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Die Aussetzung einer Pfändung des Finanzamts nach Erlass einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist nicht möglich. So jedenfalls entschied das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG Baden Württemberg) bereits am 26.01.2016 (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.01.2016, 11 K 2973/14). Wird die Entscheidung rechtskräftig, dann besteht faktisch kein Raum mehr für Verhandlungen mit dem Finanzamt nach Erlass einer Pfändungsverfügung.

FG Baden-Württemberg: Die Aussetzung und Ruhendstellung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung durch das Finanzamt ist nicht möglich

Die Entscheidung des Finanzgerichts betrifft Fälle, in denen das Finanzamt bereits eine Pfändungs- und EInziehungsverfügung wegen Steuerrückständen erlassen hat. In den allermeisten Fällen wird diese Verfügung einem Kreditinstitut (Bank) zugestellt, um die aktuellen und zukünftigen Kontoguthaben des Steuerschuldners zu pfänden. Zu Gunsten des Steuerschuldners wird man nun zunächst versuchen, mit dem Finanzamt eine Ratenzahlungsvereinbarung auszuhandeln. Gelingt dies, dann stellt das Finanzamt oft die Pfändung ruhend – der Schuldner kann dann so lange wieder frei über sein Konto verfügen, wie er sich an die vereinbarte Ratenzahlung hält.

Ruhendstellung der Pfändung kollidiert mit nachfolgenden Pfändungen

Das vollstreckungsrechtliche Problem: Eine solche Ruhendstellung ist in der ZPO nicht vorgesehen. Die für die Zwangsvollstreckung geltende Zivilprozessordnung kennt (einfach gesagt) nur alles oder nichts in Bezug auf die Wirkungen einer ausgebrachten Pfändung. Zu Problemen mit einer solchen Ruhendstellung kommt es spätestens dann, wenn weitere Gläubiger die selben Ansprüche pfänden, wenn also beispielsweise bei einer Bank ein weiterer Gläubiger eine zusätzliche Pfändung auf die Kontoverbindungen ausbringt. Grundsätzlich wäre nämlich mit der Ruhendstellung der ersten Pfändung diese erledigt und die zweite nachfolgende Pfändung würde an erste Stelle rutschen. Macht der Drittschuldner – also hier die Bank – in solchen Fällen Fehler bei der Beurteilung der Rangfolge, dann sieht er sich Haftungsansprüchen der jeweils benachteiligten Seite ausgesetzt.

Bank klagt gegen Ruhendstellung der Pfändung durch das Finanzamt

In dem Fall, den das Finanzgericht Baden-Württemberg entschieden hat, war das genau so. Das Finanzamt hatte der kontoführenden Bank des Steuerschuldners S eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung zugestellt. Die Bank als Drittschuldnerin hatte diese unter Mitteilung, dass man keine Aussetzungen anerkenne, anerkannt und führte alle Kontoguthaben des Schuldners an das Finanzamt ab. Dieser traf jedoch eine Einigung mit dem Finanzamt, woraufhin dieses der Bank erklärte, sie stelle die Pfändung ruhend, die Bank solle bis auf weiteres dem Schuldner die Verfügung über seine Konten und Guthaben ermöglichen. Die Pfändungsverfügung hielt das Finanzamt jedoch aufrecht und wies die Drittschuldnerin darauf hin, dass die Pfändung in jedem Fall gegenüber später zugestellten Pfändungen bzw. Abtretungen vorrangig bleibe.

Hiergegen legte die Bank als Drittschuldnerin zunächst Einspruch ein. Nun beglich der Schuldner seine vollständigen Steuerschulden und das Finanzamt hob die Pfändung auf. Die Bank erhob nunmehr gegen die Ruhendstellung Klage mit dem Ziel festzustellen, dass die Ruhendstellung rechtswidrig war.

Bank wehrt sich gegen Überwachungspflichten – Ruhendstellung ist rechtswidriger Verwaltungsakt

Die Bank war der Auffassung, die Ruhendstellung durch das Finanzamt stelle einen rechtswidrigen Verwaltungsakt dar, für den es keine Rechtsgrundlage gäbe. Das Interesse der Bank liegt dabei in der Vermeidung von Wiederholungsfällen. Sie trug vor, dass die laufende Überwachung ruhend gestellter Pfändungen einen erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich bringe und die Drittschuldnerin damit trotzdem einem erheblichen Haftungsrisiko, insbesondere gegenüber weiteren Drittschuldnern ausgesetzt sei. Dieses Haftungsrisiko wollte sie vermeiden.

Finanzgericht Baden-Württemberg entscheidet: Ruhendstellung ist rechtswidrig

Das Finanzgericht hat nun durch seinen 11. Senat entschieden, dass das Schreiben, mit welchem die Ruhendstellung erklärt wird, ein Verwaltungsakt mit Außenwirkung ist, welcher den Regelungsgehalt der Pfändungs- und EInziehungsverfügung betrifft und abändert. Als solcher sei dieser Verwaltungsakt rechtswidrig. Denn: Ihm fehlt schlicht die Rechtsgrundlage. Zwar bestimmen sich die Formalien für den Erlass der Pfändungs- und Einziehungsverfügung nach den Regelungen der Abgabenordnung (AO), also nach Steuergesetzen. Die Durchführung der Zwangsvollstreckung jedoch bestimmt sich alleine an den Regelungen der Zivilprozessordnung (ZPO).

