Das LG Bochum hat sich im Urteil vom 29. Oktober mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen den Eltern nach dem Tod ihres Sohnes Schmerzensgeldansprüche gegen den Schädiger zustehen.

Grundsätzlich kein Schmerzensgeld der Eltern für Tod des Kindes

Grundsätzlich ist Schmerzensgeld wegen des erlittenen Todes im deutschen Recht nicht vorgesehen, da der Verlust des Lebens nicht mit Geld auszugleichen ist. Jedoch steht den Eltern als Erben des Getöteten gem. § 823 Abs. 2 BGB eine billige Entschädigung in Geld für die ihrem Sohn zugefügten Schäden zu – also faktisch der Schmerzensgeldanspruch des Kindes.

Eltern erben Schmerzensgeldanspruch des Kindes

Die Entschädigung ist dann „billig“ im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB, wenn sie nach den ethischen Grundsätzen als gerecht empfunden wird. Bei der Schadensbemessung werden mehrere Gesichtspunkte miteinbezogen, insbesondere die vorsätzliche Tatbegehung sowie das bewusste Miterleben des Todeseintritts. Im Vordergrund stehen bei der Schadensbemessung die Genugtuungs- sowie Ausgleichsfunktionen.

Eigener Schmerzensgeldanspruch der Eltern, wenn besondere Schäden nachweisbar

Darüber hinaus hat das Gericht das Bestehen eigener Entschädigungsansprüche auf Schmerzensgeld bejaht, wenn sich erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen, die über das normale Maß der seelischen Erschütterung und traumatischer Schädigungen hinausgehen, medizinisch feststellen lassen und einen gewichtigen Krankheitswert aufweisen.

LG Bochum, Urteil vom 29.10.2015 – 2 O 574/12.

Nimmt ein Freier einer Prostituierten das im Voraus geleistete Entgelt gewaltsam wieder weg, dann ist diese Zueignung unter Umständen nicht rechtswidrig, weil das Geschäft mit der Prostituierten Sittenwidrig ist. So jedenfalls entschied das der BGH in seinem Beschluss vom 21.07.2015 – 3 StR 104/15.

Bundesgerichtshof: Versuchter Raub zum Nachteil einer Prostituierten

Dieser nach meiner Auffassung in mehrfacher Hinsicht äußerst brisanten Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Angeklagte kam mit dem Opfer überein, dass diese an ihm sexuelle Handlungen vornehmen solle. Die heirfür vereinbarten 20 EUR Entgelt übergab er ihr. Nachdem sich die beiden in eine öffentliche Toilette begeben hatten, überlegte es sich der Angeklagte anders und verlangte die Rückzahlung des Geldes. Als das Opfer die Rückzahlung verweigerte, schubste er sie gegen die Kabinenwand, tastet sie ab und griff in die Taschen ihrer Kleidung, um das Geld, auf dessen Rückzahlung er nach Ansicht des in erster Instanz befassten Landgerichts keinen Anspruch hatte, gegen ihren Willen zurückzuerlangen. Dabei sei dem Angeklagten, so das Landgericht in seiner Urteilsbegründung, bewusst gewesen, dass er das Geld nicht habe zurückverlangen können. Denn auch ihm sei, wie Freiern üblicherweise, bekannt gewesen, dass für das Versprechen sexueller Dienstleistungen vor dessen Erfüllung geleistetes Geld nicht zurückgefordert werden könne. Wider Erwarten fand der Angekl. das Geld jedoch nicht. Die sich anschließende verbale und tätliche Auseinandersetzung wurde durch das Eingreifen von Passanten beendet.

Freier fordert mit Gewalt das im Voraus gezahlte Entgelt zurück

Der BGH hob nun die Verurteilung wegen versuchten Raubes wieder auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurück. Nach Auffassung des BGH hat sich das Landgericht nicht hinreiched mit dem Bestehen des subjektiven Tatbestands – also dem Vorsatz des Täters – auseinandergesetzt. Vielmehr noch: Nach Auffassung des BGH liege ein solcher hier wohl nicht vor.

BGH: Kein Vorsatz bezüglich rechtswidriger Zueignung ersichtlich

Nach Ansicht des BGH enthalten die Urteilsgründe keine die Feststellungen tragende Beweiswürdigung insbesondere zum Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung (die Rückzahlung der 20 EUR).  § 249 StGB verlangt neben der Wegnahme einer fremden beweglichen Sache unter Einsatz eines Nötigungsmittels die Absicht des Täters, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Die Rechtswidrigkeit der Zueignung ist dabei ein normatives Tatbestandsmerkmal, auf das sich der Vorsatz des Täters erstrecken muss. Soweit klar.  Die diesbezügliche Feststellung des Landgerichts, dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass er das Geld nicht zurückverlangen dürfe, finde (so jedenfalls der BGH) in der Beweiswürdigung keine Stütze. Das Landgericht habe nicht dargelegt, worauf es seine Überzeugung stütze.

