Tim Wullbrandt || Strafrecht in Mannheim

Das Landgericht Ansbach hat am 28.10.2015 einen 29-jährigen Mann, der im Jobcenter Ansbach einen Gutachter erstochen hat, zu zehn Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt. Hierzu wird er auf Anordnung des Gerichts in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.

Zahn Jahre Haft wegen Totschlag für Messerangriff in Jobcenter

Daneben wurde der Mann verurteilt, mehrere tausend Euro an die Familie des getöteten Gutachters zu zahlen.

Der 29 Jahre alte Angeklagte erstach vor knapp einem Jahr, am 3. Dezember 2014, in der Jobagentur Rothenburg einen 61 Jahre alten Psychologen mit einem Küchenmesser. Der Psychologe hatte ihm zuvor eine psychische Erkrankung bescheinigt. Er sei nicht arbeitsfähig und brauche eine Therapie. Zudem hatte der Psychologe eine unterdurchschnittliche Intelligenz festgestellt.

Der Angeklagte hatte im Prozess zugegeben, unmittelbar nach dem Gespräch mit dem Psychologen in einem nahe gelegenen Einkaufszentrum das Messer gekauft zu haben und danach damit auf den Psychologen eingestochen zu haben. Der Mann verstarb noch am Tatort.

Staatsanwalt ging von Mord aus und fordert über 12 Jahre Haft

Im Laufe des Prozesses hatte ein pschiatrischer Sachverständiger dem Angeklagten eine schizophrene Psychose diagnostiziert.

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von zwölfeinhalb Jahren wegen Mordes gefordert. Der Ankläger hatte die Mordmerkmale Heimtücke sowie Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers gesehen. Die Verteidigung hatte dagegen siebeneinhalb Jahre wegen Totschlags gefordert. Beide Seiten waren sich einig darin, dass der Mann nicht ins Gefängnis kommen, sondern in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden soll.


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Sein Einsatz hatte nach seiner unfreiwilligen Enttarnung bereits hohe mediale Wellen geschlagen – jetzt hat auch das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit kürzlich bekannt gewordenen Urteilen bestätigt, dass der Einsatz des verdeckten Ermittlers „Simon Brenner“ in der linken Szene von Heidelberg rechtswidrig war.

Einsatz des verdeckten Ermittlers in linker Szene in Heidelberg rechtswidrig

Über Monate hinweg hatte ein verdeckter Ermittler der Polizei sich unter dem Decknamen „Simon Brenner“ unter linke Studenten in Heidelberg gemischt und seiner Einsatzführung über das dortige Treiben berichtet. Die Anordnung zum Einsatz des Ermittlers war ursprünglich vom Polizeipräsidium Mannheim mit dem Ziel der Ausspähung zweier Zielpersonen sowie zweier Kontaktpersonen ergangen. Der eingesetzte Polizeibeamte hatte sich sodann zum Sommersemester 2010 an der Universität in Heidelberg in die Fächer Germanistik und Ethnologie eingeschrieben – unter Vorlage von Abiturzeugnis und Personalausweis. Daraufhin nahm er ganz „normal“ am Unileben teil und freundete sich (gezielt) mit den Mitgliedern diverser linker Studentengruppen an und nahm aktiv an den Veranstaltungen dieser Gruppen teil.

Das Polizeipräsidium Mannheim – Kriminalpolizei Heidelberg – begründete den Einsatz damit, man habe politische Straftaten verhindern wollen. Es habe eine klare Gefährdungsprognose gegeben, welche den ANlass zum Einsatz des Ermittlers gegeben habe. Ein Anlass sei der Fund von Molotowcocktails bei einer Kontaktperson von einem der Kläger im Kraichgau gewesen.

Verdeckter Ermittler „Simon Brenner“ flog auf Party auf

Dem unter Pseudonym „Simon Brenner“ handelnden Ermittler wurde – wie so vielen anderen Heidelberger Studenten wohl in anderer Weise auch – das Heidelberger Nachtleben zum Verhängnis: Im Dezember 2010 begegnet er er dort einer jungen Frau, die er bereits im vorhergehenden Sommer im Frankreich-Urlaub getroffen hatte und ihr dort erzählt hatte, er arbeite für die Polizei.

Klagen vor Verwaltungsgericht erfolgreich – Maßnahme rechtswidrig

Insgesamt sieben Männer und Frauen hatten nach der Aufdeckung der Maßnahme bereits im August 2011 auf die Feststellung deren Rechtswidrigkeit geklagt. Mit Urteilen vom 26.08.2015, deren Begründung nunmehr vorliegt, hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe den Klagen der sieben Klägerinnen und Klägern aus der sogenannten „Linken Szene“ in Heidelberg stattgegeben.

Lediglich einer der sieben Kläger (Verfahren mit dem Aktenzeichen 4 K 2107/11) war in den Anordnungen als eine der Personen genannt, auf die sich die Datenerhebung bezog. In Bezug auf die sechs weiteren Klägerinnen und Kläger, die in den Einsatzanordnungen nicht namentlich genannt worden waren, machte das beklagte Land Baden-Württemberg, im Prozess vertreten durch das Polizeipräsidium Mannheim, im Prozess geltend, deren Klage sei bereits unzulässig, weil der Einsatz des Verdeckten Ermittlers nicht gegen sie gerichtet gewesen sei.

Land argumentierte mit steigender Fallzahl linker Gewalt im Raum Heidelberg

Das Land trug im Verfahren vor, hinsichtlich des Klägers im Verfahren 4 K 2107/11 (der persönlich in der Anordnung der Maßnahme benannt war) sei der Einsatz deswegen gerechtfertigt gewesen, weil im Jahr 2009 bundesweit und auch in Heidelberg ein weiterer Anstieg der Fallzahlen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität festzustellen gewesen sei, insbesondere im Bereich der linksmotivierten Straftaten. Der Einsatz habe sich ausschließlich gegen Personen der linksextremistischen Szene gerichtet, die entsprechenden Gruppierungen nahegestanden hätten beziehungsweise deren Führungspersonal zuzurechnen gewesen seien. Zwei dieser Gruppierungen seien die Antifaschistische Initiative Heidelberg und die Anarchistische Initiative Kraichgau-Odenwald.

Gefundene Molotow-Cocktails gaben Startschuss für verdeckte Ermittlungen

Neben einer Reihe von Ereignissen im Zusammenhang mit Demonstrationen im Zeitraum Juli 2009 bis November 2010 sei auf einen Vorfall am 04.11.2009 zu verweisen. Anlässlich einer Hausdurchsuchung in Räumlichkeiten der „Anarchistischen Initiative Kraichgau-Odenwald“ seien unter anderem sieben gebrauchsfertige Brandsätze (Molotow-Cocktails) sichergestellt worden. Angesichts einer anhaltenden Rechts-Links-Konfrontation im Raum Heidelberg/Rhein-Neckar-Kreis habe zwingend ein Aufklärungsbedürfnis zur weiteren Erforschung der konkret vorliegenden Gefahrenlage bestanden. Wegen der intensiven szenentypischen Abschottung insbesondere gegenüber den Ermittlungsbehörden sei nur noch der Einsatz verdeckter Ermittler erfolgversprechend gewesen.

