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Uli Hoeneß ist bald ein freier Mann. Nachdem bereits in der Woche vor Weihnachten vergangenen Jahres bekannt geworden war, dass die Anwälte von Uli Hoeneß einen entsprechenden Antrag beim Landgericht Augsburg eingereicht hatten, hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts nun entschieden: Uli Hoeneß kommt Ende Februar 2016 frei.

Uli Hoeneß nach Verbüßung der Halbstrafe frei – Landgericht bewilligt Entlassung

Das ist eine schöne Sache. Für Fußballdeutschland und für die Familie Hoeneß sowieso. In den (sozialen) Medien und an den Stammtischen fragt man sich allerdings: Wie kann es sein, dass Uli Hoeneß nach gerade einmal der Hälfte der Haftstrafe (er war im Frühjahr 2014 wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden, welche er am 2. Juni 2014 angetreten hatte) schon wieder entlassen wird?

Eine laienhafte Stammtisch-Erklärung ist schnell gefunden – sie lautet „Promibonus“. In Wahrheit ist die Erklärung jedoch eine andere – sie lautet „Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe“ oder kürzer und hier im Detail „Halbstrafenaussetzung“.

Was ist eine Halbstrafenaussetzung?

Die vorzeitige Beendigung der Haft ist im Gesetz geregelt. Der entscheidende Paragraph ist § 57 StGB (Strafgesetzbuch). Dieser Paragraph hat insgesamt 7 Absätze, der Einfachheit halber hier einmal die für uns wichtigen Absätze 1 und 2 im Wortlaut:

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1. zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2. dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3. die verurteilte Person einwilligt.

Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1. die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2. die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,

und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

Unter Strafgefangenen ist vor allem eines bekannt: Die sogenannte „2/3-Regel“. Was das bedeutet lässt sich oben in Absatz 1 des § 57 StGB nachlesen. Stehen keine Sicherheitsbedenken oder sonstigen Hindernisse in der Person des Gefangenen entgegen und hat er sich während der Haft gut geführt, dann erfolgt in einem Großteil der Fälle die Entlassung nach 2/3 der Haftstrafe. Das ist also der „Normalfall“.

Ist mit der Entlassung alles erledigt?

Bedeutet das, dass mit der Entlassung alles erledigt ist? Nein, so einfach ist das nicht. Wie man dem Paragraphen 57 StGB entnehmen kann lässt das Gericht den Gefangenen nicht einfach frei, sondern es setzt die Reststrafe zur Bewährung aus. Das Bedeutet: Das Gericht legt einen Bewährungszeitraum, meistens 2-3 Jahre, fest. Begeht der Entlassene in diesem Zeitraum eine neue Straftat, dann gilt das als Bewährungsbruch. Er wird dann wegen dieser neuen Tat verurteilt und zusätzlich wird die Bewährung widerrufen – er muss also das restliche Drittel der alten Strafe auch noch absitzen.

Entlassung schon nach halber Strafe?

Aber Moment – Uli Hoeneß hat die 2/3 ja noch gar nicht voll. Er wird ja nun bereits nach der Hälfte der Strafe aus der Haft entlassen. Wie ist das möglich? Hat Hoeneß doch einen Promibonus oder hat er sich freigekauft? Nein, hat er nicht.

Uli Hoeneß profitiert von der Regelung des § 57 Abs.2 Nummer 2 StGB.

Nach Absatz 2 Nummer 1 des Paragraphen 57 StGB ist eine Entlassung bereits nach der Hälfte der Strafe dann möglich, wenn die Anforderungen des Absatz 1 erfüllt sind (das sind die Anforderungen an die Entlassung nach 2/3, also keine Sicherheitsbedenken entgegenstehen und der Gefangene sich gut geführt und mit der Tat auseinandergesetzt hat) und die Strafe insgesamt maximal zwei Jahre betragen hätte. Auch das ist bei Uli Hoeneß nicht der Fall – er wurde zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt.

Absatzz 2 Nummer 2 des Paragraphen 57 StGB lässt eine Entlassung nach der Hälfte der Strafe jedoch zu, wenn

die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,

und alle anderen Voraussetzungen (wie erwähnt – keine Sicherheitsbedenken, Auseinandersetzen mit der Tat, gute Führung…) auch erfüllt sind.

Persönlichkeit der verurteilten Person = Promibonus?

Wenn also unter anderem die Persönlichkeit der verurteilten Person mit entscheidend ist – haben wir es dann mit einem gar gesetzlich verankerten Promibonus zu tun? Nein, haben wir nicht. Denn: Das Gericht muss sich bei seiner Bewertung an gewisse Maßstäbe, Anforderungen und Regeln halten. Und genau diese werden wir hier jetzt einmal kurz erläutern.

Verbüßung der Halbstrafe und Einwilligung des Verurteilten

Die am einfachsten zu erklärenden Anforderungen dürften wohl diese beiden sein: Der Gefangene muss bereits die Hälfte der verhängten Strafe verbüßt haben und er muss in die Entlassung einwilligen. Ja, richtig gelesen: Er muss einwilligen. Denn in der Tat, es gibt auch Gefangene, die – oft wegen Obdachlosigkeit und instabilen wirtschaftlichen und familiären Verhältnissen, lieber in Haft sind, als „hilflos“ der Straße ausgesetzt zu sein. Traurig, aber wahr.

