Anwalt für Strafrecht

Der ehemalige Box-Weltmeister Felix Sturm wurde kürzlich vom Landgericht Köln zu einer Haftstrafe von 3 Jahren wegen Steuerhinterziehung und Körperverletzung verurteilt. Neben der verurteilten Steuerhinterziehung ist vor allem ein Aspekt der Entscheidung des Landgerichts interessant: Das Gericht bewertet das Doping vor einem Boxkampf als Körperverletzung.

Landgericht: Doping beim Boxen ist Körperverletzung

Felix Sturm, fünfmaliger Box-Weltmeister im Mittel- und Supermittelgewicht, stand „hauptsächlich“ wegen Steuerhinterziehung vor dem Kölner Landgericht und in weiten Teilen beruht die Entscheidung des Landgerichts auch auf diesen Tatvorwürfen – Sturm wurde in sechs Fällen der Steuerhinterziehung und in zwei Fällen der versuchten Steuerhinterziehung schuldig gesprochen, der vom Gericht festgestellte Steuerschaden betrug knapp eine Million Euro. Die Verurteilung wegen der Steuerdelikte ist jedoch – mit Ausnahme der Prominenz des Angeklagten – nichts außergewöhnliches.

Außergewöhnlich ist jedoch die Bewertung, welche das Landgericht in Bezug auf den bei Sturm nach seinem letzten Profikampf festgestellten Dopingverstoß vorgenommen hat. Nach den Feststellungen des Gerichts hatte Sturm im WM-Kampf gegen Fjodor Tschudinow am 20. Februar 2016 das anabole Steroid Stanozolol eingenommen. Das Gericht entschied nun, dass Sturm damit neben einem Verstoß gegen das Anti-Doping-Gesetz auch im Rahmen des Kampfes eine Körperverletzung des Gegners begangen habe.

Doping lässt die Einwilligung in die Körperverletzung entfallen

Grundsätzlich liegt beim Boxen wie bei allen Kampfsportarten eine gegenseitige Einwilligung in die wechselseitige Körperverletzung vor, welche die Strafbarkeit entfallen lässt. Dies setzt nach Auffassung des Gerichts aber voraus, dass beide Kämpfer vom Gegner jeweils wissen, mit wem und was sie es – einfach gesagt – zu tun haben. Sprich: Die Einwilligung bezieht sich – nach Auffassung des Landgerichts – jeweils nur auf die tatsächlichen körperlichen Fähigkeiten des Gegners. Würde wie hier eine unerlaubte Leistungssteigerung herbeigeführt, welche beispielsweise zu höherer Schlagkraft oder erhöhter Schnelligkeit des Gegners führe, dann sei dieses Verhalten des Gegners nicht mehr von der Einwilligung in die Körperverletzung durch den sportlichen Wettstreit gedeckt.

Die Entscheidung des Landgerichts Köln sagt also, dass Sturms Gegner nichts vom Doping gewusst habe und daher auch nicht in die Verletzung durch den gedopten Sturm eingewilligt habe.

Zweifel an Richtigkeit der Entscheidung

Diese Entscheidung klingt auf den ersten Blick verständlich und richtig. Auf den zweiten Blick aber wirft die Sichtweise des Landgerichts Fragen auf, welche jedenfalls durch den BGH geklärt werden müssen. Denn: Die Einwilligung in die Körperverletzung erfolgt nach unserer Auffassung in die körperliche Auseinandersetzung mit dem gegnerischen Kämpfer, so wie dessen Fähigkeiten und körperliche Stärken im Moment des Kampfbeginns bewertet werden können. Ist ein Kämpfer daher durch Einnahme von Doping zu höheren Leistungen fähig, als dies auf natürlichem Wege der Fall gewesen wäre, dann stellt sich bereits die Frage, ob der Gegner nicht bereits in die Höheren Leistungen und Fähigkeiten eingewilligt hat. Denn die Einwilligung erfolgt nicht blind und in Unkenntnis des Gegners, sondern – zumindest sollte man davon ausgehen – in genauer Kenntnis des Gegenübers und seiner Fähigkeiten. Pointiert liesse sich also fragen, ob bei einem Profikampf der gedopte Kämpfer nicht gerade wegen seiner Stärke als Gegner gewählt wird – wäre er leistungsschwächer, dann würde er womöglich gerade nicht als Kampfgegner in Betracht kommen.

Ein Wegfall der Einwilligung könnte daher nach unserer Auffassung nur dann in Betracht kommen, wenn die Leistungssteigerung zwischen Einwilligung und Kampfbeginn erfolgt und somit für das Gegenüber die erhöhte Leistung unerwartet ist.

Ein weiteres Problem wäre wohl auch die Konstellation, wenn beide Boxer gedopt wären. In diesem Fall wären beide Kämpfer womöglich auf gleichem Leistungsniveau und wären dann – der Ansicht des Landgerichts Köln folgend – beide einer wechselseitigen Körperverletzung schuldig, die sie in wechselseitiger Unkenntnis vom Doping des Gegenüber den Kampf durchgeführt haben.