Verwaltungsgericht: Formelle und materielle Voraussetzungen für Einsatz des verdeckten Ermittlers lagen nicht vor

Dieser Argumentation ist die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts nicht gefolgt und hat den auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Einsatzes gerichteten Anträgen sämtlicher Klägerinnen und Kläger entsprochen. Im Verfahren des Klägers, der in den Einsatzanordnungen namentlich benannt war (4 K 2107/11), führte die Kammer aus, dass die nach Maßgabe von § 22 PolG erforderlichen formellen und materiellen Voraussetzungen für den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers gegen diesen Kläger nicht vorlagen.

Keine hinreichende Bestimmtheit des eingesetzten Mittels – Polizei muss bei Anordnung der Maßnahme ermittelnden Beamten bestimmen

Es fehle an der hinreichenden Bestimmtheit hinsichtlich des eingesetzten Mittels, insbesondere ließen die dem Gericht vorliegenden Kopien der Einsatzanordnungen offen, wer konkret als Verdeckter Ermittler eingesetzt gewesen sei. Der Einsatz des Verdeckten Ermittlers erweise sich aber auch als materiell rechtswidrig. Die vom beklagten Land vorgelegten Unterlagen rechtfertigten nicht die Annahme, dass von diesem Kläger eine konkrete Gefahr für eines der in § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG genannten Rechtsgüter (Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- und Vermögenswerte) ausgegangen sei. So fehle es an konkreten Feststellungen zu der behaupteten Gewaltbereitschaft der Antifaschistischen Initiative Heidelberg.

Keine konkreten Feststellungen zu Gewaltbereitschaft – Anordnung war materiell rechtswidrig

Eine vom Kläger ausgehende konkrete Gefahr lasse sich auch nicht daraus ableiten, dass dieser anlässlich einer Demonstration in Sinsheim am 19.09.2009 bei einer der Anarchistischen Initiative Kraichgau-Odenwald zugerechneten Person gestanden habe, in dessen Wohnung am 04.11.2009 die Molotow-Cocktails gefunden worden seien. Eine konkrete Verbundenheit des Klägers mit dieser Person beziehungsweise mit der Anarchistischen Initiative Kraichgau-Odenwald sei in den vom beklagten Land überlassenen Unterlagen nicht dokumentiert. Letztlich aus den gleichen Gründen lägen auch die Voraussetzungen für eine Datenerhebung nach § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG, also zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung, nicht vor.

Klagen der unbenannten Personen zulässig und begründet

Die Klagen der weiteren sechs Klägerinnen und Kläger hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts für zulässig erachtet. Dem stehe nicht entgegen, dass diese Klägerinnen und Kläger in den Einsatzanordnungen nicht als eine der Personen genannt seien, gegen die sich der Einsatz des Verdeckten Ermittlers habe richten sollen. Diese Kläger hätten – unwidersprochen – vorgetragen, dass sie nicht nur gelegentlichen, sondern intensiven Kontakt mit dem Verdeckten Ermittler gehabt hätten, woraus folge, dass dem Verdeckten Ermittler zwangsläufig Daten über diese Kläger bekannt geworden sein müssten.

Verdeckter Ermittler erhob persönliche Daten aller Personen, nicht nur der mit der Anordnung bestimmten

Die Klagen der weiteren Klägerinnen und Kläger seien auch begründet. Aufgrund der glaubhaften Angaben eines der Kläger in der mündlichen Verhandlung sei das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Verdeckte Ermittler über sämtliche weiteren Kläger persönliche Daten erhoben und an das Landeskriminalamt weitergegeben habe. Der darin zu sehende Grundrechtseingriff sei mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig gewesen. Die Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Verlängerungen erfassten die weiteren Klägerinnen und Kläger nicht. Die Datenerhebung über sie lasse sich auch nicht auf § 22 Abs. 4 PolG stützen, wonach Daten auch dann nach § 22 Abs. 3 PolG – also auch durch Einsatz Verdeckter Ermittler – erhoben werden dürften, wenn Dritte unvermeidbar betroffen würden. Dies setze jedenfalls voraus, dass hinsichtlich einer Ziel- beziehungsweise einer Kontakt-/Begleitperson eine Erhebung von Daten rechtmäßig angeordnet worden sei. Dies sei hier nicht der Fall; denn die hierfür allenfalls in den Blick zu nehmende Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Verlängerungen seien aus den im Verfahren 4 K 2107/11 dargelegten Gründen formell und materiell rechtswidrig gewesen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, das beklagte Land Baden-Württemberg kann binnen eines Monats Berufung zum VGH Baden_Württemberg einlegen.

(Quelle: Pressestelle VG Karlsruhe, http://vgkarlsruhe.de/pb/,Lde/Heidelberg_+Einsatz+eines+Polizeibeamten+als+Verdeckter+Ermittlers+war+rechtswidrig/?LISTPAGE=1220792)

 

Wer wegen einer (vermeintlichen) Straftat eine Anzeige bei der örtlichen Polizei oder der zuständigen Staatsanwaltschaft stellt, der hat zumeist auch ein eigenes Interesse an der Strafverfolgung des Täters. In Zeiten stark zunehmender Belastung – und oftmals schlicht Überlastung – der Ermittlungsbehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte neigen gerade die Staatsanwaltschaften immer öfter dazu, Ermittlungsverfahren bei kleineren Delikten wegen Geringfügigkeit einzustellen und / oder den Anzeigenerstatter auf die Möglichkeit einer Privatklage zu verweisen.

OLG Karlsruhe: Kein Rechtsmittel gegen Geringfügigkeitseinstellung

Beim Anzeigenerstatter, der durch die – aus Sicht der Staatsanwaltschaft – häufig doch stark beeinflusst und beeinträchtigt wurde, stellt solch eine Einstellung mit der Begründung, es habe sich nur um eine Nichtigkeit oder ganz geringfügige Tat gehandelt, stößt dies häufig auf völliges Unverständnis. Es selbst möchte die an ihm begangene Tat gesühnt sehen. Dies führt oft dazu, dass sich die Anzeigenerstatter den Strafrechtsanwalt des Vertrauens aufsuchen und wissen möchten, was sie gegen eine solche Einstellung tun können, um das Verfahren weiter betrieben zu sehen.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat jetzt in einem Beschluss vom 24.08.2015, Aktenzeichen 2 VAs 19-21/15, klar gestellt, dass die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, ein Ermittlungsverfahren nach § 153 Abs. 1 StPO oder unter Verweisung auf den Privatklageweg nach § 170 Abs. 2 StPO einzustellen, durch den Verletzten nicht anfechtbar ist. 