Ausschluss des Rückforderungsrechts nicht allgemein bekannt

Soweit es meine, aufgrund seines pauschalen, nicht näher begründeten Hinweises auf die bei Freiern üblicherweise vorhandene Kenntnis, dass ein Rückforderungsrecht nicht bestehe, seien weitere Ausführungen entbehrlich gewesen, sei dem bereits mit Blick auf die zivilrechtliche Rechtslage nicht zu folgen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts komme ein Rückforderungsanspruch des Angeklagten aus § 812 I 1 BGB in Betracht. Die zwischen den Beteiligten getroffene Vereinbarung über die Vornahme sexueller Leistungen gegen ein Entgelt sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gem. § 138 I BGB nichtig. Aus § 1 ProstG ergebe sich nichts anderes. Demnach erwerbe eine Prostituierte nur dann eine rechtswirksame Forderung, wenn die sexuellen Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen worden seien. Die Bestimmung sei somit eine Ausnahmevorschrift zu § 138 I BGB und bestimme unter den dort normierten Voraussetzungen die Wirksamkeit des Anspruchs der Prostituierten auf das vereinbarte Entgelt trotz Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts. Also: Ein Rückforderuöngsanspruch scheidet dann aus, wenn die Leistung erbracht wurde.

Ein Ausschluss des Bereicherungsanspruchs gem. §§ 814, 817 BGB komme nur in Betracht, wenn der Angekl. als Leistender gewusst habe, dass er zur Leistung nicht verpflichtet gewesen sei bzw. vorsätzlich gesetz- oder sittenwidrig gehandelt oder sich der Einsicht in die Gesetz- oder Sittenwidrigkeit leichtfertig verschlossen habe. Auch dies verstehe sich bei dem psychisch auffälligen, die deutsche Sprache nur unzureichend beherrschenden Angeklagten, der einem fremden Kulturkreis mit einer anderen Rechtsordnung entstamme, nicht von selbst.

Die Sache bedürfe somit der Zurückweisung und erneuten Entscheidung, weil der Senat – entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts – nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen könne, dass ein neues Tatgericht mit einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung wiederum feststelle, dass der Angeklagte mit zumindest bedingtem Vorsatz hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung gehandelt und sich deshalb wegen eines – unter Umständen untauglichen – versuchten Raubes strafbar gemacht habe.

Fazit

Durch die Entscheidung wird zweierlei deutlich: Zum einen wird wieder einmal klar, dass sich die rechtliche Stellung von Prostituierten trotz des zwischenzeitlich eingeführten Prostitutionsgesetzes (ProstG) kaum verändert hat. Zwar ist die Tätigkeit als Prostituierte an sich nicht mehr sittenwidrig – wohl aber das einzelne Geschäft, welches die Prostituierte mit ihrem Freier abschließt. Auf dieser Unterscheidung (die in der Sache kaum verständlich ist) beruht die hiesige Entscheidung.

Äußerst interessant ist, dass der BGH hier seine Entscheidung ohne größere Ausführungen damit begründet, dass der Angeklagte aus einem fremden Kulturkreis entstammt, dessen Rechtsordnung eine andere ist. Wo der BGH diese Argumentation in anderen Fällen – insbesondere im Themenkomplex „Ehrenmord“ nur äußerst sparsam zur Geltung kommen lässt, wird dies hier von den Richtern „einfach mal so“ für die Begründung der Rechtsunkenntnis und damit das fehlen des Vorsatzes ins Feld geführt. Es bleibt zu hoffen, dass hieraus kein Trend in der Rechtsprechung des BGH entsteht – auch wenn dies die Arbeit als Strafverteidiger in vielen Fällen einfacher machen würde…


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Prozess || Tim Wullbrandt | Rechtsanwalt für Strafrecht

Bei der Frage, ob im Laufe einer Haftzeit vielbegehrte Lockerungen möglich sind, spielen die Justizvollzugsanstalten neben der die Vollstreckung der Haft überwachenden Staatsanwaltschaft eine gewichtige Rolle. Oft entscheidet über die Gewährung von Lockerungen das Urteil der Justizvollzugsanstalt über das Verhalten des Gefangenen im bisherigen Haftverlauf. Dabei wird auch die Einstellung des Gefangenen zu seiner Tat berücksichtigt – wer sich intensiv damit auseinandersetzt und sein Unrecht erkennt, der wird eher gelockert, wer das nicht tut – oder einfach nur nicht zeigt – dem wird oftmals die Lockerung versagt. Das Oberlandesgericht Hamm entschied aber jetzt: Vollzugslockerungen müssen auch dann möglich sein, wenn der Gefangene die Tat weiterhin leugnet (OLG Hamm , Beschluss vom 29.09.2015 – 1 Vollz(Ws) 411/15).