Mindestens sechs Monate verbüßt

Von der gesamten Haftstrafe müssen mindestens sechs Monate verbüßt sein. Wenn die Strafe also insgesamt nur 11 Monate beträgt, dann ist eine Entlassung nach der Hälfte – also nach 5 1/2 Monaten nicht möglich, da noch keine 6 Monate verbüßt sind.

Besondere Umstände

Jetzt wird es knifflig: Es müssen besondere Umstände vorliegen. Und damit stellt sich die Frage: Was sind besondere Umstände?Grundsätzlich liegt es am Gericht, hier der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts, daran zu entscheiden, ob besondere Umstände vorliegen. Das Gericht muss sich dabei jedoch an gewissen Vorgaben, die sich aus der bisherigen Rechtsprechung und aus der Kommentarliteratur zum Strafgesetzbuch ergeben, orientieren und kann nicht willkürlich entscheiden. Wann liegen also besondere Umstände vor?

Der nach Ansicht des BGH (Bundesgerichtshof, Beschluß vom 22.10.1980 – 3 StR 376/80) ergeben sich besondere Umstände

aus der Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit des Verurteilten und seiner Entwicklung während des Strafvollzugs ergeben. Dabei handelt es sich um Milderungsgründe von besonderem Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts, der sich in der Strafhöhe widerspiegelt, nicht als unangebracht und als den vom Strafrecht geschützten Interessen nicht zuwiderlaufend erscheinen lassen

Als ausreichend sind nur solche Umstände anzusehen, die im Vergleich mit gewöhnlichen, durchschnittlichen, allgemeinen oder einfachen Milderungsmöglichkeiten besonderes Gewicht besitzen oder eine Strafaussetzung trotz des erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts der Tat als nicht unangebracht und den vom Strafrecht geschützten Interessen nicht zuwiderlaufend erscheinen lassen. Dabei können Umstände, die einzeln lediglich durchschnittliche Gründe wären, durch ihr Zusammentreffen ein solches Gewicht erlangen, dass ihnen in ihrer Gesamtheit die Bedeutung besonderer Umstände zuerkannt werden muss (Quelle: Beck´scher OK zum StGB von Heintschel-Heinegg, § 57, Rn 15.1). Im einzelnen können das sein: Bemühen um Schadenswiedergutmachung, Führung im Vollzug, erhärtete Haftbedingungen etc.).

Bei einer Steuerstraftat können besondere Umstände aufgrund der Höhe des Steuerschadens und aufgrund von Vorstrafen des Verurteilten fehlen, selbst wenn ansonsten zahlreiche ihm günstige Umstände vorliegen (OLG Hamm NStZ-RR 2013, 158). Das bedeutet allerdings im Umkehrschluss, dass bei einer vollständigen Wiedergutmachung des Steuerschadens sehr wohl von besonderen Umständen ausgegangen werden kann.

Uli´s Umstände

Was hat jetzt also bei Uli Hoeneß dazu geführt, dass er schon nach der Hälfte der Strafe entlassen wird? Welche besonderen Umstände liegen vor?

Zum einen hat sie Uli Hoeneß in der Haft, sowohl in der JVA in Landsberg als auch später im Freigängerhaus vorbildlich geführt. Soweit bekannt hat er alle ihm aufgetragenen Arbeiten (unter anderem Kleiderkammer) ohne Murren ausgeführt und sich nie aus dem Kreis der Gefangenen hervorgehoben.

Im Gegensatz dazu hat man bei Uli Hoeneß wohl tatsächlich erhärtete Haftbedingungen anerkannt. Das ist damit zu begründen, dass Hoeneß während der Haft mehrfach Erpressungsversuchen ausgesetzt war. Einer der (versuchten) Erpresser wurde deswegen sogar bereits verurteilt. Darüber hinaus stand er unter permanenter Beobachtung durch Medien und Öffentlichkeit, die ihre Informationen offenbar auch zu großen Teilen von anderen Mitgefangenen heranzogen, was in einer solchen Situation durchaus eine erhärtete Haftsituation darstellt.

Dass von Uli Hoeneß keine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht dürfte einleuchten.

Thema Steuern: Wie wir oben bereits gelesen haben kann die Höhe einer bestehen gebliebenen Steuerschuld der Halbstrafenentlassung entgegenstehen. Hier hatte das Gericht jedoch zu berücksichtigen, dass Uli Hoeneß während der Haftzeit aus seinem Privatvermögen mutmaßlich eine Summe von über 50 Millionen Euro an den Fiskus gezahlt und damit seine Steuerschuld getilgt hat. Damit, im Zusammenspiel mit seiner Selbstanzeige, war die Grundlage für eine Halbstrafenentlassung gegeben.

Also doch ein Promibonus weil er sich frei gekauft hat? Nach meiner Auffassung ein klares „Nein“ dazu. Denn: Uli Hoeneß hat genau den Schaden wieder gut gemacht, den er verursacht hat. Er hat lediglich den Vorteil genutzt, dass er noch über genügend Kapital verfügte, um den durch ihn angerichteten Schaden frühzeitig auszugleichen. Grundsätzlich ist jeder Straftäter verpflichtet, den von ihm verursachten Schaden – gleich in welcher Höhe, ob hunderte oder Millionen Euro – auszugleichen, was jedoch den meisten nicht gelingt, da in den seltensten Fällen aus dem erlangten oder zerstörten Kapitalreserven gebildet werden.

Fazit

Uli Hoeneß kommt nach der Hälfte der Strafzeit auf Bewährung frei. Die hierfür vom Gesetz geforderten besonderen Umstände liegen vor.


