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Benachteiligungsvorsatz und Anfechtung (KG, Urteil vom 11.04.2014 – 14 U 49/12)

Rechtshandlungen, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, sind gemäß § 133 I 1 InsO anfechtbar, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Die Zahlungen müssen die Gläubiger der Schuldnerin durch Verkürzung der Masse iSv § 129 InsO objektiv benachteiligen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob zur Zeit der Zahlungen bereits weitere Gläubiger vorhanden waren oder solche erst später hinzugetreten sind.

Der Schuldner handelt mit entsprechendem Vorsatz, wenn er die Benachteiligung der Gläubiger als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt. Kennt der Schuldner seine eigene Zahlungsunfähigkeit, kann hieraus entsprechend § 133 Abs. 1 S. 2 InsO auf seinen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden. Denn der Schuldner weiß in diesem Fall, dass sein Vermögen nicht mehr ausreicht, um seine sämtlichen Gläubiger zu befriedigen und seine Zahlungen an den Leistungsempfänger damit seine übrigen Gläubiger benachteiligen. Dabei ist nicht nur die festgestellte Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen, sondern bereits eine vom Schuldner erkannte drohende Zahlungsunfähigkeit ein starkes Beweisanzeichen für dessen Benachteiligungsvorsatz, das bei der gebotenen Gesamtwürdigung zu berücksichtigen ist

Benachteiligungsvorsatz entfällt bei schlüssigem Sanierungskonzept

Der Benachteiligungsvorsatz kann jedoch dann entfallen, wenn ein konkretes Sanierungskonzept ernsthafte Sanierungsbemühungen ermöglicht. Hierzu muss zur Zeit der angefochtenen Handlung ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorliegen, das mindestens in seinen Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden ist und beim Schuldner die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt. 

Denn: Im Falle erkannter Zahlungsunfähigkeit entfällt ein danach an sich gegebener Benachteiligungsvorsatz nur, wenn aufgrund konkreter Umstände – etwa der sicheren Aussicht, demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können – mit einer baldigen Überwindung der Krise zu rechnen ist. Für eine solche Annahme bedarf es indes konkreter Umstände, die nahe legen, dass die Krise noch abgewendet werden kann (BGH, Urteile vom 24. Mai 2007 – IX ZR 97/06, Juris, Rn. 8; vom 22. November 2012 – IX ZR 62/10, Juris, Rn. 7).

Die Entscheidung des Kammergerichts im Voltext hier:

KGUrteil vom 11.04.2014 – 14 U 49/12

Auf die Berufung des Klägers wird das am 29. März 2012 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin – 37 O 167/11 – unter Zurückweisung der Anschlussberufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst :

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 348.027,40 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 1. März 2007 sowie 3.147,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 8. Juni 2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10% abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10% leistet.

Die angefochtene Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

(I) Die Parteien streiten um die insolvenzrechtliche Anfechtung von Zahlungen in Höhe von insgesamt 348.027,40 €, die die Schuldnerin nach Wegfall der Anschlussförderung an die Beklagte geleistet hat.

Wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz und ihrer dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Das Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung, auf die im Einzelnen verwiesen wird, der Klage unter Abweisung im Übrigen in Höhe von 85.000,00 € stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Schuldnerin habe nur bei den Zahlungen, die nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Anschlussförderung vom 11.05.06 ausgeführt wurden, mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt, da sie bis dahin auf eine gegenteilige Entscheidung mit der Folge einer sofortigen Behebung ihrer Finanznot hoffen durfte und somit eine positive Fortführungsprognose bestand; für die Zeit danach mangele es an einem tragfähigen Sanierungskonzept, so dass diese Zahlungen zu erstatten seien, zumal die Beklagte um den Benachteiligungsvorsatz wissen musste.

Gegen dieses am 29. März 2012 verkündete und beiden Parteien am 10. April 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09. Mai 2012 Berufung eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat am 2. Juli 2012 begründet. Die Beklagte hat binnen der bis zum 8. Oktober 2012 bestimmten Berufungserwiderungsfrist am 8. Oktober 2012 Anschlussberufung eingelegt und zugleich begründet.

