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Verurteilt das Gericht einen Angeklagten wegen einer festgestellten gefährlichen Begehungsweise wegen gefährlicher statt „normaler“ Körperverletzung, dann darf es die brutale Begehungsweise der Tat im Rahmen der STrafzumessung gesondert würdigen und begeht dabei keinen Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot.

OLG Düsseldorf: Brutalität der Begehungsweise ist nicht mit Gefährlichkeit gleichzusetzen

Die Angeklagten K und W nahmen an einer Demonstration teil. Auf Zuruf und Handbewegung eines Gruppenmitgliedes hin, stürmten schlagartig alle Demonstranten nach vorne zu einem Absperrgitter und versuchten, dieses zu überwinden. Der W stürmte von ganz hinten oben nach vorne, wo zunächst kein Polizeibeamter stand, und begann sofort, auf das Gitter zu steigen. Hierdurch wirkte er an der Überrumpelung der Polizeibeamten mit und band deren Aufmerksamkeit. Sodann folgten Übergriffe anderer Gruppenmitglieder, auch des K, auf die hinter dem Gitter befindlichen Polizeibeamten, vor allem wiederholtes Einschlagen mit Fäusten und mitgeführten Fahnenstangen, wobei einzelne Polizeibeamten verletzt wurden.

Amtsgericht verurteilt Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte

Das Amtsgericht hat K und W wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im besonders schweren Fall verurteilt. Hiergegen richten sich die Angeklagten im Wege der Revision.

Das OLG hat die Revisionen mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Schuldsprüche hinsichtlich der Angeklagten K und W dahin berichtigt werden, dass jeweils die Zusätze „im besonders schweren Fall“ entfallen. Den Schuldsprüchen stet insbesondere nicht entgegen, dass W nicht selbst mit Fahnenstangen auf die Polizeibeamten eingeschlagen habe.

Maßgeblich für gemeinschaftliche Verurteilung ist gemeinsamer Tatplan

Bei unmittelbarer Ausführung nur durch andere Beteiligte müssten deren Handlungen sich als Verwirklichung des gemeinsamen Tatplans darstellen.

Bei unmittelbarer Ausführung nur durch andere Beteiligte müssen deren Handlungen sich als Verwirklichung des gemeinsamen Tatplans darstellen (BGH, NStZ 2009, 25, juris). Maßgeblich ist eine wertende Gesamtbetrachtung.

Abgrenzung zur Teilnahme – Beurteilungsspielraum des Tatrichters nur eingeschränkt überprüfbar

Hinsichtlich der Abgrenzung zur bloßen Teilnahme hat der Tatrichter einen in der Revision nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum (vgl. Fischer, a. a. O., § 25 Rn. 25). Kriterien für die Abgrenzung sind der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, den Umfang der Tatbeteiligung, die objektive Tatherrschaft und den Willen zur Tatherrschaft (vgl. insgesamt zum Maßstab und zur Abgrenzung Fischer, a. a. O., § 25 Rn. 26).

Tatherrschaft setzt dabei voraus, dass der in Rede stehende Beteiligte im Zusammenwirken mit einem oder mehreren Anderen einen für das Gelingen der Tat wesentlichen Beitrag leistet, nicht erforderlich ist eine Mitwirkung am Kerngeschehen (vgl. BGH, NStZ 2009, 292, juris). Ein Mittäter muss seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit der anderen Täter und deren Beitrag als Ergänzung seines eigenen Tatanteils wollen. Dabei ist die Verteilung der Tatbeiträge grundsätzlich ohne Bedeutung, es reicht grundsätzlich jede Form der Förderung der als gemeinsam gewollten Tat, sei es auch nur durch Bestärken im Tatwillen (BGHSt 16,14, juris)

Dies sei im konkreten Fall bei W der Fall gewesen.

Strafschärfende Berücksichtigung der Brutalität kein Verstoß gegen Doppelbestrafungsverbot

In der strafschärfenden Berücksichtigung der erheblichen Brutalität gegenüber den Polizeibeamten liege kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot gem. § 46 III StGB.

Das Verbot der Doppelverwertung von Strafzumessungstatsachen beinhaltet, dass die Merkmale des Tatbestandes, welche die Strafbarkeit begründen und der Bestimmung des gesetzlichen Strafrahmens zugrunde liegen, nicht nochmals bei der Strafzumessung berücksichtigt werden dürfen.

Tatbestand in diesem Sinne sind ebenfalls die Voraussetzungen für die Anwendung eines bestimmten Strafrahmens, mithin von Qualifikationstatbeständen wie auch von Regelbeispielen. Sowohl den Qualifikationen des § 224 I Nr. 2 und 4 StGB ebenso wie dem Regelbeispiel des § 113 II Nr. 1 StGB liegt die erhöhte Gefährlichkeit der Art und Weise der Tatbegehung durch Verwendung eines gefährlichen Werkzeuges bzw. durch gemeinschaftliche Begehungsweise zugrunde. Die strafschärfend berücksichtigte besondere Brutalität der Begehungsweise ist jedoch mit der (bloßen) Gefährlichkeit der Begehungsweise nicht notwendig gleichzusetzen. Sie kennzeichnet vielmehr die konkrete Qualität und Intensität der Einwirkung durch das gefährliche Werkzeug bzw. durch mehrere Beteiligte.

Die Schuldsprüche der erstinstanzlichen Urteile hat der Senat wie tenoriert berichtigt, weil die Aufnahme von Strafzumessungsregeln oder das Vorliegen gesetzlicher Regelbeispiele für besonders schwere Fälle nicht zur rechtlichen Bezeichnung der Tat im Sinne von § 260 IV 1 StPO und damit nicht in den Schuldspruch gehören.


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Die Entscheidung im Volltext:

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.06.2015 – III-3 RVs 18/15

Tenor

  1. Die Revisionen werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass sowohl der Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten K. im erstinstanzlichen Urteil des Amtsgerichts Solingen vom 27. August 2013 als auch der Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten W. im erstinstanzlichen Urteil des Amtsgerichts Solingen vom 7. November 2013 dahin berichtigt werden, dass jeweils die Zusätze (Angeklagter K.) bzw. der Zusatz (Angeklagter W.) „im besonders schweren Fall“ entfallen.
  2. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.

Gründe:

I. Mit Urteil vom 27. August 2013 hat das Amtsgericht – Schöffengericht – Solingen den Angeklagten K. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Landfriedensbruch im besonders schweren Fall und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im besonders schweren Fall sowie wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit Urteil vom 7. November 2013 hat das Amtsgericht Solingen den Angeklagten W. wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Auf die gegen das Urteil des Amtsgerichts – Schöffengericht – Solingen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte K. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt wird. Die gegen das Urteil des Amtsgerichts gerichtete Berufung des Angeklagten W. hat das Landgericht verworfen. Hiergegen richten sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, die sie auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts stützen.

II.

Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Mit ihren Verfahrensrügen dringen die Angeklagten nicht durch.

a) Angeklagter K.
Die von dem Angeklagten K. erhobenen Verfahrensrügen sind sämtlich bereits nicht ordnungsgemäß erhoben (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO) und mithin unzulässig. Eine Verfahrensrüge ist in einer solchen Weise zu begründen, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der abgegebenen Revisionsbegründung prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das Beschwerdevorbringen zutrifft (BGHSt 29, 203, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., 2015, § 344, Rn. 21 m. w. N.). Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung des Angeklagten K. im Hinblick auf keinen der geltend gemachten Verfahrensverstöße.

aa) Dies gilt, soweit der Angeklagte die Rüge nach § 338 Nr. 3 StPO wegen zu Unrecht abgelehnter Befangenheitsgesuche gegen die Vorsitzende der zur Entscheidung berufenen Strafkammer erhebt. Zum notwendigen Revisionsvorbringen gehört die wörtliche, zumindest aber dem ganzen Inhalt nach vollständige Mitteilung des Ablehnungsgesuchs, des ablehnenden Gerichtsbeschlusses, der dienstlichen Äußerung nach § 26 Abs. 3 StPO sowie sonstiges zum Verständnis der Rüge erforderliches Vorbringen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 338, Rn. 29 m. w. N.). Daran fehlt es hier. Das Vorbringen des Angeklagten enthält weder eine inhaltlich vollständige und verständliche Wiedergabe seines ersten Ablehnungsgesuches noch eine ansatzweise Wiedergabe des die Ablehnungsgesuche des Angeklagten zurückweisenden Gerichtsbeschlusses.

bb) Auch die von dem Angeklagten K. auf die Verletzung des § 244 Abs. 4 StPO gestützte Verfahrensrüge wegen zu Unrecht erfolgter Ablehnung eines Beweisantrages genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Zum notwendigen Revisionsvorbringen gehört insoweit nicht nur die Mitteilung des Inhalts des Beweisantrages, sondern auch diejenige des Inhalts des gerichtlichen Ablehnungsbeschlusses (vgl. BGHSt 3, 213, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 244 Rn. 85 m. w. N.). Jedenfalls Letzterer ist in dem Revisionsvorbringen ersichtlich unvollständig wiedergegeben.

cc) Soweit der Angeklagte mit seinem Revisionsvorbringen auch – im Hinblick auf die Verwertung der Aussage des Zeugen PK H. – einen Verstoß gegen § 136a StPO beanstanden will, ist diese Rüge gleichfalls nicht zulässig erhoben. Zum notwendigen Revisionsvorbringen gehört bei einer im Ermittlungsverfahren gewonnenen Aussage vollständiger Tatsachenvortrag sowohl hinsichtlich ihrer Entstehung als auch ihrer Verwertung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 136a Rn. 33 m. w. N.). Daran fehlt es hier. Das Revisionsvorbringen erschöpft sich in der Wiedergabe der vom Angeklagten zu Protokoll gegebenen Erklärung gemäß § 257 Abs. 2 StPO.

b) Angeklagter W.
Die vom Angeklagten W. nach § 338 Nr. 3 StPO wegen zu Unrecht abgelehnter Befangenheitsgesuche des Angeklagten vom 27. und 29. Oktober 2014 angebrachte Rüge ist zwar zulässig erhoben, in der Sache bleibt sie indes ohne Erfolg.

Bei ordnungsmäßiger Ablehnungsrüge hat das Revisionsgericht unter Anwendung von Beschwerdegrundsätzen zu prüfen, ob das Gesuch rechtzeitig vorgebracht und nach den damaligen Verhältnissen sachlich gerechtfertigt war oder nicht (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl. 2013, § 338 Rn. 59 m. w. N.). Diese Überprüfung führt hier dazu, dass die Ablehnungsgesuche des Angeklagten W. durch den Beschluss des Landgerichts vom 29. Oktober 2014 im Ergebnis zu Recht als unbegründet zurückgewiesen wurden. Insoweit wird zunächst auf dessen im Wesentlichen zutreffende Gründe verwiesen.

Ergänzend merkt der Senat an: Insbesondere die vom Angeklagten beanstandeten Äußerungen der Vorsitzenden der zur Entscheidung berufenen Strafkammer im Hauptverhandlungstermin vom 27. Oktober 2014 betreffend die Plakataufschrift „Lies!“ rechtfertigten nicht die Ablehnung der Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß § 24 Abs. 1, 2 StPO. Bei verständiger Würdigung vom – maßgebenden – Standpunkt eines vernünftigen Angeklagten boten sie keinen Grund zu der Annahme, dass die Vorsitzende der Strafkammer gegenüber dem Angeklagten W. eine innere Haltung eingenommen hatte, die ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen konnte (vgl. grds. Meyer-Goßner/Schmidt, a. a. O., § 24 Rn. 8 m. w. N.). Werden die Äußerungen insbesondere in dem verfahrenstechnischen Kontext betrachtet, in dem sie getätigt wurden, nämlich anlässlich der Inaugenscheinnahme von Bildern und der Verlesung eines darauf abgedruckten Wortes, so stellen sich die beanstandeten Äußerungen jedenfalls bei verständiger Würdigung als bloß assoziativ zustande gekommene Lesart des (verlesenen) Wortes in einer Fremdsprache dar, welche nach der reinen Syntax des Wortes nicht ausgeschlossen ist. Dabei verkennt der Senat nicht, dass in der Äußerung dieser Assoziation ein nicht unerhebliches Maß an Gedankenlosigkeit zum Ausdruck kommt. Dieser Umstand rechtfertigt aber noch nicht den Schluss auf eine gegenüber den Angeklagten voreingenommene Haltung. Die angegriffenen Äußerungen lassen letztlich angesichts ihres vor allem assoziativ erklärbaren Inhalts und ungefilterten Charakters die (auch nur „unbewusste“) Kundgabe einer inneren Haltung oder Einstellung gerade nicht erkennen. Der Senat vermag darin insbesondere weder die persönliche Herabwürdigung der Angeklagten unmittelbar oder deren religiöser Überzeugung noch eine unangemessene bzw. unsachliche Art der Verhandlungsführung (vgl. hierzu etwa die dem hiesigen Fall nicht vergleichbaren Beispiele bei Meyer-Goßner/Schmidt, a. a. O., § 24 Rn. 17 m. w. N.) zu erkennen. Auch die Gesamtschau der beanstandeten Äußerungen mit den weiteren in den Ablehnungsgesuchen genannten Umständen gibt zu einer solchen Annahme keinen Anlass.