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Rechtsanwalt & Strafverteidiger Tim Wullbrandt

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Verfahren am Landgericht Heidelberg beendet – Haftstrafen für Angeklagte

Nach dem gestrigen Ende der Hauptverhandlung in dem Verfahren gegen sechs Georgier, denen die Mitgliedschaft in einer Bandenstruktur und in diesem Zusammenhang die Teilnahme an über 40 Einbrüchen in Heidelberg und Umgebung vorgeworfen wurde, berichtet die Rhein-Neckar-Zeitung über den Ausgang des Verfahrens.

Prozess || Tim Wullbrandt | Rechtsanwalt für Strafrecht

Bei der Frage, ob im Laufe einer Haftzeit vielbegehrte Lockerungen möglich sind, spielen die Justizvollzugsanstalten neben der die Vollstreckung der Haft überwachenden Staatsanwaltschaft eine gewichtige Rolle. Oft entscheidet über die Gewährung von Lockerungen das Urteil der Justizvollzugsanstalt über das Verhalten des Gefangenen im bisherigen Haftverlauf. Dabei wird auch die Einstellung des Gefangenen zu seiner Tat berücksichtigt – wer sich intensiv damit auseinandersetzt und sein Unrecht erkennt, der wird eher gelockert, wer das nicht tut – oder einfach nur nicht zeigt – dem wird oftmals die Lockerung versagt. Das Oberlandesgericht Hamm entschied aber jetzt: Vollzugslockerungen müssen auch dann möglich sein, wenn der Gefangene die Tat weiterhin leugnet (OLG Hamm , Beschluss vom 29.09.2015 – 1 Vollz(Ws) 411/15).

Leugnen der Tat rechtfertigt keine Versagung von Lockerungen im Vollzug

Der im Jahr 1966 geborene Antragsteller verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe in einer Justizvollzugsanstalt am Niederrhein. Im Juni 2014 hatte er 15 Jahre der Freiheitsstrafe verbüßt. Im April 2015 schrieb die Justizvollzugsanstalt den Vollzugsplan für den Betroffenen fort, ohne Vollzugslockerungen – sogenannte vollzugsöffnende Maßnahmen – zu gewähren. Dies begründete die JVA damit, dass der Betroffene zu einer selbstkritischen Auseinandersetzung mit sich selbst nicht bereit sei und die der Verurteilung zugrunde liegende Tat leugne. Es bestehe daher weiterhin Flucht- und Missbrauchsgefahr, sollte man ihm Lockerungen zubilligen. Nach Ansicht der JVA ergebe sich eine Perspektive für Lockerungen erst dann, wenn der Betroffene bereit zu Veränderungen sei und er insbesondere die ihm nachgewiesenen Taten nicht mehr leugne. Nach der Bestätigung der Entscheidung der Justizvollzugsanstalt durch die zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kleve hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt.

Oberlandesgericht weist JVA zu neuer Entscheidung an

Das Oberlandesgericht Hamm hat nun auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit einem jetzt veröffentlichten Beschluss vom 29.09.2015 entschieden (Az.: 1 Vollz(Ws) 411/15, BeckRS 2015, 18004): Allein das Leugnen der Tat durch den Verurteilten rechtfertigt nicht das Versagen vollzugsöffnender Maßnahmen wie beispielsweise einer Ausführung oder eines Begleitausganges.

Der Erste Strafsenat des OLG Hamm hob den Vollzugsplan jdes Betroffenen auf, soweit er dem Betroffenen Vollzugslockerungen versagte. Das Oberlandesgericht wies die Justizvollzugsanstalt an, die Regelungen des Vollzugsplans über Vollzugslockerungen neu fortzuschreiben. Zwar habe die Justizvollzugsanstalt einen Beurteilungsspielraum bei der Prüfung, ob dem Betroffenen vollzugsöffnende Maßnahmen aufgrund einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr zu versagen seien. Hierbei müsse sie aber von einem vollständig ermittelten Sachverhalt ausgehen und alle für die Abwägung relevanten Umstände berücksichtigen. Zu diesen gehörten unter anderem die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, etwaige frühere Straftaten, die Umstände und das Gewicht der Tat sowie die Tatmotivation, außerdem sein Verhalten und seine Persönlichkeitsentwicklung im Vollzug.

Hier erhalten Sie die Entscheidung des Oberlandesgerichts im Volltext: OLG Hamm – Beschluss 1 Vollz Ws 411_15 – Vollzugslockerungen trotz Leugnen möglich – Rechtsanwalt für Strafrecht in Heidelberg Tim Wullbrandt


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Harte Strafen gegen vier junge Männer zwischen 19 und 23 Jahren und die 17 Jahre alte Angeklagte vor der Jugendstrafkammer des Landgerichts Mannheim unter Vorsitz von Richterin Bettina Krenz: Zwischen eineinhalb und viereinhalb Jahren Haft ohne Bewährung, so lauteten die Urteilssprüche für die wegen schweren Raubes angeklagten, von denen einer von Tim Wullbrandt, Strafverteidiger aus Heidelberg, verteidigt wurde.Der Mannheimer Morgen berichtet…

Landgericht Mosbach verurteilt Gefangenen aus der JVA Adelsheim zu 9 Jahr Haft

Die Randale und Ausschreitungen in der Jugendhaftanstalt Adelsheim im August vergangenen Jahres hatten für großes Aufsehen gesorgt. Nachdem es in der JVA in deren Innenhof zu einer Massenschlägerei gekommen war, wurden unter anderem immense bauliche Veränderungen in der JVA vorgenommen, Ausgänge durften nur noch in Metall- und Zaunkäfigen stattfinden und so weiter und so fort. Nun hat das Landgericht Mosbach den ersten wegen dieser Ausschreitungen verantwortlichen Heranwachsenden Täter verurteilt. Der 21-jährige Angeklagte wurde wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren verurteilt.