Der Kläger macht mit seiner Berufung unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen geltend, die zahlungsunfähige Schuldnerin habe in Kenntnis der Beklagten mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt, zumal beide auf ein gegenteiliges Urteil des Bundesverwaltungsgericht nicht hoffen und dem Sanierungskonzept der M. (Anlage B2) nicht vertrauen durften. Im Übrigen tritt er der Anschlussberufung entgegen.

Der Kläger beantragt,

die angefochtene Entscheidung teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 263.027,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 1. März 2007 sowie 1.467,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

sowie die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

sowie im Wege der Anschlussberufung,

unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen, soweit sie zu mehr als einer Zahlung von 10.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 1. März 2007 und vorgerichtlichen Anwaltskosten von 651,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 9. Juni 2011 verurteilt worden ist.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung, die sie im Wesentlichen für zutreffend erachtet, unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages und führt aus, weder sei angesichts der gebilligten Tilgungseinstellung von einer Zahlungseinstellung der Schuldnerin auszugehen noch könne angesichts der berechtigterweise abzuwartenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes und ihres anschließenden Sanierungskonzeptes ein Benachteiligungsvorsatz festgestellt werden. Im Übrigen tritt sie der Berufung entgegen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

(II)

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist begründet, während die form- und fristgerecht eingelegte Anschlussberufung unbegründet ist. Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht teilweise abgewiesen, ihr im Übrigen aber zu Recht stattgegeben. Denn der Kläger kann die Beklagte auf Rückgewähr der gesamten von der Schuldnerin empfangenen Zahlungen in Höhe von 348.027,40 € zur Masse in Anspruch nehmen, §§ 133 Abs. 1 Satz 1, 143 InsO.

Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO sind Rechtshandlungen, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, anfechtbar, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.

Alle strittigen Zahlungen wurden sämtlich binnen dieses Anfechtungszeitraums ausgeführt und haben die Gläubiger der Schuldnerin durch Verkürzung der Masse im Sinne von § 129 InsO objektiv benachteiligt, (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.10 – IX ZR 212/09 – m. w. N. JURIS), wie auch die Berufungserwiderung ausdrücklich einräumt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob zur Zeit der Zahlungen bereits weitere Gläubiger vorhanden waren oder solche erst später hinzugetreten sind.

Bereits seit der ersten angefochtenen Zahlung vom 31. März 2005 (siehe Zahlungsaufstellung in der Klageschrift Bd. 1 Bl. 28-29 d. A.). drohte aufgrund des Wegfalls der Anschlussförderung nach den zutreffenden und überzeugenden landgerichtlichen Ausführungen die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und ist nach diesem Zeitpunkt auch tatsächlich eingetreten.

Die regelmäßig durch eine Liquiditätsbilanz zu belegende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners beurteilt sich allgemein nach § 17 InsO. Auch ohne Vorlage einer Liquiditätsbilanz hat der Kläger hier unter Hinweis auf den einvernehmlichen Gesprächsvermerk der Schuldnerin und der Beklagten vom 05.04.11 (Anlage K11) hinreichend dargetan und belegt, dass die Schuldnerin aufgrund des ersatzlosen Streichens jedweder Anschlussförderung durch Beschluss des Senats von Berlin vom Frühjahr 2003 nach Auslaufen der ihr im Jahre 1987 gewährten fünfzehnjährigen Grundförderung eine strukturelle jährliche Unterdeckung von 140.000 € erwirtschaftete, was auch die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht in Zweifel zieht. Damit drohte seitdem und damit jedenfalls zur Zeit der ersten strittigen Zahlung unzweifelhaft die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin.