Entscheidung zur Einstellung durch Verletzten nicht anfechtbar

Was war geschehen? Die Staatsanwaltschaft Heidelberg hatte mehrere in Folge von Strafanzeigen eingeleitete Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Hausfriedensbruch, Beleidigung etc., gemäß § 153 I StPO eingestellt. Hiergegen wendete sich der Anzeigenerstatter mit einem auf „§ 23 EGGVG oder Art. 19 IV iVm § 153 I 1 analog StPO“ gestützten Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Dieser Antrag war an die für Heidelberg örtlich zuständige Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe und hierüber an das Oberlandesgericht Karlsruhe zur Entscheidung gelangt.

Antrag auf gerichtliche Entscheidung unzulässig

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG als unzulässig verworfen. Eine Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach § 153 StPO wegen Geringfügigkeit und / oder mangelndem öffentlichen Interesse bzw. § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdacht i. V. m. mit einer Verweisung auf den Privatklageweg  kann vom möglichen Verletzten nicht im Wege eines Antrags im Klageerzwingungsverfahren angefochten werden (§ 172 Abs. 2 Satz 3 StPO). Daher kommen für den Anzeigeerstatter bzw. Verletzten bei solchen Einstellungsverfügungen nur die Gegenvorstellung oder Dienstaufsichtsbeschwerde in Betracht. Dies gilt auch dann, wenn der Anzeigeerstatter die Verneinung des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft (§ 376 StPO) für unrichtig hält.

Fehlende Anfechtungsmöglichkeit ist verfassungsmäßig

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in seinem Beschluss vom 24.08.2015 auch gleich Ausführungen dazu gemacht, ob eine solche Entscheidung, nämlich dass gegen die Einstellungsverfügung kein Rechtsweg besteht, verfassungsrechtlich zulässig ist. Sie ist es.

Denn: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet auch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG keine Anfechtungsmöglichkeit gegen eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft. Ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG setzte nämlich eine im Interesse des Einzelnen gewährte Rechtsposition voraus; nur zum Schutz derartiger Rechtspositionen ist der Rechtsweg verfassungsrechtlich garantiert. Dabei genügt die Verletzung bloßer Interessen nicht; entscheidend ist, ob die einschlägige Norm dem Schutz des Betroffenen zu dienen bestimmt ist, d. h. ob sie einen derartigen Schutz bezweckt und nicht lediglich zur Folge hat. Eine solche Rechtsposition des Antragstellers, deren Verletzung er gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG im Rechtsweg geltend machen könnte, ist nicht gegeben. § 153 StPO bezweckt nicht den Schutz des durch die Straftat Verletzten. Eine Verletzung von Rechten des durch die Straftat Verletzten scheidet grundsätzlich auch aus, wenn es um die Beurteilung des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft geht. Daher ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, dass der Gesetzgeber ein solches Interesse bei Verfahrenseinstellungen nicht mit einer das Klageerzwingungsverfahren eröffnenden Wirkung gewichtet hat.

Lediglich Dienstaufsichtsbeschwerde möglich

Das Oberlandesgericht kommt zu dem Schluss, dass in solchen Fällen lediglich eine Dienstaufsichtsbeschwerde in Betracht kommt. Die Erfolgsaussichten einer solchen Dienstaufsichtsbeschwerde dürften in den allermeisten Fällen leicht zu beurteilen sein. Nicht umsonst ist die Dienstaufsichtsbeschwerde als das Institut mit den drei „F“ bekannt: Fristlos, formlos, fruchtlos…


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Das Finanzgericht Münster hat mit Urteil vom 16.09.2015 entschieden, dass die Pfändung in die aus einem Domainvertrag bestehenden Ansprüche zulässig ist.

Ansprüche aus Internet-Domainvertrag sind pfändbar

Bei der Klägerin handelte es sich um eine Genossenschaft, die als Registrierungsstelle für Internet Domains fungiert. Sie ist für den Betrieb sowie die Verwaltung der Internet-Domains zuständig und nimmt Registrierungsaufträge entgegen. So schloss sie mit einem Unternehmer, der Inhaber eines Online-Shops war, einen Vertrag über die Registrierung einer Internet-Domain ab. Als bei diesem Steuerzahlungen rückständig waren, erließ das Finanzamt gegenüber der Klägerin als Drittschuldnerin eine Pfändungsverfügung, in der es unter anderem den vertraglichen Anspruch des Unternehmers auf Aufrechterhaltung der Registrierung der Internet-Domain für seinen Onlineshop pfändete. Daraufhin klagte die Genossenschaft auf Aufhebung der ergangenen Pfändung mit der Begründung, dass sie bei der Zwangsvollstreckung in Domains nicht Drittschuldnerin und damit auch nicht die richtige Adressatin einer Pfändungsverfügung sei.

Drittschuldnerklage der Registrierungsstelle scheitert – Pfändung in Domain ist zulässig

Die Klage wurde vom Finanzgericht abgewiesen. In seinem Urteil stützt sich das FG Münster insbesondere darauf, dass es sich bei den Ansprüchen des Unternehmers aus dem Domainvertrag um pfändbare Vermögensrechte i.S.d. § 321 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 309, 316 AO handelt. Dabei führt das Finanzgericht im Einklang mit dem vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsatzbeschluss vom 05.07.2005 ( Aktenzeichen VII ZB 5/05) aus, dass Gegenstand zulässiger Pfändung nach § 857 Abs. 1 ZPO, der der Regelung des § 321 AO entspricht, in eine „Internet-Domain“ die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche ist, die dem Inhaber der Domain gegenüber der Vergabestelle aus dem Vertragsverhältnis zustehen. Damit stellt der Hauptleistungsanspruch des Unternehmers gegenüber der Klägerin auf Zurverfügungstellung und Unterhaltung der Domain eine pfändbare Forderung dar. Deshalb sei die Klägerin sehr wohl als Drittschuldnerin von der Pfändung betroffen, da gerade sie als Vertragspartei zur Erfüllung der Leistung gegenüber dem Unternehmer verpflichtet ist.

Anspruch auf Zurverfügungstellung und Unterhaltung der Domain eine pfändbare Forderung – Registrierungsstelle ist Drittschuldnerin

Im Übrigen sei die ergangene Pfändungsverfügung sowohl formell als auch materiell rechtmäßig. Entgegen dem Vorwurf der Klägerin der Beklagte habe rechtsmissbräuchlich gehandelt, indem er pfändungsfremde Ziele und kein fiskalisches Vollstreckungsinteresse verfolgte, stellt das Finanzgericht fest, dass durch die Pfändung lediglich das Zugriffsrecht auf die Ansprüche des Unternehmers zulässigerweise gesichert wurde.

 

Vor dem Landgericht Heidelberg endete gestern die Hauptverhandlung in dem ersten der derzeit parallel laufenden Verfahren gegen eine georgische EInbrecherbande. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft und die Strafverteidiger der Angeklagten hielten gestern die abschließenden Plädoyers. Das Urteil wird für den 23. Oktober 2015 erwartet.

