(zu LG Essen, Beschluss vom 04.09.2014 – 7 T 285/14)

Nach dem Wortlaut des § 850f Ia ZPO ist der für den Schuldner notwendige Lebensunterhalt der „Personen, denen er Unterhalt zu gewähren hat“ zu berücksichtigen. Unterhalt zu gewähren hat der Schuldner faktisch auch denjenigen, die mit ihm eine Bedarfsgemeinschaft bilden. Die gesetzgeberischen Wertentscheidungen im Sozialhilferecht sind bei der Auslegung der Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts zu berücksichtigen. 

Bei Berechnung des notwendigen Lebensunterhalts zählen auch Lebensgefährtin und deren Kinder

In dem hier vom Landgericht Essen entschiedenen Fall lebte der Schuldner gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und deren drei Kindern in einem Haushalt, wobei er für das Haushaltseinkommen der Familie verantwortlich war. Im Zusammenhang mit dem über sein Vermögen eröffneten Insolvenzverfahren hatte er beim zuständigen Amtsgericht beantragt, den ihm verbleibenden Pfändungsfreibetrag unter Berücksichtigung seiner Lebensgefährtin und deren dreier Kinder, welche er mit versorgte, zu erhöhen. Das Amtsgericht hat zu Unrecht den Antrag des Schuldners gemäß §§ 36 Abs. 1 S. 2 InsO, 850f Abs. 1 Nr. 1 lit. a ZPO auf Erhöhung des unpfändbaren Betrages zurückgewiesen. Der Schuldner benötigt zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts für sich und die Personen, denen er Unterhalt zu gewähren hat einen Betrag von 2.308,53 Euro, so dass dem Schuldner dieser Anteil seines Einkommen als unpfändbar verbleiben muss.

Für Berechnung unterhaltsberechtigter Personen sind tatsächliche Verhältnisse relevant

Bei der Berechnung des Pfändungsfreibetrags des Schuldners sind die mit dem Schuldner in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Lebensgefährtin und deren drei Kinder zu berücksichtigen, obwohl der Schuldner ihnen gegenüber keinen gesetzlichen Unterhalt schuldet.

Hier die Entscheidung im Volltext:

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Rechtshandlungen, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, sind gemäß § 133 I 1 InsO anfechtbar, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Die Zahlungen müssen die Gläubiger der Schuldnerin durch Verkürzung der Masse iSv § 129 InsO objektiv benachteiligen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob zur Zeit der Zahlungen bereits weitere Gläubiger vorhanden waren oder solche erst später hinzugetreten sind.

Der Schuldner handelt mit entsprechendem Vorsatz, wenn er die Benachteiligung der Gläubiger als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt. Kennt der Schuldner seine eigene Zahlungsunfähigkeit, kann hieraus entsprechend § 133 Abs. 1 S. 2 InsO auf seinen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden. Denn der Schuldner weiß in diesem Fall, dass sein Vermögen nicht mehr ausreicht, um seine sämtlichen Gläubiger zu befriedigen und seine Zahlungen an den Leistungsempfänger damit seine übrigen Gläubiger benachteiligen. Dabei ist nicht nur die festgestellte Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen, sondern bereits eine vom Schuldner erkannte drohende Zahlungsunfähigkeit ein starkes Beweisanzeichen für dessen Benachteiligungsvorsatz, das bei der gebotenen Gesamtwürdigung zu berücksichtigen ist

Benachteiligungsvorsatz entfällt bei schlüssigem Sanierungskonzept

Der Benachteiligungsvorsatz kann jedoch dann entfallen, wenn ein konkretes Sanierungskonzept ernsthafte Sanierungsbemühungen ermöglicht. Hierzu muss zur Zeit der angefochtenen Handlung ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorliegen, das mindestens in seinen Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden ist und beim Schuldner die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt. 

Denn: Im Falle erkannter Zahlungsunfähigkeit entfällt ein danach an sich gegebener Benachteiligungsvorsatz nur, wenn aufgrund konkreter Umstände – etwa der sicheren Aussicht, demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können – mit einer baldigen Überwindung der Krise zu rechnen ist. Für eine solche Annahme bedarf es indes konkreter Umstände, die nahe legen, dass die Krise noch abgewendet werden kann (BGH, Urteile vom 24. Mai 2007 – IX ZR 97/06, Juris, Rn. 8; vom 22. November 2012 – IX ZR 62/10, Juris, Rn. 7).