Keine klare Rechtslage beim Doping im Kampfsport

Wie man sieht ist lediglich die Frage, ob das Doping einen Verstoß gegen das Anti-Doping-Gesetz darstellt, klar mit „ja“ zu beantworten. Ob allerdings eine Körperverletzung vorliegt ist höchst fraglich und wird sicherlich noch kontrovers zu diskutieren sein. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesgerichtshof hier womöglich im Fall des Felix Sturm eine klarere und nachvollziehbare Entscheidung treffen wird – falls Sturm überhaupt gegen das Urteil des Landgerichts Köln in Revision geht.

Prozesse und Rechtsmittel - WULLBRANDT Rechtsanwälte

Ist eine Google-Adword-Kampagne so eingerichtet, dass bei der Eingabe einer geschützten Unternehmensbezeichnung eine Werbeanzeige einer anderen Person (Werbender) erscheint, so steht dem Inhaber der geschützten Unternehmensbezeichnung auch dann ein Unterlassungsanspruch gegen den Werbenden zu, wenn dieser nicht für die Einblendung seiner Anzeige verantwortlich ist, hiervon aber wusste. Das hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in der letzten Woche entschieden (Urteil vom 22. März 2017, Az. 6 U 29/15).

Name der Konkurrenz als Keyword bei Google Adwords – Kampagnenbetreiber haftet

Was war der Fall? Der Klägern ist ein Unternehmen mit der Firmierung (abgekürzt) „WCT“. Die Beklagte ist in der selben Branche tätig und schaltete Google Adwords – Kampagnen, in denen Sie den Namen des konkurrierenden Klägers „WCT“ als Keyword angab. Somit erschien bei einer Suche nach „WCT“ eine Anzeige der Beklagten. Diese hatte die Überschrift „Anzeige zu WCT…“. Der Kläger hatte darauf zunächst die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Landgericht Kiel hat der Unterlassungsklage des Klägers in der ersten Instanz stattgegeben. Diese Entscheidung hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts nun bestätigt.

Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch zu

Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Unterlassungsanspruch aus §§ 5 Abs. 2, 15 Abs. 4, Abs. 2 MarkenG zu. Nach Ansicht des OLG habe die Beklagte die Firmierung „WCT“ des Klägers in einer Weise benutzt, die zu Verwechslungen im Geschäftsverkehr führen könne. Habe man in das Google-Suchfeld „WCT“ eingegeben, sei eine Anzeige der Beklagten mit dem Text „Anzeige zu WCT…“ erschienen. Es sei daher für den Nutzer nicht erkennbar gewesen, dass es sich dabei eben nicht um eine Anzeige des Klägers handelte. Nach dem Erscheinungsbild hätte die Beklagte somit das Unternehmenskennzeichen des Klägers als Werbung für sich selbst benutzt. Die Anzeigen der Beklagten erweckten den Eindruck, als seien es solche des Klägers.

Ob die Überschrift von Google oder dem Nutzer stammt ist für die Haftung unerheblich

Jetzt kommt das besonders folgenträchtige Extra an der Entscheidung des OLG: Grundsätzlich, so das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, sei auch unerheblich, ob die zu Verwechslung führende Überschrift von der Beklagten oder von Google stamme. Es sei also für die Bewertung der Haftungsfrage irrelevant, ob der Anzeigentitel vom Nutzer bei Adwords absichtlich mit dem Namen der Konkurrenzfirma versehen wurde, oder ob Google diesen als Suchergebnis selbst zusammengestellt habe. Die Beklagte sei hier jedenfalls in beiden Fällen als Störerin heranzuziehen.

Die Beklagte hätte die Firmierung des Klägers nämlich spätestens dann rechtsverletzend kennzeichenmäßig verwendet, als sie Kenntnis davon gehabt habe, dass ihre Anzeige mit der Titulierung „WCT…“ erscheint – und nicht dagegen eingeschritten sei. Ihre Verantwortlichkeit entfalle auch nicht deshalb, weil die Beklagten kein mit dem Unternehmenskennzeichen des Klägers identisches oder ähnliches Schlüsselwort verwendeten. Die Verletzung des § 15 Abs. 2 MarkenG beruht laut OLG maßgeblich auf der konkreten Ausgestaltung der Anzeige und nicht auf der Verwendung eines bestimmten Schlüsselwortes.

Organhaftung

Der eingetragene Geschäftsführer einer GmbH ist jedenfalls strafrechtlich verantwortlich – auch wenn er gegenüber einem faktischen Geschäftsführer tatsächlich machtlos ist. Notfalls müsse er eben gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. 

BGH, Beschluss vom 13.10.2016, 3 StR 352/16

Der eingetragene Geschäftsführer ist strafrechtlich immer verantwortlich – auch bei Machtlosigkeit gegenüber einem faktischen Geschäftsführer

Der Bundesgerichtshof hat in einem vom Landgericht Koblenz ausgehenden Verfahren nochmals entschieden, dass der eingetragene Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft strafrechtlich immer verantwortlich ist – auch, wenn er gegenüber einem faktischen Geschäftsführer praktisch machtlos ist und ausschließlich der faktische Geschäftsführer die Geschicke der Gesellschaft lenkt.

In dem hier entschiedenen Fall hatte die Angeklagte mit ihrer Revision das Ziel verfolgt, vom Bundesgerichtshof als nicht strafrechtlich verantwortlich für das Handeln der Gesellschaft angesehen zu werden. Der BGH machte diesem Vorhaben jedoch einen Strich durch die Rechnung.

