Der ehemalige Box-Weltmeister Felix Sturm wurde kürzlich vom Landgericht Köln zu einer Haftstrafe von 3 Jahren wegen Steuerhinterziehung und Körperverletzung verurteilt. Neben der verurteilten Steuerhinterziehung ist vor allem ein Aspekt der Entscheidung des Landgerichts interessant: Das Gericht bewertet das Doping vor einem Boxkampf als Körperverletzung.
Landgericht: Doping beim Boxen ist Körperverletzung
Felix Sturm, fünfmaliger Box-Weltmeister im Mittel- und Supermittelgewicht, stand „hauptsächlich“ wegen Steuerhinterziehung vor dem Kölner Landgericht und in weiten Teilen beruht die Entscheidung des Landgerichts auch auf diesen Tatvorwürfen – Sturm wurde in sechs Fällen der Steuerhinterziehung und in zwei Fällen der versuchten Steuerhinterziehung schuldig gesprochen, der vom Gericht festgestellte Steuerschaden betrug knapp eine Million Euro. Die Verurteilung wegen der Steuerdelikte ist jedoch – mit Ausnahme der Prominenz des Angeklagten – nichts außergewöhnliches.
Außergewöhnlich ist jedoch die Bewertung, welche das Landgericht in Bezug auf den bei Sturm nach seinem letzten Profikampf festgestellten Dopingverstoß vorgenommen hat. Nach den Feststellungen des Gerichts hatte Sturm im WM-Kampf gegen Fjodor Tschudinow am 20. Februar 2016 das anabole Steroid Stanozolol eingenommen. Das Gericht entschied nun, dass Sturm damit neben einem Verstoß gegen das Anti-Doping-Gesetz auch im Rahmen des Kampfes eine Körperverletzung des Gegners begangen habe.
Doping lässt die Einwilligung in die Körperverletzung entfallen
Grundsätzlich liegt beim Boxen wie bei allen Kampfsportarten eine gegenseitige Einwilligung in die wechselseitige Körperverletzung vor, welche die Strafbarkeit entfallen lässt. Dies setzt nach Auffassung des Gerichts aber voraus, dass beide Kämpfer vom Gegner jeweils wissen, mit wem und was sie es – einfach gesagt – zu tun haben. Sprich: Die Einwilligung bezieht sich – nach Auffassung des Landgerichts – jeweils nur auf die tatsächlichen körperlichen Fähigkeiten des Gegners. Würde wie hier eine unerlaubte Leistungssteigerung herbeigeführt, welche beispielsweise zu höherer Schlagkraft oder erhöhter Schnelligkeit des Gegners führe, dann sei dieses Verhalten des Gegners nicht mehr von der Einwilligung in die Körperverletzung durch den sportlichen Wettstreit gedeckt.
Die Entscheidung des Landgerichts Köln sagt also, dass Sturms Gegner nichts vom Doping gewusst habe und daher auch nicht in die Verletzung durch den gedopten Sturm eingewilligt habe.
Zweifel an Richtigkeit der Entscheidung
Diese Entscheidung klingt auf den ersten Blick verständlich und richtig. Auf den zweiten Blick aber wirft die Sichtweise des Landgerichts Fragen auf, welche jedenfalls durch den BGH geklärt werden müssen. Denn: Die Einwilligung in die Körperverletzung erfolgt nach unserer Auffassung in die körperliche Auseinandersetzung mit dem gegnerischen Kämpfer, so wie dessen Fähigkeiten und körperliche Stärken im Moment des Kampfbeginns bewertet werden können. Ist ein Kämpfer daher durch Einnahme von Doping zu höheren Leistungen fähig, als dies auf natürlichem Wege der Fall gewesen wäre, dann stellt sich bereits die Frage, ob der Gegner nicht bereits in die Höheren Leistungen und Fähigkeiten eingewilligt hat. Denn die Einwilligung erfolgt nicht blind und in Unkenntnis des Gegners, sondern – zumindest sollte man davon ausgehen – in genauer Kenntnis des Gegenübers und seiner Fähigkeiten. Pointiert liesse sich also fragen, ob bei einem Profikampf der gedopte Kämpfer nicht gerade wegen seiner Stärke als Gegner gewählt wird – wäre er leistungsschwächer, dann würde er womöglich gerade nicht als Kampfgegner in Betracht kommen.
Ein Wegfall der Einwilligung könnte daher nach unserer Auffassung nur dann in Betracht kommen, wenn die Leistungssteigerung zwischen Einwilligung und Kampfbeginn erfolgt und somit für das Gegenüber die erhöhte Leistung unerwartet ist.
Ein weiteres Problem wäre wohl auch die Konstellation, wenn beide Boxer gedopt wären. In diesem Fall wären beide Kämpfer womöglich auf gleichem Leistungsniveau und wären dann – der Ansicht des Landgerichts Köln folgend – beide einer wechselseitigen Körperverletzung schuldig, die sie in wechselseitiger Unkenntnis vom Doping des Gegenüber den Kampf durchgeführt haben.
Keine klare Rechtslage beim Doping im Kampfsport
Wie man sieht ist lediglich die Frage, ob das Doping einen Verstoß gegen das Anti-Doping-Gesetz darstellt, klar mit „ja“ zu beantworten. Ob allerdings eine Körperverletzung vorliegt ist höchst fraglich und wird sicherlich noch kontrovers zu diskutieren sein. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesgerichtshof hier womöglich im Fall des Felix Sturm eine klarere und nachvollziehbare Entscheidung treffen wird – falls Sturm überhaupt gegen das Urteil des Landgerichts Köln in Revision geht.