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Straftaten, bei denen das Opfer verletzt wurde, führen meist auch dazu, dass das Opfer nach Abschluss des Strafverfahrens vor den Zivilgerichten, oder aber bereits unmittelbar im Rahmen des Strafverfahrens durch ein sogenanntes „Adhäsionsverfahren“ gegenüber dem Täter oder den Tätern seine zivilrechtlichen Ansprüche auf Zahlung von Schmerzensgeld geltend macht. Der BGH hatte nun über einen Fall zu entscheiden, in welchem die beiden Täter gemeinschaftlich im Rahmen des Adhäsionsverfahrens zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an das Opfer verurteilt wurden. Dabei wurde vom Landgericht in der Vorinstanz entschieden, dass die beiden Täter das Schmerzensgeld als Gesamtschuldner zu gleichen Teilen schulden. Dem trat nun der Bundesgerichtshof mit seinem Beschluss vom 28.04.2015 – 3 StR 52/15 – entgegen.

BGH: Beurteilung der Mittäterschaft für zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch

Ausgangspunkt für die Entscheidung ist die Regelung in § 830 Abs.1 BGB. Diese lautet:

§ 830 BGB

(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.

Der BGH hat in der hier zitierten Entscheidung nun festgehalten, dass sich die Beurteilung der Mittäterschaft im Sinne von § 830 Abs.1 BGB bezüglich eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen richtet. Die wechselseitige Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge reicht dabei nicht weiter als der gemeinsame Vorsatz und scheidet aus, soweit einer der Mittäter im Exzess Handlungen begeht, die vom gemeinsamen Tatplan und dem Vorsatz der anderen nicht gedeckt sind.

Der Fall:

Was war hier genau geschehen?

Nach den Feststellungen des Landgerichts umstellten der Angeklagte, der Mitangeklagte sowie zwei unbekannt gebliebene Mittäter den Nebenkläger und einen weiteren Geschädigten, um einem gemeinsamen Tatplan entsprechend die Herausgabe von Geld und Mobiltelefonen zu erzwingen. Als der Nebenkläger sich weigerte, sein Smartphone herzugeben, traten der Mitangeklagte sowie andere aus der Gruppe ihn gegen die Beine. Zudem versetzte der Mitangeklagte ihm zur Untermauerung der Forderung zwei Schläge mit einem Schlagring, die ihn an der linken Schläfe und unter dem linken Auge trafen. Aus Angst vor weiterer Gewaltanwendung gab der Nebenkläger das Handy schließlich heraus.

Das Landgericht hat den Angeklagten daraufhin wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung eines früheren Urteils zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es ihn dazu verurteilt, gesamtschuldnerisch mit dem Mitangeklagten S. an den Nebenkläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 12. Juni 2014 zu zahlen.

Das Problem:

Das Landgericht hat dem Angeklagten den Einsatz des Schlagrings durch den Mitangeklagten als Mittel der räuberischen Erpressung mit rechtsfehlerfreien Erwägungen (sukzessive Mittäterschaft) zugerechnet und ihn auf dieser Grundlage nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB schuldig gesprochen. Es hat jedoch nicht festzustellen vermocht, dass die Benutzung dieses Tatmittels von Anfang an vom gemeinsamen Tatplan umfasst war, und sie daher hinsichtlich der Körperverletzung als Exzess des Mittäters gewertet. Aus diesem Grund ist die gemeinschaftliche Verurteilung zur Zahlung des Schmerzensgeldes als Gesamtschuldner als rechtsfehlerhaft anzusehen. Denn: Die Höhe des zu zahlenden Schmerzensgeldes ergibt sich für das Landgericht alleine aus dem Einsatz des Schlagringes. Dass der Schlagring zum Einsatz kam wurde dem Angeklagten aber gerade nicht angelastet – daher kommt eine Zurechnung der Nutzung des Schlagringes zu Lasten des Angeklagten in diesem Fall bei der Bemessung seiner Haftungsquote im Hinblick auf das Schmerzensgeld gerade nicht in Betracht. Die Beurteilung des haftungsrelevanten Tatbeitrags im Sinne von § 840 BGB richtet sich insoweit nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Die wechselseitige Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge reicht dabei nicht weiter als der gemeinsame Vorsatz und scheidet aus, soweit einer der Mittäter im Exzess Handlungen begeht, die vom gemeinsamen Tatplan und dem Vorsatz der anderen nicht gedeckt sind


Die Entscheidung im Volltext:

BGH, 28.04.2015 – 3 StR 52/15

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 13. August 2014, soweit es ihn betrifft, im Adhäsionsausspruch abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a) Der Schmerzensgeldanspruch des Nebenklägers aufgrund der am 27. Juli 2013 gegen 1 Uhr in der J. -Straße in K. zu seinem Nachteil verübten Straftat ist gegenüber dem Angeklagten B. dem Grunde nach gerechtfertigt;

b) im Übrigen wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag des Nebenklägers gegen den Angeklagten B. abgesehen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Ebenso werden ihm die in der Revisionsinstanz entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen des Nebenklägers sowie die im Adhäsionsverfahren in der 1. Instanz entstandenen gerichtlichen Auslagen auferlegt. Die gerichtlichen Auslagen des Adhäsionsverfahrens der Revisionsinstanz fallen der Staatskasse zur Last (§ 472a StPO).

