersuchungshaft und des Verfahrens insgesamt, flankierende Maßnahmen nach § 56c und § 56d StGB), sind nicht zu beanstanden. Zutreffend hat es als besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB das abgelegte – wie dargestellt außerordentlich gewichtige – Geständnis und die verbüßte Untersuchungshaft herangezogen. Das Revisionsvorbringen, das sich in eigenen Würdigungen erschöpft, zeigt keinen Rechtsfehler auf; auch bei der Aussetzungsentscheidung kann dem Angeklagten Z. nicht angelastet werden, dass er seine wahre Identität nicht preisgegeben hat.

4. Ein die Strafzumessung betreffender Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten liegt ebenfalls nicht vor (§ 301 StPO).

 

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Wer bei einer Körperverletzung nur passiv anwesend ist kann die Qualifikation zur gefährlichen Körperverletzung nicht erfüllen.

BGH: Keine gefährliche Körperverletzung durch passive Anwesenheit

Das entschied der Bundesgerichtshof unlängst in seinem Beschlus vom 21.07.2015 – 3 StR 261/15. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Überfall auf Taxifahrer – einer würgt, einer stiehlt

A und B hatten sich entschlossen den Taxifahrer K zu überfallen. Hierzu ließen sie sich an einen von A angegebenen abgelegenen Ort fahren. Dort angekommen griff der hinter dem Taxifahrer sitzende A  – so wie A und B das zuvor gemeinsam geplant hatten –  mit einem rechten Arm von hinten um den auf dem Fahrersitz sitzenden Taxifahrer herum und führte seinen Arm von rechts um den Hals des Taxifahrers herum, so dass er mit der linken Hand seine rechts Faust zu sich heranziehen und den Taxifahrer damit würgen konnte. Die B nutzte diese Situation – der Taxifahrer war gewürgt und bewegungsunfähig – aus und entnahm aus dem Portemonnaie des Taxifahrers 30 EUR sowie dessen Mobiltelefon. Danach flüchteten die Angeklagten.

Landgericht verurteilt wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung

Das Landgericht hat A und die nicht in Revision gegangene Mitangeklagte B jeweils wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Gegen den A hat es deshalb eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verhängt; gegen die B hat die Strafkammer auf eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und elf Monaten erkannt.

BGH hebt Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung auf

Auf die Revision des A wurde das Urteil, auch soweit es die Mitangeklagte B betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass die tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung entfällt und im Strafausspruch aufgehoben wurde. Die weitergehende Revision wurde verworfen.

Der Schuldspruch wegen tateinheitlicher gefährlicher Körperverletzung hielt der revisionsrechtlichen Überprüfung durch den BGH nicht stand. Die vom Landgericht in der ersten Instanz getroffenen Feststellungen belegten nicht, dass die Angeklagten die körperliche Misshandlung des Geschädigten gemeinschaftlich i.S.v. § 224 I Nr. 4 StGB begangen haben.

Grundsätzlich Erfüllung des Qualifikationstatbestandes des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB ohne eigenhändige Mitwirkung jedes Einzelnen an der Verletzungshandlung möglich

Der BGH weist in seiner Entscheidung zwar darauf hin, dass zur Erfüllung dieses Qualifikationstatbestandes grundsätzlich die eigenhändige Mitwirkung jedes Einzelnen an der Verletzungshandlung nicht erforderlich ist. So könne es zur Erfüllung des Qualifikationstatbestands durchaus genügen, dass ein am Tatort anwesender Tatgenosse die Wirkung der Körperverletzungshandlung des Täters bewusst in einer Weise verstärkt, welche die Lage des Verletzten zu verschlechtern geeignet ist. Allein die Anwesenheit einer zweiten Person, die sich die sich jedoch in Bezug auf die Verletzung vollkommen passiv verhält, erfüllt die Qualifikation jedoch nach Auffassung des BGH noch nicht.

Rein passives Verhalten reicht jedoch für Qualifikation nicht aus

Lediglich ein solches passives Verhalten wurde durch das Landgericht aber festgestellt. Das Landgericht hatte lediglich festgestellt, dass ich die B mit im Auto befunden und Geld sowie Mobiltelefon gestohlen habe – an der Verletzungshandlung hatte sie jedoch keinen Tatbeitrag. Die Urteilsgründe zeigten weder auf, dass die bloße Präsenz der Mitangeklagten in besonderer Weise den Geschädigten in seiner Lage beeinträchtigte, noch, dass die Mitangeklagte hinsichtlich der körperlichen Misshandlung überhaupt unterstützungsbereit gewesen sei und hierdurch eine erhöhte Gefährlichkeit der konkreten Tatsituation begründete. Da ergänzende Feststellungen im Rahmen einer nach Rückverweisung an das Landgericht neu durchzuführenden Hauptverhandlung nicht zu erwarten seien, hat der Senat den Schuldspruch selbst geändert und die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung entfallen lassen.

Auch Schuldspruch wegen Körperverletzung entfällt

Eine Abänderung des Schuldspruchs gegen den A auf tateinheitlich verwirklichte Körperverletzung kommt nicht in Betracht. Die Körperverletzung gemäß § 223 StGB wird nach § 230 StGB nur auf Strafantrag hin, oder bei der Bejahung des öffentlichen Interesses durch die Staatsanwaltschaft verfolgt.Beides war nicht der Fall. Eine solche (konkludente) Erklärung, dass die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse bejaht, ist auch nicht der Anklage zu entnehmen, da diese nur den Vorwurf einer tateinheitlich zum Raubtatbestand verwirklichten gefährlichen Körperverletzung zum Gegenstand hat.

Der Wegfall des Schuldspruchs wegen tateinheitlicher gefährlicher Körperverletzung ziehe die Aufhebung des Strafausspruches nach sich. Das Landgericht hatte die tateinheitliche Verwirklichung des § 224 I Nr. 4 StGB zwar nicht bei der Strafrahmenwahl, jedoch im Rahmen der konkreten Strafzumessung ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt. Der Senat konnte deshalb nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Beurteilung auf eine niedrigere Freiheitsstrafe erkannt hätte.


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Straftaten, bei denen das Opfer verletzt wurde, führen meist auch dazu, dass das Opfer nach Abschluss des Strafverfahrens vor den Zivilgerichten, oder aber bereits unmittelbar im Rahmen des Strafverfahrens durch ein sogenanntes „Adhäsionsverfahren“ gegenüber dem Täter oder den Tätern seine zivilrechtlichen Ansprüche auf Zahlung von Schmerzensgeld geltend macht. Der BGH hatte nun über einen Fall zu entscheiden, in welchem die beiden Täter gemeinschaftlich im Rahmen des Adhäsionsverfahrens zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an das Opfer verurteilt wurden. Dabei wurde vom Landgericht in der Vorinstanz entschieden, dass die beiden Täter das Schmerzensgeld als Gesamtschuldner zu gleichen Teilen schulden. Dem trat nun der Bundesgerichtshof mit seinem Beschluss vom 28.04.2015 – 3 StR 52/15 – entgegen.

BGH: Beurteilung der Mittäterschaft für zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch

Ausgangspunkt für die Entscheidung ist die Regelung in § 830 Abs.1 BGB. Diese lautet:

§ 830 BGB

(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.

Der BGH hat in der hier zitierten Entscheidung nun festgehalten, dass sich die Beurteilung der Mittäterschaft im Sinne von § 830 Abs.1 BGB bezüglich eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen richtet. Die wechselseitige Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge reicht dabei nicht weiter als der gemeinsame Vorsatz und scheidet aus, soweit einer der Mittäter im Exzess Handlungen begeht, die vom gemeinsamen Tatplan und dem Vorsatz der anderen nicht gedeckt sind.

Der Fall:

Was war hier genau geschehen?