2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen den Schuldspruch hinsichtlich beider Angeklagten ebenso wie den sie betreffenden Rechtsfolgenausspruch rechtsbedenkenfrei.

Zu den Einzelausführungen des Angeklagten W. im Rahmen der Sachrüge bemerkt der Senat Folgendes:

a) Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen eine Verurteilung des Angeklagten wegen mittäterschaftlicher Begehung in objektiver wie auch subjektiver Hinsicht sowohl im Hinblick auf die gefährliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 StGB als auch im Hinblick auf den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, § 113 Abs. 1 StGB und auf das hier vom Landgericht als verwirklicht angesehene Regelbeispiel, § 113 Abs. 2 Nr. 1 StGB.

aa) Die tatsächlichen Feststellungen zum äußeren Kerngeschehen tragen uneingeschränkt den Schluss auf einen konkludent im Wege des arbeitsteiligen Zusammenwirkens gefassten gemeinsamen Tatplan (vgl. hierzu grds. BGHSt 37, 292, juris) der meisten der beteiligten Gruppenmitglieder, unter ihnen auch des Angeklagten W.. Dieser konkludent gefasste gemeinsame Tatplan manifestiert sich nach den Feststellungen in dem spontanen und geschlossenen Zusammenwirken mehrerer Beteiligter, nämlich darin, dass „die meisten Gruppenmitglieder“ (UA S. 17) – zumal im Anschluss an etliche Abstimmungsgesten (zwischen dem Angeklagten K. und anderen Versammlungsteilnehmern, insbesondere dem gesondert Verfolgten Koblitz, vgl. UA S. 16, zweiter und dritter Absatz) – auf einen „Ruf“ (UA S. 17) und die „weit ausholende Handbewegung“ (UA S. 17) eines Gruppenmitgliedes, des „Weißgewandeten“ (UA S. 17), „schlagartig und gleichzeitig nach vorne zum Absperrgitter“ stürmten „und versuchten, es zu überwinden, um das weitere Zeigen der Karikaturen zu verhindern“ (UA S. 17). Dass an diesem Kerngeschehen nicht sämtliche Gruppenmitglieder mitwirkten, hindert die Annahme eines gemeinsamen Tatplanes nicht. Es reicht das bewusste und gewollte Zusammenwirken mehrerer Beteiligter, welches hier gegeben ist, da sich das Geschehen nach den Feststellungen des Landgerichts gerade nicht als das Wirken nur einzelner (gewaltbereiter) Gruppenmitglieder darstellt.

bb) Dass auch der Angeklagte W. diesen Tatplan jedenfalls spontan billigte, hat das Landgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise – durch Feststellungen zur arbeitsteiligen Mitwirkung des Angeklagten belegt – angenommen:

Danach stürmte er „von ganz hinten oben nach vorne unten, und zwar ganz zu einer Seite der Gitterlinie, wo zu diesem Zeitpunkt zunächst kein Polizeibeamter stand, und begann sofort, auf das Gitter zu steigen“ (UA S. 17). Nicht zu beanstanden ist dabei die vom Landgericht vorgenommene Wertung, der Angeklagte W. habe dadurch „an der Überrumpelung der Polizeibeamten“ (UA S. 17) mitgewirkt, dass er „an seinem Gitterabschnitt deren Aufmerksamkeit band und deren Präsenz erforderte“ (UA S. 17). Hierbei handelt es sich um eine Feststellung, die auch durch die weitere Feststellung, dass an dem vom Angeklagten angesteuerten Gitterabschnitt „zunächst kein Polizeibeamter stand“ (UA S. 17), nicht lückenhaft wird. Aus dem vom Landgericht im Übrigen festgestellten Gesamtablauf – Ansturm zum Zwecke der Verhinderung des Zeigens der Karikaturen – erhellt gerade, dass der Angeklagte W. nach Erreichen seines Gitterabschnitts nicht unbemerkt und passiv am Rande des Geschehens verweilte, sondern vielmehr nach Eintreffen am Gitter durch dessen Besteigen aktiv agierte und hierdurch die Aufmerksamkeit und Präsenz von Polizeibeamten auch tatsächlich „band“ und „erforderte“.

cc) Die weiter im Urteil festgestellten tätlichen Übergriffe anderer Gruppenmitglieder auf die hinter dem Gitter befindlichen Polizeibeamten, nämlich das vielfache und wiederholte Einschlagen mit Fäusten und mitgeführten Fahnenstangen, welche in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang („auf breiter Front, entlang der Gitterlinie“) mit dem Erstürmen des Gitters durch den Angeklagten W. stattfanden (UA S. 17) und bei denen einzelne Polizeibeamten konkret verletzt wurden (UA S. 19-20), ebenso wie die weiteren Tätlichkeiten auf dem Rathausvorplatz erfüllen nicht nur objektiv die Merkmale der vom Landgericht zur Anwendung gebrachten Straftatbestände bzw. Regelbeispiele (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 bzw. § 113 Abs. 1, Abs. 2 StGB), sondern sind dem Angeklagten auch gemäß § 25 Abs. 2 StGB als Mittäter zuzurechnen.

Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass der Angeklagte W. nicht selbst mit Fahnenstangen auf die Polizeibeamten eingeschlagen hat. Bei unmittelbarer Ausführung nur durch andere Beteiligte müssen deren Handlungen sich als Verwirklichung des gemeinsamen Tatplans darstellen (BGH, NStZ 2009, 25, juris). Maßgeblich ist eine wertende Gesamtbetrachtung. Hinsichtlich der Abgrenzung zur bloßen Teilnahme hat der Tatrichter einen in der Revision nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum (vgl. Fischer, a. a. O., § 25 Rn. 25). Kriterien für die Abgrenzung sind der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, den Umfang der Tatbeteiligung, die objektive Tatherrschaft und den Willen zur Tatherrschaft (vgl. insgesamt zum Maßstab und zur Abgrenzung Fischer, a. a. O., § 25 Rn. 26). Tatherrschaft setzt dabei voraus, dass der in Rede stehende Beteiligte im Zusammenwirken mit einem oder mehreren Anderen einen für das Gelingen der Tat wesentlichen Beitrag leistet, nicht erforderlich ist eine Mitwirkung am Kerngeschehen (vgl. BGH, NStZ 2009, 292, juris). Ein Mittäter muss seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit der anderen Täter und deren Beitrag als Ergänzung seines eigenen Tatanteils wollen. Dabei ist die Verteilung der Tatbeiträge grundsätzlich ohne Bedeutung, es reicht grundsätzlich jede Form der Förderung der als gemeinsam gewollten Tat, sei es auch nur durch Bestärken im Tatwillen (BGHSt 16,14, juris)

Unter Berücksichtigung vorstehend aufgezeigter Kriterien begegnet die Annahme von Mittäterschaft des Angeklagten W. keinen durchgreifenden Bedenken. Der Angeklagte hatte nicht nur ein deutliches eigenes Interesse am Taterfolg (Herunterreißen der Karikaturen) – dies belegen nicht zuletzt sein aktives arbeitsteiliges Mitwirken an der „Front des Geschehens“ wie auch der Umstand, dass er sich im Vorfeld in der Nähe des unzweifelhaft eine Führungsrolle einnehmenden Angeklagten Keskin aufhielt (UA S. 16), also zu keiner Zeit passiv am Rande des Geschehens war -, sondern er besaß mit Rücksicht auf sein zielstrebiges und funktional keineswegs untergeordnetes Verhalten im Rahmen des konkludent arbeitsteiligen Zusammenwirkens auch objektive Tatherrschaft und den Willen dazu. Hierdurch billigte er im Übrigen die durch die anderen Gruppenmitglieder begangenen Tätlichkeiten.

Eine Überschreitung des dem Tatrichter eingeräumten Beurteilungsspielraums ist auch unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) nicht gegeben. Vorliegend geht es nicht um die Frage einer pauschalen Haftung eines Demonstrationsteilnehmers, der sich (aktiv) an lediglich einzelnen Gewalttaten beteiligt, für alle anlässlich der Großdemonstration entstandenen Schäden, wie sie der vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidung (BGH NJW 1984, 1226) zugrunde lag. Es ist überdies verfassungsrechtlich unbedenklich, Rechtsgutverletzungen, die über die Missachtung behördlicher Maßnahmen – deren Rechtmäßigkeit zwar im Lichte des Art. 8 GG zu beurteilen ist, die mit Rücksicht auf die von der Gruppe der Angeklagten ausgehenden Tätlichkeiten hier aber keinem Zweifel unterliegt – hinausgehen, nach den allgemeinen Grundsätzen des Strafrechts zu ahnden (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 30. April 2007 – 1 BvR 1090/06 -, juris).

b) Im Hinblick auf den Rechtsfolgenausspruch bemerkt der Senat zu den Einzelausführungen:

aa) Keinen durchgreifenden Bedenken begegnet, dass das Landgericht die Strafe dem Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 1. Hs StGB entnommen und das Vorliegen eines minder schweren Falles ohne weitere Erörterung abgelehnt hat. Eine solche Erörterung drängte sich vor dem Hintergrund des keineswegs unbedeutenden, arbeitsteilig sich einfügenden Tatbeitrages des Angeklagten nicht auf.

bb) Auch die konkreten Strafzumessungserwägungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen.
28In der strafschärfenden Berücksichtigung der erheblichen Brutalität gegenüber den Polizeibeamten liegt kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, § 46 Abs. 3 StGB. Insbesondere hat das Landgericht damit nicht das (bloße) Vorliegen der Qualifikationsmerkmale des § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB strafschärfend gewertet. Das Verbot der Doppelverwertung von Strafzumessungstatsachen beinhaltet, dass die Merkmale des Tatbestandes, welche die Strafbarkeit begründen und der Bestimmung des gesetzlichen Strafrahmens zugrunde liegen, nicht nochmals bei der Strafzumessung berücksichtigt werden dürfen. Tatbestand in diesem Sinne sind ebenfalls die Voraussetzungen für die Anwendung eines bestimmten Strafrahmens, mithin von Qualifikationstatbeständen wie auch von Regelbeispielen (vgl. Fischer, a. a. O., § 46 Rn. 76 f.). Sowohl den Qualifikationen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB ebenso wie dem Regelbeispiel des § 113 Abs. 2 Nr. 1 StGB liegt die erhöhte Gefährlichkeit der Art und Weise der Tatbegehung, bei § 224 Absatz 1 Nr. 2 und § 113 Abs. 2 StGB erreicht durch Verwendung eines gefährlichen Werkzeuges, zugrunde, bei § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB bewirkt durch die gemeinschaftliche Begehungsweise. Die vom Landgericht strafschärfend berücksichtigte besondere Brutalität der Begehungsweise ist jedoch mit der (bloßen) Gefährlichkeit der Begehungsweise nicht notwendig gleichzusetzen. Sie kennzeichnet vielmehr die konkrete Qualität und Intensität der Einwirkung durch das gefährliche Werkzeug bzw. durch mehrere Beteiligte.

Ein Rechtsfehler bei der Strafzumessung ist auch nicht insoweit gegeben, als das Landgericht gegen den Grundsatz verstoßen hätte, dass die Strafe für jeden Mittäter grundsätzlich nach dem Maß der jeweiligen individuellen Schuld zu bestimmen ist (vgl. Fischer, a. a. O., § 46, Rn. 22 m. w. N.). Vielmehr hat das Landgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf unterschiedlich hohe Freiheitsstrafen für den Angeklagten W. und den Angeklagten K. erkannt und damit auch den individuellen Tatbeiträgen und sonstigen Zumessungsfaktoren Rechnung getragen.

3. Die Schuldsprüche der erstinstanzlichen Urteile hat der Senat wie tenoriert berichtigt, weil die Aufnahme von Strafzumessungsregeln – um eine solche handelt es sich bei § 125a StGB (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 125a Rn. 1) – oder das Vorliegen gesetzlicher Regelbeispiele für besonders schwere Fälle – wie für § 113 Abs. 2 StGB zutreffend (vgl. Fischer, a. a. O., § 113 Rn. 37) – nicht zur rechtlichen Bezeichnung der Tat im Sinne von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO und damit nicht in den Schuldspruch gehört (Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 260 Rn. 25).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Tim Wullbrandt || Strafrecht in Mannheim

Traurige Gewissheit für alle Autofahrer, denen aufgrund einer Alkoholfahrt der Führerschein durch ein Strafgericht im Rahmend es Verfahrens wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss entzogen wurde: Die Fahrerlaubnisbehörde muss bei einem Antrag auf Neuerteilung des Führerscheins zur Vorbereitung ihrer Entscheidung eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) anordnen.

MPU nach Entzug des Führerscheins durch Strafgericht zwingend nötig (VGH Baden-Württemberg · Urteil vom 7. Juli 2015 · Az. 10 S 116/15)

So jedenfalls entschied heute der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim, VGH Baden-Württemberg · Urteil vom 7. Juli 2015 · Az. 10 S 116/15. Die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss gemäß § 69 StGB löst im Sinne einer Tatbestandswirkung ohne Weiteres die Notwendigkeit der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung aus. Was war geschehen?