Strafverteidiger und Staatsanwältin halten Plädoyers

Wie die Rhein-Neckar-Zeitung berichtet, forderte die Erste Staatsanwältin Dorothée Acker-Skodinis hohe Haftstrafen zwischen dreieinhalb und siebeneinhalb Jahren für die Angeklagten. In wechselnder Besetzung hätten die drei Männer und eine Frau 33 Taten begangen. Den Wert der Beute beziffert die Anklage auf 144.000 Euro. Die Angeklagten hätten Heidelberg als großen „Selbstbedienungsladen“ betrachtet, davon ist die Heidelberger Staatsanwältin überzeugt. Die georgischen Angeklagten hätten damit, von Juli bis Dezember letzten Jahres die Pfaffengrunder und Neuenheimer in Angst und Schrecken versetzt

Landgericht Heidelberg hört 57 Zeugen

Der Prozess gegen die Angeklagten zog sich geraume Zeit dahin, das Gericht musste insgesamt 57 Zeugen vernehmen. Die Angeklagten selbst äußerten sich im Rahmen des Verfahrens weder zu ihren persönlichen Verhältnissen, noch zu den einzelnen Taten. Die Strafkammer des Landgerichts Heidelberg kann bei ihrer Urteilsfindung jedoch auch auf diverse DNA- und Fußspuren sowie ein Gutachten darüber, welches Werkzeug für die Einbrüche verwendet wurde, zurückgreifen.

Hohe Straferwartung wegen rücksichtslosem Vorgehen

Besonders frappierend und im Hinblick auf die durch die Staatsanwältin beantragten Strafen verheerend dürfte wohl der Umstand gewesen sein, dass die Täter die Einbrüche begingen, obwohl die Bewohner der Wohnungen und Häuser teils daheim waren. So wurden von den Tätern – ob es sich dabei um die Angeklagten handelte, hat nun das Gericht zu entscheiden – die Einbrüche faktisch teils „um die Bewohner herum“ begangen.

Tatbeteiligung nach Sicht der Verteidigung nicht nachgewiesen

Die Verteidiger der Angeklagten sind indes der Auffassung, dass die Ermittler den jeweiligen Beschuldigten allenfalls die Beteiligung an einzelnen Taten nachweisen könnten. So könnten beispielsweise die durch die Polizei erstellten Handy-Bewegungsprofile nicht als Beweis dienen, da die Angeklagten die Telefone ständig untereinander getauscht hätten und sie keiner Person zuzuordnen seien. Die Verteidiger forderten daher für ihre Mandanten Haftstrafen im Bereich von vier Monaten bis zu drei Jahren.

Das Urteil wird am Freitag, 23. Oktober, um 14.30 Uhr im Saal 1 des Landgerichts, Kurfürsten-Anlage 15, erwartet.


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Ist ein Werkvertrag wegen Verstoßes gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG vom 23. Juli 2004 (= Schwarzarbeit) nichtig, dann steht dem Besteller, der den Werklohn bereits gezahlt hat, gegen den Unternehmer kein Rückzahlungsanspruch unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung zu, auch wenn er Ansprüche auf Schadensersatz und Mängelbeseitigung geltend macht.

Kein Schadensersatz bei Schwarzarbeit

So jedenfalls entschied der BGH in seinem Urteil vom 11.06.2015 – VII ZR 216/14. Was war geschehen?

Der Kläger verlangte Schadensersatz wegen Mängel der vom Beklagten durchgeführten Ausbauarbeiten im Dachgeschoss seines Hauses. Der Beklagte hatte bereits Schadensersatzzahlungen an den Kläger geleistet und forderte mit der Widerklage die Rückzahlung dieser bereits an den Kläger geleisteten Schadensersatzzahlungen. Der Beklagte hatte ursprünglich dem Kläger am 12.1.2007 einen „Kostenanschlag“ für den Einbau von vier V.-Fenstern zu einem Preis von 2 120 € und für den Ausbau des Dachgeschosses mit Gipsbauplatten zu einem Preis von 10 531,90 € jeweils zuzüglich Umsatzsteuer unterbreitet. Anschließend schlossen die Parteien mündlich einen Vertrag zu einem Pauschalpreis von 10 000 €, den der Kläger bar entrichtete. Am 21.2.2007 erteilte der Beklagte dem Kläger eine Rechnung „zum Festpreis von 10 000 Euro“. Der Rechnungsvordruck enthält in den Spalten für „Rechnung Nr.“, „Steuer-Nr. 2“, „Rechnungs-Betrag netto“, „+ % MwSt. = MwSt.-Betrag“, „= Rechnungs-Endbetrag gesamt“ keine Eintragungen.

Der Kläger forderte nun Schadensersatz in Höhe von 11 901,53 € wegen Mängel der vom Beklagten erbrachten Arbeiten. Der Beklagte, der der Auffassung war, der Werkvertrag sei wegen Verstoßes gegen das SchwarzArbG nichtig, machte im Wege der Widerklage die Rückzahlung bereits gezahlter Schadensbeträge im Umfang von 1 392,76 € geltend. Das Landgericht gab der Klage in vollem Umfang statt und wies die Widerklage ab. Es musste also Schadensersatz gezahlt werden. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung auf einen Betrag von 8 300 € nebst Zinsen ermäßigt. Weiter hatte es den Kläger auf die Widerklage hin verurteilt, an den Beklagten 1 014,90 € nebst Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen.

Der Beklagte legte gegen die Entscheidung Revision zum BGH ein – er verfolgte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Mit Erfolg: Der BGH gab ihm Recht. Die Klage wurde abgewiesen.

Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz aus dem Vertrag

Das Oberlandesgericht als Berufungsgericht hatte bereits ausgeführt, dass der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrag habe. Dieser Vertrag sei wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig (§ 134 BGB).

Schwarzarbeit durch falsche Rechnungsstellung

Der Beklagte hatte, indem er dem Kläger eine Rechnung gestellt hat, die nicht den Anforderungen des § 14 UStG entsprach, Schwarzarbeit geleistet (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG). Der Kläger hatte dieses bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt, indem er mit dem Beklagten ein Entgelt vereinbart hatte, das keinen Umsatzsteueranteil enthielt. In der Rechnung des Beklagten fehlten, obwohl im Rechnungsvordruck vorgesehen, entgegen § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, 4, 8 UStG Angaben zu Steuernummer, Rechnungsnummer und Steuersatz. Der Kläger hatte eingeräumt, dass er erkannt habe, der Beklagte wolle keine Umsatzsteuer abführen, indem er vorgetragen habe, „wenn der Beklagte die Arbeiten ‚schwarz‘ durchgeführt, keine Steuern an das Finanzamt abgeführt habe, sei dies seine Angelegenheit“.