Staatsanwalt forderte über 10 Jahre Haft – die Verteidigung forderte Bewährung

Die Staatsanwaltschaft hatte die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren und 3 Monaten wegen versuchten Mordes beantragt

Der Verteidiger hatte die Verhängung einer Jugendstrafe und deren Aussetzung zur Bewährung beantragt.

Anklage lautete auf versuchten Mord in Tateinheit mit Gefangenenmeuterei

Was war geschehen? Wohl um die Machtfrage in der JVA Adelsheim, in welcher ausschließlich Jugendliche und Heranwachsende bis zum 21. Lebensjahr inhaftiert sind, zu klären, war es am 20.08.2014 kurz vor dem Ende des Hofgangs zwischen zwei rivalisierenden Gruppen von Gefangenen zu einer zunächst verbalen und, wie von den Gefangenen beabsichtigt, zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen, an der sich mindestens 17 Gefangene Jugendliche und Heranwachsende beteiligt hätten. Zunächst sei es 7 Justizvollzugsbeamten, die ebenfalls körperlich attackiert worden seien, gelungen, einige Mitglieder beider rivalisierender Gruppen festzuhalten, am Boden zu fixieren und diese so von weiteren Gewalttätigkeiten abzuhalten.

Daraufhin hätten sich der Angeklagte und weitere gesondert verfolgte Gefangene, die sich derzeit in getrennten Verfahren verantworten müssen, entschlossen, Mitglieder jener Gruppe, mit der sie sympathisiert hätten und deren Anführer der Angeklagte gewesen sei, in Verletzungsabsicht mit körperlicher Gewalt und aus den Händen der Vollzugsbeamten zu befreien.

Angeklagter war Gruppenanführer – Mitglieder sollten befreit werden

Einem Vollzugsbeamten, der einen Gefangenen nicht habe loslassen wollen, habe der Angeklagte deshalb unter Geschrei angekündigt, ihn totzuschlagen, wenn er einen Stein in der Hand hätte. Zwar hätten zu Hilfe eilende Beamte den Angeklagten umklammert, dennoch sei es dem Angeklagten gelungen, einen weiteren Beamten mit der Faust ins Gesicht zu schlagen. Kurze Zeit nachdem es dem Angeklagten gelungen sei, sich aus der Umklammerung der Beamten zu loszureißen, habe der Angeklagte auf den Beamten, dem er bereits angekündigt gehabt habe, ihn totzuschlagen, mit der Faust derart heftig gegen den Kopf geschlagen, dass der Kopf des Beamten zur Seite geschleudert worden und der Beamte gestürzt sei. Danach habe der Angeklagte dem nun auf dem Rücken liegenden Beamten mit Schwung und mit dem Fuß gegen die linke Schläfe und das linke Auge getreten, um seine Ankündigung, ihn totzuschlagen, mit Tritten in die Tat umzusetzen.

Angeklagter schlug und trat auf Kopf eines am Boden liegenden Beamten ein

Nur weil der Angeklagte von zwei zu Hilfe gekommenen Beamten festgehalten worden sei, sei es dem Angeklagten nicht gelungen, weitere Tritte gegen den Kopf des auf dem Boden liegenden Beamten zu platzieren und ihn aus Rache für dessen amtspflichtgemäßes und rechtmäßiges Einschreiten zu töten. Der Beamte, den der Angeklagte mit Fußtritten gegen den Kopf traktiert habe, habe ein Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades, Platzwunden, Prellungen und Hämatome im Kopf- und Wirbelsäulenbereich davongetragen. Der Beamte habe sich 3 Tage in stationärer Behandlung befunden, sei anschließend noch eine Woche arbeitsunfähig gewesen und leide seither an einer posttraumatischen Störung.

Jugendstrafkammer verurteilt wegen versuchten Totschlags

Die 1. Große Jugendkammer mit dem Vorsitzenden Richter am Landgericht Haasverurteilte den Angeklagten nun wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Die Höhe der Strafe, welche mit 9 Jahren durchaus hoch ist, ist wohl auch dem Umstand geschuldet, dass sich das gesamte Tatgeschehen in der JVA Adelsheim abgespielt hat.


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Tim Wullbrandt || Strafrecht in Mannheim

zu AG Köln , Urteil vom 05.08.2015

AG Köln: 3 Jahre Haft für Hooligan nach „HOGESA“-Krawallen

Knapp neun Monate nach den sogenannten „HOGESA“-Krawallen in Köln hat das Amtsgericht Köln heute einen der damaligen beteiligten Hooligans zu drei Jahren Haft verurteilt. Der entscheidende Richter am Amtsgericht sagte dem Angeklagten mit der Urteilsbegründung, dieser „habe ein Gewaltproblem, das er nicht bearbeite“. Der 24-Jährige Angeklagte, der bereits vor den Krawallen eine Haftstrafe abgesessen hatte und einschlägig vorbestraft war, sei ein „unkontrollierbarer Mensch“.