Der Fall:

Der im Jahre 1950 geborene Kläger fuhr am 27.12.2011 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,49 Promille Auto, wobei es auf einer Landstraße zum Unfall mit anschließender polizeilicher Aufnahme und Blutabnahme kam. Im Rahmen seiner Befragung durch die Polizei gab der Kläger an, er habe in der Zeit von 15.00 Uhr bis 16.45 Uhr drei Weinschorlen getrunken. Nach dem ärztlichen Protokoll über die Blutentnahme wurden der Gang des Klägers, die plötzliche Kehrtwendung, der Romberg-Test, die Finger-Finger-Probe und die Finger-Nasen-Probe jeweils als sicher beurteilt. Die Sprache sei deutlich, die Pupillen unauffällig, das Bewusstsein klar, der Denkablauf geordnet, die Stimmung ruhig und das Befinden normal. Insgesamt sei der Kläger zu allen Qualitäten orientiert; äußerlich scheine der Untersuchte nicht merkbar unter Alkoholeinfluss zu stehen. Fazit: Es lagen keine Ausfallerscheinungen vor.

Das Amtsgericht Ettenheim verurteilte den Kläger aufgrund des Vorfalls mit rechtskräftigem Urteil vom 13.06.2012 wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 55 Tagessätzen, entzog ihm die Fahrerlaubnis und ordnete eine Sperrfrist für die Neuerteilung von weiteren fünf Monaten an. Die vom Amtsgericht in der Hauptverhandlung als Sachverständige angehörte Rechtsmedizinerin Dr. U.S. erklärte, Blutalkoholkonzentration im Zeitpunkt des Unfalls habe zwischen 1,49 und 2,05 Promille gelegen – der Kläger habe also jedenfalls weit mehr Alkohol konsumiert als angegeben. Aufgrund der sehr wenigen Ausfallerscheinungen des Klägers müsse in jedem Fall eine massive Alkoholgewöhnung unterstellt werden.

Am 23.10.2012 beantragte der Kläger beim Landratsamt Ortenaukreis die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Das zuständige Landratsamt ordnete daraufhin die die MPU an.Hiergegen wurde geklagt, wegen des weiteren Prozessablaufes verweisen wir auf die Urteilsgründe.

Die Entscheidung:

Bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Strafrichter wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss sei nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d) FeV stets ohne Weiteres eine MPU anzuordnen, entschied der VGH heute. Dies belege bereits die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Der Verordnungsgeber messe der strafgerichtlichen Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt eigenständige Bedeutung zu. Auch eine solche Entscheidung gebe nach Ablauf der Sperrfrist noch Anlass zu Eignungszweifeln. Es komme in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob bei der Trunkenheitsfahrt der ansonsten geltende Schwellenwert von 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration (§ 13 Satz 1 Nr. 2c) FeV) überschritten worden sei.

Ablauf der Sperrfrist ist nicht gleichbedeutend mit Fahreignung

Entgegen der Auffassung des Klägers führt allein der Ablauf der vom Strafgericht festgelegten Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis gemäß § 69a StGB nicht dazu, dass wieder von der Fahreignung auszugehen ist. Die zeitliche Befristung der Sperre bedeutet nicht, dass die vom Strafrichter nach Maßgabe des § 69 Abs. 1 und 2 StGB verneinte Eignung mit dem Ablauf der Sperre automatisch wieder zu bejahen wäre. Die Sperrfrist gibt nur den Mindestzeitraum an, währenddessen der Verurteilte infolge seiner aus der begangenen Straftat abgeleiteten Gefährlichkeit für den Straßenverkehr in jedem Fall als ungeeignet anzusehen ist. Ob die eignungsausschließende Gefährlichkeit fortbesteht, ist im Anschluss daran von der Straßenverkehrsbehörde auch bei Ersttätern eigenständig zu beurteilen.

Anordnung der MPU ist zwingend

Die Fahrerlaubnisbehörde war darüber hinaus gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV verpflichtet, die Beibringung eder MPU anzuordnen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats ist geklärt, dass entgegen der Auffassung des Klägers unter Entziehung im Sinne des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV nicht nur die Entziehung durch die Verwaltungsbehörde, sondern auch die strafgerichtliche Entziehung aufgrund von § 69 StGB zu verstehen ist.

Dies galt im vorliegenden Fall auch, obwohl der Kläger wegen einer Blutakkoholkonzentration von unter 1,6 Promille verurteilt worden war – bei ihm war nach dem Ergebnis der Ermittlungen eindeutig, dass nicht von einer einmaligen Ausnahme auszugehen war, sondern dass er alkoholresistent sei und überdies durch den Unfall weitere Gefahren für Leib und Leben verwirklicht habe.

Fazit:

Wird der Führerschein aufgrund Alkohol am Steuer durch das Strafgericht entzogen, ist zur Neuerlangung die MPU im Regelfall zwingend nötig.


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Die Entscheidung im Volltext:

VGH Baden-Württemberg · Urteil vom 7. Juli 2015 · Az. 10 S 116/15
(Quelle: openJur.de)
1. Der Umstand, dass in zulässiger Weise nach Ablauf der Sperrfrist gemäß § 75 S 2 VwGO Untätigkeitsklage erhoben wurde, steht weder weitergehenden Aufklärungsmaßnahmen der Verwaltungsbehörde wie etwa dem Erlass einer Gutachtensanordnung noch dem auf § 11 Abs 8 S 1 FeV gestützten Schluss auf die Nichteignung des Fahrerlaubnisbewerbers entgegen.2. Die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss gemäß § 69 StGB löst im Sinne einer Tatbestandswirkung ohne Weiteres die Notwendigkeit der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung aus; die Vorschrift des § 13 S 1 Nr 2 Buchst d FeV knüpft explizit nicht an eine Kumulation der Gründe a) bis c) für die frühere Entziehung der Fahrerlaubnis an, sondern alternativ an das frühere Vorliegen eines dieser Gründe (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl. Urteil vom 18.06.2012 – 10 S 452/10 – VBlBW 2013, 19; sowie Senatsbeschluss vom 15.01.2014 – 10 S 1748/13 – VBlBW 2014, 348).3. Eine Gutachtensanordnung nach der Auffangvorschrift des § 13 S 1 Nr 2 Buchst a Alt 2 FeV kommt auch dann in Betracht, wenn der Schwellenwert nach Buchst c von 1,6 Promille bei der Trunkenheitsfahrt knapp unterschritten wurde, jedoch deutliche Indizien für eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung des Betroffenen wie etwa das Fehlen jeglicher Ausfallerscheinungen vorliegen und deshalb bei der Gesamtschau auf eine gravierende Alkoholproblematik geschlossen werden kann, die Zweifel am Trennungsvermögen begründet.

Verfahrensgangvorgehend VG Freiburg (Breisgau), 30. Juni 2014, Az: 2 K 700/13, UrteilDiese Entscheidung zitiertRechtsprechungFortführung Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 10. Senat, 15. Januar 2014, Az: 10 S 1748/13Fortführung Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 10. Senat, 18. Juni 2012, Az: 10 S 452/10TenorDie Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 30. Juni 2014 – 2 K 700/13 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 30. Juni 2014 – 2 K 700/13 – wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
  3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, M und L.

Der im Jahre 1950 geborene Kläger fuhr am 27.12.2011 gegen 16.55 Uhr auf gerader Strecke nach einer Kurve nicht weit genug rechts und kollidierte deshalb mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. Der bei ihm um 17.59 Uhr durchgeführte Alkotest ergab eine Atemalkoholkonzentration von 0,65 mg/l. Auf Anordnung der Polizei wurde dem Kläger um 18.43 Uhr eine Blutprobe entnommen, deren Untersuchung eine Blutalkoholkonzentration von 1,49 Promille ergab. Im Rahmen seiner Befragung durch die Polizei gab der Kläger an, er habe in der Zeit von 15.00 Uhr bis 16.45 Uhr drei Weinschorle getrunken. Nach dem ärztlichen Protokoll über die Blutentnahme wurden der Gang des Klägers, die plötzliche Kehrtwendung, der Romberg-Test, die Finger-Finger-Probe und die Finger-Nasen-Probe jeweils als sicher beurteilt. Die Sprache sei deutlich, die Pupillen unauffällig, das Bewusstsein klar, der Denkablauf geordnet, die Stimmung ruhig und das Befinden normal. Insgesamt sei der Kläger zu allen Qualitäten orientiert; äußerlich scheine der Untersuchte nicht merkbar unter Alkoholeinfluss zu stehen.

Das Amtsgericht Ettenheim verurteilte den Kläger aufgrund des Vorfalls am 27.12.2011 mit rechtskräftigem Urteil vom 13.06.2012 wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 55 Tagessätzen, entzog ihm die Fahrerlaubnis und ordnete eine Sperrfrist für die Neuerteilung von weiteren fünf Monaten an. Hinsichtlich der zugrunde liegenden Feststellungen verwies das Amtsgericht auf den Strafbefehl vom 14.03.2012, wonach zu Gunsten des Angeklagten von einer Blutalkoholkonzentration von 1,49 Promille ausgegangen wurde. Die vom Amtsgericht in der Hauptverhandlung als Sachverständige angehörte Rechtsmedizinerin Dr. U.S. erklärte, die vom Kläger bei seiner polizeilichen Vernehmung angegebene Trinkmenge von drei Weinschorlen reiche zur Erklärung der festgestellten Alkoholisierung des Klägers nicht aus. Die Blutalkoholkonzentration im Zeitpunkt des Unfalls habe zwischen 1,49 und 2,05 Promille gelegen. Aufgrund der sehr wenigen Ausfallerscheinungen des Klägers müsse in jedem Fall eine massive Alkoholgewöhnung unterstellt werden.

Am 23.10.2012 beantragte der Kläger beim Landratsamt Ortenaukreis die Neuerteilung der Fahrerlaubnis und legte dem Antrag eine Sehtest-Bescheinigung sowie den Nachweis der Teilnahme an einem Kurs über lebensrettende Sofortmaßnahmen am Unfallort bei. Das Führungszeugnis vom 22.11.2012 enthält keine Eintragung.

Mit Schreiben vom 29.01.2014 ordnete das Landratsamt zur Vorbereitung der Entscheidung über die Erteilung der beantragten Fahrerlaubnis „gemäß § 13 Nr. 2a Alternative 2 und 2d Fahrerlaubnisverordnung“ ein Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) an. Dieses Gutachten, das bis zum 23.04.2014 vorgelegt werden müsse, solle zu den Fragen Stellung nehmen, ob aufgrund der aktenkundigen Trunkenheitsfahrt zu erwarten sei, dass der Kläger künftig ein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde bzw. ob bei ihm Alkoholmissbrauch vorliege und/oder ob als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vorlägen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der beantragten Klasse in Frage stellten. Aus den vorliegenden Akten sei ersichtlich, dass der Kläger ein Kraftfahrzeug geführt habe, obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholkonsums fahruntüchtig gewesen sei. Außerdem lägen sonstige Tatsachen vor, welche die Annahme von Alkoholmissbrauch im straßenverkehrsrechtlichen Sinne begründeten. Die Sachverständige im Strafverfahren sei von einer Blutalkoholkonzentration zwischen 1,49 und 2,05 Promille ausgegangen und komme aufgrund der für diesen Wert nur geringen Ausfallerscheinungen des Klägers zu dem Ergebnis, dass eine massive Alkoholgewöhnung vorliege. Das an den Prozessbevollmächtigten des Klägers gerichtete Schreiben vom 29.01.2014 enthielt ferner den Hinweis, dass die Behörde auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen dürfe, wenn der Kläger das Gutachten nicht beibringe.

Bereits am 22.04.2013 hat der Kläger Untätigkeitsklage zum Verwaltungsgericht Freiburg erhoben und geltend gemacht, er habe bei dem Verkehrsunfall am 27.12.2011 eine Blutalkoholkonzentration von maximal 1,49 Promille aufgewiesen. An diese tatrichterliche Feststellung im Strafverfahren sei die Fahrerlaubnisbehörde nach § 3 Abs. 4 StVG gebunden. Damit lägen keine Tatbestände vor, auf die der Beklagte seine Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung stützen könne. Weder habe der Kläger ein Fahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt noch liege ein ärztliches Gutachten vor, welches ihm eine Alkoholabhängigkeit oder einen Alkoholmissbrauch bescheinige. Sofern der Beklagte aufgrund der Ausführungen der Sachverständigen im Strafverfahren zu der „Alkoholgewöhnung“ des Klägers davon ausgehe, dass im Sinne des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt. FeV sonstige Tatsachen vorlägen, welche die Annahme von Alkoholmissbrauch begründeten, sei dies im Hinblick auf die Schwelle für die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung bei Trunkenheitsfahrten von 1,6 Promille in der Regelung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV unzutreffend. Bei einer solch weiten Auslegung dieses Begriffs würden letztlich alle Alternativen des § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV überflüssig und die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Eignungsgutachtens in das willkürliche Belieben des Sachbearbeiters der Fahrerlaubnisbehörde gestellt. Im Übrigen stelle der Kläger in Abrede, dass er nach seiner Tat „sehr wenige Ausfallerscheinungen gezeigt“ habe. Die entsprechende gegenteilige Auffassung der Sachverständigen im Strafverfahren begründe deshalb keine Tatsache für die Annahme eines Alkoholmissbrauchs, sondern sei eine subjektiv geprägte Unterstellung. Die Sachverständige habe den Kläger nach dem Unfall nicht untersucht und könne deshalb zu den gezeigten Ausfallerscheinungen nichts sagen. Die Beurteilung des Zustands auf dem Untersuchungsprotokoll zur Blutentnahme sei ebenfalls keine Tatsachenfeststellung, sondern das Werturteil eines Polizeibeamten oder -arztes, der insofern nicht unbefangen sei, sondern seiner Aufgabe nachkomme, Personen ihrer Strafe zuzuführen. Die Gutachtensanordnung könne auch nicht darauf gestützt werden, dass dem Kläger die Fahrerlaubnis durch Strafurteil entzogen worden sei. Dies sei nur dann der Fall, wenn die Entziehung aus einem der Gründe des § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV erfolgt wäre, was sich jedoch dem Urteil des Amtsgerichts Ettenheim nicht entnehmen lasse. Im Gegenteil müsse man davon ausgehen, dass der Strafrichter beim Kläger die Eignung zur Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis ab dem 27.11.2012 gesehen habe. Im Übrigen werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Fahreignung des Klägers beantragt.