Zivilprozessordnung kennt keine Ruhendstellung

Die insofern geltende Zivilprozessordnung kennt jedoch keine Ruhendstellung oder Aussetzung einer Pfändung. Hier gibt es schlicht nur „on“ oder „off“. Erlässt das Finanzamt nun einen Verwaltungsakt, mit dem es diese Rechtsinstrumente der ZPO abzuändern versucht, dann ist dies mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig. Dies war hier der Fall, da der Verwaltungsakt des Finanzamts zwar vorsah, dass die sich zu Gunsten des Finanzamts aus der Pfändung ergebenden Vorteile (Auskehr der Kontenguthaben) zwar vorübergehend entfallen sollten (der Schuldner sollte wieder über sein Konto verfügen können). Die Verstrickung der Pfandsache sollte jedoch bestehen bleiben (Sprich: Bei nachfolgenden Pfändungen sollte das Finanzamt weiter an vorderster Stelle stehen bleiben).

Abgabenordnung regelt nur das Verhältnis zwischen Finanzamt und Steuerschuldner – nicht aber Drittschuldner

Das Finanzamt hatte seine Rechtsauffassung mit dem Inhalt von § 258 Abgabenordnung (AO) begründet. Danach kann die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung im Einzelfall einstellen oder beschränken. Das Gericht urteilte jedoch, dass das Finanzamt keine Anordnungen treffen kann, welche nach der ZPO nicht gestattet sind. Eine Ruhendstellung der Pfändung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Verstrickung beeinträchtige jedoch die Rechte Dritter einschließlich der klagenden Drittschuldnerin. Hierfür fehle es jedoch an einer Ermächtigungsgrundlage.

Auswirkung auf alle öffentlichen Vollstreckungsmaßnahmen – auch Krankenkassen?

Das Finanzgericht hat die Revision gegen das Urteil zugelassen, es ist also noch nicht rechtskräftig. Sollte das Urteil jedoch rechtskräftig werden, dann hätte dies erhebliche Konsequenzen für sowohl Steuerschuldner als auch Schuldner sonstiger öffentlicher Kassen, insbesondere die Schuldner von Krankenkassen und Sozialversicherungsträgern. Neben Finanzämtern ist es insbesondere bei Krankenkassen gängig (und nach unserer Auffassung sinnvoll), eine ausgebrachte Pfändung ruhend zu stellen, sofern man sich mit einem Schuldner auf eine Ratenzahlung der bestehenden Rückstände einigen kann. Sollte das hiesige Urteil in Rechtskraft erwachsen dann steht zu vermuten, dass die Chancen für eine derartige Einigung zukünftig erheblich schlechter stehen – was Sanierungsbemühungen erheblich erschweren dürfte.


Sie gelangen HIER zur Pressemitteilung des Finanzgerichts Baden-Württemberg (externer Link).

(zu FG Düsseldorf, Urteil vom 28.08.2014 – 8 K 3677/13 E).

Der Steuerpflichtige wird infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der sich anschließenden Nachtragsverteilung handlungsunfähig, so dass der Treuhänder eine Steuererklärung (mit-)unterschreiben muss. Das hat das Finanzgericht Düsseldorf in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 28.08.2014 mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs klargestellt und die Klage eines Treuhänders abgewiesen (Az.: 8 K 3677/13 E).

Finanzamt forderte vom gerichtlich bestellten Treuhänder Unterschrift

Über das Vermögen der Steuerpflichtigen war am 28.02.2012 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Im März 2013 reichte sie bei ihrem Finanzamt eine Einkommensteuererklärung für 2012 ein, in der sie ausschließlich Arbeitnehmereinkünfte erklärte. Daraufhin forderte das Finanzamt den gerichtlich bestellten Treuhänder auf, die Steuererklärung zu unterschreiben. Nachdem dieser der Aufforderung nicht nachgekommen war, lehnte das Finanzamt die Durchführung der Veranlagung mit einem an den Treuhänder gerichteten Bescheid ab. Dabei blieb es auch, nachdem das Insolvenzverfahren aufgehoben, jedoch unter anderem hinsichtlich der Einkommensteuererstattung für 2012 die Nachtragsverteilung angeordnet worden war.

Gerichte bejahen Pflicht zur Unterschrift des Treuhänders

Die dagegen gerichtete Klage des Treuhänders blieb ohne Erfolg. Nach der Entscheidung des Finanzgerichts liegt ein wirksamer Antrag auf Veranlagung angesichts der nur von der Steuerpflichtigen unterschriebenen Steuererklärung nicht vor. Denn infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der sich anschließenden Nachtragsverteilung sei die Steuerpflichtige handlungsunfähig, so dass der Treuhänder (mit-)unterschreiben müsse, erklärte das Finanzgericht mit Verweis auf den Bundesgerichtshof. Dieser hat eine Verpflichtung des Treuhänders zur Abgabe einer Steuererklärung bejaht, wenn sich hieraus (voraussichtlich) ein Erstattungsanspruch ergeben wird, da der Treuhänder diesen zugunsten der Masse zu realisieren habe (BGH, NZI 2014, 21). Dies gelte laut BGH auch dann, wenn der Schuldner ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehe und daher ein Antrag auf Veranlagung zu stellen sei. Zudem teile ein Erstattungsanspruch wegen überzahlter Lohnsteuer nicht das Schicksal des insolvenzfreien Arbeitslohns und unterfalle nicht dem besonderen Pfändungsschutz.