Nach den Feststellungen des Landgerichts umstellten der Angeklagte, der Mitangeklagte sowie zwei unbekannt gebliebene Mittäter den Nebenkläger und einen weiteren Geschädigten, um einem gemeinsamen Tatplan entsprechend die Herausgabe von Geld und Mobiltelefonen zu erzwingen. Als der Nebenkläger sich weigerte, sein Smartphone herzugeben, traten der Mitangeklagte sowie andere aus der Gruppe ihn gegen die Beine. Zudem versetzte der Mitangeklagte ihm zur Untermauerung der Forderung zwei Schläge mit einem Schlagring, die ihn an der linken Schläfe und unter dem linken Auge trafen. Aus Angst vor weiterer Gewaltanwendung gab der Nebenkläger das Handy schließlich heraus.

Das Landgericht hat den Angeklagten daraufhin wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung eines früheren Urteils zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es ihn dazu verurteilt, gesamtschuldnerisch mit dem Mitangeklagten S. an den Nebenkläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 12. Juni 2014 zu zahlen.

Das Problem:

Das Landgericht hat dem Angeklagten den Einsatz des Schlagrings durch den Mitangeklagten als Mittel der räuberischen Erpressung mit rechtsfehlerfreien Erwägungen (sukzessive Mittäterschaft) zugerechnet und ihn auf dieser Grundlage nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB schuldig gesprochen. Es hat jedoch nicht festzustellen vermocht, dass die Benutzung dieses Tatmittels von Anfang an vom gemeinsamen Tatplan umfasst war, und sie daher hinsichtlich der Körperverletzung als Exzess des Mittäters gewertet. Aus diesem Grund ist die gemeinschaftliche Verurteilung zur Zahlung des Schmerzensgeldes als Gesamtschuldner als rechtsfehlerhaft anzusehen. Denn: Die Höhe des zu zahlenden Schmerzensgeldes ergibt sich für das Landgericht alleine aus dem Einsatz des Schlagringes. Dass der Schlagring zum Einsatz kam wurde dem Angeklagten aber gerade nicht angelastet – daher kommt eine Zurechnung der Nutzung des Schlagringes zu Lasten des Angeklagten in diesem Fall bei der Bemessung seiner Haftungsquote im Hinblick auf das Schmerzensgeld gerade nicht in Betracht. Die Beurteilung des haftungsrelevanten Tatbeitrags im Sinne von § 840 BGB richtet sich insoweit nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Die wechselseitige Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge reicht dabei nicht weiter als der gemeinsame Vorsatz und scheidet aus, soweit einer der Mittäter im Exzess Handlungen begeht, die vom gemeinsamen Tatplan und dem Vorsatz der anderen nicht gedeckt sind


Die Entscheidung im Volltext:

BGH, 28.04.2015 – 3 StR 52/15

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 13. August 2014, soweit es ihn betrifft, im Adhäsionsausspruch abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a) Der Schmerzensgeldanspruch des Nebenklägers aufgrund der am 27. Juli 2013 gegen 1 Uhr in der J. -Straße in K. zu seinem Nachteil verübten Straftat ist gegenüber dem Angeklagten B. dem Grunde nach gerechtfertigt;

b) im Übrigen wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag des Nebenklägers gegen den Angeklagten B. abgesehen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Ebenso werden ihm die in der Revisionsinstanz entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen des Nebenklägers sowie die im Adhäsionsverfahren in der 1. Instanz entstandenen gerichtlichen Auslagen auferlegt. Die gerichtlichen Auslagen des Adhäsionsverfahrens der Revisionsinstanz fallen der Staatskasse zur Last (§ 472a StPO).

Gründe

1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung eines früheren Urteils zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es ihn dazu verurteilt, gesamtschuldnerisch mit dem Mitangeklagten S. an den Nebenkläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 12. Juni 2014 zu zahlen.

2 Das auf die allgemeine Sachrüge gestützte Rechtsmittel des Angeklagten ist zum Schuld- und Strafausspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Auch die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes unterliegt im Ausgangspunkt keiner Beanstandung. Demgegenüber kann die Adhäsionsentscheidung im Hinblick auf die Bemessung des von dem Angeklagten zu leistenden Schmerzensgeldes keinen Bestand haben.

3 Nach den Feststellungen umstellten der Angeklagte, der Mitangeklagte sowie zwei unbekannt gebliebene Mittäter den Nebenkläger und einen weiteren Geschädigten, um einem gemeinsamen Tatplan entsprechend die Herausgabe von Geld und Mobiltelefonen zu erzwingen. Als der Nebenkläger sich weigerte, sein Smartphone herzugeben, traten der Mitangeklagte sowie andere aus der Gruppe ihn gegen die Beine. Zudem versetzte der Mitangeklagte ihm zur Untermauerung der Forderung zwei Schläge mit einem Schlagring, die ihn an der linken Schläfe und unter dem linken Auge trafen. Aus Angst vor weiterer Gewaltanwendung gab der Nebenkläger das Handy schließlich heraus.

4 Das Landgericht hat dem Angeklagten den Einsatz des Schlagrings durch den Mitangeklagten als Mittel der räuberischen Erpressung mit rechtsfehlerfreien Erwägungen (sukzessive Mittäterschaft) zugerechnet und ihn auf dieser Grundlage nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB schuldig gesprochen. Es hat jedoch nicht festzustellen vermocht, dass die Benutzung dieses Tatmittels von Anfang an vom gemeinsamen Tatplan umfasst war, und sie daher hinsichtlich der Körperverletzung als Exzess des Mittäters gewertet. Demgemäß hat es den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung allein in der Variante des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, nicht jedoch in derjenigen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB verurteilt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2011 – 5 StR 515/10, NStZ-RR 2011, 111, 112).

5 Vor diesem Hintergrund kann die Verurteilung des Angeklagten, dem Nebenkläger gesamtschuldnerisch mit dem Mitangeklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 € zu zahlen, keinen Bestand haben.

6 Das Landgericht hat die Höhe des Schmerzensgeldes mit den durch den Einsatz des Schlagrings verursachten Verletzungsfolgen begründet. Die Verwendung dieses Mittels zur Verletzung des Nebenklägers hat es dem Angeklagten aber gerade nicht angelastet. Damit kommt eine Zurechnung dieses Tatbeitrages aber auch bei der Prüfung der Frage, inwieweit sich der Angeklagte im Sinne des § 830 Abs. 1 BGB als Mittäter an einer die zivilrechtliche Haftung begründenden deliktischen Verhaltensweise beteiligt hat, nicht in Betracht, was wiederum den Umfang seiner gesamtschuldnerischen Haftung nach § 840 Abs. 1 BGB begrenzt. Die Beurteilung richtet sich insoweit nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Die wechselseitige Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge reicht dabei nicht weiter als der gemeinsame Vorsatz und scheidet aus, soweit einer der Mittäter im Exzess Handlungen begeht, die vom gemeinsamen Tatplan und dem Vorsatz der anderen nicht gedeckt sind (BGH, Beschlüsse vom 8. November 2005 – 4 StR 321/05, BGHR StPO § 403 Anspruch 8; vom 7. Februar 2013 – 3 StR 468/12, […]; Urteil vom 23. März 1999 – VI ZR 53/98, BGHR BGB § 830 Abs. 2 Teilnahme 2). Die zur Grundlage des Schmerzensgeldanspruchs gemachten Verletzungsfolgen – aus dem Einsatz des Schlagrings – können deshalb nicht zur Begründung dafür herangezogen werden, den Angeklagten in gleicher Höhe wie den Mitangeklagten zur Schmerzensgeldzahlung zu verurteilen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Februar 2013 – 3 StR 468/12, […]; vom 8. Januar 2014 – 3 StR 372/13, StraFo 2014, 217 [BGH 08.01.2014 – 3 StR 372/13]).

7 Da der Angeklagte dem Nebenkläger jedoch wegen der anderen, ihm zuzurechnenden Körperverletzungshandlungen ein angemessenes Schmerzensgeld schuldet, ändert der Senat den ihn betreffenden Adhäsionsanspruch in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO in eine Verurteilung dem Grunde nach ab (§ 406 Abs. 1 Satz 2 StPO). Im Übrigen ist von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abzusehen (§ 406 Abs. 1 Satz 3 und 4 StPO); denn eine Zurückverweisung der Sache allein zur Bestimmung der Höhe des Schmerzensgeldes kommt nicht in Betracht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 406a Rn. 5 mwN). Die Bemessung des Schmerzensgeldes ist vielmehr dem zuständigen Zivilgericht übertragen (§ 406 Abs. 3 Satz 4 StPO).