Mit Urteil vom 30.06.2014 hat das Verwaltungsgericht Freiburg die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die gemäß § 75 VwGO zulässige Untätigkeitsklage sei nicht begründet. Die Fahrerlaubnisbehörde sei zu Recht von der fehlenden Eignung des Klägers zum Führen eines Kraftfahrzeugs ausgegangen, weil er das geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht fristgerecht beigebracht habe. Das Vorliegen der Fahreignung werde vom Gesetz positiv als Voraussetzung für die Erteilung einer Fahrerlaubnis gefordert. Die Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens in dem Schreiben des Landratsamts vom 29.01.2014 genüge den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV; insbesondere enthalte die Gutachtensanforderung eine unter Berücksichtigung des konkreten Falles ausformulierte Fragestellung. Ebenso habe das Landratsamt dem Kläger die Gründe dargelegt, aus denen es seine Zweifel an dessen Kraftfahreignung ableite. Die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung der Fahreignung des Klägers sei auch materiell rechtmäßig. Entgegen der Auffassung des Klägers führe allein der Ablauf der vom Strafgericht festgelegten Sperrfrist gemäß § 69a StGB nicht dazu, dass wieder von der Fahreignung ausgegangen werden könne. Die Fahrerlaubnisbehörde habe die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu Recht auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV gestützt. Der in dieser Bestimmung verwendete Begriff der „Entziehung“ erfasse nicht nur die Entziehung durch die Verwaltungsbehörde, sondern grundsätzlich auch die – hier vorliegende – strafgerichtliche Entziehung. Das Amtsgericht Ettenheim habe dem Kläger die Fahrerlaubnis auch „wegen Alkoholmissbrauchs“ entzogen; der strafgerichtlichen Entziehung habe ausdrücklich zugrunde gelegen, dass der Kläger am 27.12.2011 trotz der Fahruntüchtigkeit aufgrund vorausgegangenen Alkoholgenusses einen PKW gefahren habe. Die Tat belege einen Alkoholmissbrauch, da der Kläger erwiesenermaßen nicht zwischen einem die Fahreignung ausschließenden Alkoholkonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs getrennt habe. Unabhängig hiervon lägen auch die Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt. FeV für die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung vor. Denn es lägen im Fall des Klägers auch sonstige Tatsachen vor, welche die Annahme von Alkoholmissbrauch im straßenverkehrsrechtlichen Sinne begründeten. Zwar rechtfertige eine einmalige Alkoholfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille nach dem Willen des Verordnungsgebers für sich genommen nicht die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf der Grundlage von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt. FeV. Bei dem Kläger bestehe jedoch eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung, welche die Gefahr eines auch zukünftig drohenden Alkoholmissbrauchs begründe. Aufgrund der Feststellungen des Arztes anlässlich der Blutentnahme und der protokollierten Beobachtungen der Polizeibeamten könne mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Kläger trotz des hohen Alkoholisierungsgrades von 1,49 Promille keine Ausfallerscheinungen gezeigt habe. Der Kläger habe selbst keine plausiblen Angaben gemacht, welche die protokollierten Feststellungen der Polizeibeamten und des Arztes in Frage stellen könnten. Dies gelte vor allem vor dem Hintergrund, dass der Kläger mit seinem Hinweis, er habe in der Zeit vor dem Fahrtantritt nur drei Weinschorle getrunken, selbst unrealistisch geringe Trinkmengen angegeben und damit seinen Alkoholkonsum bagatellisiert habe.

Mit Beschluss vom 13.01.2015 – dem Kläger zugestellt am 16.01.2015 – hat der Senat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Mit einem am 16.02.2015 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger unter Stellung eines Antrags die Berufung begründet: Die vom erstinstanzlichen Gericht herangezogene Vorschrift des § 11 Abs. 8 FeV und die darin geregelte Fiktion zur Unterstellung der Nichteignung des Klägers sei hier nicht anwendbar. Die Regelung in § 11 Abs. 8 FeV könne erkennbar nur dann Anwendung finden, solange sich ein Verfahren ausschließlich bei der Verwaltungsbehörde befinde. Der Kläger habe wegen Untätigkeit der Verwaltungsbehörde in zulässiger Weise Untätigkeitsklage erhoben, so dass nach dem Wortlaut der Vorschrift die Behörde nicht mehr formell bzw. materiell rechtmäßig die Beibringung eines Gutachtens verlangen könne. Im Falle einer bereits zulässigen Untätigkeitsklage sei lediglich das Verwaltungsgericht zu weiteren Sachverhaltsermittlungen befugt; andernfalls bestünde das Risiko, dass Fahrerlaubnisbehörde und Verwaltungsgericht divergierende Entscheidungen träfen. Aus diesem Grunde regele § 75 Satz 3 VwGO, wie das erstinstanzliche Gericht vorgehen könne, um der Behörde trotz Untätigkeit eine Entscheidung über den gestellten Antrag zu ermöglichen. Setze das Verwaltungsgericht entgegen § 75 VwGO das Verfahren nicht aus, könne auf die Fiktion des § 11 Abs. 8 FeV nicht mehr zurückgegriffen werden. Aus diesem Grund habe der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung seiner Fahreignung beantragt. Von einer unberechtigten Verweigerung im Sinne von § 11 Abs. 8 FeV könne auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Kläger mit der Beantragung eines Sachverständigengutachtens im gerichtlichen Verfahren alles aus seiner Sicht Nötige zur Klärung der Kraftfahreignung veranlasst habe.

Die Gutachtensanordnung mit Schreiben vom 29.01.2014 sei auch aus anderen Gründen formell und materiell rechtswidrig. So habe die Fahrerlaubnisbehörde die Gutachtensanordnung auf § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV gestützt; weshalb bei einer derartigen Ermächtigungsgrundlage die nur für die Anforderung ärztlicher Gutachten nach § 11 Abs. 3 und 6 FeV geltende Sondervorschrift des § 11 Abs. 8 FeV Anwendung finden solle, werde im Urteil nicht begründet. In fehlerhafter Weise habe die Fahrerlaubnisbehörde die Gutachtensanordnung nicht an den Kläger, sondern an die Rechtsanwälte Dr. S. und Partner gerichtet. Die Gutachtensanordnung sei auch nicht aus sich heraus verständlich. Weder werde in dem Schreiben eine Hervorhebung von Fragen veranlasst noch würden Gründe dargelegt, welche Jahre nach einem einmaligen Vorfall vom 27.12.2011 noch Eignungszweifel begründen könnten. Die Gutachtensanordnung erschöpfe sich in Unterstellungen und halte dem Kläger in unzulässiger Weise einen unkontrollierten Alkoholkonsum vor; aufgrund dieser Unterstellungen müsse der nicht juristisch vorgebildete Gutachter von falschen Anknüpfungstatsachen ausgehen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts lägen die Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV für die Anordnung einer Begutachtung nicht vor. Die strafgerichtliche Fahrerlaubnisentziehung sei nicht eine solche im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV. Mit der strafgerichtlichen Entziehung als Maßregel der Besserung und Sicherung im Sinne von § 61 Nr. 5, § 69 StGB werde repressiv vergangenes Unrecht geahndet. Der Strafrichter bestrafe mit der Maßregel ein in der Vergangenheit liegendes Fehlverhalten; er entziehe nicht wegen Anzeichen für einen Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne. Der Strafrichter sei auch nicht für einen Antrag auf Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis zuständig, so dass er auch nicht inzident zur Klärung der Frage der Fahreignung befugt sei. Die vom Verwaltungsgericht im Anschluss an die Rechtsprechung des Senats vertretene Auslegung von § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV widerspreche der Gesetzessystematik. Anders als in § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV werde in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV keine Differenzierung zwischen der Entziehung durch die Fahrerlaubnisbehörde und der Entziehung durch ein Strafgericht vorgenommen; damit habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV lediglich die verwaltungsbehördliche Entziehung gemeint sei. Hätte der Gesetzgeber generell auch strafgerichtliche Entziehungen berücksichtigen wollen, wäre dies in § 13 FeV zum Ausdruck gebracht worden. Auch verkennten das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof, dass bei der von ihnen vertretenen Auslegung die Regelungen in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c keinen eigenen Anwendungsbereich mehr hätten. Die Vorschrift des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a FeV sei deshalb nicht eine Auffangregelung bei Ersttätern mit Blutalkoholkonzentrationen von unter 1,6 Promille. Für die Anwendung von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a FeV müssten deshalb zusätzliche Tatsachen außerhalb der strafgerichtlich abgeurteilten Tat vorliegen, welche die Annahme von Alkoholmissbrauch beachtlich erscheinen ließen. Umstände, welche in strafrechtlicher Hinsicht zur Entziehung der Fahrerlaubnis geführt hätten, dürften im Rahmen von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a FeV bereits wegen des Verbots der Doppelbestrafung nicht berücksichtigt werden. Die Auslegung von § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV durch den baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof werde in anderen Bundesländern, etwa in Bayern, zu Recht nicht geteilt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 30. Juni 2014 – 2 K 700/13 – zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, M und L zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Beklagte tritt der Berufung entgegen und verweist zur Begründung auf seine Verfügung und das von ihm für richtig gehaltene Urteil des Verwaltungsgerichts. Er macht ergänzend geltend, der Kläger habe am 27.12.2011 im fahruntüchtigen Zustand ein Kraftfahrzeug geführt und dadurch einen Alkoholmissbrauch im straßenverkehrsrechtlichen Sinne gezeigt.

Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Verwaltungsgerichts und die Fahrerlaubnisakte des Landratsamts vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf und auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

Die vom Senat zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die nach Ablauf der dreimonatigen Sperrfrist gemäß § 75 Satz 2 VwGO erhobene Untätigkeitsklage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, M und L, noch auf entsprechende erneute Entscheidung über seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist in der hier vorliegenden Konstellation der Untätigkeitsklage die letzte mündliche Verhandlung des Senats (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.02.2014 – 3 C 1.13 – BVerwGE 149, 74; sowie vom 29.01.2009 – 3 C 31.07 – NJW 2009, 1687).

Nach § 20 Abs. 1 FeV gelten im Verfahren auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung die Vorschriften über die Ersterteilung. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG müssen Fahrerlaubnisbewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein. Dies ist gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG, § 11 Abs. 1 Satz 1 FeV der Fall, wenn sie die körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen haben. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV sind die Anforderungen insbesondere dann nicht erfüllt, wenn ein Mangel oder eine Erkrankung im Sinne von Anlage 4 oder 5 zur Fahrerlaubnis-Verordnung vorliegt. Gibt es hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Mangel vorliegen könnte, ist die Fahrerlaubnisbehörde nach Maßgabe der §§ 11 bis 14 FeV dazu berechtigt oder sogar verpflichtet, Maßnahmen zur Aufklärung bestehender Fahreignungszweifel zu ergreifen. Geht es – wie hier – um eine Alkoholproblematik und somit um Anhaltspunkte für einen Mangel im Sinne von Nummer 8 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung, richten sich die von der Fahrerlaubnisbehörde zu treffenden Maßnahmen zur Klärung von Eignungszweifeln wegen des Alkoholverhaltens des Fahrerlaubnisbewerbers in erster Linie nach der Bestimmung des § 13 FeV.

Das Vorliegen der Fahreignung wird vom Gesetz positiv als Voraussetzung für die Erteilung einer Fahrerlaubnis gefordert; die Nichtfeststellbarkeit der Fahreignung geht also zu Lasten des Bewerbers (vgl. Dauer, in: Henschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 2 StVG Rn. 41). Ein Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis besteht nicht, solange Eignungszweifel vorliegen, welche die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens rechtfertigen (vgl. Senatsurteil vom 18.06.2012 – 10 S 452/10 – VBlBW 2013, 19). Wenn sich der Betroffene weigert, sich untersuchen zu lassen, oder das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Ein Schluss auf die Nichteignung ist indes nur zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 05.07.2001 – 3 C 13.01 – NJW 2002, 78; sowie vom 09.06.2005 – 3 C 25.04 – NJW 2005, 3081; Senatsurteil vom 10.12.2013 – 10 S 2397/12 – VBlBW 2014, 337). Die Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens genügt den gemäß § 11 Abs. 6 FeV einzuhaltenden formell-rechtlichen Erfordernissen (dazu unter 1.), auch bestehen gegen sie nicht die von dem Kläger geltend gemachten materiell-rechtlichen Bedenken (dazu unter 2.).

