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Uli Hoeneß ist bald ein freier Mann. Nachdem bereits in der Woche vor Weihnachten vergangenen Jahres bekannt geworden war, dass die Anwälte von Uli Hoeneß einen entsprechenden Antrag beim Landgericht Augsburg eingereicht hatten, hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts nun entschieden: Uli Hoeneß kommt Ende Februar 2016 frei.

Uli Hoeneß nach Verbüßung der Halbstrafe frei – Landgericht bewilligt Entlassung

Das ist eine schöne Sache. Für Fußballdeutschland und für die Familie Hoeneß sowieso. In den (sozialen) Medien und an den Stammtischen fragt man sich allerdings: Wie kann es sein, dass Uli Hoeneß nach gerade einmal der Hälfte der Haftstrafe (er war im Frühjahr 2014 wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden, welche er am 2. Juni 2014 angetreten hatte) schon wieder entlassen wird?

Eine laienhafte Stammtisch-Erklärung ist schnell gefunden – sie lautet „Promibonus“. In Wahrheit ist die Erklärung jedoch eine andere – sie lautet „Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe“ oder kürzer und hier im Detail „Halbstrafenaussetzung“.

Was ist eine Halbstrafenaussetzung?

Die vorzeitige Beendigung der Haft ist im Gesetz geregelt. Der entscheidende Paragraph ist § 57 StGB (Strafgesetzbuch). Dieser Paragraph hat insgesamt 7 Absätze, der Einfachheit halber hier einmal die für uns wichtigen Absätze 1 und 2 im Wortlaut:

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1. zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2. dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3. die verurteilte Person einwilligt.

Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1. die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2. die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,

und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

Unter Strafgefangenen ist vor allem eines bekannt: Die sogenannte „2/3-Regel“. Was das bedeutet lässt sich oben in Absatz 1 des § 57 StGB nachlesen. Stehen keine Sicherheitsbedenken oder sonstigen Hindernisse in der Person des Gefangenen entgegen und hat er sich während der Haft gut geführt, dann erfolgt in einem Großteil der Fälle die Entlassung nach 2/3 der Haftstrafe. Das ist also der „Normalfall“.

Ist mit der Entlassung alles erledigt?

Bedeutet das, dass mit der Entlassung alles erledigt ist? Nein, so einfach ist das nicht. Wie man dem Paragraphen 57 StGB entnehmen kann lässt das Gericht den Gefangenen nicht einfach frei, sondern es setzt die Reststrafe zur Bewährung aus. Das Bedeutet: Das Gericht legt einen Bewährungszeitraum, meistens 2-3 Jahre, fest. Begeht der Entlassene in diesem Zeitraum eine neue Straftat, dann gilt das als Bewährungsbruch. Er wird dann wegen dieser neuen Tat verurteilt und zusätzlich wird die Bewährung widerrufen – er muss also das restliche Drittel der alten Strafe auch noch absitzen.

Entlassung schon nach halber Strafe?

Aber Moment – Uli Hoeneß hat die 2/3 ja noch gar nicht voll. Er wird ja nun bereits nach der Hälfte der Strafe aus der Haft entlassen. Wie ist das möglich? Hat Hoeneß doch einen Promibonus oder hat er sich freigekauft? Nein, hat er nicht.

Uli Hoeneß profitiert von der Regelung des § 57 Abs.2 Nummer 2 StGB.

Nach Absatz 2 Nummer 1 des Paragraphen 57 StGB ist eine Entlassung bereits nach der Hälfte der Strafe dann möglich, wenn die Anforderungen des Absatz 1 erfüllt sind (das sind die Anforderungen an die Entlassung nach 2/3, also keine Sicherheitsbedenken entgegenstehen und der Gefangene sich gut geführt und mit der Tat auseinandergesetzt hat) und die Strafe insgesamt maximal zwei Jahre betragen hätte. Auch das ist bei Uli Hoeneß nicht der Fall – er wurde zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt.

Absatzz 2 Nummer 2 des Paragraphen 57 StGB lässt eine Entlassung nach der Hälfte der Strafe jedoch zu, wenn

die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,

und alle anderen Voraussetzungen (wie erwähnt – keine Sicherheitsbedenken, Auseinandersetzen mit der Tat, gute Führung…) auch erfüllt sind.

Persönlichkeit der verurteilten Person = Promibonus?

Wenn also unter anderem die Persönlichkeit der verurteilten Person mit entscheidend ist – haben wir es dann mit einem gar gesetzlich verankerten Promibonus zu tun? Nein, haben wir nicht. Denn: Das Gericht muss sich bei seiner Bewertung an gewisse Maßstäbe, Anforderungen und Regeln halten. Und genau diese werden wir hier jetzt einmal kurz erläutern.

Verbüßung der Halbstrafe und Einwilligung des Verurteilten

Die am einfachsten zu erklärenden Anforderungen dürften wohl diese beiden sein: Der Gefangene muss bereits die Hälfte der verhängten Strafe verbüßt haben und er muss in die Entlassung einwilligen. Ja, richtig gelesen: Er muss einwilligen. Denn in der Tat, es gibt auch Gefangene, die – oft wegen Obdachlosigkeit und instabilen wirtschaftlichen und familiären Verhältnissen, lieber in Haft sind, als „hilflos“ der Straße ausgesetzt zu sein. Traurig, aber wahr.

