Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Möglichkeit der Ausnahme
LG Lübeck, Urteil vom 11.02.2014 – 9 O 222/12
1.) Die Beklagte wird verurteilt, das Eigentum an der Eigentumswohnung im Forstweg 4 a, 23669 Timmendorfer Strand, eingetragen im Wohnungsgrundbuch von Timmendorfer Strand Blatt, an Frau … zurück zu übertragen.
2.) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,- € vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist Insolvenzverwalter von Frau (nachfolgend Schuldnerin genannt) und verlangt von der Beklagten, der Mutter der Schuldnerin, die Rückübertragung des Eigentums an einer Eigentumswohnung in Timmendorfer Strand,, die die Schuldnerin mit Vereinbarung vom 29. Juli 2005, Urkundenrolle Nr. 142 für 2005 des Notars Dr. Krause in Lübeck an die Beklagte übertragen hat. Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf die Anlage K 2 zur Klage (Blatt 87 d. A.) verwiesen.
Die Schuldnerin hatte die Wohnung, es handelt sich um ein Reihenhaus in der Rechtsform des Wohnungseigentums, in der Zwangsversteigerung durch Zuschlagsbeschluss vom 20. April 2005 erworben. Finanziert hat die Schuldnerin den Erwerb über einen Kredit der Sparkasse, insoweit wurde zunächst eine Grundschuld über 200.000,-, später wurde auch noch eine weitere Grundschuld über 60.000,- € eingetragen.
Im Übertragungsvertrag vom 29. Juli 2005 heißt es in
§ 2: Kaufpreis
Ein Kaufpreis ist nicht vereinbart. Die Übertragung erfolgt nach Maßgabe der nachfolgenden Vereinbarungen.
Das Grundbuch ist mit einer Grundschuld von 200.000,00 € für die Sparkasse zu Lübeck AG, belastet. Das zugrunde liegende Darlehen valutiert noch. Die Übergeberin ist Darlehnsnehmerin, das Darlehen wird von ihr weiter bedient. Dafür erhält sie ein lebenslanges Wohnrecht.
Ferner wurde ein lebenslanges Wohnrecht für die Schuldnerin und ihren Lebensgefährten Herrn … eingetragen, letzteres wurde später wieder gelöscht.
Auf Antrag der Beklagten vom 25. November 2010 wurde am 17. Februar 2011 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Der Kläger hat als Insolvenzverwalter die Übertragung mit Schreiben vom 20. Juli 2011 angefochten. Er ist der Ansicht, die Übertragung auf die Beklagte benachteilige die Insolvenzgläubiger. Die Schuldnerin habe mit dem Vorsatz gehandelt, ihre Gläubiger zu benachteiligen. Er behauptet, die Schuldnerin sei bereits seit 2003 zahlungsunfähig gewesen. Der Benachteiligungsvorsatz sei der Beklagten auch bekannt gewesen. Er behauptet ferner, die Wohnung habe einen Wert von 450.000,- €.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, das Eigentum an der Eigentumswohnung im Forstweg 4 a, 23669 Timmendorfer Strand, eingetragen im Wohnungsgrundbuch von Timmendorfer Strand Blatt 1493, an Frau …, 23669 Timmendorfer Strand, zurück zu übertragen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, die Wohnung habe nur einen Wert von 225.000,- € zur Zeit der Zwangsversteigerung gehabt und dieser sei entscheidend. Die Grundpfandrechte würden jetzt in Höhe von 227.715,03 € valutieren, weshalb keine Verkürzung der Insolvenzmasse vorliege. Die Schuldnerin sei nicht 2003 zahlungsunfähig gewesen, sie habe von irgendwelchen Steuerschulden und dergleichen keine Kenntnis gehabt und bestreitet diese. An Gläubigerbenachteiligung habe sie nicht gedacht. Es sollte mit der Übertragung nur eine Auseinandersetzung in der Familie vermieden werde. Sie hafte persönlich für die Grundschulden, diese seien aber nicht von ihr bezahlt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die Schriftsätze des Klägers vom 14. August 2012 (Bl. 6 ff d. A.), 20. Oktober 2012 (Bl. 45 ff d. A.), 19. Dezember 2012 (Bl. 67 ff d. A.), 6. März 2013 (Bl. 107 f d. A.), 27. August 2013 (Bl. 128 ff d. A.), 29. Oktober 2013 (Bl. 142 f d. A.) sowie der Beklagten vom 14. September 2012 (Bl. 38 ff d. A.), 19. November 2012 (Bl. 50 ff d. A.), 6. Februar 2013 (Bl. 99 ff d. A.) und 20. August 2013 (Bl. 122 d. A.) einschließlich der zu den Schriftsätzen jeweils eingereichten Anlagen.
Hinsichtlich des mündlichen Parteivorbringens wird auf die Protokolle vom 23. Juli 2013 (Bl. 118 ff d. A.) und 14. Januar 2014 (Bl. 144 ff d. A.) Bezug genommen.