1. Die Anordnung des Landratsamts vom 29.01.2014 zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens genügt den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV. Danach legt die Fahrerlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind (Satz 1). Die Behörde teilt dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an der Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stellen mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat; sie teilt ihm außerdem mit, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann (S. 2).

Aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Regelung folgt, dass schon in der Gutachtensanordnung die Konkretisierung des Untersuchungsthemas zu erfolgen hat. Denn die Fragestellung ist nach dem Willen des Verordnungsgebers „in der Anordnung festzulegen und hat zudem die Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen“. Damit wird der zuständigen Behörde die Pflicht auferlegt, bereits in der Anordnung der Gutachtensbeibringung festzulegen, welche konkreten Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zu untersuchen sind. Wird hingegen in der Gutachtensanordnung lediglich das Ziel genannt, die Fahreignung des Betroffenen zu klären, erschöpft sie sich in der Wiederholung des Gesetzestextes und lässt nicht erkennen, dass die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigt worden sind. Hat die Entscheidung, was Gegenstand der Begutachtung sein soll, aber bereits im Rahmen der an den Betroffenen gerichteten Anordnung zu fallen, folgt hieraus auch, dass die zuständige Behörde dem Betroffenen die jeweilige Fragestellung nach § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV in der Anordnung mitzuteilen hat. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 6 FeV, der eine Mitteilungspflicht erst gegenüber der untersuchenden Stelle in § 11 Abs. 6 Satz 4 FeV erwähnt, wohl aber aus Sinn und Zweck der Regelung. Erst die Offenlegung gegenüber dem Betroffenen führt zu einer verbindlichen Fragestellung, an die sich der Gutachter zu halten hat (vgl. Nr. 1. a der Anlage 4a zu § 11 Abs. 5 der Fahrerlaubnis-Verordnung). Vor allem ist die Mitteilung der Fragestellung aber im Hinblick auf die gravierenden Folgen des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV bei einer Verweigerung der Begutachtung geboten, zumal die Anordnung nicht selbstständig anfechtbar ist (vgl. Senatsbeschluss vom 24.06.2002 – 10 S 985/02 – VBlBW 2002, 441, m.w.N.). Denn nur die Mitteilung der konkreten Fragestellung versetzt den Betroffenen in die Lage, sich innerhalb der nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV gesetzten Frist ein Urteil darüber zu bilden, ob die Aufforderung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist, oder ob er sich ihr verweigern darf, ohne befürchten zu müssen, dass ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis unter Berufung auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV wegen Nichteignung entzieht. Nur bei genauer Kenntnis der Fragestellung kann sich der Betroffene auch darüber schlüssig werden, ob er sich – unbeschadet der Rechtmäßigkeit der Anordnung – der Untersuchung seiner Persönlichkeit und gegebenenfalls den körperlichen Eingriffen und der psychologischen Exploration aussetzen will, die mit der Eignungsbegutachtung einhergehen können. Schließlich ist die Mitteilung der Fragestellung an den Betroffenen geboten, um diesem die Prüfung zu ermöglichen, ob sich die Begutachtungsstelle an die Fragestellung der Behörde hält und ob die ihm und dem Gutachter mitgeteilten Fragen identisch sind (vgl. zum Ganzen Senatsurteil vom 10.12.2013 – 10 S 2397/12 – a.a.O.; Senatsbeschlüsse vom 20.04.2010 – 10 S 319/10 – VBlBW 2010, 323; sowie vom 10.12.2010 – 10 S 2173/10 – VBlBW 2011, 196).

Welche Anforderungen § 11 Abs. 6 FeV an die Bestimmtheit der behördlichen Fragestellung stellt, kann dabei nicht abschließend abstrakt bestimmt werden. Auszugehen ist jedenfalls von der bzw. den für die jeweilige Fragestellung in Betracht kommenden, eine Gutachtensanordnung gebietenden oder in das Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde stellenden Befugnisnorm bzw. -normen in der Fahrerlaubnis-Verordnung. Bereits deren tatbestandliche Voraussetzungen geben gewisse eingrenzende Zielrichtungen für die zu formulierende konkrete Fragestellung vor. In jedem Fall hat die Fahrerlaubnisbehörde die konkretisierende Fragestellung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls festzulegen und dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Eignungszweifel mitzuteilen. Etwa eine bloße sinngemäße Wiedergabe der Tatbestandsvoraussetzungen der Befugnisnorm genügt grundsätzlich nicht. Sodann ist auf der Rechtsfolgenseite ein hinreichender innerer Zusammenhang zwischen dem für die Eignungszweifel Anlass gebenden Ausgangssachverhalt und dem in der Gutachtensanordnung festgelegten Prüfprogramm zu fordern. Dies folgt bereits aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der überschießenden – vom Untersuchungsanlass her gesehen nicht erforderlichen – Untersuchungsvorgaben bzw. -inhalten mit Blick auf die damit einhergehenden Eingriffe in die Rechte des Betroffenen entgegensteht (vgl. zum Ganzen näher Senatsbeschluss vom 30.06.2011 – 10 S 2785/10 – NJW 2011, 3257).

Diesen formellen Anforderungen genügt das Schreiben des Landratsamts Ortenaukreis vom 29.01.2014. Insbesondere lässt sich dem Schreiben hinreichend deutlich entnehmen, welcher Sachverhalt nach Auffassung der Fahrerlaubnisbehörde die Eignungszweifel begründet. So legt die Fahrerlaubnisbehörde auf Seite 2 des Anforderungsschreibens vom 29.01.2014 – gesondert hervorgehoben vom übrigen Begründungsteil – dar, dass der Kläger am 27.12.2011 gegen 16.45 Uhr ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt habe, obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholkonsums fahruntüchtig gewesen sei. Ferner stellt die Fahrerlaubnisbehörde näher dar, dass mit den Ausführungen der Sachverständigen des Instituts für Rechtsmedizin und den Beobachtungen des die Blutentnahme durchführenden Arztes zusätzliche Anhaltspunkte für eine erhebliche Alkoholgewöhnung des Klägers vorlägen, die ebenfalls auf einen Alkoholmissbrauch im straßenverkehrsrechtlichen Sinne hindeuteten. Damit hat das Landratsamt für den Kläger hinreichend deutlich die Gründe dargelegt, aus denen es seine Zweifel an dessen Kraftfahreignung ableitet. Auch die in der Gutachtensanordnung aufgeworfene Fragestellung begegnet im Ergebnis entgegen der Annahme des Klägers keinen rechtlichen Bedenken. Die Fragestellung lautet:

„ob aufgrund der aktenkundigen Trunkenheitsfahrt zu erwarten ist, dass Ihr Mandant künftig ein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird bzw. ob bei ihm Alkoholmissbrauch vorliegt und/oder ob als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vorliegen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der beantragten Klasse in Frage stellen“.

Diese mit der Anordnung verbundene Fragestellung ist inhaltlich angemessen und verhältnismäßig. Fehl geht die Rüge des Klägers, in der Gutachtensanordnung habe die Frage eines möglichen Alkoholmissbrauchs nicht aufgeworfen werden dürfen. Anlass für die Gutachtensanordnung war in tatsächlicher Hinsicht die strafgerichtlich abgeurteilte Trunkenheitsfahrt des Klägers am 27.12.2011 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,49 Promille. Vor diesem Hintergrund ist die Frage nach einem zukünftigen etwa alkoholbeeinflussten Verkehrsverhalten, die eine psychologische Untersuchung und Prognose erfordert, anlassbezogen und inhaltlich angemessen (vgl. zu einer ähnlichen Fallgestaltung Senatsbeschluss vom 10.12.2010 – 10 S 2173/10 – a.a.O.). Im Ergebnis ist auch der zweite, die medizinische Untersuchung betreffende Teil der Fragestellung hinreichend bestimmt, sachlich angemessen und verhältnismäßig. Dabei ist zunächst die Verknüpfung mit „und/oder“ hier nicht etwa dahin zu verstehen, dass offen bleibt, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen auch der zweite Teil der Fragestellung Gegenstand des zu erstellenden Gutachtens sein soll. Vielmehr soll mit der entsprechenden Verknüpfung wohl im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes der rechtlichen Notwendigkeit Rechnung getragen werden, dass nur die dem Untersuchungsanlass entsprechenden und für eine verlässliche Klärung der Fahreignung notwendigen Untersuchungen angeordnet werden. Im Ergebnis ist es jedenfalls rechtlich nicht zu beanstanden, wenn entsprechend der zwingenden Vorgabe in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und d FeV ein kumuliertes medizinisches und psychologisches Gutachten mit entsprechender, beide Aspekte abdeckender Fragestellung angeordnet wird (vgl. zum Ganzen Senatsbeschluss vom 10.12.2010 – 10 S 2173/10 – a.a.O.).

Auch die übrigen von dem Kläger gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung erhobenen Rügen gehen fehl. Rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landratsamt das Anordnungsschreiben vom 29.01.2014 nicht persönlich an ihn, sondern an die Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten gerichtet hat. Da der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten bereits im Verwaltungsverfahren mandatiert und dieser gegenüber der Behörde eine entsprechende Vollmacht vorgelegt hat, war die Behörde gemäß § 13 Abs. 3 LVwVfG zumindest berechtigt, sich auch für Mitwirkungshandlungen an den Prozessbevollmächtigten zu wenden. Es versteht sich in diesem Zusammenhang von selbst, dass derartige Anschreiben von dem Prozessbevollmächtigten an seinen Mandanten weiterzuleiten sind. Auch die sonstige Gestaltung des Anforderungsschreibens vom 29.01.2014 war nicht geeignet, die Willensentschließungsfreiheit des Klägers zu beeinflussen und ist deshalb in formell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere für den vom Kläger beanstandeten Hinweis auf Seite 1 des Schreibens auf die Möglichkeit, auch eine Fahrerlaubnis weiterer Klassen (vor allem der Klassen C1 und C1E) unter bestimmten Voraussetzungen wieder zu erwerben. Im Ansatz zutreffend weist der Kläger freilich darauf hin, dass er bei der Fahrerlaubnisbehörde zuvor nur die Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, M und L beantragt hat. Die beanstandeten Ausführungen waren jedoch ohne Weiteres als bloßer rechtlicher Hinweis der Fahrerlaubnisbehörde zu verstehen, welcher die Verständlichkeit der Anordnung vom 29.01.2014 und daran anknüpfend die Willensentschließungsfreiheit des Klägers nicht beeinflussen konnte. Schließlich wurde dem Kläger in der Anordnung auch entsprechend den rechtlichen Vorgaben in § 11 Abs. 6 Satz 2 2. Halbsatz FeV mitgeteilt, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Fahrerlaubnisbehörde zum Zeitpunkt des Erlasses der Gutachtensanordnung die einschlägigen Akten bereits dem Verwaltungsgericht vorgelegt hat. Daraus kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht geschlossen werden, dass die Fahrerlaubnisbehörde eine entsprechende Einsichtnahme in die Akten vereitelt hat. Denn die Akten hätten trotz Vorlage an das Verwaltungsgericht im Falle einer von dem Kläger gewünschten Begutachtung innerhalb der gesetzten Frist an die Begutachtungsstelle übersandt und zuvor vom Kläger eingesehen werden können.

2. Der Senat teilt die Auffassung der Fahrerlaubnisbehörde und des Verwaltungsgerichts, dass die Fahreignung des Klägers zwingend durch eine medizinisch-psychologische Begutachtung zu klären war.

2.1 Entgegen der Auffassung des Klägers führt allein der Ablauf der vom Strafgericht festgelegten Sperrfrist gemäß § 69a StGB nicht dazu, dass wieder von der Fahreignung auszugehen ist. Die zeitliche Befristung der Sperre bedeutet nicht, dass die vom Strafrichter nach Maßgabe des § 69 Abs. 1 und 2 StGB verneinte Eignung mit dem Ablauf der Sperre automatisch wieder zu bejahen wäre. Die Sperrfrist gibt nur den Mindestzeitraum an, währenddessen der Verurteilte infolge seiner aus der begangenen Straftat abgeleiteten Gefährlichkeit für den Straßenverkehr in jedem Fall als ungeeignet anzusehen ist. Ob die eignungsausschließende Gefährlichkeit fortbesteht, ist im Anschluss daran von der Straßenverkehrsbehörde auch bei Ersttätern eigenständig zu beurteilen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 20.02.1987 – 7 C 87.84 – BVerwGE 77, 40; Senatsurteil vom 18.06.2012 – 10 S 452/10 – a.a.O.).