Kurz zur Sache: Die Angeklagte war aufgrund einstimmigen Gesellschafterbeschlusses einer luxemburgischen Kapitalgesellschaft als alleinige Geschäftsführerin im Handelsregister eingetragen worden. Tatsächlich jedoch gab es neben ihr den in erster Instanz ebenfalls angeklagten M, der als faktischer Geschäftsführer die Gesellschaft führte. Zur Anklage kam unter anderem die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen, wobei die Angeklagte vortrug, es sei ihr tatsächlich unmöglich gewesen, die Beiträge abzuführen, da sie keinen Zugang zur tatsächlichen Geschäftsführung und den Geschäftsunterlagen gehabt habe.

Bereits die Eintragung als Geschäftsführer begründet die Verantwortlichkeit gemäß § 14 Abs.1 Nr.1  StGB

Bereits die Eintragung der Angeklagten als Geschäftsführerin im Handelsregister begründe deren strafrechtliche Verantwortlichkeit für das Handeln der Gesellschaft gemäß § 14 Abs.1 Nr.1 StGB.

§ 14
Handeln für einen anderen

(1) Handelt jemand

1. als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs,
2. als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder
3. als gesetzlicher Vertreter eines anderen,

so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) die Strafbarkeit begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen.

Dies gilt auch dann, wenn eine andere Person für die Gesellschaft mit solch weitreichenden Kompetenzen auftritt, dass es sich dabei um eine faktische Geschäftsführung handelt. Die Verantwortlichkeit des formellen eingetragenen Geschäftsführers entfällt eben nicht dadurch, dass er – gleich einem Strohmann – im Innenverhältnis zu Gesellschaft und faktischem Geschäftsführer praktisch keine bedeutsamen Kompetenzen zustehen, um auf die Entwicklung der Gesellschaft einfluss nehmen zu  können.

Keine Entlastung durch faktischen Geschäftsführer

Der BGH stellt sich mit seiner Entscheidung in Widerspruch zu diversen Land- und Oberlandesgerichten und betont ausdrücklich, dass die Eintragung als formeller Geschäftsführer bei gleichzeitigem Bestehen einer faktischen Geschäftsführung nur einen Rechtsschein hervorrufe. Denn: Der eingetragene Geschäftsführer hat von Gesetzes wegen alle tatsächlichen und rechtlichen Handlungskompetenzen.

Die Verantwortlichkeit aus § 14 Abs.1 Nr.1 StGB knüpfe schließlich an die Organstellung und nicht an das interne Dienstverhältnis an.

Tatsächliche Geschäftsführung ist für den eingetragenen Geschäftsführer nie unmöglich

Der Einwand der Angeklagten, ihr sei die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge tatsächlich nicht möglich gewesen, griff bei der Kammer des BGH nicht durch. Der BGH wies darauf hin, dass es der Angeklagten jederzeit möglich gewesen wäre, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn ihr die tatsächliche Geschäftsführung durch den faktischen Geschäftsführer verwehrt wurde. Hätte auch dies nicht zu hinreichendem Erfolg geführt, hätte sie ihr Amt niederlegen müssen.

Fazit

Wir raten an dieser Stelle im Hinblick auf die sehr deutliche Ansicht des BGH dringend dazu, keinesfalls Eintragungen als Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften vornehmen zu lassen, ohne die tatsächliche Geschäftsführung inne zu haben. In unserer Beratungspraxis erleben wir oft, dass die Übernahme einer formellen Geschäftsführung insbesondere bei Familienangehörigen, näheren Bekannten oder auf Grundlage dubioser Geschäftsführerverträge erfolgt. Konsequenz dieser Eintragung ist oftmals, dass sich die eigentlich unbedarften formellen Geschäftsführer teils Jahre nach der Eintragung als Angeklagte eines Strafverfahrens wiederfinden – ohne auch nur ansatzweise eine Kenntnis der angeklagten Taten zu haben. Dass diese Unkenntnis nicht vor Anklage und Bestrafung schützt hat der BGH nun in der zitierten Entscheidung nochmals eindrucksvoll dargelegt.

WULLBRANDT Rechtsanwälte

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Eine im EU-Ausland niedergelassene Steuerberatungsgesellschaft kann auch zur Steuerberatung in Deutschland berechtigt sein.

BFH , Urteil vom 19.10.2016 – II R 44/12

Eine im EU-Ausland niedergelassene Steuerberatungsgesellschaft kann in Deutschland zur Steuerberatung berechtigt sein

Der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 19.10.2016 ging bereits ein im Wege des Vorabentscheidungsersuchens ergangenes Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zugrunde (EuGH-Urteil vom 17. Dezember 2015 C-342/14, X-Steuerberatungsgesellschaft, EU:C:2015:827)

Der BFH gab die vorliegende Sache zur erneuten Entscheidung an das zuständige Finanzgericht zurück. Dieses sei zwar zum Zeitpunkt der ersten Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass die fragliche Steuerberatungsgesellschaft zum damaligen Zeitpunkt nicht zur Steuerberatung in Deutschland befugt gewesen sei. Allerdings kann sich die Steuerberatungsgesellschaft aber unter bestimmten Voraussetzungen auf die unionsrechtlich verbürgte Dienstleistungsfreiheit berufen

Dienstleistungsfreiheit gilt gegebenen Falles auch für Steuerberatungsgesellschaften

Existieren im Land der Niederlassung der Gesellschaft keine dem deutschen Steuerberatungsgesetz vergleichbaren Regelungen über die Reglementierung des Berufes der Steuerberater, dann kommt es darauf an, dass zumindest eine nachhaltige Berufsausübung gegeben ist. Eine solche nachhaltige Berufsausübung setzt voraus, dass in den letzten zehn Jahren mindestens zwei Jahre lang eine steuerberatende Tätigkeit im Ausland ausgeübt wurde. Zudem muss ein Berufshaftpflichtschutz vorliegen.