Die Entscheidung des Kammergerichts im Voltext hier:

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Das Oberlandesgericht Oldenburg hat den Verkäufer eines Hauses wegen arglistig verschwiegener Feuchtigkeit des Hauses zur Zahlung von Schadensersatz und zur Rückabwicklung des Kaufvertrages verurteilt.

Alufolie gegen Feuchtigkeit

Die Parteien schlossen im Juli 2012 einen Kaufvertrag über ein Hausgrundstück in Emden. Nachdem der Käufer in das Haus einzog, bemerkte er insbesondere im Wohnzimmer feuchte Stellen. Diese waren bei der Besichtigung des Gebäudes nicht zu erkennen gewesen. Ein gerichtlicher Sachverständiger stellte im Prozess fest, dass das Gebäude im Boden- und Sockelaufbau so feucht war, dass man es nicht bzw. nur eingeschränkt bewohnen könne.

Rückabwicklung des Kaufvertrages über die Immobilie

Der Käufer verlangte die Rückabwicklung des Kaufvertrages, d.h. die Rückzahlung des Kaufpreises von 125.000 € gegen Rückgabe des Grundstücks und die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von rund 16.000 €. Der Verkäufer verwies auf den im notariellen Vertrag vereinbarten Haftungsausschluss und lehnte beides ab.

Anders als zuvor das Landgericht gab der Senat dem Käufer Recht. Der Verkäufer könne sich nicht auf den Haftungsausschluss berufen, weil er arglistig gehandelt habe. Er habe von der Feuchtigkeit im Bereich des Wohnzimmers und eines weiteren Zimmers gewusst und hätte den Käufer darüber aufklären müssen. Der Sachverständige hatte festgestellt, dass nicht zuletzt an den Wänden dieser Zimmer hinter der Tapete Alufolie aufgebracht worden war. Durch diese Maßnahme sollte, so der Sachverständige, das Feuchtigkeitsbild beseitigt werden. Während die Mauer dahinter feucht blieb, zeigte die Tapete davor erst dann Feuchtigkeitserscheinungen, wenn die Folie nicht mehr dicht hielt.

Verkäufer verschwieg Schäden arglistig

Der Verkäufer hatte eingeräumt, lediglich im Bereich des Schornsteins und der Wirtschaftsküche Alufolie aufgebracht zu haben. Der Senat glaubte ihm hingegen nicht, dass er von der im Übrigen verwendeten Folie keine Kenntnis hatte. Der Verkäufer bewohnte das Haus bereits seit 1958. Er hatte ein Bild zur Akte gereicht, das eine Wand bei Renovierungsarbeiten zeigte. Die Wand war mit einer Zeitung beklebt. Dieses Zeitungsblatt ließ erkennen, dass es nach dem Jahr 2000 gedruckt worden war, voraussichtlich im Jahr 2004 oder 2009. Wenn der Verkäufer aber in dieser Zeit die Wände neu tapeziert hatte, so musste ihm nach Ansicht der Richter die Verwendung der Alufolie und die Feuchtigkeit an den Wänden aufgefallen sein. Zumal der Sachverständige zuvor erklärt hatte, dass Alufolien erst in den 1970er Jahren zur Bekämpfung des Feuchtigkeitsbildes verwendet worden waren und der Kläger nicht erklärt hatte, dass danach noch Umbauarbeiten ohne ihn stattgefunden hätten.

Verkäufer schuldet Maklerkosten und Grunderwerbsteuer als Schadensersatz

Neben der Rückabwicklung des Kaufvertrages und damit der Rückzahlung des Kaufpreises muss der Verkäufer jetzt auch die Maklerkosten, die Grunderwerbsteuer und die Kosten für einen Privatsachverständigen dem Käufer erstatten.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

(Urteil vom 5. Februar 2015, Aktenzeichen: 1 U 129/13, Vorinstanz Landgericht Aurich, Aktenzeichen 5 O 1147/12)

Tim Wullbrandt || Strafrecht in Mannheim

(zu VG Neustadt a.d. Weinstraße, Beschluss vom 12.02.2015 – 3 L 110/15.NW)

Auch einem „nur“ gelegentlichen Cannabiskonsumenten ist nach einer Cannabisfahrt mit einem THC-Wert ab 1,0 ng/ml im Blutserum wegen fehlender Fahreignung die Fahrerlaubnis zu entziehen. So hat das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße mit Beschluss vom 12.02.2015 in einem Eilverfahren entschieden.