Es hat eine Beweisaufnahme stattgefunden aufgrund der Vernehmung der Zeugin Sabine Kähler. Wegen des Beweisergebnisses wird Bezug genommen auf das Protokoll vom 14. Januar 2014 (Bl. 146 ff d. A.).
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückübertragung an die Insolvenzmasse gemäß §§ 143, 129, 133 Abs. 1 InsO.
Der Kläger hat den Übertragungsvertrag vom 29. Juli 2005 wirksam angefochten. Gemäß § 133 Abs. 1 InsO sind Rechtshandlungen des Schuldners anfechtbar, wenn sie innerhalb von 10 Jahren vor Insolvenzeröffnung mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung vorgenommen wurden und der andere Teil dieses wusste. Das ist vorliegend der Fall.
Die Schuldnerin wurde nach Erwerb im Wege der Zwangsvollstreckung am 28. Juni 2005 als Eigentümerin eingetragen und ließ zugleich eine zwecks Finanzierung erforderliche Grundschuld über 200.000,- € eintragen.
Wie die Beweisaufnahme durch Vernehmung der Schuldnerin ergeben hat, ist ihr Lebensgefährte, der, wie sie selbst Inhaber eines Pressevertriebsgeschäftes war, das mit ihrer eigenen Unternehmung geschäftlich verbunden war, alsbald nach dem Erwerb auf sie zugekommen um den Grundbesitz zu Sicherungszwecken zu verwenden. Die Schuldnerin befürchtete mit dem Haus in die Haftung zu geraten und schloss deshalb mit der Beklagten den Vertrag vom 29. Juli 2005 ab. Die Beklagte wurde zwar Eigentümerin und übernahm die persönliche Haftung der Grundschuld, zahlte aber kein Entgelt, die Kreditraten übernahm die Schuldnerin und hatte sie auch nach dem Vertrag weiter zu zahlen. Ferner schloss ein für die Schuldnerin und ihren Lebensgefährten bestelltes Wohnrecht die Eigentümerin, also die Beklagte, von der Nutzung aus. Die rechtliche Gestaltung dieses Vertrages diente nach Auffassung des Gerichtes ausschließlich dazu, den Zugriff etwaiger Gläubiger auf die Wohnung zu verhindern. Zwar hat die Schuldnerin bekundet, sie habe die Übertragung vorgenommen, um den Bedrängungen des Herrn … zu begegnen. Das erscheint aber nicht als glaubhaft, denn alsbald, schon am 2. Dezember 2005, wurde eine weitere Grundschuld über 60.000,- € bestellt, die zur Kreditabsicherung zugunsten von Krediten des Herrn … dient.
Die Schuldnerin hatte zumindest bedingt vorhandenen Vorsatz, etwaige künftige Gläubiger zu benachteiligen und die Wohnung vor Gläubigerzugriff zu sichern. Einen anderen wirtschaftlichen Vorteil hatten weder sie noch die Beklagte von der Übertragung. Eine aktuelle Krise zum Zeitpunkt der Übertragung ist nicht erforderlich. Der Zehnjahreszeitraum des § 133 InsO zeigt, dass auch weit zurückliegende und in anderen wirtschaftlichen Verhältnissen getroffene Transaktionen rückgängig gemacht werden können, wenn sie das Ziel verfolgten, den Zugriff künftiger Gläubiger für den Bedarfsfall zu verkürzen (§vgl. OLG Hamm 27 U 206/07, zitiert nach jurris, Rdz. 22). Die Benachteiligung künftiger Gläubiger reicht, um den Vorsatz zu begründen (Uhlenbrück, InsO § 133 Rdz. 34; Müko-Kayser InsO 3. Aufl., § 133 Rdz. 16). Hat der Schuldner die gläubiger- schädigende Wirkung erkannt, so kann die Benachteiligungsabsicht nur ausnahmsweise ausgeschlossen werden, wenn überzeugend dargelegt wird, dass in absehbarer Zeit alle Gläubiger befriedigt werden könnten und ein Insolvenzverfahren so gut wie ausgeschlossen erschien. Das ist in Ermangelung eines anderen vernünftigen Zwecks der Transaktion aber nicht der Fall. Das hat auch die Beklagte erkannt und mitgetragen, es gibt keine Anhaltspunkte, dass ihr von ihrer Tochter etwa wahrheitswidrig ein anderer Grund vorgespiegelt worden wäre.
Die Masse ist auch benachteiligt. Grundpfandrechte valutieren nur zum Teil. Anhand der Immobilienpreissteigerungen der letzten Jahre geht das Gericht von einem durchaus erheblich höheren Wert als dem Erwerbspreis in der Zwangsversteigerung aus. Es muss dem Kläger überlassen bleiben, das Wohnrecht abzulösen oder anderweitig zu beseitigen oder das Haus mit oder ohne Wohnrecht zu verwerten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.