Auch kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Rückzahlung bereits erfolgter Zahlungen

Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, seine (im Verhältnis zum Wert der Arbeiten zu viel) gezahlten Beträge aus ungerechtfertigter Bereicherung zurück zu erhalten. Die Berufungsinstanz hatte diesen Anspruch noch zugebilligt. Der Kläger hatte ursprünglich 10.000 EUR gezahlt, wobei – wie sich später herausstellte – die Arbeiten nur 1.700 EUR wert waren. Diese Saldierung führt zu einem Überschuss in Höhe von 8.300 EUR – und diesen hatte das Oberlandesgericht dem Kläger aus dem Rechtsgrund der ungerechtfertigten Bereicherung zugebilligt.

Der Bundesgerichtshof sah das nun anders und wies die Klage letzten Endes zurück. Die Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruchs gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB sind zwar erfüllt. Der Beklagte hat die Werklohnzahlung des Klägers im Hinblick auf den nichtigen Werkvertrag ohne Rechtsgrund erlangt. Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des an den Beklagten geleisteten Werklohns ist jedoch gemäß § 817 Satz 2 Halbs. 1 BGB ausgeschlossen.

Zur Erklärung – § 817 BGB:

§ 817 Verstoß gegen Gesetz oder gute Sitten

  1. War der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat, so ist der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet.

2. Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, es sei denn, dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand; das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden.

Nach § 817 Satz 1 BGB ist der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet, wenn der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt war, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat. Im hiesigen Fall diente die Zahlung einer verbotenen Leistung – nämlich der Erbringung von Schwarzarbeit. Daher wäre die Zahlung grundsätzlich zurückzugewähren.

§ 817 Satz 2 Halbs. 1 BGB schließt die Rückforderung aus, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt. Entsprechend der Zielsetzung des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes verstößt nicht nur die § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG widersprechende vertragliche Vereinbarung der Parteien gegen ein gesetzliches Verbot, sondern auch die in Ausführung dieser Vereinbarung erfolgende Leistungserbringung durch den Unternehmer.

Wer das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz missachtet, soll schutzlos bleiben

Der BGH betont in seiner Entscheidung ausdrücklich, dass derjenige, der bewusst das im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz enthaltene Verbot missachtet, nach der Intention des Gesetzgebers schutzlos bleiben und veranlasst werden soll, das verbotene Geschäft nicht abzuschließen (vgl. BGH, Urt. vom 10.4.2014 – VII ZR 241/13, BGHZ 201, 1 Rn. 27; Urt. vom 5.5.1992 – X ZR 134/90, BGHZ 118, 182, 193, juris Rn. 40). Der Ausschluss eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs mit der ihm zukommenden abschreckenden Wirkung sei ein geeignetes Mittel, die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Zielsetzung des Gesetzgebers mit den Mitteln des Zivilrechts zu fördern (vgl. BGH, Urt. vom 10.4.2014 – VII ZR 241/13, a.a.O. Rn. 29 m.w.N.). Dies gelte sowohl für bereicherungsrechtliche Ansprüche des Werkunternehmers als auch des Bestellers, der sich auf den Abschluss eines gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßenden Werkvertrags eingelassen hat.


Die Entscheidung im Volltext:

Tenor

  1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 28. August 2014 teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefasst:
  2. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 14. März 2014 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden teilweise abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger wird verurteilt, an den Beklagten 1.014,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 10. Juni 2011 zu zahlen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
  3. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden dem Kläger auferlegt.
  4. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen Mängeln der vom Beklagten durchgeführten Ausbauarbeiten im Dachgeschoss seines Hauses. Der Beklagte fordert mit der Widerklage die Rückzahlung bereits an den Kläger geleisteter Schadensersatzzahlungen.

Der Beklagte unterbreitete dem Kläger am 12. Januar 2007 einen „Kostenanschlag“ für den Einbau von vier V. -Fenstern zu einem Preis von 2.120 € und für den Ausbau des Dachgeschosses mit Gipsbauplatten zu einem Preis von 10.531,90 € jeweils zuzüglich Umsatzsteuer. Anschließend schlossen die Parteien mündlich einen Vertrag zu einem Pauschalpreis von 10.000 €, den der Kläger bar entrichtete. Am 21. Februar 2007 erteilte der Beklagte dem Kläger eine Rechnung „zum Festpreis von 10.000 Euro“. Der Rechnungsvordruck enthält in den Spalten für „Rechnung Nr.“, „Steuer-Nr.2“, „Rechnungs-Betrag netto“, „+ % MwSt. = MwSt.-Betrag“, „= Rechnungs-Endbetrag gesamt“ keine Eintragungen.

Der Kläger fordert Schadensersatz in Höhe von 11.901,53 € wegen Mängeln der vom Beklagten erbrachten Arbeiten. Der Beklagte, der der Auffassung ist, der Werkvertrag sei wegen Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) nichtig, macht im Wege der Widerklage die Rückzahlung bereits gezahlter Schadensbeträge im Umfang von 1.392,76 € geltend. Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung auf einen Betrag von 8.300 € nebst Zinsen ermäßigt. Weiter hat es den Kläger auf die Widerklage hin verurteilt, an den Beklagten 1.014,90 € nebst Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen.

Mit der vom Berufungsgericht in Bezug auf die Klage zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

Die Revision des Beklagten hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht führt – soweit für die Revision noch von Interesse – aus, der Kläger habe gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrag. Dieser Vertrag sei wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig (§ 134 BGB). Der Beklagte habe, indem er dem Kläger eine Rechnung gestellt habe, die nicht den Anforderungen des § 14 UStG entspreche, Schwarzarbeit geleistet (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG). Der Kläger habe dieses bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt, indem er mit dem Beklagten ein Entgelt vereinbart habe, das keinen Umsatzsteueranteil enthalte. In der Rechnung des Beklagten fehlten, obwohl im Rechnungsvordruck vorgesehen, entgegen § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, 4, 8 UStG Angaben zu Steuernummer, Rechnungsnummer und Steuersatz. Der Kläger habe eingeräumt, dass er erkannt habe, der Beklagte wolle keine Umsatzsteuer abführen, indem er vorgetragen habe, „wenn der Beklagte die Arbeiten ’schwarz‘ durchgeführt, keine Steuern an das Finanzamt abgeführt habe, sei dies seine Angelegenheit“.