Gericht sieht mangelndes Trennungsvermögen zwischen Konsum und Fahren

Bereits ab diesem Wert sei mangelndes Trennungsvermögen zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeuges anzunehmen (Az.: 3 L 110/15.NW).

Behörde entzog Fahrerlaubnis nach Fahrt unter Cannabiseinfluss

Der Antragsteller wurde am 16.10.2014 als Autofahrer einer Polizeiverkehrskontrolle unterzogen. Ein freiwillig durchgeführter Drogenvortest verlief positiv auf THC. Die Auswertung der daraufhin dem Antragsteller entnommenen Blutprobe ergab einen THC-Wert von 1,2 ng/ml im Blutserum. Der zuständige Landkreis entzog ihm in der Folge unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis. Der Antragsteller habe sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, da er nicht zwischen gelegentlichem Cannabiskonsum und Fahren trennen könne. Der Antragsteller legte dagegen Widerspruch ein und beantragte beim VG vorläufigen Rechtsschutz. Er machte insbesondere geltend, er sei nicht unter Einfluss von Cannabis gefahren, es habe sich um einen einmaligen Cannabis-Konsum gehandelt und er sei auf ein Kraftfahrzeug angewiesen, da er mehrfach wöchentlich Kundenbesuche durchführen müsse.

Mangelndes Trennungsvermögen ab einem THC-Wert von 1,0 ng/ml im Blutserum anzunehmen

Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag abgelehnt. Gegenwärtig stelle sich der Antragsteller als gelegentlicher Cannabiskonsument dar. Der bei ihm festgestellte THC-Wert von 1,2 ng/ml im Blutserum könne mit dem vom Antragsteller behaupteten einmaligen Konsum nicht schlüssig erklärt werden. Denn THC sei nach einem Einzelkonsum nur vier bis sechs Stunden im Blutserum nachweisbar. Der Antragsteller sei auch nicht in der Lage, zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeuges zu trennen. Mangelndes Trennungsvermögen im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV sei bereits ab einem im Blutserum festgestellten THC-Wert von 1,0 ng/ml anzunehmen. Daher habe der Antragsteller, bei dem ein THC-Wert von 1,2 ng/mL im Blutserum festgestellt worden sei, unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt. Anhaltspunkte für eine vom Regelfall abweichende Fallkonstellation seien nicht ersichtlich. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei daher rechtmäßig. Die berufliche Situation des Antragstellers erlaube keine andere Betrachtungsweise.

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Der BGH hat in seinem Beschluss vom 18.12.2014, 4 StR 323/14, die Revisionen zweier Beschuldigter verworfen und Verurteilungen des Landgerichts Dortmund wegen Insolvenzverschleppung und Beihilfe hierzu aufrecht erhalten. Der Tenor:

Der faktische Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann Täter einer Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4 InsO sein.

Mehr hierzu erfahren Sie über den obigen Link auf WULLBRANDT Rechtsanwälte.

Auch der faktische Geschäftsführer einer GmbH kann sich wegen Insolvenzverschleppung gem. § 15a IV InsO strafbar machen und Täter sein.

(zu BGH, Beschluss vom 18.12.2014 – 4 StR 323/14)

BGH bestätigt Verurteilung des faktischen Geschäftsführers einer GmbH wegen Insolvenzverschleppung

Was war geschehen? Das Landgericht hatte den Angeklagten A als faktischen Geschäftsführer einer GmbH wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung sowie den Angeklagten O als bestellten und eingetragenen Geschäftsführer dieser Gesellschaft wegen Beihilfe hierzu verurteilt. Beide Angeklagten hatten gegen das Urteil Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt. Sie machten ua geltend, dass die Strafbarkeit des faktischen Geschäftsführers durch die Neuregelung der Insolvenzverschleppung in § 15a IV InsO entfallen sei.

Der BGH trat dem entgegen und hat die Revisionen der Angeklagten als unbegründet verworfen.

Der Senat führt dazu aus, dass die in der Rechtsprechung seit jeher anerkannte Strafbarkeit des faktischen Geschäftsführers bei unterlassener oder verspäteter Konkurs- oder Insolvenzantragstellung durch die Neuregelung des § 15a IV InsO nicht entfallen sei. Die bis 2008 in vielen Einzelgesetzen bestehenden Vorschriften zur Insolvenzantragstellung seien lediglich mit Einführung des MoMiG zum 23.10.2008 durch § 15a InsO ersetzt worden. Der Wortlaut des § 15a I 1 InsO schließe die Pflicht des faktischen Geschäftsführers zur Antragsstellung nicht aus. Die gesetzliche Formulierung – Mitglieder des Vertretungsorgans – umschreibe zusammenfassend die Verantwortlichen verschiedener Gesellschaftsformen. Mitglied des Vertretungsorgans der Gesellschaft mit beschränkter Haftung sei der Geschäftsführer, dem nach ständiger Rechtsprechung der faktische Geschäftsführer gleichstehe.