Gründe

1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung eines früheren Urteils zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es ihn dazu verurteilt, gesamtschuldnerisch mit dem Mitangeklagten S. an den Nebenkläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 12. Juni 2014 zu zahlen.

2 Das auf die allgemeine Sachrüge gestützte Rechtsmittel des Angeklagten ist zum Schuld- und Strafausspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Auch die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes unterliegt im Ausgangspunkt keiner Beanstandung. Demgegenüber kann die Adhäsionsentscheidung im Hinblick auf die Bemessung des von dem Angeklagten zu leistenden Schmerzensgeldes keinen Bestand haben.

3 Nach den Feststellungen umstellten der Angeklagte, der Mitangeklagte sowie zwei unbekannt gebliebene Mittäter den Nebenkläger und einen weiteren Geschädigten, um einem gemeinsamen Tatplan entsprechend die Herausgabe von Geld und Mobiltelefonen zu erzwingen. Als der Nebenkläger sich weigerte, sein Smartphone herzugeben, traten der Mitangeklagte sowie andere aus der Gruppe ihn gegen die Beine. Zudem versetzte der Mitangeklagte ihm zur Untermauerung der Forderung zwei Schläge mit einem Schlagring, die ihn an der linken Schläfe und unter dem linken Auge trafen. Aus Angst vor weiterer Gewaltanwendung gab der Nebenkläger das Handy schließlich heraus.

4 Das Landgericht hat dem Angeklagten den Einsatz des Schlagrings durch den Mitangeklagten als Mittel der räuberischen Erpressung mit rechtsfehlerfreien Erwägungen (sukzessive Mittäterschaft) zugerechnet und ihn auf dieser Grundlage nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB schuldig gesprochen. Es hat jedoch nicht festzustellen vermocht, dass die Benutzung dieses Tatmittels von Anfang an vom gemeinsamen Tatplan umfasst war, und sie daher hinsichtlich der Körperverletzung als Exzess des Mittäters gewertet. Demgemäß hat es den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung allein in der Variante des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, nicht jedoch in derjenigen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB verurteilt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2011 – 5 StR 515/10, NStZ-RR 2011, 111, 112).

5 Vor diesem Hintergrund kann die Verurteilung des Angeklagten, dem Nebenkläger gesamtschuldnerisch mit dem Mitangeklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 € zu zahlen, keinen Bestand haben.

6 Das Landgericht hat die Höhe des Schmerzensgeldes mit den durch den Einsatz des Schlagrings verursachten Verletzungsfolgen begründet. Die Verwendung dieses Mittels zur Verletzung des Nebenklägers hat es dem Angeklagten aber gerade nicht angelastet. Damit kommt eine Zurechnung dieses Tatbeitrages aber auch bei der Prüfung der Frage, inwieweit sich der Angeklagte im Sinne des § 830 Abs. 1 BGB als Mittäter an einer die zivilrechtliche Haftung begründenden deliktischen Verhaltensweise beteiligt hat, nicht in Betracht, was wiederum den Umfang seiner gesamtschuldnerischen Haftung nach § 840 Abs. 1 BGB begrenzt. Die Beurteilung richtet sich insoweit nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Die wechselseitige Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge reicht dabei nicht weiter als der gemeinsame Vorsatz und scheidet aus, soweit einer der Mittäter im Exzess Handlungen begeht, die vom gemeinsamen Tatplan und dem Vorsatz der anderen nicht gedeckt sind (BGH, Beschlüsse vom 8. November 2005 – 4 StR 321/05, BGHR StPO § 403 Anspruch 8; vom 7. Februar 2013 – 3 StR 468/12, […]; Urteil vom 23. März 1999 – VI ZR 53/98, BGHR BGB § 830 Abs. 2 Teilnahme 2). Die zur Grundlage des Schmerzensgeldanspruchs gemachten Verletzungsfolgen – aus dem Einsatz des Schlagrings – können deshalb nicht zur Begründung dafür herangezogen werden, den Angeklagten in gleicher Höhe wie den Mitangeklagten zur Schmerzensgeldzahlung zu verurteilen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Februar 2013 – 3 StR 468/12, […]; vom 8. Januar 2014 – 3 StR 372/13, StraFo 2014, 217 [BGH 08.01.2014 – 3 StR 372/13]).