Das Finanzgericht muss nun – praktisch im zweiten Durchgang – genau dieses prüfen. Und noch mehr – da die klagende Steuerberatungsgesellschaft eine Niederlassung im Inland (also in Deutschland) unterhält muss das Finanzgericht ebenfalls prüfen, ob die Gesellschaft nicht bereits aufgrund ihrer Niederlassung den deutschen Regelungen unterfällt.

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Landgericht Düsseldorf verbietet Facebook Like-Button

Das Landgericht Düsseldorf hat am 9. März 2016 unter dem Aktenzeichen 12 O 151/15 ein Urteil mit schwerwiegenden Folgen für alle Webseitenbetreiber getroffen. Das Gericht entschied, dass die Verwendung des Facebook Like – Buttons auf Webseiten rechtswidrig ist.

Landgericht Düsseldorf verbietet die Nutzung des Facebook Like-Buttons

Zur Begründung führte das Gericht aus, dass das Plugin, mit welchem der Button auf Webseiten eingebunden wird, ohne die Zustimmung der Nutzer personenbezogene Daten an Facebook übermittelt.

Das Urteil des Landgerichts Düsseldorf haben wir Ihnen HIER zur Verfügung gestellt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es ist davon auszugehen, dass die Beklagte in Berufung und gegebenen Falles anschließende Revision geht.

Mehr zum Thema erfahren Sie auf unserem Blogprojekt Justanotherlawblog.

Der Zeitpunkt der ersten Einlassung des Angeklagten darf vom Gericht nicht nachteilig bewertet werden. Es darf dem Angeklagten auch nicht zur Last gelegt werden, wenn er von seinem Schweigerecht Gebrauch macht.

BGH: Es darf nicht zum Nachteil des Angeklagten gewertet werden, wann dieser seine erste Einlassung abgibt

So entschied der Bundesgerichtshof (BGH) zuletzt durch Beschluss vom 13.10.2015 – 3 StR 344/15. In dem ursprünglichen Verfahren war der Angeklagte wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmittelb zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Zu dem „bewaffneten“ Handeltreiben kam es, da bei der Festnahme des Angeklagten neben Drogen auch eine mit 5 Schuss geladene Gaspistole im Auto unter dem Fahrersitz gefunden wurde. Der Strafverteidiger des Angeklagten hatte gegen das Urteil des Landgerichts Revision eingelegt, da das Landgericht seine Entscheidung unter anderem mit dem Zeitpunkt der EInlassungen zum Thema „wie kam die Waffe dorthin“ des Angeklagten und seiner Verlobten begründet. Das war nach Ansicht des BGH rechtsfehlerhaft.

Angeklagter bestritt Kenntnis von der Waffe

Der Angeklagte hatte nach seiner Festnahme zwar den Besitz und die Absicht, zumindest Teile der gefundenen Drogen verkaufen zu wollen, gestanden. Er bestritt jedoch, von der Waffe Kenntnis gehabt zu haben. Die Waffe habe vielmehr wohl seine Verlobte ohne sein Wissen im Auto abgelegt. Dies habe sie getan, da im Haus – wo die Waffe für gewöhnlich deponiert war – ein Kindergeburtstag stattgefunden habe und sie nicht wollte, dass bei dieser Gelegenheit die Waffe im Haus war.

Landgericht glaubt Einlassung nicht – weil sie spät erfolgt

Die entscheidende Strafkammer am Landgericht Lüneburg glaubte diese Einlassung jedoch nicht und sah sie als widerlegt an. Ebenso schenkte das Gericht der Zeugenaussage der Verlobten des Angeklagten in der Hauptverhandlung keinen Glauben. Das Gericht begründete dies damit, dass es keinen Grund gäbe, weshalb die Verlobte mit ihrer entlastenden Aussage – welche sie dem Strafverteidiger des Angeklagten gegenüber bereits wesentlich früher geäußert hatte – bis zur Hauptverhandlung warten solle. Das Gericht leitete für sich daraus ab, dass es sich dabei offensichtlich um eine abgesprochene Aussage handele.

BGH sagt: Es ist egal, wann eine Einlassung des Angeklagten kommt

Der Bundesgerichtshof sah dies in der vom Verteidiger des Angeklagten eingelegten Revision anders. Der BGH führt aus, dass die Erwägung, es handele sich bei der EInlassung des Angeklagten um eine abgestimmte Einlassung, da sie erst spät im Verlauf der Hauptverhandlung erfolgt und aus diesem Grund sei ihr kein Glauben zu schenken

…gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten verstößt. Diesem kann der Zeitpunkt, zu dem er erstmals eine entlastende Einlassung vorbringt, nicht zum Nachteil gereichen.