BGH: Den faktischen Geschäftsführer treffen die gleichen Pflichten wie den eingetragenen Geschäftsführer

Die Entscheidung des BGH fällt in ihrer Begründung erstaunlich kurz aus. Bedauerlicher Weise führt der BGH nicht weiter dazu aus, auf welcher formaljuristischen Grundlage der nur faktische Geschäftsführer das Erfordernis der Mitgliedschaft in einem Organ der Gesellschaft tatsächlich nicht erfüllt. Für die Strafbarkeit des faktischen Geschäftsführers spreche indes die Begründung des Gesetzentwurfs, denn durch die Neuregelung seien die Vorschriften zur Insolvenzantragstellung aus verschiedenen Einzelgesetzen rechtsformneutral geregelt und wortgleich erfasst worden. Eine Einschränkung der strafbewehrten Pflicht habe der Gesetzgeber nicht bezweckt. Dies ergebe sich aus der Begründung zu § 15a III InsO, wonach durch die Regelung zur führungslosen Gesellschaft die Rechtsprechung zum faktischen Geschäftsführer nicht berührt und dessen Verantwortlichkeit nicht eingeschränkt werden sollte.

Der BGH stellt damit erneut klar, dass die Flucht in die faktische Geschäftsführung (durch formale Bestellung eines Schattengeschäftsführers) keinesfalls geeignet ist, im Falle einer verspäteten Insolvenzantragstellung die Strafbarkeit des faktischen Geschäftsführers zu beseitigen.

Den Volltext der Entscheidung können Sie hier lesen.


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(zu FG Düsseldorf, Urteil vom 28.08.2014 – 8 K 3677/13 E).

Der Steuerpflichtige wird infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der sich anschließenden Nachtragsverteilung handlungsunfähig, so dass der Treuhänder eine Steuererklärung (mit-)unterschreiben muss. Das hat das Finanzgericht Düsseldorf in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 28.08.2014 mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs klargestellt und die Klage eines Treuhänders abgewiesen (Az.: 8 K 3677/13 E).

Finanzamt forderte vom gerichtlich bestellten Treuhänder Unterschrift

Über das Vermögen der Steuerpflichtigen war am 28.02.2012 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Im März 2013 reichte sie bei ihrem Finanzamt eine Einkommensteuererklärung für 2012 ein, in der sie ausschließlich Arbeitnehmereinkünfte erklärte. Daraufhin forderte das Finanzamt den gerichtlich bestellten Treuhänder auf, die Steuererklärung zu unterschreiben. Nachdem dieser der Aufforderung nicht nachgekommen war, lehnte das Finanzamt die Durchführung der Veranlagung mit einem an den Treuhänder gerichteten Bescheid ab. Dabei blieb es auch, nachdem das Insolvenzverfahren aufgehoben, jedoch unter anderem hinsichtlich der Einkommensteuererstattung für 2012 die Nachtragsverteilung angeordnet worden war.

Gerichte bejahen Pflicht zur Unterschrift des Treuhänders

Die dagegen gerichtete Klage des Treuhänders blieb ohne Erfolg. Nach der Entscheidung des Finanzgerichts liegt ein wirksamer Antrag auf Veranlagung angesichts der nur von der Steuerpflichtigen unterschriebenen Steuererklärung nicht vor. Denn infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der sich anschließenden Nachtragsverteilung sei die Steuerpflichtige handlungsunfähig, so dass der Treuhänder (mit-)unterschreiben müsse, erklärte das Finanzgericht mit Verweis auf den Bundesgerichtshof. Dieser hat eine Verpflichtung des Treuhänders zur Abgabe einer Steuererklärung bejaht, wenn sich hieraus (voraussichtlich) ein Erstattungsanspruch ergeben wird, da der Treuhänder diesen zugunsten der Masse zu realisieren habe (BGH, NZI 2014, 21). Dies gelte laut BGH auch dann, wenn der Schuldner ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehe und daher ein Antrag auf Veranlagung zu stellen sei. Zudem teile ein Erstattungsanspruch wegen überzahlter Lohnsteuer nicht das Schicksal des insolvenzfreien Arbeitslohns und unterfalle nicht dem besonderen Pfändungsschutz.