Der Kläger könne von dem Beklagten jedoch Wertersatz in Höhe von 8.300 € aus ungerechtfertigter Bereicherung verlangen. Dieser Anspruch beruhe auf keinem anderen Klagegrund als demjenigen, auf den der Kläger seinen Schadensersatzanspruch stütze. Der Beklagte habe 10.000 € erlangt. Dies beruhe auf einer Leistung des Klägers, der durch die Zahlung seine Werklohnschuld gegenüber dem Beklagten habe erfüllen wollen. Der Leistung fehle der rechtliche Grund. Der Beklagte habe auf sie keinen Anspruch. Der Vertrag, auf dem der Anspruch beruhe, sei nichtig. Die Saldierung des Wertes der Leistung, die der Beklagte empfangen habe, mit demjenigen des Werkes, das der Kläger erhalten habe, führe zu einem Überschuss zugunsten des Klägers in Höhe von 8.300 €. Die Werkleistung des Beklagten, die dieser für den Kläger erbracht habe, habe nur einen Wert von 1.700 €. Die Saldierung sei nicht, soweit sie den Beklagten begünstige, gemäß § 817 Satz 2 Halbs. 1 BGB ausgeschlossen, weil der Beklagte wegen dieser Vorschrift von sich aus den Kläger nicht auf Wertersatz für sein Werk in Anspruch nehmen könnte. Die genannte Vorschrift sei einschränkend auszulegen. Das Gesetz, gegen das der Kläger verstoßen habe, solle auch ihn schützen. Die Folgen der Anwendung des § 817 Satz 2 Halbs. 1 BGB träfen ihn in unbilliger Weise ungleich härter als den Beklagten. Da der Besteller schon durch den Verlust der Gewährleistungsansprüche belastet sei, dürfe ihm nicht auch noch die volle Bezahlung eines wegen Mängeln minderwertigen Werkes aufgebürdet werden.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen allerdings zu Recht angenommen, dass dem Kläger wegen Mängeln der vom Beklagten erbrachten Werkleistung kein Schadensersatzanspruch gemäß § 634 Nr. 4, §§ 633, 280, 281 BGB zusteht, weil der zwischen den Parteien geschlossene Werkvertrag wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG nichtig ist, § 134 BGB.

a) § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG enthält das Verbot zum Abschluss eines Werkvertrages, wenn dieser Regelungen enthält, die dazu dienen, dass eine Vertragspartei als Steuerpflichtige ihre sich aufgrund der nach dem Vertrag geschuldeten Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt. Das Verbot führt jedenfalls dann zur Nichtigkeit des Vertrages, wenn der Unternehmer vorsätzlich hiergegen verstößt und der Besteller den Verstoß des Unternehmers kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt (BGH, Urteil vom 1. August 2013 – VII ZR 6/13, BGHZ 198, 141 Rn. 13). Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Beklagte hat Schwarzarbeit gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG geleistet, indem er für den mündlich vereinbarten Werklohn in Höhe von 10.000 € keine Umsatzsteuer verlangen und abführen wollte. Der Kläger hat dies erkannt und bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt, indem er mit dem Beklagten ein Entgelt vereinbart hat, das keinen Umsatzsteueranteil enthielt. Dies ist ausreichend, um einen zur Nichtigkeit des Vertrages führenden Verstoß gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG anzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2014 – VII ZR 241/13, BGHZ 201, 1 Rn. 13; Urteil vom 1. August 2013 – VII ZR 6/13, BGHZ 198, 141 Rn. 23).

b) Dem Kläger als Besteller stehen aufgrund eines Vertrages, der wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG in Verbindung mit § 134 BGB nichtig ist, keine Mängelansprüche gegen den Unternehmer zu (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 2013 – VII ZR 6/13, BGHZ 198, 141 Rn. 27).

2. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichts, dem Kläger stehe wegen des gezahlten Werklohns gegen den Beklagten ein Rückzahlungsanspruch unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung in Höhe von 8.300 € gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu.

a) Die Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruchs gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB sind zwar erfüllt. Der Beklagte hat die Werklohnzahlung des Klägers im Hinblick auf den nichtigen Werkvertrag ohne Rechtsgrund erlangt.

b) Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des an den Beklagten geleisteten Werklohns ist jedoch gemäß § 817 Satz 2 Halbs. 1 BGB ausgeschlossen.

aa) Nach § 817 Satz 1 BGB ist der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet, wenn der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt war, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat. Satz 2 Halbs. 1 dieser Vorschrift schließt die Rückforderung aus, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt. Entsprechend der Zielsetzung des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes verstößt nicht nur die § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG widersprechende vertragliche Vereinbarung der Parteien gegen ein gesetzliches Verbot, sondern auch die in Ausführung dieser Vereinbarung erfolgende Leistungserbringung durch den Unternehmer. § 817 Satz 2 Halbs. 1 BGB ist daher nicht einschränkend auszulegen, wenn der Unternehmer für die von ihm aufgrund eines nichtigen Vertrags erbrachte Werkleistung einen Bereicherungsanspruch gegen den Besteller geltend macht (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2014 – VII ZR 241/13, BGHZ 201, 1 Rn. 20 ff.).

bb) § 817 Satz 2 Halbs. 1 BGB findet auch dann Anwendung, wenn der Besteller in Ausführung eines solchen gemäß § 134 BGB nichtigen Werkvertrags seine Leistung erbringt, indem er ohne Rechnung mit Steuerausweis den vereinbarten Betrag bezahlt (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2014 – VII ZR 241/13, BGHZ 201, 1 Rn. 19).

Eine einschränkende Auslegung des § 817 Satz 2 Halbs. 1 BGB kommt nicht in Betracht. Zwischen den Vertragsparteien erfolgt in einem solchen Fall ebenfalls kein Wertausgleich. Wer bewusst das im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz enthaltene Verbot missachtet, soll nach der Intention des Gesetzgebers schutzlos bleiben und veranlasst werden, das verbotene Geschäft nicht abzuschließen (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2014 – VII ZR 241/13, BGHZ 201, 1 Rn. 27; Urteil vom 5. Mai 1992 – X ZR 134/90, BGHZ 118, 182, 193, juris Rn. 40). Der Ausschluss eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs mit der ihm zukommenden abschreckenden Wirkung ist ein geeignetes Mittel, die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Zielsetzung des Gesetzgebers mit den Mitteln des Zivilrechts zu fördern (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2014 – VII ZR 241/13, aaO Rn. 29 m.w.N.). Dies gilt sowohl für bereicherungsrechtliche Ansprüche des Werkunternehmers als auch des Bestellers, der sich auf den Abschluss eines gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßenden Werkvertrags eingelassen hat.

3. Das Berufungsurteil kann danach, soweit es mit der Revision angefochten worden ist, keinen Bestand haben. Der Senat kann gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. Die Klage ist danach insgesamt abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Eick Halfmeier Jurgeleit Graßnack Sacher Vorinstanzen:

LG Verden, Entscheidung vom 14.03.2014 – 8 O 3/11 –

OLG Celle, Entscheidung vom 28.08.2014 – 6 U 49/14 –

In seinem Urteil vom 17.06.2015 – 5 StR 140/15 – entschied der Bundesgerichtshof nun, dass die Geheimhaltung der eigenen Identität durchaus zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten darstellt.

Keine Strafschärfung bei Geheimhaltung der Identität im Prozess

Da es sich bei der Geheimhaltung der Identität also um zulässiges Verteidigungsverhalten handelt, darf dieser Umstand auch nicht straferhöhend – auch nicht bei der Bemessung einer Gesamtfreiheitsstrafe – berücksichtigt werden.

Weiter hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil die Auffassung des Landgerichts bestätigt, dass es sich bei den im Verfahren der Vorinstanz am Landgericht abgelegten Geständnissen um besonders „werthaltige“ Geständnisse handelt.