2.2 Der Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung steht nicht entgegen, dass der Kläger zum Zeitpunkt ihres Erlasses am 29.01.2014 bereits Untätigkeitsklage zum Verwaltungsgericht Freiburg erhoben hat. Fehl geht die Auffassung der Berufung, nach zulässiger Erhebung einer Untätigkeitsklage sei die Verwaltungsbehörde nur noch dann zum Erlass eines Verwaltungsakts oder zu der Vornahme von Aufklärungsmaßnahmen befugt, wenn das Verwaltungsgericht eine entsprechende Frist gemäß § 75 Satz 3 VwGO gesetzt habe. Dieses Verständnis kann weder der Regelung in § 75 Satz 3 VwGO noch der Binnensystematik von § 75 VwGO entnommen werden. Eine Fristsetzung gemäß § 75 Satz 3 VwGO kommt nur in Betracht, wenn trotz Ablaufs der Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO ein zureichender Grund für die Untätigkeit der Verwaltung vorliegt. Die Aussetzung des Verfahrens durch das Verwaltungsgericht nach zulässiger Erhebung der Untätigkeitsklage hat lediglich zur Folge, dass nach Ergehen des beantragten Verwaltungsakts eine gerichtliche Sachentscheidung erst nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens zulässig ist (vgl. hierzu grundlegend BVerwG, Urteil vom 23.03.1973 – IV C 2/71 – BVerwGE 42, 108). Verfährt das Verwaltungsgericht – wie hier – nicht nach § 75 Satz 3 VwGO, ist die Durchführung eines Vorverfahrens als Voraussetzung für eine gerichtliche Sachentscheidung selbst dann nicht notwendig, wenn die Behörde den Kläger während des Rechtsstreits doch noch ablehnend bescheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.01.1983 – 5 C 114.81 – BVerwGE 66, 342). Dieser Regelungszusammenhang zeigt, dass die Behörde auch nach zulässiger Erhebung einer Untätigkeitsklage nicht nur berechtigt, sondern regelmäßig sogar gehalten ist, das Verwaltungsverfahren eigenständig weiter zu fördern und mit einer Sachentscheidung abzuschließen. Die Erhebung einer Untätigkeitsklage hatte deshalb keine Auswirkungen auf die Verpflichtung der Fahrerlaubnisbehörde, den Sachverhalt durch Erlass einer Gutachtensanordnung aufzuklären und gegebenenfalls gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV bei Nichtvorlage die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Ebenso ist der Senat mit Blick auf den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der mündlichen Verhandlung gehalten, die Nichtvorlage einer rechtmäßigen Gutachtensanordnung nach Maßgabe des § 11 Abs. 8 FeV zu berücksichtigen.

2.3 Entgegen der Auffassung des Klägers kommt die Ungeeignetheitsvermutung gemäß § 11 Abs. 8 S. 1 FeV auch dann zur Anwendung, wenn die Klärung von Eignungszweifeln wegen einer Alkoholproblematik auf der Grundlage von § 13 Satz 1 FeV in Rede steht. Der von dem Kläger aufgrund einer systematischen Überlegung gezogene Schluss, die Vorschrift des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV beziehe sich lediglich auf die Anordnung einer ärztlichen Begutachtung gemäß der vorstehenden Absätze in § 11 FeV, geht fehl. Vielmehr spricht sowohl eine systematische als auch eine teleologische Betrachtung für die Anwendung von § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV bei Nichtbeibringung eines auf der Grundlage von § 13 Satz 1 FeV wegen einer Alkoholproblematik geforderten medizinisch-psychologischen Eignungsgutachtens. Die Bestimmung des § 13 FeV ist eine Spezialvorschrift gegenüber § 11 FeV und regelt abschließend die Maßnahmen, die zu ergreifen sind bei Verdacht auf Alkoholabhängigkeit oder -mißbrauch (vgl. die Begründung der Bundesregierung in VkBl 98, 1070). Daher findet auch bei der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung die gleichsam vor die Klammer gezogene allgemeine Bestimmung des § 11 Abs. 8 S. 1 FeV Anwendung. Im Übrigen wäre es unter Wertungsgesichtspunkten nicht nachvollziehbar, wenn der Schluss auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV nicht im Bereich der besonders schwerwiegenden alkoholbedingten Eignungsmängel möglich wäre. In Übereinstimmung hiermit hat das Bundesverwaltungsgericht ohne nähere Problematisierung die Vorschrift des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV in Fallgestaltungen angewandt, in denen die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf der Grundlage von § 13 FeV in Rede stand (vgl. BVerwG, Urteile vom 28.04.2010 – 3 C 2.10 – BVerwGE 137, 10; sowie vom 11.12.2008 – 3 C 26.07 – BVerwGE 132, 315).

2.4 Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass für die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens die erforderliche Ermächtigungsgrundlage bestand. Die Fahrerlaubnisbehörde war sowohl gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d (dazu unter 2.4.1) als auch nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a FeV (dazu unter 2.4.2) zwingend und ohne Ermessensbetätigung verpflichtet, eine medizinisch-psychologische Begutachtung des Klägers anzuordnen.

2.4.1 Wie das Verwaltungsgericht zutreffend im Einzelnen näher dargelegt hat, war die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV verpflichtet, die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen. Nach dieser Vorschrift ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn die Fahrerlaubnis aus einem der unter den Buchstaben a bis c genannten Gründe entzogen war.

2.4.1.1 Dem Kläger ist die Fahrerlaubnis durch strafgerichtliches Urteil entzogen worden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats ist geklärt, dass entgegen der Auffassung des Klägers unter Entziehung im Sinne des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV nicht nur die Entziehung durch die Verwaltungsbehörde, sondern auch die strafgerichtliche Entziehung aufgrund von § 69 StGB zu verstehen ist (vgl. näher Senatsurteil vom 18.06.2012 – 10 S 452/10 – a.a.O.; bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 24.06.2013 – 3 B 71.12 – NJW 2013, 3670). Vor allem der Sinn und Zweck von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV sprechen dafür, dass die verwaltungsbehördliche und die strafgerichtliche Fahrerlaubnisentziehung gleichermaßen von der Bestimmung erfasst sind. Grund für die Fahrerlaubnisentziehung war jeweils, dass der Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen wurde. Dem kann nicht der Einwand der Berufung entgegengehalten werden, der Verordnungsgeber habe in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV anders als in der strukturgleichen Vorschrift des § 14 Satz 2 Nr. 1 FeV nicht zum Ausdruck gebracht, dass sowohl Fahrerlaubnisentziehungen durch die Verwaltungsbehörde als auch durch die Strafgerichte erfasst sein sollen. Die Geschichte der Fahrerlaubnis-Verordnung bestätigt vielmehr das hier vertretene Normverständnis. Der Verordnungsgeber hat das Urteil des erkennenden Senats vom 18.05.2004 – (10 S 2796/03 – VBlBW 2004, 428), in dem der Senat bereits in Bezug auf die damals noch gleichlautende Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV zum Ergebnis gekommen war, dass sowohl Fahrerlaubnisentziehungen durch die Verwaltungsbehörden als auch durch die Gerichte erfasst seien, zum Anlass genommen, mit der Vierten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18.07.2008 (BGBl. I S. 1338) auch den Wortlaut von § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV um eine entsprechende Klarstellung zu ergänzen. Zur Begründung hat der Verordnungsgeber hervorgehoben, den Regelungen des Straßenverkehrsgesetzes könne entnommen werden, dass sich der Gesetzgeber beim Erlass der Möglichkeit der Entziehung einer Fahrerlaubnis aufgrund von § 69 StGB und durch einen anfechtbaren Verwaltungsakt der Fahrerlaubnisbehörde bewusst gewesen sei. Wenn in der aufgrund von § 6 Abs. 1 StVG erlassenen Fahrerlaubnis-Verordnung der Begriff der Entziehung der Fahrerlaubnis verwendet werde, so sei davon auszugehen, dass damit beide Wege der Entziehung der Fahrerlaubnis gemeint seien. Die Beschränkung des Begriffs der Entziehung der Fahrerlaubnis auf die Feststellung der Fahrungeeignetheit in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren widerspräche der Vorrangstellung, die der Gesetzgeber (vgl. § 3 Abs. 3 StVG) der im Rahmen eines Strafverfahrens erfolgenden Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis beimesse (VkBl 2008, 567). Diese Gründe treffen in gleicher Weise auf die Parallelregelung in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV zu. Die Bestimmungen unterscheiden sich der Sache nach nur dadurch, dass es bei § 13 FeV um die Klärung von Eignungszweifeln bei einer Alkoholproblematik und bei § 14 FeV um die Klärung solcher Eignungsbedenken im Hinblick auf Betäubungsmittel und Arzneimittel geht. Entgegen der Auffassung des Klägers kann daraus, dass der Verordnungsgeber eine entsprechende Ergänzung des Normtextes nicht auch in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV vorgenommen hat, nicht geschlossen werden, dass dort etwas Anderes gelten soll (so ausdrücklich BVerwG, Beschluss vom 24.06.2013 – 3 B 71.12 – a.a.O.).

2.4.1.2 Die Fahrerlaubnis ist dem Kläger wegen Alkoholmissbrauchs und damit aus einem der unter den Buchstaben a bis c des § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV genannten Gründe entzogen worden. Der Verweis auf die unter den Buchstaben a bis c genannten Gründe in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV bedarf der Auslegung. In ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich regeln die Buchstaben a bis c nämlich nur die Voraussetzungen für die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, nicht aber Tatbestände, die unmittelbar zur Entziehung führen. Aus dem Buchstaben a wird deutlich, dass es darin um die Aufklärung geht, ob Alkoholmissbrauch im straßenverkehrsrechtlichen Sinne, d.h. das Unvermögen zur hinreichend sicheren Trennung eines die Verkehrssicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsums vom Führen von Kraftfahrzeugen, vorliegt. Nicht schon der Verdacht auf Alkoholmissbrauch, sondern erst dessen Feststellung rechtfertigt jedoch die Entziehung. Die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens hat nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV daher jedenfalls dann zu erfolgen, wenn die Fahrerlaubnis wegen Alkoholmissbrauchs entzogen worden war (vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 13 FeV Rn. 26). Lag in der Vergangenheit Alkoholmissbrauch vor, ist die Fahreignung gemäß Nummer 8.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung erst dann wieder gegeben, wenn der Missbrauch beendet und die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist. Dies ist durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten aufgrund von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV zu klären. Wie der Senat in seinem Urteil vom 18.06.2012 – (10 S 452/10 – a.a.O.) im Einzelnen dargelegt hat, knüpft die tatbestandliche Voraussetzung einer vorausgegangenen Entziehung der Fahrerlaubnis „aus einem der unter den Buchstaben a bis c genannten Gründe“ im Sinne einer Tatbestandswirkung nur an die den genannten Buchstaben jeweils zugrunde liegenden Sachgründe an, ohne dass auch die Tatbestandsvoraussetzungen der jeweiligen Bestimmungen für eine Gutachtensanordnung vorliegen und geprüft werden müssten. So genügt bei Anknüpfung an Buchstabe a insoweit die Feststellung, dass die frühere (verwaltungsbehördliche oder strafgerichtliche) Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Alkoholmissbrauchs erfolgt ist (vgl. auch Senatsbeschluss vom 15.01.2014 – 10 S 1748/13 – NJW 2014, 1833; ebenso OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 22.05.2013 – 1 M 123/12 – ZfSch 2013, 595; VG München, Beschluss vom 19.08.2014 – M 6b E 14.2930 – DAR 2014, 712; offen gelassen von OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.01.2015 – 16 B 1374/14 – juris; und nunmehr von Bay.VGH, Beschlüsse vom 08.10.2014 – 11 CE 14.1776 – DAR 2015, 35; sowie vom 28.11.2014 – 11 CE 14.1962 – juris, a.A. VG München, Urteil vom 09.12.2014 – M 1 K 14.2841 – DAR 2015, 154; VG Würzburg, Beschluss vom 21.07.2014 – W 6 E 14.606 – DAR 2014, 541).

An dieser Betrachtung hält der Senat in Kenntnis der in der Rechtsprechung und Literatur (vgl. etwa Mahlberg, DAR 2014, 419; Zwerger, jurisPR-VerkR 5/2015 Anm. 1) dagegen erhobenen Einwände auch nach erneuter Überprüfung fest. Die hiergegen geltend gemachten systematischen und teleologischen Bedenken überzeugen nicht.