Tim Wullbrandt || Strafrecht in Mannheim

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in einem Verfahren über die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen einen Schuldspruch des Landgerichts Landshut nach Anhörung von zwei Sachverständigen nunmehr den Grenzwert der nicht geringen Menge für die synthetischen Cannabinoide JWH-018 und CP 47,497-C8-Homologes festgelegt.

Nicht geringe Menge bei 2 bzw. 6 Gramm Wirkstoffgehalt

Der BGH hat die Grenze zur „nicht geringen Menge“ bei einer Wirkstoffmenge von 2 g festgesetzt. Für die Wirkstoffe JWH-073 und CP 47,497 hält der Senat den Grenzwert der nicht geringen Menge jedenfalls bei einer Wirkstoffmenge von 6 g für erreicht. Diese Festsetzung werde den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Gefährdungspotential der Wirkstoffe im Vergleich zu Cannabis, für das der Grenzwert der nicht geringen Menge von der Rechtsprechung bei 7,5 g Tetrahydrocannabinol (THC) angenommen wird, gerecht.

Angeklagter hatte mit „Spice“ gehandelt

Nach den Feststellungen des Landgerichts vertrieb der Angeklagte über einen Internethandel im In- und Ausland angekaufte Kräutermischungen, die synthetische Cannabinoide, namentlich die Wirkstoffe JWH-018, JWH-073, CP 47,497 und CP 47,497-C8-Homologes, enthielten. Dem Angeklagten war nach den Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils bekannt, dass die Kräutermischungen zum Konsum durch Rauchen bestimmt waren und eine bewusstseinsverändernde Wirkung haben, sofern sie synthetische Cannabinoide enthielten. In mehreren Fällen der Einfuhr lag die Gesamtwirkstoffmenge an JWH-018 jeweils erheblich über dem vom sachverständig beratenen Landgericht als Grenzwert der nicht geringen Menge angenommen Wert von 1,75 g.

BGH bestätigt Schuldspruch des LG Landshut

Auf Grundlage der rechtsfehlerfrei festgestellten Wirkstoffmenge JWH-018 hat der 1. Strafsenat die Schuldsprüche wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bestätigt, auf die Revision des Angeklagten jedoch im Hinblick auf die vom Landgericht vorgenommene abweichende Festsetzung der nicht geringen Menge den Ausspruch über die jeweiligen Einzelstrafen und die Gesamtstrafe aufgehoben. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat der 1. Strafsenat teilweise die Schuldsprüche wegen (versuchten) unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln aufgehoben, da das Landgericht keine Feststellungen zur Menge des in den Kräutermischungen enthaltenen Wirkstoffs CP 47,497-C8-Homologes getroffen hat.

BGH, Urteil vom 14. Januar 2015 – 1 StR 302/13

(Vorinstanz: LG Landshut – Urteil vom 11. Januar 2013 – 6 KLs 57 Js 10932/09)

Tim Wullbrandt || Strafrecht in Mannheim

Wie heute bekannt wurde hat die Kieler Staatsanwaltschaft ein gegen den ehemaligen HSH-Nordbank-Chef Dirk Jens Nonnenmacher laufendes Ermittlungsverfahren wegen falscher Verdächtigung  eingestellt. Der ehemalige Top-Banker muss sich daher wegen dieser Vorwürfe nicht vor Gericht verantworten.

Kein Tatverdacht für falsche Verdächtigung

Die Staatsanwaltschaft nannte als Begründung mangelnden hinreichenden Tatverdacht. Nonnenmacher war vorgeworfen worden, im Jahr 2009 gemeinsam mit einem weiteren Manager der Bank und unter Mitwirkung eines Sicherheitsunternehmens seinen damaligen Kollegen im Vorstand der Bank, Frank Roth zu Unrecht wegen Geheimnisverrats angezeigt zu haben. Zur Untermauerung der Anzeige und zum angeblichen Beweis dieser Vorwürfe habe er Beweise fingiert.

Vorwurf fingierter Beweise

«Nach dem Ergebnis der Ermittlungen ließ sich nicht belastbar beweisen, dass Professor Nonnenmacher um die Unrichtigkeit der mit der Anzeige erhobenen Vorwürfe wusste», erklärte Oberstaatsanwältin Birgit Heß. Die weiteren gegen den anderen Beschuldigten geführten Verfahren würden auch zeitnah abgeschlossen.