Polizisten mit Rohr und Flasche beworfen

Der Angeklagte hatte gegenüber Gericht und Staatsanwaltschaft gestanden, bei den Krawallen im Oktober 2014 ein schweres Rohr in Richtung einer Polizeikette geworfen zu haben. Die Beamten wurden dabei nur knapp verfehlt. Zudem beteiligte er sich an der Plünderung einer Bäckerei und bewarf einen weiteren Polizisten mit einer Flasche. Die Verurteilung erfolgte nun wegen gefährlicher Körperverletzung und Diebstahls.

Bei Demonstration 49 Einsatzkräfte verletzt

Im Herbst 2014 hatten an der Demonstration, die als Kundgebung gegen Salafisten angemeldet worden war, rund 5.000 Hooligans und Rechtsextremisten unter dem Leitsatz „Hooligans gegen Salafisten – HoGeSa“ teilgenommen. Sie lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei, 49 Einsatzkräfte wurden verletzt.



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Tim Wullbrandt || Strafrecht in Mannheim

Das Landgericht Regensburg hat in seinem Urteil vom 16.10.2014 – 3 Ns 112 Js 5299/14 – entschieden, dass die Wiederholungsgefahr beim Betrug dann kein Haftgrund ist, wenn die Einzelschäden geringer als 560 Euro sind.

LG Regensburg: Wiederholungsgefahr bei niedrigen Betrugsschäden kein Haftgrund (16.10.2014 – 3 Ns 112 Js 5299/14)

Was war geschehen? Das Amtsgericht hatte den Angeklagten am 18.9.2014 wegen Betrugs in 10 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr 3 Monaten verurteilt. Gleichzeitig hatte es den bis dahin bestehenden Haftbefehl aufgehoben und zur Begründung angeführt, dass der Haftgrund der Wiederholungsgefahr nicht vorliege, da eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung durch die einzelnen Anlasstaten nach § 263 StGB (also die einzelnen Betrugstaten) nicht eingetreten sei.

Die Staatsanwaltschaft hatte gegen das Urteil Berufung eingelegt, welche sie auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte. Zusätzlich wurde Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, den Haftbefehl erneut in Vollzug zu setzen. Zur Begründung führte die Staatsanwaltschaft aus, dass weiterhin Wiederholungsgefahr bestehe, weil der Angeklagte bei einer zuvor erfolgten Außervollzugsetzung bereits Straftaten begangen habe und dies erneut zu erwarten sei. Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab.

Landgericht: Keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung

Die sachlich zuständige Berufungskammer des Landgerichts Regensburg lehnte den Antrag der Staatsanwaltschaft (als solcher war die Beschwerde zu werten) ab. Die Voraussetzungen des hier allein in Betracht kommenden Haftgrunds der Wiederholungsgefahr, auf den auch die Staatsanwaltschaft ihre Beschwerde stütze, waren nach Auffassung des Gerichts nicht gegeben. Zwar sei aufgrund des rechtskräftigen Schuldspruchs des Urteils des Amtsgerichts davon auszugehen, dass der Angeklagte wiederholt Straftaten nach § 263 StGB – also Betrugstaten -begangen habe, wobei ihm gewerbsmäßiges Handeln zur Last zu legen sei. Es fehle jedoch nach Ansicht der Berufungskammer an einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtsordnung aufgrund der wiederholt begangenen Anlasstaten, wie sie von § 112a I 1 Nr. 2 StPO vorausgesetzt werde. Erforderlich seien hierfür Anlasstaten, die einen überdurchschnittlichen Schweregrad und Unrechtsgehalt aufweisen, also mindestens in der oberen Hälfte der mittelschweren Straftaten liegen. Maßgebend bei der Bewertung seien – jedenfalls bei Anlasstaten nach § 263 StGB – insbesondere Art und Umfang des jeweils angerichteten Schadens. Gemessen daran war nach Auffassung der Berufungskammer der erforderliche Schweregrad bei den vom Angeklagten verursachten Schäden in der Größenordnung von 55 bis 560 EUR (bei weitem) nicht erreicht. Auf den vom Angeklagten  verursachten Gesamtschaden von mindestens 2.000 EUR könne dabei nicht abgestellt werden, weil für den Haftgrund des § 112a I 1 Nr. 2 StPO bei einer wiederholten Begehung der Anlasstat der erforderliche Schweregrad grundsätzlich bei jeder einzelnen Tat vorliegen müsse.

Was sind Anlasstaten nach § 112a StPO?

Zur Erläuterung hier zunächst einmal der Gesetzestext:

§ 112a [Haftgrund der Wiederholungsgefahr]

(1) Ein Haftgrund besteht auch, wenn der Beschuldigte dringend verdächtig ist,

1. eine Straftat nach den §§ 174, 174a, 176 bis 179 oder nach § 238 Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches oder
2. wiederholt oder fortgesetzt eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat nach den §§ 89a, 89c Absatz 1 bis 4, nach § 125a, nach den §§ 224 bis 227, nach den §§ 243, 244, 249 bis 255, 260, nach § 263, nach den §§ 306 bis 306c oder § 316a des Strafgesetzbuches oder nach § 29 Abs. 1 Nr. 1, 4, 10 oder Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 des Betäubungsmittelgesetzes begangen zu haben, und bestimmte Tatsachen die Gefahr begründen, daß er vor rechtskräftiger Aburteilung weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begehen oder die Straftat fortsetzen werde, die Haft zur Abwendung der drohenden Gefahr erforderlich und in den Fällen der Nummer 2 eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten ist. In die Beurteilung des dringenden Verdachts einer Tatbegehung im Sinne des Satzes 1 Nummer 2 sind auch solche Taten einzubeziehen, die Gegenstand anderer, auch rechtskräftig abgeschlossener, Verfahren sind oder waren.