Entgegen der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in der Vergangenheit vertretenen Auffassung (vgl. Beschlüsse vom 20.03.2009 – 11 CE 08.3308 – Blutalkohol 46, 299; sowie vom 09.02.2009 – 11 CE 08.3028 – SVR 2009, 113; ähnlich VG Würzburg, Beschluss vom 21.07.2014 – W 6 E 14.606 – a.a.O.) kann der vom Senat bevorzugten Auslegung von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV nicht entgegengehalten werden, dass sie zu einem Wertungswiderspruch zu den Regelungen in Buchstabe b und c der Bestimmung führen würde, wonach entweder wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss oder das Führen eines Fahrzeugs mit einer Blutalkoholkonzentration von über 1,6 Promille Voraussetzung für die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist. Weder die Binnensystematik noch der Sinn und Zweck von § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV lassen indes den Schluss zu, dass auch nach vorausgegangener strafgerichtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung im Wiedererteilungsverfahren lediglich unter den in Buchstaben b und c geregelten Voraussetzungen in Betracht käme. Vielmehr ist § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV so zu verstehen, dass er in seinen Buchstaben a bis e voneinander unabhängige Fälle normiert, in denen wegen ähnlich gewichtiger Hinweise auf eine alkoholbedingte Straßenverkehrsgefährdung die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens erforderlich ist (vgl. hierzu auch Bay.VGH, Beschluss vom 09.02.2009 – 11 CE 08.3028 – a.a.O.). Der Verordnungsgeber hat mit der Regelung in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV zum Ausdruck gebracht, dass er der strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis eine eigenständige und Anlass zu Eignungszweifeln gebietende Bedeutung zumisst. Die Vorschrift knüpft explizit gerade nicht an eine Kumulation der Gründe a) bis c) für die frühere Entziehung der Fahrerlaubnis an, sondern alternativ an das frühere Vorliegen eines dieser Gründe. Im Übrigen kann keine Rede davon sein, dass bei dem hier vertretenen Verständnis von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV die Regelungen in Buchstabe b und c dieser Vorschrift leer liefen und keinen praktischen Anwendungsbereich mehr hätten. Zum einen kommt diesen Tatbeständen bei direkter Anwendung von § 13 Satz 1 FeV im Entziehungsverfahren Bedeutung zu. Zum anderen sind diese Tatbestände auch im Wiedererteilungsverfahren relevant, etwa wenn das Strafgericht aufgrund atypischer Umstände im Einzelfall von einer Fahrerlaubnisentziehung abgesehen hat oder eine solche aus sonstigen Gründen (wie beispielsweise bei der strafbewehrten Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Fahrrad unter Alkoholeinfluss) nicht in Betracht gekommen ist.

Nicht zu teilen vermag der Senat auch den von der Berufung unter teleologischen Gesichtspunkten erhobenen Einwand, einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis komme eine geringere Bedeutung als der verwaltungsbehördlichen zu, da das Strafgericht nicht die Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen überprüfe. Die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund von § 69 StGB ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 61 Nr. 5 StGB), deren Verhängung ausschließlich von der Frage der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen abhängt. Entgegen einer teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung (vgl. hierzu Zwerger, a.a.O.; und Mahlberg, a.a.O.) handelt es sich bei der strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis nicht um eine repressive, strafähnliche Maßnahme; vielmehr wird die Maßregel ausschließlich zu präventiven Zwecken und aus gleichen Gründen wie die verwaltungsbehördliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Alkoholmissbrauchs verhängt.

Nach dem oben Dargestellten liegt ein die Fahreignung ausschließender Alkoholmissbrauch im straßenverkehrsrechtlichen Sinne nach Nummer 8.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung nur dann vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können, ohne dass der Betroffene bereits alkoholabhängig ist. Da die verwaltungsbehördliche Entziehung der Fahrerlaubnis nicht repressiv der Ahndung vorangegangener Verkehrsverstöße dient, sondern ausschließlich der Abwehr von Gefahren, die künftig durch die Teilnahme von nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeigneten Fahrzeugführern am Straßenverkehr entstehen können, ist die in Nummer 8.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung enthaltene Definition des Alkoholmissbrauchs dahin zu verstehen, dass dieser vorliegt, wenn zu erwarten ist, dass das Führen von Fahrzeugen und ein die Verkehrssicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.05.2008 – 3 C 32.07 – BVerwGE 131, 163). Demgemäß ist Gegenstand des gemäß § 13 FeV zur Klärung der Eignungszweifel einzuholenden medizinisch-psychologischen Gutachtens auch das voraussichtliche künftige Verhalten des Betroffenen, insbesondere ob zu erwarten ist, dass er nicht oder nicht mehr ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Alkohol führen wird (vgl. hierzu Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, a.a.O., Rn. 46 zu § 2 StVG).

Der gleiche Maßstab gelangt der Sache nach bei der strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB bei einem Vergehen der Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) oder – wie hier in Rede stehend – der Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB zur Anwendung. Zwar hat der Entzug der Fahrerlaubnis im Strafverfahren eine Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit, die in der Tat zum Ausdruck gekommen ist, zum Ausgangspunkt. Aus der Tat muss sich für den Strafrichter die charakterliche Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen ergeben, d.h. aus der Anlasstat müssen tragfähige Rückschlüsse gezogen werden können, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen (auch kriminellen) Zielen unterzuordnen (vgl. BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 27.04.2005 – GSSt 2/04 – NJW 2005, 1957; Geppert, in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2007, Rn. 48 ff. zu § 69 StGB). Der materielle Maßstab für die Beurteilung der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ist jedoch identisch. Sowohl die strafgerichtliche als auch die verwaltungsbehördliche Entziehung der Fahrerlaubnis knüpfen die Anordnung der Maßnahme an die Feststellung der fehlenden Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Der in § 69 Abs. 1 StGB verwendete Begriff der Ungeeignetheit stimmt inhaltlich mit demselben, in § 2 Abs. 4 S. 1, § 3 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m. § 11 Abs. 1 S. 3, § 46 Abs. 1 S. 2 FeV enthaltenen Maßstab überein (vgl. ausdrücklich BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 27.04.2005 – GSSt 2/04 – a.a.O.). Deshalb kann für die Auslegung des Begriffs der Ungeeignetheit in § 69 StGB der Zweck der Vorschrift des § 3 Abs. 1 StVG über die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde herangezogen werden. Anzustellen ist jeweils eine Prognose, ob der Betroffene bereit ist, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und verkehrsgerechter Fahrweise den jeweiligen eigenen Interessen unterzuordnen und die hieraus resultierende Gefährdung oder Beeinträchtigung des Verkehrs in Kauf zu nehmen (vgl. BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 27.04.2005 – GSSt 2/04 – a.a.O.). Die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis auf der Grundlage von § 69 StGB unterscheidet sich von der verwaltungsbehördlichen Entziehung wegen Fahrungeeignetheit deshalb nicht in dem anzulegenden Beurteilungsmaßstab. Der maßgebliche Unterschied zwischen verwaltungsbehördlicher und strafgerichtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis besteht demzufolge nur darin, dass der Verwaltungsbehörde ausweislich der §§ 2 ff. StVG eine umfassende Persönlichkeitsprüfung vorgeschrieben und erlaubt ist, während sich die strafrichterliche Beurteilung des Eignungsmangels nur auf die begangene Straftat und darüber hinaus nur auf diejenigen Persönlichkeitszüge des Täters stützen darf, die in der jeweiligen Anlasstat symptomatisch zum Ausdruck gekommen sind (vgl. hierzu Geppert, a.a.O., Rn. 272 zu § 69 StGB). Die dem Strafrichter vom Gesetzgeber übertragene Befugnis, in beschränktem Umfang die an sich den Verwaltungsbehörden vorbehaltene Entziehung der Fahrerlaubnis auszusprechen, dient dazu, eine Vereinfachung des Verfahrens herbeizuführen und wirkt der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen entgegen. Dieser Vorrang der strafgerichtlichen Geeignetheitsbeurteilung wird durch die Bestimmungen der § 3 Abs. 3 und 4 StVG sichergestellt. Beide Vorschriften dienen dazu, Doppelprüfungen und sich widersprechende Entscheidungen der Strafgerichte und der Fahrerlaubnisbehörden zu vermeiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.06.2012 – 3 C 30.11 – NJW 2012, 3669; Senatsbeschluss vom 19.08.2013 – 10 S 1266/13 – NJW 2014, 484). Es soll verhindert werden, dass derselbe einer Eignungsbeurteilung zugrundeliegende Sachverhalt unterschiedlich bewertet wird; die Beurteilung durch den Strafrichter soll in diesen Fällen den Vorrang haben. Dieser Beurteilungsvorrang der Strafgerichte ist jedoch nur dann zu rechtfertigen, wenn dabei ein identischer Prüfungsmaßstab zur Anwendung gelangt.

2.4.1.3 Bei Anwendung dieses Maßstabs ist dem Kläger mit dem strafgerichtlichen Urteil des Amtsgerichts Ettenheim vom 13.06.2012 die Fahrerlaubnis „wegen Alkoholmissbrauchs“ und damit aus einem der unter den Buchstaben a bis c des § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV genannten Gründe entzogen worden. Denn dieser strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis lag zugrunde, dass der Kläger am 27.12.2011 mit seinem Personenkraftwagen fuhr, obwohl er infolge des vorausgegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig war, und in diesem Zustand einen Unfall verursacht hat. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend im Einzelnen näher dargelegt hat, ergibt sich dies daraus, dass das Urteil in seinen nach § 267 Abs. 1 StPO abgekürzten Gründen hinsichtlich der Feststellungen zur Tat auf den Strafbefehl vom 14.03.2012 verweist, in welchem dieser Tatumstand ausdrücklich festgestellt worden war. Das Strafgericht hat den Kläger deshalb wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung gemäß §§ 315c Abs. 1a, 315c Abs. 3 Nr. 2, 223, 229 und 230 Abs. 1 StGB verurteilt. Auch hat das Strafgericht keine Ausnahme von der Regel des § 69 Abs. 2 StGB angenommen, wonach unter anderem die vom Kläger begangene Straßenverkehrsgefährdung regelmäßig zur Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen führt. Aufgrund dieses Umstandes waren im Strafurteil auch keine detaillierten Erwägungen hinsichtlich der vom Strafgericht angenommenen Fahrungeeignetheit veranlasst.

Nach alldem ist die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Alkoholmissbrauchs erfolgt und ist daher nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zwingend.

2.4.2 Unabhängig von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV ist die Fahrerlaubnisbehörde vorliegend auch nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt FeV verpflichtet, die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen. Nach dieser Vorschrift hat die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch im straßenverkehrsrechtlichen Sinne begründen.

2.4.2.1 Entgegen der Auffassung des Klägers setzt die zweite Alternative dieser Vorschrift nicht – wie die erste Alternative – voraus, dass sich die Tatsachen aus einem ärztlichen Gutachten ergeben (vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 13 FeV Rn. 18, 20). Vielmehr kommt dieser Vorschrift eine Auffangfunktion zu, da mit ihr sichergestellt werden soll, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei Fällen eines greifbaren Gefahrenverdachts nicht „sehenden Auges“ untätig bleiben muss. Es entspricht auch der staatlichen Pflicht zum Schutz von Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) anderer Verkehrsteilnehmer, der erkannten Alkoholproblematik eines Fahrerlaubnisinhabers nachzugehen. Maßnahmen nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt FeV sind daher bereits dann geboten, wenn deutliche Indizien für eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung des Betroffenen vorliegen und außerdem weitere tatsächliche Umstände festzustellen sind, die in einer Gesamtschau mit der vermuteten Alkoholproblematik die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen (vgl. zum Ganzen Senatsurteil vom 18.06.2012 – 10 S 452/10 – a.a.O., m.w.N.).

2.4.2.2 Allerdings rechtfertigt eine einmalige Alkoholfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille nach dem Willen des Verordnungsgebers für sich genommen nicht die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf der Grundlage des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt. FeV. Dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang mit der spezielleren Regelung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV, wonach bei einer einmaligen Alkoholfahrt die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (nur) angeordnet wird, wenn bei der Trunkenheitsfahrt eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr nachgewiesen wurde. Diese Differenzierung basiert auf der dem aktuellen Stand der Alkoholforschung entsprechenden Wertung des Verordnungsgebers, dass Blutalkoholwerte ab 1,6 Promille auf eine außergewöhnliche Giftfestigkeit hinweisen, die regelmäßig zur Unfähigkeit einer realistischen Einschätzung der eigenen Alkoholisierung und des dadurch ausgelösten Verkehrsrisikos führt, sodass jedenfalls im Zusammenhang mit einer erfolgten Straßenverkehrsteilnahme ohne Weiteres die Kraftfahreignung des betroffenen Fahrzeugführers in Frage steht. Umgekehrt lässt danach eine lediglich einmalige Alkoholfahrt mit einer niedrigeren Blutalkoholkonzentration für sich betrachtet noch Raum für die Annahme, dass es sich um eine Ausnahme handelt, der Betroffene also nicht grundsätzlich unwillig oder unfähig ist, den Konsum von Alkohol in unzulässig hoher Menge und das Führen von Kraftfahrzeugen zu trennen. Anders verhält es sich jedoch, wenn über die Teilnahme am Straßenverkehr unter solchen Umständen hinaus zusätzliche Gesichtspunkte die ernsthafte Besorgnis eines straßenverkehrsrechtlich relevanten Kontrollverlustes beim Alkoholkonsum begründen. Dass auch unter dieser Voraussetzung keine Obliegenheit des Betroffenen bestehen soll, sich zur Sachverhaltsaufklärung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu unterziehen, kann weder der Systematik noch Sinn und Zweck von § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV entnommen werden. Vielmehr spricht gerade die Funktion der medizinisch-psychologischen Begutachtung als Gefahrerforschungsmaßnahme, die in ihrer Eingriffsintensität für den Betroffenen hinter einer abschließenden straßenverkehrsrechtlichen Entscheidung wie der Entziehung der Fahrerlaubnis oder der Versagung ihrer Neuerteilung zurückbleibt, dafür, die Anforderungen an den Gefahrenverdacht nicht zu hoch anzusetzen. Erst das beizubringende medizinisch-psychologische Gutachten kann schließlich Aufschluss darüber geben, ob tatsächlich Alkoholmissbrauch und damit (für die Zukunft) Nichteignung vorliegt oder nicht. Vor diesem Hintergrund ist § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt. FeV so zu verstehen, dass er in Fällen, in denen wie hier nur eine einmalige Alkoholfahrt mit geringerer Blutalkoholkonzentration vorliegt, die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nur gestattet, wenn zusätzliche konkrete Anzeichen für einen Alkoholmissbrauch im straßenverkehrsrechtlichen Sinne vorliegen, also dafür, dass der Betroffene generell zwischen einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum und dem Fahren nicht zu trennen vermag (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.01.2015 – 16 B 1374/14 – a.a.O.; Bay.VGH, Urteil vom 02.12.2011 – 11 B 11.246 – juris).