Bereits zur Zeit der Zahlungen vom 31.03.05 drohte der Beklagten erkennbar und unabwendbar die Zahlungsunfähigkeit, weil ihr ausweislich ihrer Finanzplanung nach Auslaufen der Erstförderung eine laufende Unterdeckung von jährlich 140.000,00 € drohte, die ohne die nicht mehr zu erwartende Anschlussförderung nicht mehr aufzufangen war, und aus den nachstehenden Gründen angesichts des letztlich untauglichen Sanierungskonzeptes nicht nur keine überwiegende, sondern gar keine Aussicht auf finanzielle Rettung mehr bestand (BGH Urteil vom 15.12.13 – IX ZR93/11 – juris)

Die Zahlungsunfähigkeit ist nachfolgend jedenfalls dann eingetreten, als die Schuldnerin nach Verbrauch ihrer Reserven tatsächlich nicht mehr in der Lage war, ihre Verbindlichkeiten weiterhin aus eigener Kraft zu begleichen. Dies wurde in dem eingangs genannten Vermerk vom 05.04.05 (Anlage K 11) festgehalten und ergibt sich zudem zweifelsfrei aus dem Umstand, dass die Schuldnerin ausweislich des von der Beklagten nicht bestrittenen Sachvortrages des Klägers bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr fähig war, ihren laufenden Kapitaldienst zu erfüllen, dessen Rückstände sich fortlaufend bis auf die Klageforderung von 348.027,40 € steigerten.

Einer gesonderten Liquidationsbilanz bedarf es damit vorliegend nicht, da die aus ihrer Zahlungseinstellung folgende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bereits aufgrund des unstreitigen Zahlenwerkes feststeht.

Die aufrecht erhaltenen Zahlungen der Schuldnerin an ihre übrigen Gläubiger sind hier nicht von Belang. Denn es genügt, dass die Zahlungseinstellung – wie hier – aufgrund der Nichtbegleichung auch nur einer – nicht unwesentlichen – Forderung gegenüber einem einzigen Gläubiger erkennbar wird, selbst wenn es sich dabei um den Anfechtungsgegner handelt (Bork/Gehrlein, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, 12. Auflage 2012, Rn. 232 m. w. Nachw.). Unter diesen Umständen ist auch vorliegend von der gesetzlichen Vermutung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 InsO auszugehen.

Auch kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass der ihr geschuldete Kapitaldienst bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin im Anfechtungszeitraum außer Betracht zu bleiben hätte und deswegen deren Zahlungsunfähigkeit nicht festzustellen sei.

Eine Forderung ist in der Regel dann im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO fällig, wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt. Bereits die – wie hier – kalendermäßige Fälligkeit der Forderung macht jedes weitere Zahlungsverlangen entbehrlich. Denn für den Liquiditätsstatus sind lediglich solche Forderungen auszunehmen, die rein tatsächlich, also auch ohne rechtlichen Bindungswillen oder erkennbare Erklärung, gestundet sind. Bei der Annahme, ein Gläubiger habe stillschweigend in eine spätere oder nachrangige Befriedigung seiner Forderung eingewilligt, ist Zurückhaltung geboten. „Erzwungene Stundungen“, die dadurch zustande kommen, dass der Schuldner seine fälligen Verbindlichkeiten mangels liquider Mittel nicht mehr begleicht, stehen der Annahme einer Zahlungsunfähigkeit nicht entgegen, auch wenn der Gläubiger nicht sofort vollstreckt, weil er u. a. nicht den sofortigen Zusammenbruch des Schuldners verantworten will (Bork/Gehrlein, a. a. O., Rdnr. 212 – 215, vgl. auch BGH, Urteil vom 22.11.12, IX ZR 62/10, juris, zum „Einfordern“ einer Darlehensforderung).

Wie sich der vom Kläger eingereichten Vorkorrespondenz zwischen der Schuldnerin und der Beklagten ergibt, ging es dieser vorliegend ausschließlich darum, eine sofortigen Insolvenzantrag zu vermeiden, ohne dass sie von ihrem Erfüllungsverlangen jemals Abstand genommen hätte.