Schweigerecht ist elementarer Bestandteil des Strafverfahrens

Das Schweigerecht eines Angeklagten und damit der Grundsatz, dass sich niemand selbst belasten muss, ist elementarer Bestandteil eines fairen Verfahrens und damit des rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Der Angeklagte im Strafverfahren kann jederzeit selbst entscheiden, ob er eine Aussage macht oder nicht. Macht der Angeklagte keine Aussage, dann darf ihm das nicht zum Nachteil gereichen. Diese absolute Entscheidungsfreiheit setzt natürlich voraus, dass der Angeklagte nicht befürchten muss, dass ihm nur aus dem Zeitpunkt einer – wahrheitsgemäßen – Einlassung könnten ihm Nachteile entstehen. Denn: Auch die Gründe und Beweggründe für eine Aussage dürfen nicht nachteilig bewertet werden. Muss der Angeklagte also befürchten, dass er bei einer Einlassung im Nachhinein negative Konsequenzen erleidet, weil er diese EInlassung erst spät abgibt, dann ist er dazu verleitet lieber gar keine Aussage zu machen als eine späte. Diese Motivationslage darf nicht herrschen. Der BGH hat also noch einmal festgehalten, dass weder aus der durchgehenden noch aus der anfänglichen Aussageverweigerung – und damit auch nicht aus dem Zeitpunkt, zu dem sich der Angeklagte erstmals einlässt – nachteilige Schlüsse gezogen werden dürfen. Dass der Angeklagte die Ermittlungsbehörden also nicht früher über die Angaben seiner Verlobten in Kenntnis gesetzt hatte, darf deshalb bei der Bewertung seiner Aussage keine Berücksichtigung finden.


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Rechtsanwalt & Strafverteidiger Tim Wullbrandt

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Die im Privatbereich erhobenen Rundfunkbeiträge (GEZ) sind verfassungsgemäß. Das entschied heute der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim in drei Verfahren. 

Erhebung von Rundfunkbeiträgen ist verfassungsgemäß

Kaum ein Thema ist so oft diskutiert und so umstritten wie die Erhebung der Rundfunkgebühren, landläufig bekannt als „GEZ-Gebühren“. Gerade in sozialen Medien kursieren diverse Theorien, weshalb die Rundfunkbeiträge nicht geschuldet seien und wie man diese umgehen könne. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim hat nun nach mündlicher Verhandlung am 3. März 2016 in drei Berufungsverfahren entschieden, dass die Erhebung der Rundfunkbeiträge im privaten Bereich verfassungsgemäß ist.

VGH Mannheim entscheidet in drei Verfahren über Rundfunkbeiträge

Gegen die Erhebung des Rundfunkbeitrags hatten jeweils drei Inhaber von Wohnungen oder Zweitwohnungen vor den Verwaltungsgerichten Karlsruhe und Stuttgart geklagt. Sie hatten sich darauf berufen, dass der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, auf dessen Grundlage die Rundfunkbeiträge erhoben werden, verfassungswidrig sei. Nach Auffassung der Kläger handele es sich beim Rundfunkbeitrag um eine Steuer und nicht um einen Beitrag. Daraus folge, dass den Bundesländern die Gesetzgebungskompetenz für die Erhebung des Beitrags fehle – denn für die Erhebung von Steuern liegt die Gesetzgebungskompetenz ausschließlich beim Bund.

Exkurs: Was ist der Unterschied zwischen Beitrag und Steuer

An dieser Stelle kurz die Erklärung, wo der Unterschied zwischen Steuern und Beiträgen liegt:

Was sind Steuern?

Der Begriff der „Steuern“ ist in § 3 der Abgabenordnung (AO) definiert. Dort heisst es

Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.

Was sind Beiträge?

Beiträge dagegen sind definiert als Aufwandsersatz für die mögliche Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung oder Einrichtung. Das Bedeutet, dass Beiträge das „Zwangsentgelt“ für eine Leistung sind, die von staatlicher Seite bereitgestellt wird und die man in Anspruch nehmen kann. Das Entgelt fällt also an, egal ob man die Leitung in Anspruch nimmt oder nicht.

Damit hat man auch direkt die Antwort auf die Frage, weshalb man denn bitteschön Rundfunkbeiträge zahlen soll, obwohl man (angeblich) keine öffentlich rechtlichen Sender konsumiert. Rein juristisch ist es so, dass die Leistung (also öffentlicher Rundfunk) bereitgestellt wird und man sie nutzen kann, also fällt auch der Beitrag an.

Kläger: Rundfunkbeitrag ist Steuer

Die Kläger hatten in ihren Verfahren argumentiert, dass es sich bei den Rundfunkbeiträgen um Steuern und eben keine Beiträge handele. Demzufolge hätten die Bundesländer gar keine Gesetzgebungskompetenz und die Rechtsgrundlage der Rundfunkgebühren sei nichtig. Daneben waren sie der Ansicht, dass die in den Rundfunkbeitragsstaatsverträgen verankerte Melde- und Nachweispflicht sowie der Meldedatenabgleich nicht mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vereinbar seien. Die Klagen hatten allerdings bereits in der ersten Instanz vor den Verwaltungsgerichten Stuttgart und Karlsruhe keinen Erfolg.