8 Der geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt eine Ermäßigung der Gebühr und eine Auferlegung eines Teils der Auslagen auf die Staatskasse nach § 473 Abs. 4 StPO nicht. Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen des Adhäsionsverfahrens ergibt sich aus § 472a Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 StPO.

Becker

RiBGH Dr. Schäfer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben.
Becker

Mayer

Gericke

Spaniol

Die Frage, ob eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall vorliegt, beantwortet sich nicht maßgeblich nach der Bewertung der Haupttat, sondern danach, ob das Gewicht der Beihilfehandlung selbst die Annahme eines besonders schweren Falles rechtfertigt.

Beihilfe im besonders schweren Fall nur, wenn gerade die Beihilfe die Qualifikation erfüllt

So entschied der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss BGH, Beschluss vom 27.01.2015 – 1 StR 142/14, dass nicht entscheidend ist, dass sich die Tat des Haupttäters, zu der Beihilfe geleistet wird, als besonders schwerer Fall erweist. Zu prüfen sei vielmehr, ob das Gewicht der Beihilfehandlung selbst die Annahme eines besonders schweren Falles rechtfertigt . Dies gilt nicht nur in Fällen unbenannter besonders schwerer Fälle, sondern auch dann, wenn im Wege einer Gesamtwürdigung zu klären ist, ob die Indizwirkung eines oder mehrerer Regelbeispiele für besonders schwere Fälle widerlegt ist. Das Landgericht hatte in der Vorinstanz rechtsfehlerhaft auch nicht bedacht, dass das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes Beihilfe Anlass sein kann, einen besonders schweren Fall zu verneinen.


Die Entscheidung im Volltext:

BGH, Beschluss vom 27.01.2015 – 1 StR 142/14

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 9. Juli 2013, soweit es den Angeklagten D. betrifft, aufgehoben a) im Strafausspruch und b) im Ausspruch über den Verfall des Wertersatzes.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten D. – neben den Mitan- geklagten K. und S. – wegen 69 Fällen der Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig gesprochen. Es hat ihn deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zudem hat es gegen den Angeklagten den Verfall von Wertersatz in einer Höhe von 30.000 Euro angeordnet. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und auf den Strafausspruch sowie die Höhe des angeordneten Verfalls von Wertersatz beschränkten Revision die Verletzung materiellen Rechts, ohne dabei die diesen Aussprüchen zugrunde liegenden Feststellungen anzugreifen. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

a) In den Jahren 2010/2011 sahen sich die Zollbehörden mit einer neuen Form international organisierter Kriminalität konfrontiert. Sie bestand darin, als Formenöl deklariertes Gasöl zur Verwendung als Kraftstoff in mittel- und osteuropäische Länder zu veräußern. Da es in Tschechien nur eine Raffinerie gab und die Eigenproduktion die Nachfrage nicht decken konnte, gab es dort einen erheblichen Bedarf an Dieselkraftstoff. Hintergrund dieser Kriminalitätsform ist, dass Gasöl im Gegensatz zu Formenöl der Energiesteuer unterliegt (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 EnergieStG).

Auch die gesondert verfolgten G. und Ga. planten die Herstel- lung eines scheinbaren Formenöls, um es unbelastet mit deutscher Energiesteuer als Kraftstoff insbesondere in Tschechien und Polen zu vermarkten. Sie bedienten sich hierfür der Firma Sy. Sp. (im Folgenden: Sy. ), bei der durch simples Vermischen von einem hohen Anteil von Dieselkraftstoff und einem geringen Anteil von Basisöl ein Gemisch hergestellt werden sollte, das weiterhin als Kraftstoff verwendbar war. Das Produkt sollte zwar als Formenöl ausgegeben werden, das etwa als Trennmittel im Baugewerbe verwendet werden kann; es sollte aber als Kraftstoff vermarktet werden.

Nach den Planungen von G. und Ga. sollte den Zollbehörden zunächst vorgetäuscht werden, dass durch Zumischen von Basisöl ein energiesteuerfreies Formenöl entstehe, um sich die Erlaubnis zum Bezug unversteuerten Dieselkraftstoffs zu erschleichen. Denn gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 24 Abs. 2 Satz 1 EnergieStG dürfen Energieerzeugnisse mit behördlicher Erlaubnis steuerfrei zu anderen Zwecken als zur Verwendung als Kraft- oder Heizstoff verwendet werden. Geplant war aber eine unzulässige Verwendung, weil das herzustellende Gemisch weiterhin die Eigenschaften von Gasöl im Sinne der Kombinierten Nomenklatur (KN; vgl. Verordnung [EG] Nr. 948/2009 der Kommission vom 30. September 2009 zur Änderung von Anhang I der Verordnung [EWG] Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABl. EU Nr. L 287 vom 31. Oktober 2009, S. 1) besaß.

Zum Nachweis der Eignung dieses „Formenöls“ als Kraftstoff für die Abnehmer, zugleich aber zur Verschleierung und eigenen Absicherung, sollten die Produkteigenschaften durch ein für das Prüfgebiet Mineralöl akkreditiertes Labor bestätigt werden. Durch dieses sollten neun für Dieselkraftstoff charakteristische Parameter geprüft werden, bei denen acht die Sollwerte für Dieselkraftstoff nach der DIN EN 590 einhalten sollten. Lediglich der Sollwert dieser DIN-Norm für die Destillation von 95% bei maximal 360 Grad Celsius sollte um wenige Grad überschritten werden. Ein solches Prüfergebnis sollte zugleich als Beleg für die vordergründige Behauptung dienen, es handele sich bei dem Produkt wegen der Normüberschreitung bei der DIN in einem Punkt gar nicht um Dieselkraftstoff und deswegen auch nicht um zu versteuerndes Gasöl. Demnach sollte das Produkt zwar einerseits für die Abnehmer als Dieselkraftstoff erkennbar sein, andererseits aber für die Zollbehörden kein Dieselkraftstoff sein. Für die Steuerpflicht nach dem Energiesteuergesetz kommt es jedoch allein auf die zolltarifliche Einreihung als Gasöl und nicht auf die Einhaltung aller Sollwerte der DIN EN 590 an.

Der anderweitig verfolgte G. beauftragte den Angeklagten damit, eine Betriebsstätte ausfindig zu machen und sodann in dem Betrieb als Vertrauensmann und Aufpasser vor Ort zu fungieren. Der Angeklagte, der in alle Umstände eingeweiht wurde, war einverstanden und wollte G. bei seinen auf Dauer angelegten Verbrauchsteuerhinterziehungen unterstützen. Er wollte – ebenso wie die Mitangeklagten K. und S. , die lediglich billigend in Kauf nahmen, dass der Geschäftsbetrieb der Sy. die Herstellung eines Scheinprodukts zur Verwendung als Kraftstoff zum Gegenstand hatte – im Wege der Entlohnung seiner Zuarbeit von dem auf die Hinterziehung von Energiesteuer ausgerichteten Geschäftsprinzip profitieren. Auf der Grundlage seiner Bemühungen konnte die Sy. ein Biodieselwerk in Gr. als Betriebs- stätte für drei Jahre anmieten.

Mit Schreiben vom 6. Mai 2010 beantragte G. als Geschäftsführer der Sy. beim Hauptzollamt Stralsund die Erlaubnis als Verwender nach § 24 Abs. 2 Satz 1 EnergieStG und erklärte hierbei, dass Dieselkraftstoff zur Vermischung mit einem Basisöl verwendet werden solle, um hierdurch ein „Formenöl“ der Unterposition 2710 1999 der Kombinierten Nomenklatur herzustellen. Dem Antrag war eine Betriebserklärung beigefügt, mit der angezeigt wurde, dass durch Mischen von 88 Anteilen Dieselkraftstoff und 12 Anteilen Basisöl das „Endprodukt Schmieröl (KN 2710 1999)“, d.h. Formenöl, hergestellt werde.

