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Lokale Einzelhändler aufgepasst: Blinder Aktionismus wegen Corona-Schließungen kann zu großen rechtlichen und finanziellen Problemen führen

Lokale Einzelhändler aufgepasst: Wer sein Geschäft wegen der Corona-Pandemie schließen musste und seinen Kunden jetzt Lieferservice anbietet, der wird damit unter Umständen zum Versandhändler – mit allen juristischen Folgen einschließlich Gefahr einer (oder mehrerer) Abmahnung.

„Sie rufen an, wir liefern gerne“ macht Einzelhändler zum Versandhandel

Nachdem eine große Menge von meist lokalen Händlern durch die Verordnungen der Länder zum Schutz vor der Covid 19 – Pandemie gezwungen wurden, ihre Ladenlokale zu schließen zeigt sich – wohl aus berechtigter Angst um die wirtschaftliche Existenz – in den letzten Tagen ein Aktionismus unter den Einzelhändlern, der erst einmal vernünftig und serviceorientiert anmutet.

Sie können und gerne anrufen oder eine E-Mail senden, wir bringen die Ware dann mit Rechnung zu Ihnen!

So oder so ähnlich kamm man in einer Vielzahl von Schaufenstern seit einigen Tagen lesen. Der Gedanke, dass man als bewährter Einzelhändler seine Kunden vor Ort einfach beliefert, liegt nicht fern und klingt nach einer guten Idee, um den Geschäftsbetrieb am Laufen zu halten. Das kann auch so sein. Dieses Vorgehen bietet aber auch einen gewaltigen Fallstrick, über den sich die meisten – teils alteingesessenen – Händler nicht im klaren sind (teils wird dies auch sehenden Auges ignoriert): Werden die Waren explizit zur Bestellung und Heimlieferung angeboten, dann wird aus dem ortsgebundenen Einzelhändler ein Versandhändler. Und als Versandhändler gelten andere Regeln im Geschäftsverkehr.

Für Versandhändler gelten die Regeln zum Fernabsatz

Das Besondere ist, dass sich „klassische“ Geschäfte an der Ladentheke deutlich von sogenannten Fernabsatzgeschäften unterscheiden. Fernabsatzgeschäfte sind solche Verträge, die unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen werden. Und Fernkommunikationsmittel sind eben originär auch Telefon, Brief, Fax und E-Mail (§ 312c BGB).

Nun findet sich in diesem § 312c Absatz 1 BGB der zweite Halbsatz

es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt

Jetzt kann man auf die Idee kommen dass ein Einzelhändler, der für einige Wochen bis Monate „übergangsweise und hilfsweise“ die Bestellung per Mail und Lieferung an die Haustür anbietet nicht im Rahmen eines „für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems“ agiert und deshalb die Regelungen über den Fernabsatz nicht anwendbar sind.

Weit gefehlt.

Bundesgerichtshof fasst Voraussetzungen für Fernabsatz weit

Der Bundesgerichtshof als höchste Instanz hat in in einem Urteil (1 ZR 30/15) wie folgt entschieden:

Der deutsche Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass die Existenz eines organisierten Vertriebssystems verlangt, dass der Unternehmer mit – nicht notwendig aufwendiger – personeller und sachlicher Ausstattung innerhalb seines Betriebs die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen hat, die notwendig sind, um regelmäßig im Fernabsatz zu tätigende Geschäfte zu bewältigen. Dabei sind an die Annahme eines solchen Vertriebs- oder Dienstleistungssystems insgesamt keine hohen Anforderungen zu stellen (…)

Nur Geschäfte, die unter gelegentlichem, eher zufälligem Einsatz von Fernkommunikationsmitteln geschlossen werden, sollen aus dem Anwendungsbereich ausscheiden (…) Der sachliche Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts soll demnach beispielsweise nicht schon dann eröffnet sein, wenn der Inhaber eines Geschäfts ausnahmsweise eine telefonische Bestellung entgegennimmt und die Ware dem Kunden nicht in seinem Ladenlokal übergibt, sondern mit der Post versendet. Die Grenze zum organisierten Fernabsatzsystem soll jedoch dann überschritten sein, wenn der Inhaber eines Geschäfts Waren nicht nur gelegentlich versendet, sondern systematisch auch mit dem Angebot telefonischer Bestellung und Zusendung der Waren wirbt (…) Damit soll der Betreiber eines stationären Ladenlokals, der seine Leistungen ausschließlich vor Ort erbringt, nicht davon abgehalten werden, ausnahmsweise auch eine telefonische Bestellung entgegen zu nehmen

Wie man sieht lässt der Bundesgerichtshof zwar Ausnahmen von einem organisierten Fernabsatzsystem aus. Er sieht das Fernabsatzsystem aber eben dann als gegeben an, wenn der Händler damit wirbt auf telefonische / per Mail versendete Bestellung die Ware zu liefern. Genau dieser Fall liegt nach unserem Erachten hier vor. In dem Moment, in dem ein Händler damit wirbt, dass er auf Bestellung liefert, liegt wohl ein Fernabsatzsystem vor. Der Bundesgerichtshof sieht nämlich in seiner Entscheidung grundsätzlich keine zeitliche Grenze für die geschäftliche Betätigung als Maßstab. Fernabsatz ja oder nein hängt also wohl nicht davon ab, für welchen Zeitraum man die Bestellmöglichkeit anbietet (für immer oder nur für wenige Wochen Ladenschluss). Entscheidendes Kriterium dürfte vielmehr das offene werbliche Angebot der Bestellmöglichkeit sein.

Folge: Händler müssen Widerrufsrechte gewähren

Die Folge dieser Einstufung als Fernabsatz ist, dass die Händler ihren Kunden nun unter anderem ein Widerrufsrecht gewähren müssen. Während beispielsweise bei einem Buchhändler früher das Buch über den Ladentisch ging und fix verkauft war muss der Händler nun bei einer Bestellung damit rechnen, dass er das Buch nach 14 Tagen retourniert bekommt und den Erlös zurückzahlen muss. Und diese 14-Tage-Frist gilt nur, wenn der der Lieferung eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung beigelegt hat. War das nicht der Fall, dann besteht das Widerrufsrecht unter Umständen noch sehr viel länger.

Rechtsanwälte für Jugendstrafrecht Unser Tipp: Widerrufsbelehrung beilegen!

Unser Tipp an dieser Stelle kann daher nur lauten: Legen Sie Ihrer Lieferung eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung bei! Sie vermeiden so zwar nicht mögliche Rückläufer. Sie können aber vermeiden, dass Kunden die gelieferten Artikel unter Umständen erst in mehreren Wochen und Monaten retournieren und Sie den vollen Verkaufspreis zurückerstatten müssen.

Muster solcher Widerrufsbelehrungen erhalten Sie beispielsweise bei Ihrer örtlichen Industrie- und Handelskammer, bei Janolaw*, eRecht24, Ihrem Einkaufsverband oder einer im Handelsrecht tätigen Anwaltskanzlei.

Sie haben noch Fragen? Dann stehen wir Ihnen gerne Rede und Antwort! Schreiben Sie einfach eine E-Mail an Herrn Rechtsanwalt Lang-Wehrle oder hinterlassen Sie einen Kommentar zum Artikel – wir freuen uns auf Ihre Nachricht!


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