7 Da der Angeklagte dem Nebenkläger jedoch wegen der anderen, ihm zuzurechnenden Körperverletzungshandlungen ein angemessenes Schmerzensgeld schuldet, ändert der Senat den ihn betreffenden Adhäsionsanspruch in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO in eine Verurteilung dem Grunde nach ab (§ 406 Abs. 1 Satz 2 StPO). Im Übrigen ist von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abzusehen (§ 406 Abs. 1 Satz 3 und 4 StPO); denn eine Zurückverweisung der Sache allein zur Bestimmung der Höhe des Schmerzensgeldes kommt nicht in Betracht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 406a Rn. 5 mwN). Die Bemessung des Schmerzensgeldes ist vielmehr dem zuständigen Zivilgericht übertragen (§ 406 Abs. 3 Satz 4 StPO).

8 Der geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt eine Ermäßigung der Gebühr und eine Auferlegung eines Teils der Auslagen auf die Staatskasse nach § 473 Abs. 4 StPO nicht. Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen des Adhäsionsverfahrens ergibt sich aus § 472a Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 StPO.

Becker

RiBGH Dr. Schäfer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben.
Becker

Mayer

Gericke

Spaniol

Nach § 133 Abs.1 InsO kann eine Rechtshandlung vom Insolvenzverwalter angefochten werden, wenn sie innerhalb der letzten 10 Jahre vor Insolvenzeröffnung vom Schuldner mit dem Vorsatz vorgenommen wurde, seine sonstigen Gläubiger zu benachteiligen – und der annehmende Gläubiger diesen Vorsatz kannte. Immer wieder hoch umstritten ist dabei die Frage, wie sich der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners feststellen und manifestieren lässt. Hierzu und zu der Frage, wann eine Ausnahme von Benachteiligungsvorsatz vorliegen kann, haben nun das LAG Rheinland-Pfalz und das LG Lübeck zwei weitere Entscheidungen erlassen.

LAG Rheinland-Pfalz: Gläubigerbenachteiligungsvorsatz wird vermutet

Voraussetzung für die Vermutungsregelung des § 133 I 2 ZPO ist, dass der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte. Der Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hinweisen. Erforderlich aber auch ausreichend hierfür ist, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Beurteilung die drohende Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (so LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.12.2014 – 1 Sa 501/14).

LG Lübeck: Ausschluss der Benachteiligungsabsicht nur in engen Grenzen

Hat der Schuldner also die gläubigerschädigende Wirkung erkannt, so kann die Benachteiligungsabsicht nur ausnahmsweise ausgeschlossen werden, wenn überzeugend dargelegt wird, dass in absehbarer Zeit alle Gläubiger befriedigt werden könnten und ein Insolvenzverfahren so gut wie ausgeschlossen erschien (so LG Lübeck, Urteil vom 11.02.2014 – 9 O 222/12).

Die Entscheidungen im Volltext hier:

Rechtshandlungen, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, sind gemäß § 133 I 1 InsO anfechtbar, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Die Zahlungen müssen die Gläubiger der Schuldnerin durch Verkürzung der Masse iSv § 129 InsO objektiv benachteiligen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob zur Zeit der Zahlungen bereits weitere Gläubiger vorhanden waren oder solche erst später hinzugetreten sind.

Der Schuldner handelt mit entsprechendem Vorsatz, wenn er die Benachteiligung der Gläubiger als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt. Kennt der Schuldner seine eigene Zahlungsunfähigkeit, kann hieraus entsprechend § 133 Abs. 1 S. 2 InsO auf seinen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden. Denn der Schuldner weiß in diesem Fall, dass sein Vermögen nicht mehr ausreicht, um seine sämtlichen Gläubiger zu befriedigen und seine Zahlungen an den Leistungsempfänger damit seine übrigen Gläubiger benachteiligen. Dabei ist nicht nur die festgestellte Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen, sondern bereits eine vom Schuldner erkannte drohende Zahlungsunfähigkeit ein starkes Beweisanzeichen für dessen Benachteiligungsvorsatz, das bei der gebotenen Gesamtwürdigung zu berücksichtigen ist

Benachteiligungsvorsatz entfällt bei schlüssigem Sanierungskonzept

Der Benachteiligungsvorsatz kann jedoch dann entfallen, wenn ein konkretes Sanierungskonzept ernsthafte Sanierungsbemühungen ermöglicht. Hierzu muss zur Zeit der angefochtenen Handlung ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorliegen, das mindestens in seinen Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden ist und beim Schuldner die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt. 

Denn: Im Falle erkannter Zahlungsunfähigkeit entfällt ein danach an sich gegebener Benachteiligungsvorsatz nur, wenn aufgrund konkreter Umstände – etwa der sicheren Aussicht, demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können – mit einer baldigen Überwindung der Krise zu rechnen ist. Für eine solche Annahme bedarf es indes konkreter Umstände, die nahe legen, dass die Krise noch abgewendet werden kann (BGH, Urteile vom 24. Mai 2007 – IX ZR 97/06, Juris, Rn. 8; vom 22. November 2012 – IX ZR 62/10, Juris, Rn. 7).

Die Entscheidung des Kammergerichts im Voltext hier:

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