Entgegen der Auffassung des Klägers müssen die zusätzlichen Tatsachen nicht zwingend zeitlich nach der einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille liegen. Mit der oben dargestellten Auffangfunktion und dem Schutz der Verkehrsteilnehmer ist es nicht zu vereinbaren, zusätzliche Tatsachen allein wegen ihres zeitlichen Zusammenhangs mit einer Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von unter 1,6 Promille außer Acht zu lassen. Auch ist aus den Vorschriften der § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c FeV nicht zu folgern, dass eine einmalige Trunkenheitsfahrt unter 1,6 Promille im Rahmen von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt FeV überhaupt keine Berücksichtigung finden darf. Vielmehr darf sie in die Gesamtschau mit einbezogen werden und kann beim Hinzutreten weiterer Tatsachen die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertigen. Der Berücksichtigung der Tat vom 27.12.2011 bei der Gutachtensanordnung steht auch nicht, wie der Kläger geltend macht, das Verbot der Doppelbestrafung entgegen. Bei der Überprüfung der Fahreignung handelt es sich nicht um eine strafrechtliche Sanktion, sondern um eine präventive Maßnahme im Interesse der Verkehrssicherheit.

2.4.2.3 Unter Anwendung dieses Maßstabs hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen zutreffend näher dargelegt, dass im Falle des Klägers hinreichende zusätzliche Tatsachen vorliegen, die bei der gebotenen Gesamtschau die erhöhte Gefahr eines auch zukünftig drohenden Alkoholmissbrauchs begründen. Der Senat teilt die Auffassung der Fahrerlaubnisbehörde und des Verwaltungsgerichts, die erforderlichen zusätzlichen Tatsachen ergäben sich bereits aus den Feststellungen des die Blutentnahme durchführenden Arztes und den hierauf aufbauenden sachverständigen Feststellungen einer Rechtsmedizinerin. So vermochte der die Blutentnahme durchführende Arzt ausweislich der hierüber gefertigten Niederschrift bei den zahlreichen angewandten Testverfahren keinerlei Anhaltspunkte für alkoholbedingte Ausfallerscheinungen festzustellen; der Arzt gelangte zu der zusammenfassenden Beurteilung, der Untersuchte scheine äußerlich nicht merkbar unter Alkoholeinfluss zu stehen. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich dabei nicht um eine subjektiv geprägte und daher ohne Erkenntniswert bleibende Einschätzung des Arztes. Vielmehr bildete der Arzt sich seine Überzeugung aufgrund der Durchführung zahlreicher wissenschaftlich validierter und standardisierter Testverfahren. Die protokollierten Feststellungen des die Blutentnahme durchführenden Arztes sind deshalb aussagekräftig genug, um auf eine hohe Alkoholgewöhnung des Klägers zu schließen. Unter Auswertung des bei der Blutentnahme ausgefüllten Untersuchungsbogens hat die im Strafverfahren tätig gewordene rechtsmedizinische Sachverständige Dr. U.S. überzeugend näher dargelegt, dass der Kläger für die in Rede stehende sehr hohe Blutalkoholkonzentration sehr wenige Ausfallerscheinungen gezeigt habe; es müsse daher in jedem Fall eine massive Alkoholgewöhnung unterstellt werden.

Dass der Kläger regelmäßig Alkohol konsumiert und bei ihm eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung vorliegt, folgt darüber hinaus aus dem Ergebnis der 108 Minuten nach dem Unfall entnommenen Blutprobe, bei deren Auswertung eine Blutalkoholkonzentration von 1,49 Promille festgestellt wurde. Selbst wenn im Hinblick auf die Bindung an die strafgerichtlichen Feststellungen dieser Wert von 1,49 Promille und nicht der von der Sachverständigen auch für möglich erachtete maximale Blutalkoholwert von 2,05 Promille zugrunde gelegt wird, zeigt dieser Befund, dass bei dem Kläger eine erhebliche Alkoholproblematik vorliegt, die zu der Trunkenheitsfahrt hinzukommt, und die auf eine hohe Alkoholgewöhnung und Giftfestigkeit hinweist. Bereits bei Erreichen oder Überschreiten von Werten ab 1,3 Promille kann man auf eine hohe, besondere Trinkfestigkeit schließen, die durch ein Trinkverhalten erworben sein muss, das erheblich von dem in der Gesellschaft verbreiteten Alkoholkonsum abweicht (vgl. Schubert/Schneider/Eisenmenger/ Stephan, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Komm., 2. Aufl. 2005, Kapitel 3.11.1 S. 132 m.w.N.). Ein häufiger übermäßiger Alkoholkonsum führt zur Gewöhnung an die Giftwirkung und damit zur Unfähigkeit einer realistischen Einschätzung der eigenen Alkoholisierung und des hierdurch ausgelösten Verkehrsrisikos (vgl. Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Stand: 02.11.2009, Nr. 3.11.2, S. 41). Ein Fahrerlaubnisinhaber, der nachgewiesenermaßen mit hoher Alkoholisierung außerhalb des Straßenverkehrs auffällig geworden ist, stellt in der Regel bereits aufgrund dieser Tatsache ein deutlich über dem Durchschnitt liegendes Sicherheitsrisiko dar. Wegen der hohen Giftfestigkeit steht ihm die körperliche Befindlichkeit als Maßstab der aktuellen Alkoholisierung nicht mehr zur Verfügung. Für ihn ist daher die Verhaltenskontrolle im Sinne des Trennens von unzulässiger Blutalkoholkonzentration und dem Führen eines Kraftfahrzeuges weit mehr erschwert als für den Durchschnitt der Kraftfahrer, die lediglich eine „normale“ Giftfestigkeit aufweisen (vgl. zum Ganzen: Schubert/Schneider/Eisenmeger/Stephan, a.a.O., Kapitel 3.11.1, S. 143). Das durch die hohe Alkoholgewöhnung begründete Verkehrsrisiko hat sich bereits in der Trunkenheitsfahrt vom 27.12.2011 verwirklicht. Bei dieser Fahrt hat der Kläger nachweislich nicht zwischen einem die Fahrsicherheit ausschließenden Alkoholkonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen getrennt, so dass ein Alkoholmissbrauch im straßenverkehrsrechtlichen Sinne vorlag. Die durch das Erreichen von 1,49 Promille bei der Fahrt und das Fehlen von merklichen Ausfallerscheinungen belegte hohe Alkoholgewöhnung spricht bereits für sich gesehen für eine Wiederholungsgefahr. Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von Fällen, welche nach der Wertung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV nicht die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens rechtfertigen, weil lediglich eine einzelne Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille ohne solche Zusatztatsachen vorliegt.

3. Dem Senat musste sich im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht die von dem Kläger schriftsätzlich angeregte Beweiserhebung durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass er über die erforderliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen verfüge, nicht aufdrängen, da es sich dabei um ein ungeeignetes Beweismittel handelt. Auch im Verwaltungsprozess ist ein Beweismittel ungeeignet, wenn es keinerlei Beweiswert hat und deshalb untauglich ist. Ein entsprechender Beweisantrag kann unter Hinweis auf die entsprechend heranzuziehende Bestimmung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt werden (BVerwG, Beschlüsse vom 31.07.2014 – 2 B 20.14 – NVwZ-RR 2014, 887; sowie vom 09.05.1983 – 9 B 10466.81 – DVBl. 1983, 1001). Gemessen hieran stellt das beantragte medizinische Sachverständigengutachten kein geeignetes Beweismittel zur Klärung der hier in Rede stehenden Frage der Fahreignung dar. Die Aufklärung alkoholbedingter Eignungszweifel ist in den §§ 11 und 13 FeV speziell geregelt. Danach obliegt es dem Fahrerlaubnisbewerber, ein von der Behörde gefordertes Gutachten in Auftrag zu geben und die Kosten der Begutachtung zu tragen (vgl. § 11 Abs. 6 FeV). Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass das Gericht an Stelle der Behörde eine Begutachtung veranlasst. Im vorliegenden Fall können die Fahreignungszweifel nach der Regelung in § 13 FeV jedoch nur durch die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, d.h. das Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Kraftfahreignung (vgl. § 11 Abs. 3 FeV), ausgeräumt werden, welches der Mitwirkung des Klägers bedarf. Da hierbei medizinische und psychologische Aspekte zu berücksichtigen sind, muss eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle unter anderem mit einer ausreichenden Anzahl von Ärzten und Psychologen ausgestattet sein (vgl. Anlage 14 zur FeV). Zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist der Kläger jedenfalls derzeit nicht bereit. Er ist der Auffassung, dass die materiellen Voraussetzungen für die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht vorliegen und er daher einen Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis gerade ohne die Beibringung eines solchen Gutachtens hat. Er erstrebt eine abschließende gerichtliche Klärung dieser Frage. Die von ihm angeregte Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens ist nicht geeignet, seine Fahreignung abschließend aufzuklären.

Nach alldem bleibt die Berufung des Klägers ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision war zuzulassen, da die Anwendung sowohl von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst d FeV als auch von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt. FeV in der hier vorliegenden Fallgestaltung Fragen aufwirft, die in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte unterschiedlich beantwortet werden und vom Bundesverwaltungsgericht noch nicht abschließend geklärt sind.

(Quelle: http://openjur.de/u/830492.html)

Tim Wullbrandt || Strafrecht in Mannheim

zu AG Köln , Urteil vom 05.08.2015

AG Köln: 3 Jahre Haft für Hooligan nach „HOGESA“-Krawallen

Knapp neun Monate nach den sogenannten „HOGESA“-Krawallen in Köln hat das Amtsgericht Köln heute einen der damaligen beteiligten Hooligans zu drei Jahren Haft verurteilt. Der entscheidende Richter am Amtsgericht sagte dem Angeklagten mit der Urteilsbegründung, dieser „habe ein Gewaltproblem, das er nicht bearbeite“. Der 24-Jährige Angeklagte, der bereits vor den Krawallen eine Haftstrafe abgesessen hatte und einschlägig vorbestraft war, sei ein „unkontrollierbarer Mensch“.

Polizisten mit Rohr und Flasche beworfen

Der Angeklagte hatte gegenüber Gericht und Staatsanwaltschaft gestanden, bei den Krawallen im Oktober 2014 ein schweres Rohr in Richtung einer Polizeikette geworfen zu haben. Die Beamten wurden dabei nur knapp verfehlt. Zudem beteiligte er sich an der Plünderung einer Bäckerei und bewarf einen weiteren Polizisten mit einer Flasche. Die Verurteilung erfolgte nun wegen gefährlicher Körperverletzung und Diebstahls.

Bei Demonstration 49 Einsatzkräfte verletzt

Im Herbst 2014 hatten an der Demonstration, die als Kundgebung gegen Salafisten angemeldet worden war, rund 5.000 Hooligans und Rechtsextremisten unter dem Leitsatz „Hooligans gegen Salafisten – HoGeSa“ teilgenommen. Sie lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei, 49 Einsatzkräfte wurden verletzt.



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Prozess || Tim Wullbrandt | Rechtsanwalt für Strafrecht

Kostenlose Unterkunft mit Frühstück – das war das dauernde Ziel eines 52-jährigen Wohnsitzlosen. Genau das bekommt er jetzt auch – aber mit wesentlich weniger Komfort als gewünscht.

52-Jähriger wegen Betrugs und Urkundenfälschung auf Antrag der Staatsanwaltschaft Heidelberg in Untersuchungshaft

Wie die Staatsanwaltschaft Heidelberg heute in einer Presseerklärung mitteilte,hat das Amtsgericht Heidelberg nunmehr auf Antrag der Staatsanwaltschaft Haftbefehl gegen den Mann erlassen. Der Wohnsitzlose steht im dringenden Verdacht, sich in mindestens fünf Fällen betrügerisch in Hotels eingemietet zu haben, ohne die Kosten für die Miete und das Frühstück zu bezahlen.

Der unbekannte Hotelgast

Der Beschuldigte ist verdächtig, sich seit Juli 2014 unter verschiedenen Namen sowie unter Vorlage gefälschter Kostenübernahmeerklärungen seines angeblichen Arbeitgebers in Hotels und Pensionen in Heidelberg, im Rhein-Neckar-Kreis und in Ramstein eingemietet zu haben. Der hierdurch entstandene Schaden betrage fast 6.000,- Euro.

 Kost und Logis frei

Das Amtsgericht Heidelberg hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft Heidelberg am 27.01.2015 Haftbefehl erlassen. Nach Eröffnung des Haftbefehls wurde der Beschuldigte in eine Justizvollzugsanstalt eingeliefert.