Mit Bescheid vom 29. Juni 2010 erteilte das Hauptzollamt Stralsund der Sy. die Erlaubnis, Dieselkraftstoff nach Maßgabe der vorgelegten Be- triebserklärung steuerfrei nach § 25 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG zu verwenden. In dem beigefügten Merkblatt für Verwender wurde darauf hingewiesen, dass Energiesteuer entsteht, wenn die Energieerzeugnisse entgegen der in der Erlaubnis genannten Zweckbestimmung verwendet werden, und dass in diesem Fall unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben ist.

Auf der Grundlage dieser Erlaubnis stellte die Sy. aus unversteuert bezogenem Dieselkraftstoff und steuerfreiem Basisöl angeblich Formenöl her. Bei dem Gemisch handelte es sich aber um Gasöl im Sinne der Kombinierten Nomenklatur. Das somit im Gegensatz zu Formenöl der Energiesteuer unterliegende Mischprodukt wurde zur Verwendung als Kraftstoff hergestellt. Die Energiesteuer wurde weder angemeldet noch entrichtet. Insgesamt wurden im Zeitraum vom 5. August 2010 bis 12. Dezember 2011 in 69 Fällen 32.483.922 Liter dieser Mischung ausgeliefert und mangels Abgabe von Steueranmeldungen Energiesteuer im Umfang von 15.280.436,91 Euro verkürzt.

b) Bei der Produktion fungierte der Angeklagte als Bindeglied zwischen G. und Ga. einerseits und dem Betriebsleiter der Sy. in Gr. , dem Mitangeklagten K. , andererseits. Ihm kam zudem die Aufgabe zu, die Daten der Fahrer der Tankfahrzeuge, die das hergestellte Produkt abholten, zu überprüfen und dem Mitangeklagten K. die Freigabe der jewei- ligen Lieferung mitzuteilen. Zudem übernahm er es, Proben zum Prüflabor der Firma GU. zu bringen und für einen laufenden Bürobetrieb zu sorgen.

c) Den Zollbehörden wurden über die Zusammensetzung des hergestellten Gemischs die folgenden Umstände bekannt:

Der Vertreter des Lieferanten des Dieselkraftstoffs, der Zeuge Dr. , hatte erfahren, dass das Produkt der Sy. nach Tschechien ausgeführt wer- den sollte. Nachdem er Verdacht geschöpft hatte, dass der steuerfrei gelieferte Dieselkraftstoff nicht regulär verwendet wurde, übergab er das vom Mitangeklagten K. erhaltene Ergebnis einer Laboranalyse am 13. Oktober 2010 an den Prüfungsdienst des Hauptzollamtes Hannover. Hieraus ergab sich, dass die Probe bei 350 Grad Celsius einen Destillationswert von 93 Raumhundertteilen (Volumenprozent) aufwies und dass es sich somit in Wirklichkeit um Gasöl nach der Kombinierten Nomenklatur handelte.

Veranlasst durch die Informationen des Zeugen Dr. verlangte der Zollbeamte Di. vom Hauptzollamt Hannover am 16. November 2010 im Rahmen der Steueraufsicht eine Probe des hergestellten Gemischs zur Prüfung der zweckgerechten Verwendung des steuerfrei bezogenen Dieselkraftstoffs. Die Probe wurde durch das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung untersucht. Nach dessen Untersuchungszeugnis vom 31. Januar 2011 handelt es sich bei dem Gemisch um Gasöl nach Unterposition 2710 1941 der Kombinierten Nomenklatur. Am selben Tag leitete das Zollfahndungsamt gegen die Verantwortlichen der Sy. ein Ermittlungsverfahren ein. In Anbetracht des Steuergeheimnisses schwieg der Zollbeamte Di. , der den Betrieb der Sy. im monatlichen Rhythmus zur Überprüfung der Verbu- chung der versandten Ware aufsuchte, zu dem Untersuchungsergebnis.

Am 22. November 2010 kontrollierte die Zolldirektion Prag einen Tankwagen mit dem von der Sy. produzierten „Formenöl“. Das Fahrzeug und die Ladung wurden beschlagnahmt. Die Überprüfung von sieben Proben ergab am 30. November 2010, dass es sich bei sämtlichen Proben um Gasöl handelte. Gleichwohl unterrichtete der Zollverbindungsbeamte der tschechischen Botschaft die deutschen Zollbehörden am 19. Januar 2011 im Rahmen einer „Spontanauskunft“ dahin, dass in vier Kammern des Tankwagens Formenöl und in drei Kammern Gasöl geladen gewesen sei. Erst am 21. März 2011 korrigierte der Zollverbindungsbeamte seine Auskunft dahin, dass es sich um einen Irrtum gehandelt habe und sämtliche sieben Proben Gasöl enthalten hätten.

Nach der Fahrzeugbeschlagnahme in Prag stellte die Sy. die Pro- duktion bis Mitte Dezember 2010 ein und verlangte dann von dem Prüflabor Prüfberichte, in denen für die Vorlage beim Zoll eine Bestätigung des Labors enthalten war, dass es sich bei dem Produkt um Formenöl handele. Die Lieferungen nach Tschechien wurden erst im Juni 2011 wieder aufgenommen (UA S. 14).

Erst mit Bescheid vom 19. Dezember 2011 widerrief das Hauptzollamt Stralsund die Erlaubnis vom 29. Juni 2010 mit der Begründung, es bestehe der Verdacht, dass entgegen der Erlaubnis und entgegen der Betriebserklärung kein Schmieröl nach Unterposition 2710 1999 der Kombinierten Nomenklatur, d.h. kein Formenöl, hergestellt werde.

2. Das Landgericht hat die Mitwirkung des Angeklagten als 69 Fälle der Beihilfe zur Hinterziehung von Energiesteuer durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 30 Abs. 2 Satz 4 EnergieStG sowie § 23 Abs. 6 Satz 3 EnergieStG, § 27 Abs. 1 StGB) gewertet.

a) Indem mit der Vermischung des steuerfrei bezogenen Gasöls mit Basisöl entgegen der in der Erlaubnis enthaltenen Zweckbestimmung wiederum Gasöl hergestellt worden sei, sei gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG für den verwendeten Dieselkraftstoff Energiesteuer entstanden. Für das zur Herstellung des Gemischs eingesetzte Basisöl sei die Steuer gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EnergieStG mit der Abgabe entstanden, weil das Gemisch ein Energieerzeugnis nach § 4 EnergieStG gewesen sei.

b) Die Sy. sei gemäß § 30 Abs. 2 Satz 4 bzw. § 23 Abs. 6 Satz 3 EnergieStG verpflichtet gewesen, unverzüglich die entstandene Energiesteuer anzumelden. Dieser Verpflichtung sei der anderweitig verfolgte G. als ge- setzlicher Vertreter der Sy. nicht nachgekommen. Er habe hierdurch das Hauptzollamt in allen 69 Fällen in Unkenntnis darüber gelassen, dass Energiesteuer entstanden sei. Dadurch habe er jeweils die Energiesteuer verkürzt. Zwar habe ab Anfang Februar 2011 nach Bekanntwerden des Ergebnisses der im November 2010 gezogenen Produktprobe und erst Recht nach einer erneuten „positiven“ Probe aus dem September 2011 Anlass zu der Annahme bestanden, es werde erlaubniswidrig Gasöl hergestellt. Die beiden Stichproben hätten aber noch keine für eine Steuerfestsetzung hinreichende Anknüpfungsbasis geboten. Weder die zolltarifliche Einreihung des im verbleibenden Produktionszeitraum erzeugten Gemischs sei hinreichend sicher zu beurteilen gewesen, noch seien die hergestellten und veräußerten Mengen hinreichend überschaubar gewesen (UA S. 42).

c) Die in den einzelnen Produktionswochen geleisteten Unterstützungshandlungen des Angeklagten hat das Landgericht jeweils als Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zur Steuerhinterziehung des G. gewertet.