Der damalige Vorstand Roth war mit der Begründung fristlos entlassen worden, er habe Interna der Bank an die Presse weitergegeben. Vorgelegte angebliche Beweise stellten sich bald als fingiert heraus. Die Bank musste Roth vollständig rehabilitieren und mit einer Millionensumme entschädigen.

Nonnenmacher war von November 2008 bis März 2011 Vorstandsvorsitzender der HSH Nordbank. Die Bank war im Zuge der Finanzmarktkrise in schwere finanzielle Schieflage geraten und musste 2009 von den Haupteigentümern Schleswig-Holstein und Hamburg mit Milliardenhilfen gerettet werden.

Weitere Ex-Vorstände zuvor bereits vor Landgericht Hamburg vom Untreuevorwurf befreit

Bereits Mitte letzten Jahres hatte das Landgericht  Hamburge sechs weitere ehemalige Manager der Bank, einschließlich Nonnenmacher, vom Vorwurf der schweren Untreue freigesprochen. Den Ex-Vorständen war vorgeworfen worden, sie hätten bei dem komplexen und verlustreichen Finanzgeschäft «Omega 55» im Jahr 2007 ihre Pflichten verletzt. Dieser Vorwurf wurde zwar dem Grundsatz nach bestätigt, die Pflichtverletzung sei jedoch nicht so klar oder massiv gewesen, dass eine Verurteilung wegen Untreue begründet werden konnte.

Die Staatsanwaltschaft hat gegen diese Entscheidung des Landgerichts Revision eingelegt.

Tim Wullbrandt || Strafrecht in Mannheim

Wie aus einer Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Mannheim heute hervorgeht, sieht diese davon ab, gegen die Verantwortlichen Stellen und Personen ein Ermittlungsverfahren wegen der fehlerhaften Organisation der Rettungsdienste in Mannheim und dem Rhein-Neckar-Kreis einzuleiten.

Organisation der Rettungsdienste – Staatsanwaltschaft leitet kein Ermittlungsverfahren ein

In ihrer Pressemitteilung von heute nimmt die Staatsanwaltschaft Mannheim Bezug auf die in jüngster Zeit stattfindende kontroverse Diskussion um die aktuelle und künftige Organisation der Rettungsdienste in Mannheim und dem Rhein-Neckar-Kreis. Dabei wurde in der Öffentlichkeit insbesondere die Frage aufgeworfen, ob es durch unzureichende Ausstattung oder organisatorische Mängel zu Verzögerungen beim Einsatz von Notärzten und Rettungsfahrzeugen gekommen sei.

Prüfung durch Staatsanwaltschaft infolge Medienberichten und anonymer Anzeigen

Die Staatsanwaltschaft Mannheim hatte im Oktober 2014 aufgrund entsprechender Medienberichte und vereinzelter anonymer Eingaben einen Prüfvorgang eingeleitet. Dieser gelangte nunmehr zu dem Ergebnis, dass keine zureichende Anhaltspunkte zur Einleitung von Ermittlungsverfahren – etwa wegen fahrlässiger Körperverletzung, fahrlässiger Tötung oder unterlassener Hilfeleistung – vorhanden sind.

Keine fahrlässige Tötung durch fehlerhafte Organisation

In keinem der mehr oder weniger konkret geschilderten Einzelfälle bestehe ein Anfangsverdacht der Begehung von Straftaten, wobei von Patienten keine Anzeigen erstattet wurden. Die Überprüfung ergab vielmehr, dass die Vorschriften des baden-württembergischen Rettungsdienstgesetzes eingehalten waren. Dieses schreibt für die Notfallrettung vor, dass zwischen dem Eingang der Notfallmeldung in der Leitstelle und dem Eintreffen der Hilfe am Notfallort möglichst nicht mehr als 10, höchstens 15 Minuten vergehen sollen (sogenannte Hilfsfrist). Notfälle im Sinne des Gesetzes sind allerdings nur solche, bei denen Lebensgefahr besteht oder schwere gesundheitliche Schäden zu befürchten sind. Muss lediglich erste Hilfe geleistet oder ein bloßer Krankentransport durchgeführt werden, gilt die Frist nicht. Unter Zugrundelegung dieses rechtlichen Ausgangspunktes konnten keine Verdachtsmomente dahingehend festgestellt werden, dass durch gesetzwidrige Verspätungen oder sonstiges Fehlverhalten vermeidbare Leiden von Patienten verursacht wurden.

(Quelle: Staatsanwaltschaft Mannheim, 08.01.2015)

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