Mindestens sechs Monate verbüßt

Von der gesamten Haftstrafe müssen mindestens sechs Monate verbüßt sein. Wenn die Strafe also insgesamt nur 11 Monate beträgt, dann ist eine Entlassung nach der Hälfte – also nach 5 1/2 Monaten nicht möglich, da noch keine 6 Monate verbüßt sind.

Besondere Umstände

Jetzt wird es knifflig: Es müssen besondere Umstände vorliegen. Und damit stellt sich die Frage: Was sind besondere Umstände?Grundsätzlich liegt es am Gericht, hier der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts, daran zu entscheiden, ob besondere Umstände vorliegen. Das Gericht muss sich dabei jedoch an gewissen Vorgaben, die sich aus der bisherigen Rechtsprechung und aus der Kommentarliteratur zum Strafgesetzbuch ergeben, orientieren und kann nicht willkürlich entscheiden. Wann liegen also besondere Umstände vor?

Der nach Ansicht des BGH (Bundesgerichtshof, Beschluß vom 22.10.1980 – 3 StR 376/80) ergeben sich besondere Umstände

aus der Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit des Verurteilten und seiner Entwicklung während des Strafvollzugs ergeben. Dabei handelt es sich um Milderungsgründe von besonderem Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts, der sich in der Strafhöhe widerspiegelt, nicht als unangebracht und als den vom Strafrecht geschützten Interessen nicht zuwiderlaufend erscheinen lassen

Als ausreichend sind nur solche Umstände anzusehen, die im Vergleich mit gewöhnlichen, durchschnittlichen, allgemeinen oder einfachen Milderungsmöglichkeiten besonderes Gewicht besitzen oder eine Strafaussetzung trotz des erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts der Tat als nicht unangebracht und den vom Strafrecht geschützten Interessen nicht zuwiderlaufend erscheinen lassen. Dabei können Umstände, die einzeln lediglich durchschnittliche Gründe wären, durch ihr Zusammentreffen ein solches Gewicht erlangen, dass ihnen in ihrer Gesamtheit die Bedeutung besonderer Umstände zuerkannt werden muss (Quelle: Beck´scher OK zum StGB von Heintschel-Heinegg, § 57, Rn 15.1). Im einzelnen können das sein: Bemühen um Schadenswiedergutmachung, Führung im Vollzug, erhärtete Haftbedingungen etc.).

Bei einer Steuerstraftat können besondere Umstände aufgrund der Höhe des Steuerschadens und aufgrund von Vorstrafen des Verurteilten fehlen, selbst wenn ansonsten zahlreiche ihm günstige Umstände vorliegen (OLG Hamm NStZ-RR 2013, 158). Das bedeutet allerdings im Umkehrschluss, dass bei einer vollständigen Wiedergutmachung des Steuerschadens sehr wohl von besonderen Umständen ausgegangen werden kann.

Uli´s Umstände

Was hat jetzt also bei Uli Hoeneß dazu geführt, dass er schon nach der Hälfte der Strafe entlassen wird? Welche besonderen Umstände liegen vor?

Zum einen hat sie Uli Hoeneß in der Haft, sowohl in der JVA in Landsberg als auch später im Freigängerhaus vorbildlich geführt. Soweit bekannt hat er alle ihm aufgetragenen Arbeiten (unter anderem Kleiderkammer) ohne Murren ausgeführt und sich nie aus dem Kreis der Gefangenen hervorgehoben.

Im Gegensatz dazu hat man bei Uli Hoeneß wohl tatsächlich erhärtete Haftbedingungen anerkannt. Das ist damit zu begründen, dass Hoeneß während der Haft mehrfach Erpressungsversuchen ausgesetzt war. Einer der (versuchten) Erpresser wurde deswegen sogar bereits verurteilt. Darüber hinaus stand er unter permanenter Beobachtung durch Medien und Öffentlichkeit, die ihre Informationen offenbar auch zu großen Teilen von anderen Mitgefangenen heranzogen, was in einer solchen Situation durchaus eine erhärtete Haftsituation darstellt.

Dass von Uli Hoeneß keine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht dürfte einleuchten.

Thema Steuern: Wie wir oben bereits gelesen haben kann die Höhe einer bestehen gebliebenen Steuerschuld der Halbstrafenentlassung entgegenstehen. Hier hatte das Gericht jedoch zu berücksichtigen, dass Uli Hoeneß während der Haftzeit aus seinem Privatvermögen mutmaßlich eine Summe von über 50 Millionen Euro an den Fiskus gezahlt und damit seine Steuerschuld getilgt hat. Damit, im Zusammenspiel mit seiner Selbstanzeige, war die Grundlage für eine Halbstrafenentlassung gegeben.

Also doch ein Promibonus weil er sich frei gekauft hat? Nach meiner Auffassung ein klares „Nein“ dazu. Denn: Uli Hoeneß hat genau den Schaden wieder gut gemacht, den er verursacht hat. Er hat lediglich den Vorteil genutzt, dass er noch über genügend Kapital verfügte, um den durch ihn angerichteten Schaden frühzeitig auszugleichen. Grundsätzlich ist jeder Straftäter verpflichtet, den von ihm verursachten Schaden – gleich in welcher Höhe, ob hunderte oder Millionen Euro – auszugleichen, was jedoch den meisten nicht gelingt, da in den seltensten Fällen aus dem erlangten oder zerstörten Kapitalreserven gebildet werden.

Fazit

Uli Hoeneß kommt nach der Hälfte der Strafzeit auf Bewährung frei. Die hierfür vom Gesetz geforderten besonderen Umstände liegen vor.


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Rechtsanwalt & Strafverteidiger Tim Wullbrandt

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