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Wer wegen einer (vermeintlichen) Straftat eine Anzeige bei der örtlichen Polizei oder der zuständigen Staatsanwaltschaft stellt, der hat zumeist auch ein eigenes Interesse an der Strafverfolgung des Täters. In Zeiten stark zunehmender Belastung – und oftmals schlicht Überlastung – der Ermittlungsbehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte neigen gerade die Staatsanwaltschaften immer öfter dazu, Ermittlungsverfahren bei kleineren Delikten wegen Geringfügigkeit einzustellen und / oder den Anzeigenerstatter auf die Möglichkeit einer Privatklage zu verweisen.

OLG Karlsruhe: Kein Rechtsmittel gegen Geringfügigkeitseinstellung

Beim Anzeigenerstatter, der durch die – aus Sicht der Staatsanwaltschaft – häufig doch stark beeinflusst und beeinträchtigt wurde, stellt solch eine Einstellung mit der Begründung, es habe sich nur um eine Nichtigkeit oder ganz geringfügige Tat gehandelt, stößt dies häufig auf völliges Unverständnis. Es selbst möchte die an ihm begangene Tat gesühnt sehen. Dies führt oft dazu, dass sich die Anzeigenerstatter den Strafrechtsanwalt des Vertrauens aufsuchen und wissen möchten, was sie gegen eine solche Einstellung tun können, um das Verfahren weiter betrieben zu sehen.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat jetzt in einem Beschluss vom 24.08.2015, Aktenzeichen 2 VAs 19-21/15, klar gestellt, dass die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, ein Ermittlungsverfahren nach § 153 Abs. 1 StPO oder unter Verweisung auf den Privatklageweg nach § 170 Abs. 2 StPO einzustellen, durch den Verletzten nicht anfechtbar ist. 

Entscheidung zur Einstellung durch Verletzten nicht anfechtbar

Was war geschehen? Die Staatsanwaltschaft Heidelberg hatte mehrere in Folge von Strafanzeigen eingeleitete Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Hausfriedensbruch, Beleidigung etc., gemäß § 153 I StPO eingestellt. Hiergegen wendete sich der Anzeigenerstatter mit einem auf „§ 23 EGGVG oder Art. 19 IV iVm § 153 I 1 analog StPO“ gestützten Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Dieser Antrag war an die für Heidelberg örtlich zuständige Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe und hierüber an das Oberlandesgericht Karlsruhe zur Entscheidung gelangt.

Antrag auf gerichtliche Entscheidung unzulässig

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG als unzulässig verworfen. Eine Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach § 153 StPO wegen Geringfügigkeit und / oder mangelndem öffentlichen Interesse bzw. § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdacht i. V. m. mit einer Verweisung auf den Privatklageweg  kann vom möglichen Verletzten nicht im Wege eines Antrags im Klageerzwingungsverfahren angefochten werden (§ 172 Abs. 2 Satz 3 StPO). Daher kommen für den Anzeigeerstatter bzw. Verletzten bei solchen Einstellungsverfügungen nur die Gegenvorstellung oder Dienstaufsichtsbeschwerde in Betracht. Dies gilt auch dann, wenn der Anzeigeerstatter die Verneinung des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft (§ 376 StPO) für unrichtig hält.

Fehlende Anfechtungsmöglichkeit ist verfassungsmäßig

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in seinem Beschluss vom 24.08.2015 auch gleich Ausführungen dazu gemacht, ob eine solche Entscheidung, nämlich dass gegen die Einstellungsverfügung kein Rechtsweg besteht, verfassungsrechtlich zulässig ist. Sie ist es.

Denn: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet auch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG keine Anfechtungsmöglichkeit gegen eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft. Ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG setzte nämlich eine im Interesse des Einzelnen gewährte Rechtsposition voraus; nur zum Schutz derartiger Rechtspositionen ist der Rechtsweg verfassungsrechtlich garantiert. Dabei genügt die Verletzung bloßer Interessen nicht; entscheidend ist, ob die einschlägige Norm dem Schutz des Betroffenen zu dienen bestimmt ist, d. h. ob sie einen derartigen Schutz bezweckt und nicht lediglich zur Folge hat. Eine solche Rechtsposition des Antragstellers, deren Verletzung er gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG im Rechtsweg geltend machen könnte, ist nicht gegeben. § 153 StPO bezweckt nicht den Schutz des durch die Straftat Verletzten. Eine Verletzung von Rechten des durch die Straftat Verletzten scheidet grundsätzlich auch aus, wenn es um die Beurteilung des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft geht. Daher ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, dass der Gesetzgeber ein solches Interesse bei Verfahrenseinstellungen nicht mit einer das Klageerzwingungsverfahren eröffnenden Wirkung gewichtet hat.

Lediglich Dienstaufsichtsbeschwerde möglich

Das Oberlandesgericht kommt zu dem Schluss, dass in solchen Fällen lediglich eine Dienstaufsichtsbeschwerde in Betracht kommt. Die Erfolgsaussichten einer solchen Dienstaufsichtsbeschwerde dürften in den allermeisten Fällen leicht zu beurteilen sein. Nicht umsonst ist die Dienstaufsichtsbeschwerde als das Institut mit den drei „F“ bekannt: Fristlos, formlos, fruchtlos…


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