Im Schreiben der T. vom 11. Mai 2005 (Anlage K 12) hat diese als persönliche haftende Gesellschafterin der Schuldnerin für diese) zu den ausbleibenden Tilgungsleistungen klar und eindeutig ausgeführt, dass mittels der angestrebten Tilgungsaussetzung die Schuldnerin in der Lage wäre, die fortlaufenden Zinszahlungen zu erbringen und bis zu dem Ende 2005 erwarteten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts „ihre Existenz zu sichern“. Eine förmliche Stundung der Tilgungsverpflichtungen oder eine ausdrücklich zustimmende Reaktion auf den Tilgungsaussetzungsantrag der Schuldnerin fand nie statt. Denn die Beklagte benötigte hierfür ihrerseits die Zustimmung der I. als Bürgin, die wiederum „generell“ nur bei Vorlage einer positiven Fortführungsprognose, unterlegt durch ein langfristiges tragfähiges Sanierungskonzept und ohnehin nicht vor dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu erwarten war (Vermerk vom 05.05.05 – Anlage K11 – und Schreiben der Beklagten vom 10. August 2005, Anlage K 14). Im Schreiben der Schuldnerin vom 19. August 2005 (Anlage K 15) wird in dieser Situation erneut ausdrücklich auf die evtl. eintretende Notwendigkeit eines Insolvenzantrages auch schon vor Erlass des Urteils des BVerwG hingewiesen. Nur soweit dieser Antrag vermieden werden könne, könnten die monatlich anfallenden Mietüberschüsse zum Ausgleich der aufgelaufenen rückständigen Tilgungszahlungen verwendet werden. In einem Gesprächsvermerk vom 02.02.06 (Anlage K 17) heißt es wiederum unmissverständlich von Seiten der Schuldnerin, die bisher von der Beklagten geduldete Aussetzung der Tilgungszahlung müsse weiterhin Bestand haben, wenn die Insolvenz der Schuldnerin vorerst vermieden werden solle. Die Beklagte erklärte dazu, dass es auch in ihrem Sinne sei, eine Insolvenz der Schuldnerin vor endgültiger Klarheit über die Anschlussförderung zu vermeiden. Für die zu diesem Zeitpunkt (als Indiz der weiteren Verschärfung der Lage für die Schuldnerin) hinzugetretene Aussetzung von Zinszahlungen gelte dasselbe. Eine ausdrückliche Zahlungsaussetzung wurde – wie in allen anderen Schreiben der Beklagten – auch hier weiterhin von der Zustimmung der I. abhängig gemacht. Diese wurde indes auch in der Folgezeit niemals erteilt. Dem gesamten weiteren Schriftverkehr, insbesondere den Schreiben der Beklagten, lässt sich eine Änderung im Verhalten der Beklagten oder gar in der Liquidität der Schuldnerin nicht entnehmen (Anlagen K 20/K 21). In der Gesamtschau befand sich die Beklagte damit stets in der Situation, dass sie entweder auf sofortiger Zahlung bestehen konnte und damit unweigerlich den Insolvenzantrag herbeiführen würde oder gezwungenermaßen bis zur Entscheidung des BVerwG stillzuhalten hatte. In dieser Zwangslage hätte mit Zustimmung der I. zwar möglicherweise eine rechtsverbindliche, mindestens faktisch einvernehmliche Stundung zustande kommen können. Aber mit einer solchen Zustimmung der I. war nach der übereinstimmenden Einschätzung von Schuldnerin und Beklagter, wie sie im Gesprächsvermerk vom 05.04.05 zum Ausdruck gebracht wurde, nicht zu rechnen. Auch aus der Sicht der Schuldnerin war damit das vorläufige Zuwarten der Beklagten allein durch die Umstände erzwungen und daher keinesfalls – und noch dazu gegen den erklärten Willen der Beklagten – als konkludentes übereinstimmendes „Stillhalteabkommen“ zu werten.

Bereits ab der ersten angefochtenen Zahlung bestanden damit neben der objektiven Gläubigerbenachteiligung auch der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin und die Kenntnis der Beklagten hiervon.