VGH Mannheim: Rundfunkbeitrag ist keine Steuer sondern Abgebe und rechtmäßig

Der für das Bundesland Baden-Württemberg zuständige Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat nun in der Berufungsinstanz entschieden, dass der Rundfunkbeitrag keine Steuer, sondern eine Abgabe für die zur Verfügung gestellte Leistung „Rundfunk“ darstellt und demnach rechtens ist. Die Richter des 2. Senats am VGH Mannheim führten aus, dass

Das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine Gegenleistung für die Zahlung des Rundfunkbeitrags sei. Die Anknüpfung der Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags an das Innehaben einer Wohnung unabhängig von den Nutzungsgewohnheiten und Nutzungsabsichten sei verfassungsgemäß und durch die technische Entwicklung neuartiger Rundfunkempfangsgeräte veranlasst. Sie sei auch im Hinblick auf die Gewährleistung der Rundfunkfreiheit sachgerecht und stehe mit dem allgemeinen Gleichheitssatz in seiner abgabenrechtlichen Ausprägung der Belastungsgleichheit in Einklang.

Vorerst bleibt also alles beim alten – der Rundfunkbeitrag muss gezahlt werden. Der VGH liess jedoch die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zu – diese kann durch die Kläger nun binnen eines Monats eingelegt werden.

Die Entscheidung im Volltext ist noch nicht veröffentlicht, die Pressemitteilung des VGH Mannheim finden Sie HIER.

Ein thüringischer Richter am Amtsgericht wurde zu Recht wegen Rechtsbeugung im Amt in 7 Fällen verurteilt. So zumindest entschied kürzlich der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 24.02.2016 – Aktenzeichen 2 StR 533/15. Dabei wollte er „nur“ der Bußgeldbehörde eine Lektion erteilen…

BGH bestätigt die Verurteilung eines Amtsrichters wegen Rechtsbeugung

Was war geschehen? Der angeklagte Richter hatte mehrfach, jedenfalls in 7 Fällen, Temposünder in Ordnungswidrigkeitenverfahren freigesprochen. Dies hatte er jeweils damit begründet, es läge ein „Verfahrenshindernis“ vor, da die jeweilige Bußgeldbehörde weder Messprotokoll noch Eichschein der jeweiligen Messung von sich aus vorgelegt habe. Das Landgericht Erfurt hatte hierin jeweils Fälle der Rechtsbeugung gesehen und den Richter wegen dieser Vorgänge zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt und die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen hatte der Richter Revision eingelegt.

Aufklärungspflicht in OWi-Verfahren gegen Temposünder verletzt

Warum gilt ein Freispruch als Rechtsbeugung? Nun, grundsätzlich ist das nicht per se der Fall. Hier ist es allerdings so, dass auch in Bußgeld- und Ordnungswidrigkeitenverfahren – ebenso wie in „normalen“ Strafsachen – das Gericht eine Aufklärungspflicht trifft. Das Gericht selbst hat also alle zur Wahrheitsfindung notwendigen Beweismittel beizuziehen. In Bußgeldverfahren gegen Temposünder ist es allgemein bekannt, dass zur Überprüfung der Messung das Messprotokoll und der Eichschein des Messgeräts notwendig sind. Liegen diese also nicht schon sowieso in der Bußgeldakte, dann muss das Gericht im Rahmen seiner Aufklärungspflicht diese von dort anfordern.

Richter wollte Bußgeldbehörde eine Lektion erteilen

Offensichtlich störte es den Richter, dass die Bußgeldbehörde in ihren Verfahrensakten nie die erforderlichen Messprotokolle und Eichscheine beifügte (und er sie gesondert anfordern musste). Er traf daher mehrere Entscheidungen dahingehend, dass die Temposünder wegen eines „Verfahrensfehlers“ (= die Protokolle lagen dem Richter nicht vor) freigesprochen wurden. Augenscheinlich wollte der Richter der Bußgeldbehörde damit eine Lektion a la „wenn ihr die Unterlagen nicht selbst beibringt, dann lasse ich die Leute laufen“ erteilen. Daraus wurde jedoch nichts, denn das thüringische Oberlandesgericht hob mehrere dieser Entscheidungen rückwirkend auf.

OLG Thüringen sah Aufklärungspflicht verletzt – den Richter störte das nicht

Das OLG Thüringen sah in den aufgehobenen Entscheidungen die Aufklärungspflicht des Richters verletzt. Diesen indes störte das offenbar wenig – er sprach weiter mehrere Temposünder frei, weil Protokolle nicht zu Beginn des OWi-Verfahrens vorlagen.

Landgericht Erfurt sieht Rechtsbeugung in den Freisprüchen

Das Landgericht Erfurt nahm sich der entsprechenden Anklage an und verurteilte den Richter wegen tatmehrheitlicher Rechtsbeugung. Es begründet seine Entscheidung damit, dass der verurteilte Richter bei seinen Entscheidungen es jedenfalls für möglich gehalten habe, dass diese falsch seien. Dies habe er jedoch in Kauf genommen, um der Bußgeldbehörde eine Lektion zu erteilen. Dabei habe er die ihm obliegende Aufklärungspflicht des Gerichts zwar gekannt, diese aber sehenden Auges missachtet.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts, welches ihn zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten zur Bewährung verurteilt hatte, hatte er (selbstverständlich) Revision eingelegt und diese damit begründet, er habe keinen Vorsatz hinsichtlich der abgeurteilten Rechtsbeugung gehabt. Ausserdem sei er zu den Tatzeitpunkten krankheitsbedingt schuldunfähig gewesen. Die Revision hatte keinen Erfolg – der BGH bestätigte nun die Entscheidung des Landgerichts Erfurt.

