Keine Straffreiheit der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht bei einschlägiger Berichterstattung

Strafrecht | WULLBRANDT Rechtsanwälte

Die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige im Steuerstrafrecht entfällt, wenn der Steuerpflichtige in den Medien davon erfahren hat, dass der Fiskus eine „Steuer-CD“ mit Daten seiner Bank angekauft hat. Wenn das der Fall ist, dann muss der Steuerpflichtige mit der Entdeckung seiner Tat rechnen, § 371 Abs.2 Nr.2 AO – sagt das OLG Schleswig-Holstein.

Keine strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerstrafrecht bei Medienberichterstattung

Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein entschied hier mit Beschluss vom 30.10.2015 – 2 Ss 63/15 – über einen Fall, in welchem ein Steuerpflichtiger mehrere Schwarzgeldkonten in der Schweiz unterhalten hatte. Im Jahr 2011 transferierte er sein Vermögen zurück nach Deutschland und erstattete 2012 eine Selbstanzeige.Zum Zeitpunkt der Selbstanzeige wurde gegen ihn bereits wegen Steuervergehen aus den Jahren 2007 bis 2010 ermittelt – was ihm nicht bekannt war. Auch war ihm zum Zeitpunkt der Selbstanzeige aus den Medien bereits bekannt, dass die deutschen Finanzbehörden eine sogenannte „Steuer-CD“ eingekauft hatten, auf welcher auch Daten seiner Bank zu finden waren.

Steuerpflichtiger musste mit seiner Entdeckung aufgrund Steuer-CD rechnen

Der Einschlägige § 371 Abs.1 AO (Abgabenordnung) sieht kurz gefasst die Straffreiheit für denjenigen vor, der gegenüber dem Finanzamt seine unrichtigen Angaben zur Versteuerung einer Steuerart vollständig berichtigt und alle Steuerrückstände ausgleicht. Die folgenden Absätze sehen jedoch Ausnahmen von der Straffreiheit vor, beschreiben also Tatbestände, bei denen der Steuerpflichtige nicht straffrei ausgeht. So lautet § 371 Abs.2 Nr.2 AO dass keine Straffreiheit eintritt, wenn

eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste,

Diesen Fall sahen hier das Landgericht in der ersten und das OLG in de zweiten Instanz als gegeben an. Dem Steuerpflichtigen wurde die Straffreiheit verwehrt, da er mit der Aufdeckung der Tat rechnen musste.

Wann muss ein Steuerhinterzieher mit der Entdeckung seiner Tat rechnen?

Das Oberlandesgericht hat sich in der Entscheidung intensiv damit auseinandergesetzt, wann ein Steuerpflichtiger, der Falschangaben gemacht hat, mit der Entdeckung seiner Tat rechnen muss. Es dabei sei entscheidend, ob der Steuerpflichtige aufgrund der ihm nachweislich bekannten Umstände mit der Entdeckung seiner Tat rechnen muss – wobei es auf seine individuellen Fähigkeiten ankomme. Der Täter einer Steuerhinterziehung müsse nach Ansicht des OLG Schleswig-Holstein bereits dann mit der Entdeckung seiner Tat rechnen, wenn er aufgrund der ihm bekannten Umstände eine Tatentdeckung für durchaus möglich oder wahrscheinlich hält, auch wenn eine gewisse Unsicherheit verbleibt.

Im vorliegenden Fall sah das Gericht diese Bedingung als gegeben an, da der Täter zum Zeitpunkt seiner Selbstanzeige bereits wusste, dass das Land Nordrhein-Westfalen eine Steuer-CD mit unter anderem Daten „seines“ Bankhauses in der Schweiz aus den betreffenden Jahren angekauft hatte. Er konnte also – so das Gericht – allenfalls darauf hoffen, dass die CD zufälliger Weise keine Daten zu seinen Kontoverbindungen enthalten würde.

Berichterstattung über Ankauf von Steuer-CD reicht für Wegfall der Straffreiheit aus

Nach Ansicht des OLG reicht also bereits die mediale Berichterstattung über den Ankauf der Steuer-CD aus, um die Straffreiheit der Selbstanzeige entfallen zu lassen. Dem „Rechnenmüssen“ mit der Entdeckung stehe nicht entgegen, dass die Berichterstattung sich nicht zu konkreten Kontoverbindungen auf den CDs äußert. Dies zu verlangen würde die Anforderungen überspannen, da solcherlei Details nie Inhalt einer Medienberichterstattung seien.