Der Schuldner handelt mit entsprechendem Vorsatz, wenn er die Benachteiligung der Gläubiger als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt. Kennt der Schuldner seine eigene Zahlungsunfähigkeit, kann hieraus entsprechend § 133 Abs. 1 S. 2 InsO auf seinen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden. Denn der Schuldner weiß in diesem Fall, dass sein Vermögen nicht mehr ausreicht, um seine sämtlichen Gläubiger zu befriedigen und seine Zahlungen an den Leistungsempfänger damit seine übrigen Gläubiger benachteiligen. Dabei ist nicht nur die festgestellte Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen, sondern bereits eine vom Schuldner erkannte drohende Zahlungsunfähigkeit ein starkes Beweisanzeichen für dessen Benachteiligungsvorsatz, das bei der gebotenen Gesamtwürdigung zu berücksichtigen ist (BGH, Urteil vom 10.01.13 – IX ZR 28/12 – m. w. N., juris)

Nach diesen Maßstäben sind hier aus den genannten Gründen im maßgeblichen Zeitraum zunächst eine drohende und sodann eine bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit sowie die Kenntnis der Schuldnerin wie auch der Beklagten hiervon festzustellen.

Die Schuldnerin wusste ausweislich ihrer eigenen Erklärungen um ihre nach Wegfall der Anschlussförderung aussichtslose finanzielle Lage und die sich daraus letztlich zwangsläufig ergebende eigene Zahlungseinstellung, § 133 Abs. 1 S. 2 InsO.

Entgegen dem Vorbringen der Beklagten steht der Annahme eines entsprechenden Benachteiligungsvorsatzes nicht der Umstand „gemeinsam“ mit der Schuldnerin getroffener Vorkehrungen zum „Schutz“ aller übrigen Gläubiger entgegen. Die Beklagte hat die unterlassenen Zins- und Tilgungszahlungen nur gezwungenermaßen zwecks Vermeidung der Insolvenz hingenommen. Insoweit ging es auch nicht um den hier allein relevanten Gläubigerschutz für den wahrscheinlichen Insolvenzfall, sondern ersichtlich nur um Aufrechterhaltung des laufenden Geschäftsbetriebs und damit das Vermeiden vorfristiger Insolvenzanträgen anderer Gläubiger vor Erlass der BVerwG-Entscheidung. Die Beklagte kann sich insoweit schon im Ansatz nicht auf die Entscheidung des BGH im Urteil vom 20. November 2008 (IX ZR 188/07, juris, vgl. aber BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012, IX ZR 117/11, Rn. 22, juris) stützen, weil es hier nicht um die Frage der Wiederaufnahme von Zahlungen gegenüber allen Gläubigern geht. Zu einer derartigen Wiederaufnahme der Zahlungen war die Schuldnerin im Anfechtungszeitraum niemals in der Lage.

Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz entfällt vor allem nicht für die Zeit bis zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Rechtmäßigkeit der Einstellung der Anschlussförderung vom 11. Mai 2006 (5 C 10/05, juris), da sie auf den Ausgang dieses Verfahrens berechtigterweise nicht zuwarten durfte. Jedenfalls nach Erlass der auch Schuldnerin und Beklagter bekannten Urteile des VG Berlin vom 27. November 2003 (16 A 117.03) und des OVG Berlin vom 16. Dezember 2004 (5 B 4.04) sprach keine hinlängliche Wahrscheinlichkeit mehr dafür, dass die Revisionsinstanz zu einer abändernden, gegenteiligen Entscheidung gelangen würde. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stützt sich vielmehr auf seine bisherige Rechtsprechung zu verweigerten (Anschluss-) Subventionen, nach der eine Entscheidung im Sinne der Subventionsempfänger bei verständiger rechtlicher Würdigung, die sich nicht allein von den Überlebensinteressen und Hoffnungen der Schuldnerin leiten ließ, aus objektiver Sicht vernünftigerweise nicht mehr zu erwarten war. Allein die theoretische Möglichkeit einer der Schuldnerin günstigen Entscheidung mit der Folge einer „schlagartigen Sanierung“ durch Gewährung einer Anschlussförderung ist daher in den Bereich einer nicht gerechtfertigten und letztlich enttäuschten Hoffnung zu verweisen, ändert aber nichts daran, dass die Schuldnerin wie auch die Beklagte um Zahlungsunfähigkeit und Gläubigerbenachteiligung wussten und diese hinnahmen.