(2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn die Voraussetzungen für den Erlaß eines Haftbefehls nach § 112 vorliegen und die Voraussetzungen für die Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls nach § 116 Abs. 1, 2 nicht gegeben sind.

Der § 112a Absatz 1 Nummer 2 setzt also voraus, dass der Beschuldigte weitere im Einzelfall erhebliche Straftaten begeht. Dies war nach Ansicht des Landgerichts hier nicht der Fall, da die einzelnen Taten die Schwelle zur Erheblichkeit nicht überschritten hatten.

Fazit

Eine andere Beurteilung rechtfertige sich in Anbetracht dessen auch nicht daraus, dass der Angeklagte zu den Tatzeiten unter Bewährung stand und gewerbsmäßig gehandelt habe. Bedenken bestünden auch gegen die Erforderlichkeit der Sicherungshaft, die fehle, wenn die vom Beschuldigten ausgehende Gefahr durch andere Maßnahmen abgewendet werden könne. Vorliegend sie ein anderes Urteil, mit dem der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt wurde, aufgrund des Beschlusses des OLG zwischenzeitlich rechtskräftig, sodass es durch den anstehenden Strafvollzug der Anordnung der Sicherungshaft nicht bedürfe.


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Prozess || Tim Wullbrandt | Rechtsanwalt für Strafrecht

Vor dem Schwurgericht des Landgerichts Kaiserslautern ging heute nach dem dritten Verhandlungstag das Strafverfahren gegen einen jungen Mann aus Eisenberg zu Ende. Die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern hatte dem 34jährigen zur Last gelegt, im November 2014 in Eisenberg im Rahmen eines Streits mit einer Personengruppe eine scharfe Schusswaffe gezogen und versucht zu haben, auf zumindest eine der Personen in Tötungsabsicht gezielt zu haben.

Anklage wegen versuchten Totschlags und Waffenbesitzes

Die Anklage lautete daher auf versuchten Totschlag in Tateinheit mit illegalem Waffenbesitz und Besitz von Munition. Hätten sich diese Tatvorwürfe bestätigt, wäre wohl mit einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren zu rechnen gewesen. Der Angeklagte J. war in dem Verfahren durch mich, Rechtsanwalt Tim Wullbrandt, sowie meinen hoch geschätzten Kaiserslauterer Kollegen, Rechtsanwalt JR Günter Schmidt, verteidigt. Die Kammer des Schwurgerichts unter Vorsitz von Richter Alexander Schwarz verurteilte unseren Mandanten zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

10 Monate auf Bewährung – Totschlagsverdacht nicht bewahrheitet

Landgericht Kaiserslautern | Strafverteidiger Tim Wullbrandt

Landgericht Kaiserslautern

Im Verlauf des Verfahrens hatte das Gericht 15 Zeugen vernommen, darunter die Gruppe von 4 Personen, welche unser Mandant nach Auffassung der Anklage mit der Waffe bedroht haben soll. Nach den Aussagen der vermeintlichen Opfer waren diese von unserem Mandanten grundlos angegriffen worden – allerdings fand dieser Angriff bei jeder einzelnen Aussage der Opfer an anderer Stelle und in anderer Konstellation statt. Die im Anschluss vernommenen Nachbarn aus den umliegenden Mehrfamilienhäusern ergaben eine gänzlich andere Sicht der Dinge. Demnach waren es die vermeintlichen Opfer, welche gemeinschaftlich auf den zum Tatzeitpunkt stark unter Drogeneinfluss stehenden Angeklagten eingeschlagen hatten. Letztlich bestätigt wurde dies durch ein im Gerichtssaal vorgespieltes Handyvideo eines jugendlichen Zeugen, welcher Teile des Geschehens gefilmt hatte.

Widersprüchliche Zeugenaussagen – Handyvideo im Gerichtssaal vorgespielt

Danach war auch zur Überzeugung des Gerichts klar, dass der angeklagte versuchte Totschlag jedenfalls nicht mehr nachweisbar war. Die Verurteilung erfolgte daher „lediglich“ wegen illegalen Waffenbesitzes und Bedrohung, wobei unser Mandant den illegalen Waffenbesitz bereits an ersten Verhandlungstag vollumfänglich eingeräumt hatte.

Zwar hatte am zweten Verhandlungstag ein psychiatrischer Sachverständiger ausgeführt, dass der Angeklagte schwer drogenabhängig sei und grundsätzlich einer langfristigen Therapie bedürfe. Das Gericht verurteilte unseren Mandanten indes lediglich zu einer Bewährungsstrafe von 10 Monaten mit der Auflage, eine ambulante Drogentherapie durchzuführen. Von einer Verurteilung zu einer stationären Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB hatte das Gericht abgesehen. Der Vorsitzende Richter Alexander Schwarz führte in der Urteilsbegründung dazu aus, dass eine solche Unterbringung – so hatte es zuvor der Sachverständige angeregt – mindestens zwei Jahre hätte dauern müssen, um zu Erfolg zu führen. Eine solch lange Unterbringung sei jedoch in Anbetracht der am Ende festgestellten Taten unverhältnismäßig hoch gewesen.

