LG Aachen: Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung bei ungeschütztem Sex durch HIV-positiven Mann
Weil er ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einer Frau hatte und dabei der Virus übertragen wurde, hat das Landgericht Aachen einen HIV-positiven Mann wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt. Der Angeklagte hatte die Frau nicht über seine Infektion informiert. Das Gericht bewertete das Geschehen «lediglich» als fahrlässige Körperverletzung. Die Deutsche Aids-Hilfe begrüßte die Entscheidung. Bisher seien der Bundesgerichtshof wie auch Instanzgerichte in solchen Fällen stets von Vorsatz ausgegangen oder hätten angenommen, die Angeklagten hätten die Infektion ihrer Partner «billigend in Kauf genommen», heißt es in einer Mitteilung vom 24.03.2015.
Kein Vorsatz trotz Kenntnis der HIV-Infektion
Das Gericht gelangte zu der Überzeugung, der Angeklagte habe seine Infektion aus Angst vor Verlust der Beziehung verschwiegen und gehofft, seine Partnerin werde sich nicht infizieren. Wie die AIDS-Hilfe mitteilt, hatte ein medizinischer Gutachter erklärt, das Übertragungsrisiko sei gering gewesen, da sich im Blut des Mannes nur relativ wenige HI-Viren befunden hätten. Der Angeklagte habe zudem versucht, seine Partnerin zu schützen, sei aber aufgrund der Umstände und seiner Angst gescheitert.Das Gericht sah dementsprechend keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte vorsätzlich gehandelt habe.
Erstmals Entscheidung ohne Vorsatz
Die Deutsche AIDS-Hilfe lobte die Urteilsbegründung. Erstmals habe ein Gericht anerkannt, dass man bei der HIV-Übertragung nicht automatisch von Vorsatz ausgehen dürfe. Fast immer sei – wie in diesem Fall – Angst der Grund dafür, dass Menschen ihre Infektion nicht thematisierten. Dem gelte es Rechnung zu tragen. Das Strafrecht sei dafür kein geeignetes Mittel, betonte Izdebski.
Aids-Hilfe grundsätzlich gegen Strafbarkeit der Infektion
Das Gericht hat den Angeklagten in drei weiteren Fällen freigesprochen. Da zum Zeitpunkt des Geschehens aufgrund seiner HIV-Therapie keine Viren mehr in seinem Blut nachweisbar waren, habe er HIV nicht mehr übertragen können.
Die Aids-Hilfe lehnt die Strafbarkeit der HIV-Übertragung prinzipiell ab, weil diese der Verbreitung von HIV Vorschub leiste. Die Kriminalisierung konterkariere die erfolgreiche Botschaft, dass jeder Mensch selbst Verantwortung für seinen Schutz übernehmen müsse, indem sie die Verantwortung einseitig den HIV-Positiven zuschreibe, so die Aids-Hilfe.