Hiernach waren sowohl der Benachteiligungsvorsatz der Schulderin als auch die Kenntnis der Beklagten hiervon gegeben, was sich unmittelbar auch aus dem späteren Sanierungskonzept der M. ergibt.

Erst recht sind in der Zeit nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin und dessen Kenntnis bei der Beklagten nicht entfallen. Eingeschränkte Zinszahlungen nach Liquiditätslage und Einholung eines Sanierungsgutachtens der M. ändern nichts an der Kenntnis fehlender Zahlungsfähigkeit gegenüber allen Gläubigern auf Seiten der Schuldnerin.

Im Falle erkannter Zahlungsunfähigkeit entfällt ein danach an sich gegebener Benachteiligungsvorsatz nur, wenn aufgrund konkreter Umstände – etwa der sicheren Aussicht, demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können – mit einer baldigen Überwindung der Krise zu rechnen ist. Für eine solche Annahme bedarf es indes konkreter Umstände, die nahe legen, dass die Krise noch abgewendet werden kann (BGH, Urteile vom 24. Mai 2007 – IX ZR 97/06, Juris, Rn. 8; vom 22. November 2012 – IX ZR 62/10, Juris, Rn. 7). Dafür ist hier nichts ersichtlich.

Zwar kann ein Benachteiligungsvorsatz auch dann entfallen, wenn ein konkretes Sanierungskonzept ernsthafte Sanierungsbemühungen ermöglicht. Hierzu muss zur Zeit der angefochtenen Handlung ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorliegen, das mindestens in seinen Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden ist und beim Schuldner die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 – IX ZR 156/09, ZInsO 2012, 171 Rn. 11). Das Sanierungskonzept der M. hing dagegen von der Mitwirkung, also im Kern vom Forderungsverzicht mehrerer Beteiligter und von Nachschüssen der Gesellschafter ab, für deren Bereitschaft und Fähigkeit, der insolventen Schuldnerin trotz ihrer strukturellen Unterdeckung frische Gelder in erheblicher Höhe zur Verfügung zu stellen, keinerlei Anhaltspunkte bestanden oder aufgezeigt werden. Auch dass begründete Aussicht auf einen Investor bestand, ist nicht substantiiert vorgetragen. Angesichts der politischen Entscheidung, die Anschlussförderung entfallen zu lassen, bestand schließlich nicht zuletzt im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot der öffentlichen Hand auch keine begründete Aussicht darauf, dass das Land Berlin über die I. Beiträge zur Sanierung leisten würde. Konkrete Anhaltspunkte, aus denen sich für die Schuldnerin und die Beklagte vorliegend doch eine begründete Aussicht auf derartige Sanierungsbeiträge hätten ergeben können, zeigt die Beklagte nicht auf. Es ist nicht einmal ersichtlich, dass die erhofften Geldgeber überhaupt angesprochen wurden, geschweige denn, wie diese hierauf reagiert haben. Damit vermochte das Sanierungskonzept nicht mehr als vage Hoffnungen zu begründen und ging über bloße Rechenspiele nicht hinaus. Von einer auch nur ansatzweise begonnenen Umsetzung des Sanierungskonzeptes der M. kann damit keine Rede sein. Da die Beklagte als Kreditgeberin nicht zuletzt ausweislich der Korrespondenz mit der Schuldnerin über deren Liquidität und alle wesentlichen weiteren Begleitumstände im Umfeld der Zinszahlungen im Anfechtungszeitraum informiert war, hatte sie auch die erforderliche Kenntnis von deren Gläubigerbenachteiligungsvorsatz.

Die Beklagte schuldet dem Kläger damit insgesamt die Rückgewähr aller strittigen Zahlungen, § 143 InsO.

Daneben hat sie dem Kläger auch die Kosten seiner vorgerichtlichen Rechtsverfolgung in der geltend gemachten Höhe zu erstatten, § 280 BGB

Der landgerichtliche Zinsausspruch ist nicht gesondert angefochten; im Übrigen ist der Zinsanspruch aus §§ 291, 288 BGB begründet (BGH Urteil vom 01.02.07 – IX ZR 95/04 -).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war gemäß § 543 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.