Geständnisse besonders werthaltig

Die Werthaltigkeit, welche hier bei einem Angeklagten sogar zur Verurteilung im nur minder schweren Fall führte, bestand für das Gericht darin, dass durch die Geständnisse umfangreiche und kostspielige Ermittlungen im Ausland vermieden werden konnten. Einige der angeklagten Taten seien nur aufgrund der Geständnisse zur Verurteilung gekommen und ohne die Geständnisse nicht nachweisbar gewesen.


Aus den Gründen der Entscheidung des BGH:

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetruges in 31 Fällen für schuldig befunden. Es hat den Angeklagten T. unter Einbeziehung weiterer 60 zehnmonatiger Freiheitsstrafen aus einer früheren, wegen vergleichbarer Taten ergangenen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten Z. zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Die vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen, zuungunsten der Angeklagten eingelegten, auf die Sachrüge gestützten und auf den Strafausspruch beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben keinen Erfolg.

1. Die angegriffenen Einzelstrafaussprüche in den Fällen 1 bis 13, 15, 17 bis 27 halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand. Die insofern erfolgte Zugrundelegung des Strafrahmens des minder schweren Falls nach § 263a Abs. 2, § 263 Abs. 5 StGB ist nicht zu beanstanden.

Das Landgericht ist bei seiner Prüfung von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen. Es hat die Anwendung der minder schweren Fälle maßgeblich damit begründet, dass die von den Angeklagten abgelegten Geständnisse in diesen konkreten Fällen besonders „werthaltig“ waren, weil sie umfangreiche und kostspielige Ermittlungen im Ausland entbehrlich gemacht haben und diese Taten ohne Geständnisse nicht nachzuweisen gewesen wären (vgl. UA S. 26 f.). Dass es sich hierbei nach dem Revisionsvorbringen um „taktische Formalgeständnisse“ gehandelt habe, ist nicht nur – wie bereits von der Revision selbst erkannt – urteilsfremd, sondern wird durch die Urteilsgründe widerlegt (vgl. UA S. 17 f.). Entgegen den Revisionen durften die planvolle intensive und nicht nur gelegentliche Begehung der Straftaten ebenso wie das arbeitsteilige Vorgehen in der organisierten Bande nicht strafschärfend berücksichtigt werden (§ 46 Abs. 3 StGB), weil diese Umstände bereits durch das Tatbestandsmerkmal der „Bande“ im Sinne des § 263a Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 5 StGB umfasst sind. Die Urteilsgründe lassen – wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat – nicht besorgen, dass das Landgericht die ausdrücklich als strafschärfend berücksichtigten aufwendigen technischen Abschirmungsmaßnahmen (vgl. UA S. 27 f.) bei der Strafrahmenwahl aus dem Blick verloren hat.

2. Die Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafen begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

Zwar müssen bei diesem Zumessungsakt (§ 54 Abs. 1 Satz 2 StGB) die hierfür maßgebenden Gesichtspunkte in einer Gesamtschau erneut berücksichtigt werden; jedoch ist nicht in jedem Fall eine ausdrückliche Wiederholung in den Urteilsgründen erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 1988 – 2 StR 353/88 und Beschluss vom 15. August 1989 – 1 StR 382/89, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 1 und 4). Das Landgericht hat die Zumessung der Einzelstrafen bereits in einer zusammenfassenden Würdigung eingehend begründet und deren Höhe entsprechend dem Ausmaß der Schäden abgestuft. Auf diese zusammengefasste Würdigung durfte es bei der Gesamtstrafenbildung Bezug nehmen.

Dass der Angeklagte Z. seine wahre Identität vor dem Landgericht nicht preisgegeben hat, hält sich im Rahmen seines zulässigen Verteidigungsverhaltens (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Mai 2013 – 4 StR 151/13, StV 2013, 697) und durfte entgegen der Ansicht der Revision auch nicht bei der Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe strafschärfend berücksichtigt werden. Die Erhöhung der Einsatzstrafe von einem Jahr und sechs Monaten fällt zwar beim Angeklagten Z. relativ gering aus, wird jedoch unter anderem mit der Mitgliedschaft in nur einer Bande noch vertretbar begründet (UA S. 28).

Die verhängten Gesamtstrafen werden schließlich auch ihrem Zweck, gerechter Schuldausgleich zu sein, noch gerecht.

3. Die hinsichtlich des Angeklagten Z. getroffene Bewährungsentscheidung ist eingehend begründet und enthält keinen Rechtsfehler. Die Ausführungen, mit denen das Landgericht eine positive Kriminalprognose gestellt hat (u.a. erstmalige Freiheitsstrafe, beeindruckende Wirkung der Untersuchungshaft und des Verfahrens insgesamt, flankierende Maßnahmen nach § 56c und § 56d StGB), sind nicht zu beanstanden. Zutreffend hat es als besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB das abgelegte – wie dargestellt außerordentlich gewichtige – Geständnis und die verbüßte Untersuchungshaft herangezogen. Das Revisionsvorbringen, das sich in eigenen Würdigungen erschöpft, zeigt keinen Rechtsfehler auf; auch bei der Aussetzungsentscheidung kann dem Angeklagten Z. nicht angelastet werden, dass er seine wahre Identität nicht preisgegeben hat.

4. Ein die Strafzumessung betreffender Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten liegt ebenfalls nicht vor (§ 301 StPO).

 

Harte Strafen gegen vier junge Männer zwischen 19 und 23 Jahren und die 17 Jahre alte Angeklagte vor der Jugendstrafkammer des Landgerichts Mannheim unter Vorsitz von Richterin Bettina Krenz: Zwischen eineinhalb und viereinhalb Jahren Haft ohne Bewährung, so lauteten die Urteilssprüche für die wegen schweren Raubes angeklagten, von denen einer von Tim Wullbrandt, Strafverteidiger aus Heidelberg, verteidigt wurde.Der Mannheimer Morgen berichtet…

Als ob das Verfahren gegen die personellen Überbleibsel der NSU vor dem Oberlandesgericht München nicht sowieso schon unfassbar aufwändig und langwierig (es fanden bereits über 250 Hauptverhandlungstage statt und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht), absonderlich (die Hauptangeklagte Zschäpe sagt bislang kein Wort, beantragt aber ab und an die Entpflichtung ihrer Verteidiger, Stellt Strafanzeigen gegen diese und hat jetzt sogar einen vierten Verteidiger bekommen) und und unübersichtlich (den Angeklagten und deren Verteidigern sitzen immerhin eine Unmenge Tatopfer als Nebenkläger einschließlich deren Anwälte gegenüber wäre), nimmt das gesamte Verfahren nun eine ganz andere absonderliche Wendung!