II.

Die zum Nachteil des Angeklagten D. eingelegte und wirk- sam auf den Strafausspruch und die Verfallsentscheidung (ohne die zugrunde liegenden Feststellungen) beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg.

1. Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Allerdings ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. Juni 2013 – 1 StR 226/13, wistra 2013, 471; BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 127; jeweils mwN). Solche Rechtsfehler liegen hier indes vor.

b) Das Landgericht hat bei der Strafzumessung strafmildernd gewertet, dass der Angeklagte Untersuchungshaft von über einem Jahr erlitten hat (UA S. 43). Dies ist rechtsfehlerhaft. Denn der durch Untersuchungshaft erlittene Freiheitsentzug ist bei Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe wegen der vollen Anrechenbarkeit nach § 51 StGB kein strafmildernd zu berücksichtigender Nachteil (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 21; BGH, Urteil vom 22. Mai 2012 – 1 StR 103/12, wistra 2012, 350). Mit dem Vollzug der Untersuchungshaft für den Angeklagten verbundene besondere Erschwernisse hat das Landgericht nicht festgestellt.

Bereits dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung aller Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht höhere Strafen verhängt hätte, wenn es den Vollzug der Untersuchungshaft nicht strafmildernd gewertet hätte.

c) Darüber hinaus begegnet in den Fällen 25 bis 69 der Urteilsgründe die Zumessung der Einzelstrafen weiteren durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

In diesen Fällen hat das Landgericht die Indizwirkung der Regelbeispiele der Steuerverkürzung in großem Ausmaß (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO) und der bandenmäßigen Begehung (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO) mit der Begründung als widerlegt angesehen, die Aufrechterhaltung der Erlaubnis, steuerfreien Dieselkraftstoff zu beziehen, sei ab Februar 2011 vorwerfbar im Sinne eines Eigenverschuldens des geschädigten Fiskus gewesen (UA S. 45). Es hat deshalb die Strafen dem gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO entnommen.

aa) Bereits die Annahme des Landgerichts, bei ordnungsgemäßem Handeln der Zollbehörden hätte es ab Februar 2011 zu keinen Steuerverkürzungen mehr kommen können, ist rechtsfehlerhaft.

Dieser Annahme liegt die Prämisse zugrunde, dass mit Bekanntwerden der Ergebnisse der zollinternen Untersuchung der bei der Sy. gezogenen Gemischprobe am 31. Januar 2011 für die Zollbehörden Anlass bestanden habe, unverzüglich eine weitere Probe zu nehmen und sofort zu untersuchen. Hätten sie dies aber getan, hätten sie erkannt, dass die Erlaubnis der Sy. zum steuerfreien Bezug von Dieselkraftstoff zwingend gemäß § 24 Abs. 5 Satz 2 EnergieStG hätte widerrufen werden müssen. Wäre aber die Erlaubnis widerrufen worden, hätte die Produktion des „Formenöls“ bei der Sy. ein „unmit- telbares Ende“ gefunden. Damit wären auch keine weiteren Steuerschäden entstanden (UA S. 45). Diese Erwägungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

(1) Zwar trifft es zu, dass hier gemäß § 24 Abs. 5 Satz 2 EnergieStG ein Grund für den Widerruf der Erlaubnis gegenüber der Sy. zum steuerfreien Bezug von Dieselkraftstoff bestand. Denn die Sy. stellte (auch weiterhin) ein Gemisch her, das Gasöl und damit Kraftstoff im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnergieStG war. Damit fehlte ihr die für die Gewährung einer Erlaubnis der steuerfreien Verwendung von Dieselkraftstoff erforderliche steuerliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 24 Abs. 5 Satz 2 EnergieStG. Wäre im Rahmen der Steueraufsicht bei der Sy. eine weitere Probe des hergestellten Ge- mischs genommen und untersucht worden, hätte der Widerrufsgrund auch erkannt werden können.

(2) Allerdings war das Verhalten der Zollbehörden nur dann vorschriftswidrig, wenn sie sich zu dieser Probe gedrängt sehen mussten. Zu dieser Frage sind die Ausführungen des Landgerichts lückenhaft.

Zum einen hat das Landgericht Umstände rechtsfehlerhaft nicht in den Blick genommen, die gegen eine steuerliche Unzuverlässigkeit der Firma Sy. und damit gegen das Vorliegen eines Widerrufsgrundes gemäß § 24 Abs. 5 Satz 2 EnergieStG sprechen konnten. Denn nach den Urteilsfeststellungen hatte die Sy. die Lieferungen nach Tschechien eingestellt, nachdem dort im November 2010 ein Tankwagen beschlagnahmt worden war. Damit bestand für den Zoll, der die Verbuchung der Auslieferungen bei der Sy. mo- natlich prüfte (UA S. 13) jedenfalls kein Anhaltspunkt mehr für eine zweckwidrige Verwendung des steuerfreien Dieselkraftstoffs als Kraftstoff für den tschechischen Markt. Erst nach mehreren Monaten nahm die Sy. die Produktion für den tschechischen Markt wieder auf (UA S. 14). Das Landgericht hat dies nicht berücksichtigt. Zudem hat das Landgericht in seine Erwägungen nicht einbezogen, dass der Zollverbindungsbeamte der tschechischen Botschaft die deutschen Zollbehörden am 19. Januar 2011 im Rahmen einer Spontanauskunft (objektiv unzutreffend) dahingehend informiert hatte, dass in vier von sieben Kammern Formenöl geladen gewesen sei (UA S. 13).

Auch hat das Landgericht in diesem Zusammenhang rechtsfehlerhaft nicht erörtert, dass das unabhängige Prüflabor nunmehr Bestätigungen mit angegebener Zolltarifnummer vorlegte, mit denen bescheinigt wurde, dass es sich bei dem jeweils geprüften Produkt um Formenöl handelte. Die Wertung des Landgerichts, es habe „aller Anlass bestanden, unverzüglich eine weitere Probe zu nehmen und sofort zu untersuchen“ (UA S. 45), beruht somit auf einer lückenhaften Erörterung des festgestellten Sachverhalts und ist damit rechtsfehlerhaft.

(3) Schließlich hat das Landgericht auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen es den Zollbehörden möglich gewesen sein sollte, bei einer erneuten Probennahme am 31. Januar 2011, wobei die Probe erst noch untersucht werden musste, schon Anfang Februar 2011 im Besitz der für den Widerruf der Erlaubnis erforderlichen Nachweise der steuerlichen Unzuverlässigkeit der Sy. zu sein.

bb) Auch die Wertung der Strafkammer, es sei als Mitverschulden des Staates am Steuerschaden zu werten, dass effektive strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen erst nach Monaten ergriffen worden seien, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Das Landgericht ist der Auffassung, es sei in solchen Fällen vor dem Hintergrund des weiter anwachsenden Steuerschadens nur dann vertretbar, die strafrechtlichen Ermittlungen verdeckt zu halten, um weitere Tatverdächtige und eventuelle Hintermänner festzustellen, wenn alsbald effektive Ermittlungsmaßnahmen, die die Ahnungslosigkeit der Tatbeteiligten voraussetzen, insbesondere Observationen und Telekommunikationsüberwachung, auch durchgeführt würden. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. Observationen hätten erst ab Juni 2011 und Telekommunikationsüberwachungen erst ab September 2011 stattgefunden (UA S. 45).

Damit verkennt das Landgericht, dass ein Anspruch eines Straftäters darauf, dass die Ermittlungsbehörden rechtzeitig gegen ihn einschreiten, um seine Taten zu verhindern, nicht besteht (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 – 1 StR 312/07, NStZ 2007, 635; BGH, Beschluss vom 25. September 2012 – 1 StR 407/12, BGHR § 370 Abs. 1 Strafzumessung 23). Insbesondere folgt ein solcher Anspruch nicht aus dem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2010 – 1 StR 275/10 Rn. 31, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Angaben 10; BGH, Beschluss vom 21. November 2012 – 1 StR 391/12, wistra 2013, 107 mwN; vgl. auch BVerfG [Kammer] Beschluss vom 4. Dezember 2003 – 2 BvR 328/03).