Seit November in Untersuchungshaft – Angeklagter verlässt Gericht als freier Mann

Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass unser Mandant sich bereits seit der Tat im November, also bereits seit 6 Monaten, in der JVA Frankenthal in Untersuchungshaft befunden habe. Die Zeit der Untersuchungshaft ist auf die ausgeurteilte Freiheitsstrafe anzurechnen. Der Haftbefehl gegen unseren Mandanten wurde noch mit Urteilsverkündung aufgehoben – er verließ den Gerichtssaal in Begleitung seiner Familie, als freier Mann.

 

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Vor dem Landgericht Göttingen ging heute der aufsehenerregende Prozess gegen den früheren Leiter des Lebertransplantationszentrums in Göttingen, Aiman O., nach über 60 Verhandlungstagen zu Ende. Der angeklagte Mediziner wurde in allen Anklagepunkten freigesprochen.

Durch Manipulationen den eigenen Patienten schneller zu Spenderorganen verholfen

Was war geschehen? Dem 47jährigen Arzt wurden nicht etwa tatsächliche Kunstfehler oder gar „direkte“ Tötungshandlungen vorgeworfen. Die von ihm transplantierten Organe retteten mit Sicherheit eine Vielzahl von Leben. Was den Mediziner auf die Anklagebank brachte war vielmehr die Tatsache, dass er Patientendaten manipuliert hatte und so seinen Patienten zu besseren Platzierungen auf den Transplantationslisten verhalf. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft soll er damit den Tot der von ihrer eigentlichen Platzierung auf der Liste verdrängten Personen zumindest billigend in Kauf genommen haben – sie klagte ihn daher wegen elffachen versuchten Totschlags sowie gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen an. Den Vorwurf der dreifachen gefährlichen Körperverletzung mit Todesfolge begründete Sie damit, der Angeklagte habe in drei Fällen Organe transplantiert, obwohl dies nicht zwingend nötig gewesen wäre – die Patienten waren nach den Transplantationen an Komplikationen verstorben.

Elffacher versuchter Totschlag und dreifache gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt

Tim Wullbrandt || Strafrecht in MannheimDie Strafkammer des Landgerichts Göttingen hatte im Verlauf des Verfahrens – welches bereits im Jahr 2013 begonnen hatte – über 100 Zeugen vernommen und neun Gutachter gehört. Die Staatsanwalt hatte mit Ihrer Anklage jurisisches Neuland betreten und wegen des angeklagten elffachen versuchten Totschlags acht Jahr Haft gefordert. Indem Aiman O. seine eigenen Patienten durch die Manipulationen auf der Warteliste für Spendeorgane nach vorne gepusht hat, habe er billigend in Kauf genommen, dass die verdrängten Personen kein Organ erhielten und möglicherweise hätten sterben können. Den Untersuchungsberichten folgend kam es in Göttingen zu 61 bis 79 Verstößen – es wurden 85 bzw. 105 Fälle untersucht, wobei 34 Mal die Werte der Patienten gefälscht worden sein sollen. Ob der Angeklagte hierfür – auch vor dem Hintergrund des enormen Aufwands – alleine verantwortlich war ist noch immer fraglich. Er war zwar der ausführende Chirurg, betreut aber wurden die Patienten auch von dem Gastroenterologen R.. Auch er ist von der Klinik beurlaubt und gilt als Beschuldigter. Die Entscheidung, ob auch er angeklagt wird, dürfte wohl vom Ausgang des hiesigen Verfahrens abhängen.

Staatsanwalt forderte acht Jahre Haft – die Verteidigung forderte Freispruch

Das Gericht folgte in seiner Entscheidung jedoch dem Antrag der Strafverteidiger des Angeklagten auf Freispruch. Es sah zunächst den Vorwurf der dreifachen gefährlichen Körperverletzung mit Todesfolge durch unnötige Transplantationen und mangelnde Aufklärung der Patienten nach Einvernahme der Zeugen und Sachverständigen als widerlegt an. Nach der Überzeugung des Gerichts habe der Angeklagte Patientendaten manipuliert, um die Wartelistenposition zu verbessern. Zum Zeitpunkt der Taten sei dies jedoch – so das Gericht – nicht strafrechtlich relevant gewesen. Der Angeklagte sei daher – trotz der moralischen Verwerflichkeit seines Handelns – freizusprechen gewesen.

Gesetzesänderungen erst ab 2013

Nachdem der hier verhandelte Skandal im Jahr 2012 ans Licht gekommen war hatten bereits Gesetzgeber und Ärzteschaft hektisch reagiert. Die Bundesärztekammer hatte unter anderem schärfere Kontrollen und ein Mehraugenprinzip bei der Vergabe von Spenderorganen eingeführt. So darf mittlerweile nicht mehr nur noch der behandelnde Arzt darüber entscheiden, ob ein Patient auf die Warteliste für Spenderorgane aufgenommen wird. Außerdem hatte der Bundestag bereits beschlossen 2013, dass Ärzte, die Patientendaten verändern und Wartelistenplätze verfälschen, mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe bestraft werden.

Freispruch von allen Tatvorwürfen

Der Freispruch zu Gunsten des Arztes dürfte zumindest auf Seiten der Staatsanwaltschaft für Unmut sorgen. Es ist davon auszugehen, dass diese die Revision des Urteils vor dem Bundesgerichtshof anstreben wird – auch um die Frage, ob ein Totschlag auch durch ein solch „indirektes“ Einwirken auf die Lebenssphäre des Opfers möglich ist, einer höchstrichterlichen Klärung zukommen zu lassen.