Vermeintliches NSU-Opfer existiert gar nicht – Anwalt vertrat Phantom

Nachdem es bereits zu Beginn dieser Woche zu Querelen zwischen einem Nebenklagevertreter aus Eschweiler und dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzel gab, ist nach Berichten von Spiegel ONLINE heute die Bombe – man entschuldige mir diesen Ausdruck – endgültig geplatzt. Der Rechtsanwalt aus Eschweiler vertrat im Rahmen des NSU-Prozesses die (angebliche) Nebenklägerin „Meral K.“, welche angeblich bei dem Nagelbombenanschlag des NSU im Juni 2009 in der Kölner Keupstraße Verletzungen davongetragen hätte.

Opfer lange Zeit für Gericht unauffindbar

Die Dame war, wie SO berichtet, bereits mehrfach als Zeugin geladen worden und nie zu den geplanten Vernehmungen erschienen. Mal wegen eines Zusammenbruchs auf dem Weg zum Gericht, mal wegen eines angeblich verpassten Fluges aus der Türkei. Dort soll sie sich nach den Angaben ihres Anwalts auch zuletzt befunden haben. Das Gericht hatte den Anwalt bereits zu Beginn dieser Woche in die Mangel genommen und verlangte Aufklärung über den Verbleib der Zeugin und Auskunft darüber, wann er zuletzt Kontakt mit ihr gehabt habe. Eine belastbare Antwort darauf fand der eschweiler Anwalt nicht.

Gericht drohte Anwalt bereits Ermittlungen an – Anwalt legt Mandat nieder

Das Gericht unter Vorsitz von Richter Götzl drohte dem Anwalt daraufhin bereits Ermittlungen über den Verbleib der Zeugin an. Heute nun kam heraus, dass das vermerintliche Opfer „Meral K.“ voraussichtlich gar nicht existiert. Die Existenz dieser Person sei ihm, so der Anwalt, von einem Kollegen offensichtlich nur vorgetäuscht worden. Der Anwalt hat – so berichtet Spiegel Online –  an diesem Freitag sein Mandat mit sofortiger Wirkung niedergelegt und das Oberlandesgericht München um seine Entbindung als Nebenklagevertreter im NSU-Verfahren gebeten. Er hat nach eigenen Angaben zudem Strafanzeige gegen den anderen Nebenkläger bei der Staatsanwaltschaft Köln erstattet.

Zulassung zur Nebenklage nur aufgrund eines gefälschten Attestes

Das Opfer „Meral K.“ war nur auf Grundlage eines ärztlichen Attestes als Nebenklägerin zugelassen worden, das der Anwalt im April 2013 an das Oberlandesgericht gefaxt hatte. Ein Arzt hatte es am 9. Juni 2004 erstellt, kurz nach dem Anschlag.  SPIEGEL ONLINE hat recherchiert, dass ein anderer Anwalt für den anderen Nebenkläger denselben Arztbericht eingereicht hatte, nur wird einmal Meral K. als Patientin genannt, einmal der andere Nebenkläger. Handschrift, Schriftbild, Inhalt, Datum und Unterschrift sind identisch. Am Oberlandesgericht ist dies offenbar nicht aufgefallen. Der Anwalt von „Meral K.“ hatte dem Gericht nach Informationen von SPIEGEL ONLINE nicht nur das Attest vorgelegt, sondern auch eine „eine Einladung des Bundespräsidenten“ als Begründung dafür vorgelegt, dass es sich bei der Person um ein Opfer des Nagelbombenanschlags handele. Lediglich auf dieser Grundlage wurde die Person als Nebenklägerin zugelassen. Bei dem Dokument, das er als Anlage an das Gericht sandte,  hatte es sich jedoch um eine Einladung des damaligen Münchener Oberbürgermeister Christian Ude gehandelt, welche „An die Opferfamilien der rechtsextremen Mordserie“ adressiert war – namentlich ist in dem Schreiben gar kein Opfer genannt. Der Anwalt erwähnt in seinem Fax an das Gericht auch eine Vernehmung seiner Mandantin durch die Kölner Polizei, die es wohl nie gegeben hat.

Höchst fragwürdiges Gebaren bei Mandatsakquise – Anwalt zahlt Kollegen Provision für Vermittlung

Wie sich aus der nun vorgelegten Stellungnahme des Anwalts aus Eschweiler ergibt, hat dieser dem genannten Kollegen sogar eine Provision für die Vermittlung des Mandats gezahlt.

Die Folgen indes dürften für beide Anwälte – Vermittler und vermittelten – erheblich sein. Zum einen dürfte bei der wissentlichen „Vermittlung“ einer nicht existenten Person als Mandat gegen Provision unschwer ein Betrug zu bejahen sein. Da dieser hier auch noch mit einer Reihe von Berufspflichtverstößen einhergeht, kann bei einem eventuellen Schuldspruch wohl mit Sicherheit mit einem entsprechenden Berufsverbot gerechnet werden.

Schaden bei Justizkasse dürfte sich bei über 250.000 EUR bewegen

Äußerst empfindlich wird die Sache jedoch für den Anwalt aus Eschweiler auch dann, wenn er immerhin nachweisen kann, dass er hier diesem Betrug aufgesessen ist. Denn: Ihn dürfte nun jedenfalls eine gewaltige Regressnahme der Landesjustizkasse erwarten. Man kann im vorliegenden Fall davon ausgehen, dass der als Nebenklagevertreter beigeordnete Kollege, der an allen mittlerweile 263 Sitzungstagen teilnahm, pro Tag im Schnitt 1.000,00 EUR an Gebühren bei der Staatskasse geltend gemacht hat. Jegliche Zahlung, die hier auf die Festsetzungsanträge erfolgt ist, dürfte nun sehr kurzfristig von der Justizkasse zurückgefordert werden – im schlimmsten Fall also bereits über 250.000,00 EUR.

Nebenklage unbekannter Weise möglich – Verfahren versinkt im Chaos

Durch diesen Vorgang tritt daneben auch wieder einmal zu Tage, in welch seltsamen Bahnen ab und an derartige Mandate, gerade bei der Vertretung einer Nebenklage im Strafverfahren ablaufen. Da das Tatopfer persönlich nicht am gesamten Prozess teilnehmen muss ist es wie hier durchaus möglich, dass ein Anwalt eine solche Nebenklage führen kann, ohne seinen Mandanten jemals zu Gesicht bekommen zu haben. Dabei darf auch nicht übersehen werden, welche (finanziellen) Begehrlichkeiten ein solches „Monsterverfahren“ in jedem einzelnen wecken kann – was dann gelegentlich auch einmal zur Anwendung unlauterer Mittel bei der Erlangung eines solchen Mandats führt. Im hiesigen Fall zeigt sich daneben um so mehr, in welch chaotischen administrativen Bahnen das Verfahren läuft.

Der Anwalt aus Eschweiler indes hat extra für das NSU-Verfahren sein Stadtratsmandat aufgegeben, um sich vol und ganz dem Prozess widmen zu können. Jetzt dürfte er wieder jede Menge Zeit haben, um sich um andere Dinge zu kümmern. Möglicherweise bald sogar mehr als ihm lieb ist.


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Rechtsanwalt & Strafverteidiger Tim Wullbrandt

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