Die Aussetzung einer Pfändung des Finanzamts nach Erlass einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist nicht möglich. So jedenfalls entschied das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG Baden Württemberg) bereits am 26.01.2016 (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.01.2016, 11 K 2973/14). Wird die Entscheidung rechtskräftig, dann besteht faktisch kein Raum mehr für Verhandlungen mit dem Finanzamt nach Erlass einer Pfändungsverfügung.

FG Baden-Württemberg: Die Aussetzung und Ruhendstellung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung durch das Finanzamt ist nicht möglich

Die Entscheidung des Finanzgerichts betrifft Fälle, in denen das Finanzamt bereits eine Pfändungs- und EInziehungsverfügung wegen Steuerrückständen erlassen hat. In den allermeisten Fällen wird diese Verfügung einem Kreditinstitut (Bank) zugestellt, um die aktuellen und zukünftigen Kontoguthaben des Steuerschuldners zu pfänden. Zu Gunsten des Steuerschuldners wird man nun zunächst versuchen, mit dem Finanzamt eine Ratenzahlungsvereinbarung auszuhandeln. Gelingt dies, dann stellt das Finanzamt oft die Pfändung ruhend – der Schuldner kann dann so lange wieder frei über sein Konto verfügen, wie er sich an die vereinbarte Ratenzahlung hält.

Ruhendstellung der Pfändung kollidiert mit nachfolgenden Pfändungen

Das vollstreckungsrechtliche Problem: Eine solche Ruhendstellung ist in der ZPO nicht vorgesehen. Die für die Zwangsvollstreckung geltende Zivilprozessordnung kennt (einfach gesagt) nur alles oder nichts in Bezug auf die Wirkungen einer ausgebrachten Pfändung. Zu Problemen mit einer solchen Ruhendstellung kommt es spätestens dann, wenn weitere Gläubiger die selben Ansprüche pfänden, wenn also beispielsweise bei einer Bank ein weiterer Gläubiger eine zusätzliche Pfändung auf die Kontoverbindungen ausbringt. Grundsätzlich wäre nämlich mit der Ruhendstellung der ersten Pfändung diese erledigt und die zweite nachfolgende Pfändung würde an erste Stelle rutschen. Macht der Drittschuldner – also hier die Bank – in solchen Fällen Fehler bei der Beurteilung der Rangfolge, dann sieht er sich Haftungsansprüchen der jeweils benachteiligten Seite ausgesetzt.

Bank klagt gegen Ruhendstellung der Pfändung durch das Finanzamt

In dem Fall, den das Finanzgericht Baden-Württemberg entschieden hat, war das genau so. Das Finanzamt hatte der kontoführenden Bank des Steuerschuldners S eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung zugestellt. Die Bank als Drittschuldnerin hatte diese unter Mitteilung, dass man keine Aussetzungen anerkenne, anerkannt und führte alle Kontoguthaben des Schuldners an das Finanzamt ab. Dieser traf jedoch eine Einigung mit dem Finanzamt, woraufhin dieses der Bank erklärte, sie stelle die Pfändung ruhend, die Bank solle bis auf weiteres dem Schuldner die Verfügung über seine Konten und Guthaben ermöglichen. Die Pfändungsverfügung hielt das Finanzamt jedoch aufrecht und wies die Drittschuldnerin darauf hin, dass die Pfändung in jedem Fall gegenüber später zugestellten Pfändungen bzw. Abtretungen vorrangig bleibe.

Hiergegen legte die Bank als Drittschuldnerin zunächst Einspruch ein. Nun beglich der Schuldner seine vollständigen Steuerschulden und das Finanzamt hob die Pfändung auf. Die Bank erhob nunmehr gegen die Ruhendstellung Klage mit dem Ziel festzustellen, dass die Ruhendstellung rechtswidrig war.

Bank wehrt sich gegen Überwachungspflichten – Ruhendstellung ist rechtswidriger Verwaltungsakt

Die Bank war der Auffassung, die Ruhendstellung durch das Finanzamt stelle einen rechtswidrigen Verwaltungsakt dar, für den es keine Rechtsgrundlage gäbe. Das Interesse der Bank liegt dabei in der Vermeidung von Wiederholungsfällen. Sie trug vor, dass die laufende Überwachung ruhend gestellter Pfändungen einen erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich bringe und die Drittschuldnerin damit trotzdem einem erheblichen Haftungsrisiko, insbesondere gegenüber weiteren Drittschuldnern ausgesetzt sei. Dieses Haftungsrisiko wollte sie vermeiden.

Finanzgericht Baden-Württemberg entscheidet: Ruhendstellung ist rechtswidrig

Das Finanzgericht hat nun durch seinen 11. Senat entschieden, dass das Schreiben, mit welchem die Ruhendstellung erklärt wird, ein Verwaltungsakt mit Außenwirkung ist, welcher den Regelungsgehalt der Pfändungs- und EInziehungsverfügung betrifft und abändert. Als solcher sei dieser Verwaltungsakt rechtswidrig. Denn: Ihm fehlt schlicht die Rechtsgrundlage. Zwar bestimmen sich die Formalien für den Erlass der Pfändungs- und Einziehungsverfügung nach den Regelungen der Abgabenordnung (AO), also nach Steuergesetzen. Die Durchführung der Zwangsvollstreckung jedoch bestimmt sich alleine an den Regelungen der Zivilprozessordnung (ZPO).