Es war daher bereits im Ansatz rechtsfehlerhaft, in den Fällen 25 bis 69 der Urteilsgründe die Art und Weise der Durchführung der strafrechtlichen Ermittlungen seitens der Strafverfolgungsbehörden als Mitverschulden des Staates an den mit Unterstützung des Angeklagten herbeigeführten Steuerverkürzungen zu werten. Ein Straftäter hat auch dann keinen Anspruch auf ein frühzeitiges Eingreifen der Strafverfolgungsbehörden, wenn durch sein Handeln fortlaufend weitere hohe Steuerschäden entstehen.

cc) Auch die Wertung des Landgerichts, es begründe eine Mitverantwortung des Staates für den entstandenen Steuerschaden, wenn die Zollbehörden weitere Steuerstraftaten zuließen, weil sie trotz Vorliegens eines Widerrufsgrundes die Erlaubnis für die Verwendung steuerfreien Dieselkraftstoffs nicht widerriefen, ist rechtsfehlerhaft.

(1) Zwar trifft es zu, dass das Verhalten des Steuerfiskus als Verletztem – nicht anders als bei einem sonstigen Geschädigten einer Straftat – strafmildernd berücksichtigt werden kann, wenn es für den Taterfolg mitverantwortlich war.

(2) Jedoch ist zu beachten, dass das Besteuerungssystem auf wahrheitsgemäße Angaben des Steuerpflichtigen angewiesen ist; eine umfassende Überprüfung aller steuerrechtlich relevanten Sachverhalte durch die Finanzverwaltung ist ausgeschlossen. Die Kontrollmechanismen der Finanzverwaltung müssen in vielen Bereichen auf Stichproben beschränkt bleiben. Missbraucht ein Täter diese systembedingt nicht sehr intensiven Kontrollmechanismen, kann ihm dies nicht zugutekommen (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1847). Deswegen ist eine staatliche Mitverantwortung für Steuerverkürzungen regelmäßig nur dann gegeben, wenn das staatlichen Stellen vorwerfbare Verhalten unmittelbar auf das Handeln des Täters Einfluss genommen hat (etwa weil dieser bislang nicht tatgeneigt war oder ihm wenigstens durch das Verhalten der Finanzbehörden die Tat erleichtert wurde) und den staatlichen Stellen die Tatgenese vorgeworfen werden kann (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2010 – 1 StR 275/10 Rn. 30, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Angaben 10 mwN; BGH, Beschluss vom 25. September 2012 – 1 StR 407/12, BGHR § 370 Abs. 1 Strafzumessung 23; vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. Mai 1983 – 1 StR 25/83, wistra 1983, 145). Die bloße kausale Mitverursachung eines Taterfolgs durch staatliche Stellen genügt demgegenüber nicht (vgl. auch BGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – 3 StR 474/08, NStZ-RR 2009, 167).

(3) Es kann daher zwar bei der Gesamtwürdigung des Schuldgehalts einer Tat im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden, wenn der Fiskus einem Steuerpflichtigen steuerliche Vergünstigungen gewährt, obwohl deren Voraussetzungen nicht oder nicht mehr gegeben sind. Ein Strafmilderungsgrund mit dem Gewicht einer staatlichen Mitverantwortung für die begangenen Steuerstraftaten und deren Verkürzungsumfang liegt darin jedoch nicht. Hier wurden die Taten nicht bereits durch den von der Zollbehörde ermöglichten steuerfreien Bezug des Dieselkraftstoffs begangen, sondern erst durch dessen zweckwidrige Verwendung durch die Sy. entgegen § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnergieStG.

(4) Durch den nicht vorgenommenen Widerruf der Erlaubnis schafften die Zollbehörden für die Sy. lediglich die allgemeine Möglichkeit, durch zweckwidrige Verwendung rechtmäßig steuerfrei erworbener Energieerzeugnisse Steuern zu hinterziehen. Denn die Steuern, die Gegenstand der Steuerstraftaten waren, entstanden überhaupt erst mit der zweckwidrigen Verwendung des Dieselkraftstoffs durch die Sy. . Damit hatte der unterlassene Widerruf lediglich zur Folge, dass die Tatbeteiligten die tatsächliche Möglichkeit hatten, Energiesteuern auf diese Weise zu verkürzen. Eine staatliche Verantwortung für den aus den Steuerhinterziehungen sich ergebenden Steuerschaden ergab sich daraus nicht.

dd) Schließlich ist zu besorgen, dass das Landgericht bei der Strafrahmenwahl dem Verhalten des Fiskus ein zu großes Gewicht beigemessen hat.

Denn die Wertung des Landgerichts, das Verhalten der Finanzbehörden in den Fällen 25 bis 68 der Urteilsgründe habe die Indizwirkung zweier Regelbeispiele für Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 5 AO) vollständig kompensiert, beruht auf einem weiteren Rechtsfehler.

Kommt Versäumnissen staatlicher Organe im Rahmen der Strafzumessung Bedeutung zu, muss nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in jedem Fall strafschärfendes Verhalten des Tatbeteiligten (etwa Skrupellosigkeit, Raffinesse oder Hartnäckigkeit) ins Verhältnis zum Verhalten der zum Schutze der staatlichen Vermögensinteressen berufenen Beamten gesetzt werden (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2010 – 1 StR 275/10 Rn. 30, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Angaben 10 mwN). Nutzt ein Täter gezielt die Schwächen der Kontrollmechanismen der Finanzverwaltung aus, wird dies im Ergebnis strafschärfend und nicht strafmildernd zu werten sein (vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. September 2012 – 1 StR 407/12, BGHR § 370 Abs. 1 Strafzumessung 23). Dies gilt erst recht, wenn der Täter zur Täuschung der Finanzbehörden sein Verhalten gezielt verschleiert.

Hier hat das Landgericht das Verhalten des Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung nicht zu dem der Zollbehörden ins Verhältnis gesetzt. Dies war rechtsfehlerhaft. Denn die Vorgehensweise der Tatbeteiligten zur Täuschung der Zollbehörden wurde nach dem Aufgriff des Tankwagens in Tschechien am 22. November 2010 sogar noch verfeinert. Gerade der Angeklagte sorgte dafür, dass in die Prüfberichte des Prüflabors von da an eine ausdrückliche Bestätigung aufgenommen wurde, dass es sich bei dem Produkt um Formenöl handele, welches den Produktanforderungen der Unterposition 2710 1999 der Kombinierten Nomenklatur entspreche. Dieser Umstand hatte auch für das Gewicht der Beihilfehandlungen des Angeklagten erhebliche Bedeutung.

ee) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne diese Rechtsfehler die Indizwirkung der Regelbeispiele besonders schwerer Fälle der Steuerhinterziehung nicht verneint und die Einzelstrafen entweder dem gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO oder (unter Verbrauch des vertypten Milderungsgrundes Beihilfe) dem Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO (ohne weitere Milderung gemäß §§ 27, 49 StGB) entnommen hätte.

2. Der Ausspruch über den Verfall von Wertersatz hat ebenfalls keinen Bestand. Die Handhabung der Härtevorschrift des § 73c StGB durch das Landgericht war rechtsfehlerhaft.

a) Die Annahme einer „unbilligen Härte“ im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB setzt nach ständiger Rechtsprechung eine Situation voraus, nach der die Anordnung des Verfalls das Übermaßverbot verletzen würde, also schlechthin „ungerecht“ wäre. Die Auswirkungen müssen im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen; es müssen besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des Verfallszwecks liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht zugemutet werden kann (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 – 4 StR 153/08, wistra 2009, 23).

b) Diesen Maßstäben werden die Erwägungen des Landgerichts zum Vorliegen einer „unbilligen Härte“ nicht gerecht.