Bis es soweit ist empfehle ich hier noch den sehr lesenwerten Artikel zu den Geschehnissen im Vorfeld des Prozesses aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 04.08.2012.

 

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Prozess || Tim Wullbrandt | Rechtsanwalt für Strafrecht

Am kommenden Montag, den 04.05.2015 beginnt vor der großen Jugendstrafkammer des Landgerichts Mannheim der Prozess gegen 4 Jugendliche und Heranwachsende aus Mannheim. Den Angeklagten wird unter anderem Einbruchdiebstahl in mehreren Fällen zur Last gelegt.

Anklage wie aus dem Fernsehen

Die Anklage der Staatsanwaltschaft Mannheim gegen die vier Beschuldigten LB, AB., M und S liest sich wie das Drehbuch zu einem spannungsgeladenen Actionfilm aus Hollywood.

Den Angeklagten wird zur Last gelegt, sie hätten im Zeitraum von Mitte August 2013 bis Anfang März 2014 in wechselnder Zusammensetzung 30 Straftaten begangen. Dabei soll es sich in 22 Fällen um überwiegend vollendete Einbruchsdiebstähle in Bäckereien (8 Fälle), Einfamilienhäuser (5 Fälle), Gaststätten ( 3 Fälle), Autogeschäfte (2 Fälle), Schmuckgeschäfte (2 Fälle), in ein Handygeschäft (1 Fall) und in die Räumlichkeiten einer gemeinnützigen Einrichtung (1 Fall). An diesen, nur in wenigen Fällen im Versuch stecken gebliebenen Einbruchsdiebstählen sollen der Angeklagte LB. in 17 Fällen, der Angeklagte M. in 15 Fällen, der Angeklagte AB. in 7 Fällen und der Angeklagte S. in 9 Fällen beteiligt gewesen sein, wobei außer dem bereits erwachsenen Angeklagten LB. alle anderen Angeklagten zum Zeitpunkt der Taten 16 bzw. 17 Jahre alt und damit Jugendliche gewesen sein sollen.

Bei Einbrüchen auch mehrere Porsche gestohlen

In allen Fällen des Einbruchs in Einfamilienhäuser soll der Angeklagte LB. beteiligt gewesen sein. Im Rahmen dieser Einbrüche soll der Angeklagte LB. u.a. einen Porsche Panamera, einen Porsche Carrera und einen Fiat Punto entwendet haben.

Mit dem Porsche Panamera soll er gemeinsam mit dem Angeklagten M. auf einer Autobahn den Fahrer eines Pkw aus Verärgerung über dessen Überholmanöver bis zum Stillstand ausgebremst haben. Im Anschluss soll der Angeklagte M. mit einer täuschend echt aussehenden Schreckschusspistole auf den Fahrer des anderen Pkw gezielt haben.

Des weiteren sollen die Angeklagten LB. und M. ein Kennzeichen von einem Pkw entwendet und an dem entwendeten Porsche Panamera angebracht haben. In fünf Fällen sollen die beiden Angeklagten die Betankung des Porsche Panamera betrügerisch erschlichen haben.

Raubüberfälle in Mannheim

strafrechtDie Angeklagten M und S. sollen gemeinsam einen Kiosk in Mannheim überfallen haben, wobei der Angeklagte M. die Angestellte mit einem Hammer bedroht und dadurch zur Herausgabe von Bargeld in Höhe von rund EUR 1.150.- veranlasst haben soll, während der Angeklagte S. die Umgebung während der Tatausführung observiert habe.

Abgesehen von dem Angeklagten S., bei dem die Vollstreckung des Haftbefehls außer Vollzug gesetzt worden ist, befinden sich alle anderen Angeklagten derzeit in Strafhaft.

Verfahren gegen unseren Mandanten eingestellt

Ursprünglich hatte sich das Verfahren gegen fünf Beteiligte gerichtet. Der weitere Beteiligte war der ebenfalls zur Tatzeit noch jugendliche Mannheimer MM., dem seitens der Staatsanwaltschaft die Beteiligung an fünf der angeklagten Einbrüche zur Last gelegt wurde. MM., der von den beiden Heidelberg Strafverteidigern Tim Wullbrandt und Patrick Welke verteidigt wurde, musste sich bis zum Februar diesen Jahres noch vor der Jugendstrafkammer des Landgerichts Mannheim in einer anderen Sache verantworten, wegen der er derzeit eine Haftstrafe in der JVA Adelsheim verbüßt. Ironischer Weise war einer der in dem neuen Verfahren beteiligten Heranwachsenden bereits auch in dem vorhergehenden Verfahren angeklagt und dort zu einer hohen Bewährungsstrafe verurteilt worden.

Das nun am Montag startende Verfahren wurde aufgrund der Bemühungen seiner Verteidiger Wullbrandt und Welke gegen den MM. bereits im Vorfeld eingestellt, so dass er sich hier nicht mehr zu verantworten braucht. Sollte der bereits im Vorverfahren zu einer Bewährungsstrafe verurteilte S. jedoch auch hier zu einer Haftstrafe verurteilt werden, dürfte diese wohl kaum noch zur Bewährung ausgesetzt werden – womit sich alle Beteiligten wohl spätestens in der Haft wiedersehen dürften.

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