Zivilprozessordnung kennt keine Ruhendstellung

Die insofern geltende Zivilprozessordnung kennt jedoch keine Ruhendstellung oder Aussetzung einer Pfändung. Hier gibt es schlicht nur „on“ oder „off“. Erlässt das Finanzamt nun einen Verwaltungsakt, mit dem es diese Rechtsinstrumente der ZPO abzuändern versucht, dann ist dies mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig. Dies war hier der Fall, da der Verwaltungsakt des Finanzamts zwar vorsah, dass die sich zu Gunsten des Finanzamts aus der Pfändung ergebenden Vorteile (Auskehr der Kontenguthaben) zwar vorübergehend entfallen sollten (der Schuldner sollte wieder über sein Konto verfügen können). Die Verstrickung der Pfandsache sollte jedoch bestehen bleiben (Sprich: Bei nachfolgenden Pfändungen sollte das Finanzamt weiter an vorderster Stelle stehen bleiben).

Abgabenordnung regelt nur das Verhältnis zwischen Finanzamt und Steuerschuldner – nicht aber Drittschuldner

Das Finanzamt hatte seine Rechtsauffassung mit dem Inhalt von § 258 Abgabenordnung (AO) begründet. Danach kann die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung im Einzelfall einstellen oder beschränken. Das Gericht urteilte jedoch, dass das Finanzamt keine Anordnungen treffen kann, welche nach der ZPO nicht gestattet sind. Eine Ruhendstellung der Pfändung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Verstrickung beeinträchtige jedoch die Rechte Dritter einschließlich der klagenden Drittschuldnerin. Hierfür fehle es jedoch an einer Ermächtigungsgrundlage.

Auswirkung auf alle öffentlichen Vollstreckungsmaßnahmen – auch Krankenkassen?

Das Finanzgericht hat die Revision gegen das Urteil zugelassen, es ist also noch nicht rechtskräftig. Sollte das Urteil jedoch rechtskräftig werden, dann hätte dies erhebliche Konsequenzen für sowohl Steuerschuldner als auch Schuldner sonstiger öffentlicher Kassen, insbesondere die Schuldner von Krankenkassen und Sozialversicherungsträgern. Neben Finanzämtern ist es insbesondere bei Krankenkassen gängig (und nach unserer Auffassung sinnvoll), eine ausgebrachte Pfändung ruhend zu stellen, sofern man sich mit einem Schuldner auf eine Ratenzahlung der bestehenden Rückstände einigen kann. Sollte das hiesige Urteil in Rechtskraft erwachsen dann steht zu vermuten, dass die Chancen für eine derartige Einigung zukünftig erheblich schlechter stehen – was Sanierungsbemühungen erheblich erschweren dürfte.


Sie gelangen HIER zur Pressemitteilung des Finanzgerichts Baden-Württemberg (externer Link).

Wann ist beim Tabakschmuggel der Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt und die Tat beendet? Mit dieser Frage hatte sich der BGH in seinem Verfahren 1 StR 461/06 zu beschäftigen. In diesem Fall hatte der BGH über versteckte Zigarettenladungen zu entscheiden, die aus einem anderen Mitgliedstaat ohne Verwendung deutscher Steuerzeichen nach Deutschland verbracht und nicht verzollt wurden. Deutschland diente als Zwischenstation, wo die Zigaretten umgeladen, um – wiederum versteckt unter Tarnladung – durch eine Spedition nach Großbritannien zum dortigen Verkauf weitertransportiert zu werden.

Pflicht zur Erklärung über Tabaksteuer entsteht bei Verbringen nach Deutschland zu gewerblichen Zwecken

Der BGH stellt fest, dass die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung über den transportierten Tabak gemäß § 19 Satz 2 und 3 TabStG aF dann entsteht, wenn die Tabaksteuer aufgrund eines Verbringens der Tabakwaren ohne Verwendung deutscher Steuerzeichen (vgl. § 12 TabStG aF) aus dem freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaates zu gewerblichen Zwecken nach Deutschland gebracht wird. Da die Tabakware jedoch nicht in Deutschland verbleiben sollte, sondern weiter nach Großbritannien transportiert wurde, stellt sich die Frage, wann die Beendigung der Tat vorliegt.

Tat ist beendet, wenn die Ware „zur Ruhe gekommen ist“

Die Hinterziehung von Tabaksteuer unter Verstoß gegen die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung gemäß § 19 Satz 3 TabStG aF ist erst beendet, wenn die Tabakwaren in Sicherheit gebracht und „zur Ruhe gekommen“ sind. Der BGH führt hierzu aus, dass es maßgeblich ist, ob die Tabakwaren die gefährliche Phase des Grenzübertritts passiert haben und der Verbringer sein geplantes Vorhaben erfolgreich abgeschlossen hat. In der Regel wird die Steuerhinterziehung daher erst beendet sein, wenn die Tabakwaren ihren Bestimmungsort erreicht haben. Wenn die Tabakwaren in Deutschland lediglich umgeladen wurden und hauptsächlich für den Verkauf in Großbritannien bestimmt waren, sind sie noch nicht „zur Ruhe gekommen“ (BGH, Urteil vom 14. März 2007 – 1 StR 461/06).