Das Landgericht hat zunächst die Beträge festgestellt, die der Angeklagte im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB für die von ihm begangenen Taten erhalten hat. Es hat sodann den Verfall von Wertersatz (§ 73a StGB) auf den Betrag von 30.000 Euro beschränkt. Als Begründung hierfür hat es lediglich angeführt, dass in Anbetracht der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und des Umstands, dass er mit einer Inanspruchnahme für die Steuerschulden der Sy. aus § 71 AO zu rechnen habe, eine Verfallsanordnung in voller Höhe der erlangten Beträge für ihn eine unbillige Härte darstellen würde. Ohne nähere Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten kann der Senat jedoch nicht feststellen, ob diese Wertung zutrifft.

3. Einer Aufhebung der dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen bedarf es nicht, da sie von den Wertungsfehlern und Erörterungsmängeln nicht betroffen sind, wegen derer das Urteil teilweise aufgehoben wird (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht hat mit den bisherigen nicht im Widerspruch stehende ergänzende Feststellungen zu treffen. Im Hinblick auf die Frage des Verfalls wird es dabei insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten in den Blick nehmen.

Rothfuß Graf Jäger Radtke Mosbacher

Quelle: openjur.de (Link)

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Das Landgericht Mannheim hatte die Angeklagte S. wegen Steuerhinterziehung in 18 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt; den Angeklagten B. hat es wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte Revision eingelegt, die sie auf Rügen der Verletzung sachlichen und des Verfahrensrechts stützt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Rügen der Verletzung formellen Rechts kommt es nicht mehr an.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Die Angeklagte S. handelte als Zwischenhändlerin mit Verbrauchsgütern, sogenannten „fast moving consumer goods“, vor allem Rasierklingen und Getränkedosen. Zu diesem Zweck betrieb sie im Tatzeitraum zwischen Januar 2009 bis Juli 2010 das Einzelunternehmen E. und ab August 2010 bis Mai 2011 als einzige Gesellschafterin und Geschäftsführerin die E. GmbH.

In dem genannten Tatzeitraum waren die beiden Firmen der Angeklagten als sogenannte „buffer“ in von unbekannt gebliebenen Initiatoren „europaweit aufgebaute betrügerische Umsatzsteuerkettengeschäfte eingebunden“. Diesen lag folgendes Muster zugrunde: Die Angeklagte erwarb die tatsächlich existierende Ware von jeweils einem von insgesamt drei in das System eingebundenen inländischen Zwischenhändlern mit Sitz in Deutschland, die die Funktion eines sogenannten missing trader einnahmen. Diese hatten die Ware von in anderen EU-Staaten ansässigen Händlern als innergemeinschaftliche Lieferung erworben und veräußerten sie anschließend zu unauffälligen Preisen unter gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer an die Firmen der Angeklagten. Dabei unterhielten die von den Initiatoren des Umsatzsteuerbetrugs gesteuerten „missing trader“ keinen Geschäftsbetrieb und entfalteten keine Geschäftstätigkeit; sie gaben gegenüber dem Finanzamt gar keine oder falsche Erklärungen ab und waren nur für einen begrenzten Zeitraum aktiv. Die Angeklagte verkaufte die Waren stets mit offenem Ausweis der Umsatzsteuer, „fast ausnahmslos“ an einen einzigen Kunden. Ab Anfang 2011 war vor dem Erwerb durch die Firmen der Angeklagten noch jeweils ein weiterer „buffer“ in die Lieferkette eingebunden, von dem die Angeklagte die Waren erwarb. Als solche zwischengeschalteten „buffer“ agierten zwei Firmen, die von den Initiatoren als „willenlose Werkzeuge“ gesteuert wurden.

Den Initiatoren des „Umsatzsteuerbetrugs“ kam es dabei darauf an, dass die „missing trader“ keine Umsatzsteuer erklären bzw. abführen, um auf diese Weise die vom inländischen Erwerber infolge des Weiterverkaufs mitüberwiesene Umsatzsteuer für sich zu vereinnahmen. Sie bemühten sich jedoch darum, diese Absicht der Angeklagten gegenüber zu verbergen und sich als „redliche Kaufleute“ zu gerieren. Daher wusste die Angeklagte beim Abschluss der Geschäfte „zwar nicht sicher“ um die Einbindung ihrer Firmen in den Umsatzsteuerbetrug, sie hielt eine solche jedoch zumindest für möglich und billigte sie, um durch den Weiterverkauf einen schnellen Gewinn zu erwirtschaften.

Dennoch machte sie in der Jahressteuererklärung 2009 und in den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar 2010 bis Mai 2011 die in den Rechnungen der „missing trader“ ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge in Höhe von insgesamt 5 844 667,97 Euro als Vorsteuer geltend.

II. Der Schuldspruch gegen die Angeklagte S. hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Die fehlende Berechtigung zum Vorsteuerabzug der Angeklagten ist nicht in allen Fällen tragfähig begründet.

a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt dabei voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Vorsteuerabzug dann zu versagen, wenn der Steuerpflichtige – im unionsrechtlichen Sinne – selbst eine Steuerhinterziehung begeht oder wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist und er deswegen als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen ist (EuGH, Urt. vom 6.7.2006 in den Rechtssachen C-439/04 und C-440/04 „Kittel und Recolta Recycling“, Slg. 2006, I-6161, Rn. 53, 55 f.; BGH, Beschl. vom 1.10.2013 – 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331 ff. m.w.N.).

Für die Frage, wann die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorliegen müssen, kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Abgabe der Steueranmeldung an, in welcher der Vorsteuerabzug vorgenommen wird. Vielmehr ist ein Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG dann zulässig, wenn dessen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Ausführung der Lieferungen bzw. sonstigen Leistungen vorgelegen haben. Eine einmal bestehende Berechtigung zum Vorsteuerabzug entfällt auch nicht etwa deshalb nachträglich wieder, weil der Unternehmer später von Umständen Kenntnis erlangt, die einem Vorsteuerabzug entgegengestanden hätten, wenn er sie bereits beim Bezug der Waren gekannt hätte (BGH, Beschl. vom 1.10.2013 – 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331, 334).

b) Diese Maßgaben hat das landgerichtliche Urteil nicht bedacht. Vielmehr lassen die Urteilsausführungen besorgen, dass es hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen für die fehlende Berechtigung zum Vorsteuerabzug unzutreffend auf einen späteren Zeitpunkt abgestellt hat.

Zwar stellt die Strafkammer im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung fest, dass die Angeklagte S. schon bei Abschluss der Geschäfte mit den „missing trader“ die Einbindung ihrer Firmen in ein Umsatzsteuerkarussell billigend in Kauf genommen hat. Dies wird jedoch von den beweiswürdigenden Erwägungen zum Vorstellungsbild der Angeklagten S. nicht getragen. Denn dort ist als Ergebnis der von der Strafkammer angestellten Würdigung festgehalten, dass aufgrund der Gesamtheit der Indizien keine Zweifel daran bestünden, dass „die Angeklagte bei Abgabe der Umsatzsteuererklärungen einen unberechtigten Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der missing trader bzw. buffer um ihrer Geschäfte willen zumindest billigend in Kauf nahm“.

aa) Bei den die Geschäftsbeziehungen zu jedem einzelnen „missing trader“ bzw. vorgeschalteten „buffer“ betreffenden Erwägungen – eine zusammenfassende Würdigung findet sich insoweit nicht – ist dann für die Firmen D., R., I., IE. zwar noch festgestellt, dass die Angeklagte „auch während der Geschäftsbeziehungen“ dieses Vorstellungsbild hatte. Damit ist aber nicht belegt, dass die Angeklagte S. zum relevanten Zeitpunkt, nämlich dem Bezug der jeweiligen Waren, um ihre fehlende Berechtigung zum Vorsteuerabzug wusste. Dies wird erhellt durch die Differenzierung hinsichtlich des Zeitpunkts des Vorliegens eines bedingten Vorsatzes der Angeklagten S. Konnte die Strafkammer sich betreffend Handelsbeziehungen zum „missing trader“ Ra. davon überzeugen, dass der bedingte Vorsatz schon zu deren Beginn vorlag, so ist für die Feststellung zum Vorstellungsbild in Bezug auf die anderen „missing trader“ bzw. „buffer“ ein anderer, späterer Zeitpunkt gewählt.

bb) Daneben lassen aber die von der Strafkammer im Rahmen ihrer jeweiligen Gesamtwürdigung herangezogenen Indizien ebenfalls besorgen, dass sie sich des rechtlich relevanten Zeitpunkts für das Vorstellungsbild der Angeklagten nicht bewusst war und sich mithin jedenfalls für die ersten Lieferungen auch keine entsprechende Überzeugung gebildet hat. So gründet sie ihre Überzeugung maßgeblich auf Fehler und Mängel, die sich aus den Rechnungen der jeweils betroffenen Firmen ergeben. Das Landgericht stellt aber nicht fest, wann der Angeklagten diese Unterlagen zugegangen sind. Ob dies in der Gesamtheit tatsächlich vor sämtlichen Lieferungen erfolgte, ist weder festgestellt, noch kann es den sonstigen Umständen der Handelstätigkeit der Angeklagten, die die Waren erst nach dem Weiterverkauf an ihre Kunden selber erwarb, entnommen werden.

cc) Zwar ist für die Geschäftsbeziehungen zur als „missing trader“ agierenden Firma Ra. festgestellt, dass die Angeklagte schon zu Beginn der Geschäftsbeziehungen die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen erfüllte (oben II.1.b.aa). Dies entbehrt aber einer tragfähigen Grundlage. Denn die Überzeugung wird maßgeblich auf Fehler und Mängel in den Rechnungen der Ra. gestützt. Auch insoweit ist nicht festgestellt, wann diese der Angeklagten vorgelegen haben und ob dies bereits vor Bezug der ersten Ware geschehen ist, mithin schon zu diesem Zeitpunkt Einfluss auf ihr Vorstellungsbild haben konnte.

2. Daneben leidet das Urteil an der fehlenden Nachvollziehbarkeit der Steuerberechnung. Die Urteilsgründe müssen die für erwiesen erachteten Tatsachen mitteilen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden (vgl. BGH, Urt. vom 12.5.1989 – 3 StR 55/89, BGHR, StPO, § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 4; Beschl. vom 19.4.2007 – 5 StR 549/06, NStZ 2007, 595; Urt. vom 12.5.2009 – 1 StR 718/08, NStZ 2009, 639, 640). Bei der Steuerhinterziehung, bei der die Strafvorschrift des § 370 AO durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften materiell-rechtlich ausgefüllt wird, müssen die jeweiligen Umstände festgestellt werden, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat. Dazu gehören insbesondere auch diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (BGH, Beschl. vom 13.7.2011 – 1 StR 154/11). Die auf den Besteuerungsgrundlagen aufbauende Steuerberechnung ist Rechtsanwendung und daher Aufgabe des Tatrichters (Urt. vom 12.5.2009 – 1 StR 718/08, NStZ 2009, 639, 640; Beschl. vom 25.3.2010 – 1 StR 52/10, wistra 2010, 228; Beschl. vom 13.7.2011 – 1 StR 154/11; Beschl. vom 19.11.2013 – 1 StR 498/13 wistra 2014, 102).

Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht in vollem Umfang gerecht, da es eine Auflistung der einzelnen Umsätze und deren Verteilung auf die jeweiligen Veranlagungszeiträume und die Bezugsquellen vermissen lässt. Soweit es stattdessen auf eine Berechnung durch einen zeugenschaftlich vernommenen Steuerfahnder verweist, ersetzt dies eine solche Darstellung nicht. Denn es ermöglicht dem Senat nicht, die Berechnung der von der Angeklagten hinterzogenen Steuern nachzuvollziehen. Dies gilt insbesondere, soweit für die Berechnungsweise des Zeugen wiedergegeben wird, er habe „im Falle für ihn nicht erklärlicher Differenzen“ bzw. bei für ihn nicht erklärlichen Abweichungen der erklärten Vorsteuern von den Buchhaltungsunterlagen den für die Angeklagte günstigsten Wert angenommen. Insoweit weist der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zu Recht darauf hin, dass es sich um eine Schlussfolgerung handelt, die mangels Kenntnis ihrer Grundlagen nicht nachvollzogen werden kann. Soweit das Urteil darauf verweist, dass der Zeuge die Steuerverkürzung berechnet habe, die auch der Anklageschrift zugrunde lag, weckt dies angesichts des von der Revision aufgezeigten Rechenfehlers für den Veranlagungszeitraum 2011, der sich gleichlautend in der Anklageschrift findet, durchgreifende Zweifel an der Berechnungsweise.

Dieser Darstellungsmangel stellt einen Rechtsfehler dar, der sich auf den Schuldspruch auswirkt. Denn es kann angesichts der nicht nachvollziehbaren Berechnung nicht ausgeschlossen werden, dass in einem Veranlagungszeitraum kein unberechtigter Vorsteuerabzug erklärt wurde.

3. Der Senat hebt das Urteil einschließlich sämtlicher Feststellungen auf; der nunmehr zur Entscheidung aufgeforderte Tatrichter kann so die erforderlichen Feststellungen insgesamt neu treffen.

4. Sollte das neu zuständige Tatgericht abermals zu dem Schluss kommen, dass die Firmen der Angeklagten Waren von als „missing trader“ agierenden Firmen bezogen, ohne aber mit diesen bzw. den Initiatoren des Umsatzsteuerhinterziehungskarussells kollusiv zusammenzuwirken, wird es eine sorgfältige Gesamtwürdigung der für und gegen die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen sprechenden Umstände vorzunehmen haben. Soweit es hierfür den Umstand berücksichtigen möchte, dass bei der Geschäftskorrespondenz der Angeklagten mit den jeweiligen „missing trader“ bzw. den vorgeschalteten „buffer“ teilweise identische Rechtschreibfehler und Mängel vorgelegen haben, so wird es die daraus resultierenden Folgerungen für das Vorstellungsbild der Angeklagten zu würdigen haben, allein der Hinweis darauf ersetzt eine solche Würdigung nicht.

WULLBRANDT Rechtsanwälte | Heidelberg & Wörrstadt

Mit dem vorliegenden Beschluss entschied der Bundesgerichtshof, dass eine weitere Strafmilderung nach § 28 Abs.1 StGB in Verbindung mit § 49 Abs.1 StGB nicht zu erfolgen hat, wenn die Tat lediglich wegen fehlender, die Strafbarkeit begründender persönlicher Merkmale bereits nach § 27 Abs.2 StGB gemildert wurde.

Dies war in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall gegeben. Nach den Feststellungen des Senats war der Angeklagte an der Firma B. GmbH & Co. KG maßgeblich mit 38 % beteiligt. Die Firma B. T. GmbH betrieb er sogar allein. Er hatte als maßgeblicher Mitgesellschafter bzw. Alleininhaber der Unternehmen und als an der Tatplanung wesentlich Beteiligter Tatherrschaft über das Geschehen und ein erhebliches Eigeninteresse am Zustandekommen der verfahrensgegenständlichen Verträge mit der Firma p. Die Strafkammer hat den Angeklagten daher ersichtlich nur deshalb (lediglich) wegen Beihilfe verurteilt, weil er gegenüber der Firma p. nicht vermögensbetreuungspflichtig war, so dass die unterlassene weitere Strafmilderung nach § 28 Abs. 1 StGB nach Auffassung des BGH nicht zu beanstanden war.

Aus der unterlassenen Strafmilderung nach § 28 Abs.1 in Verbindung mit § 49 Abs.1 StGB ergibt sich kein durchgreifender Rechtsfehler. Zwar stellt die nach § 266 Abs. 1 StGB erforderliche Vermögensbetreuungspflicht ein strafbegründendes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB dar. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine weitere Milderung neben derjenigen nach § 27 Abs. 2 StGB aber dann nicht geboten, wenn die Verurteilung wegen Beihilfe allein deshalb erfolgt, weil das strafbarkeitsbegründende persönliche Merkmal bei dem Tatbeteiligten nicht vorliegt.