Leugnen der Tat rechtfertigt keine Versagung von Lockerungen im Vollzug

Der im Jahr 1966 geborene Antragsteller verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe in einer Justizvollzugsanstalt am Niederrhein. Im Juni 2014 hatte er 15 Jahre der Freiheitsstrafe verbüßt. Im April 2015 schrieb die Justizvollzugsanstalt den Vollzugsplan für den Betroffenen fort, ohne Vollzugslockerungen – sogenannte vollzugsöffnende Maßnahmen – zu gewähren. Dies begründete die JVA damit, dass der Betroffene zu einer selbstkritischen Auseinandersetzung mit sich selbst nicht bereit sei und die der Verurteilung zugrunde liegende Tat leugne. Es bestehe daher weiterhin Flucht- und Missbrauchsgefahr, sollte man ihm Lockerungen zubilligen. Nach Ansicht der JVA ergebe sich eine Perspektive für Lockerungen erst dann, wenn der Betroffene bereit zu Veränderungen sei und er insbesondere die ihm nachgewiesenen Taten nicht mehr leugne. Nach der Bestätigung der Entscheidung der Justizvollzugsanstalt durch die zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kleve hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt.

Oberlandesgericht weist JVA zu neuer Entscheidung an

Das Oberlandesgericht Hamm hat nun auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit einem jetzt veröffentlichten Beschluss vom 29.09.2015 entschieden (Az.: 1 Vollz(Ws) 411/15, BeckRS 2015, 18004): Allein das Leugnen der Tat durch den Verurteilten rechtfertigt nicht das Versagen vollzugsöffnender Maßnahmen wie beispielsweise einer Ausführung oder eines Begleitausganges.

Der Erste Strafsenat des OLG Hamm hob den Vollzugsplan jdes Betroffenen auf, soweit er dem Betroffenen Vollzugslockerungen versagte. Das Oberlandesgericht wies die Justizvollzugsanstalt an, die Regelungen des Vollzugsplans über Vollzugslockerungen neu fortzuschreiben. Zwar habe die Justizvollzugsanstalt einen Beurteilungsspielraum bei der Prüfung, ob dem Betroffenen vollzugsöffnende Maßnahmen aufgrund einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr zu versagen seien. Hierbei müsse sie aber von einem vollständig ermittelten Sachverhalt ausgehen und alle für die Abwägung relevanten Umstände berücksichtigen. Zu diesen gehörten unter anderem die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, etwaige frühere Straftaten, die Umstände und das Gewicht der Tat sowie die Tatmotivation, außerdem sein Verhalten und seine Persönlichkeitsentwicklung im Vollzug.

Hier erhalten Sie die Entscheidung des Oberlandesgerichts im Volltext: OLG Hamm – Beschluss 1 Vollz Ws 411_15 – Vollzugslockerungen trotz Leugnen möglich – Rechtsanwalt für Strafrecht in Heidelberg Tim Wullbrandt


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Tim Wullbrandt || Strafrecht in Mannheim

Das Landgericht Ansbach hat am 28.10.2015 einen 29-jährigen Mann, der im Jobcenter Ansbach einen Gutachter erstochen hat, zu zehn Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt. Hierzu wird er auf Anordnung des Gerichts in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.

Zahn Jahre Haft wegen Totschlag für Messerangriff in Jobcenter

Daneben wurde der Mann verurteilt, mehrere tausend Euro an die Familie des getöteten Gutachters zu zahlen.

Der 29 Jahre alte Angeklagte erstach vor knapp einem Jahr, am 3. Dezember 2014, in der Jobagentur Rothenburg einen 61 Jahre alten Psychologen mit einem Küchenmesser. Der Psychologe hatte ihm zuvor eine psychische Erkrankung bescheinigt. Er sei nicht arbeitsfähig und brauche eine Therapie. Zudem hatte der Psychologe eine unterdurchschnittliche Intelligenz festgestellt.

Der Angeklagte hatte im Prozess zugegeben, unmittelbar nach dem Gespräch mit dem Psychologen in einem nahe gelegenen Einkaufszentrum das Messer gekauft zu haben und danach damit auf den Psychologen eingestochen zu haben. Der Mann verstarb noch am Tatort.

Staatsanwalt ging von Mord aus und fordert über 12 Jahre Haft

Im Laufe des Prozesses hatte ein pschiatrischer Sachverständiger dem Angeklagten eine schizophrene Psychose diagnostiziert.

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von zwölfeinhalb Jahren wegen Mordes gefordert. Der Ankläger hatte die Mordmerkmale Heimtücke sowie Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers gesehen. Die Verteidigung hatte dagegen siebeneinhalb Jahre wegen Totschlags gefordert. Beide Seiten waren sich einig darin, dass der Mann nicht ins Gefängnis kommen, sondern in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden soll.


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Sein Einsatz hatte nach seiner unfreiwilligen Enttarnung bereits hohe mediale Wellen geschlagen – jetzt hat auch das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit kürzlich bekannt gewordenen Urteilen bestätigt, dass der Einsatz des verdeckten Ermittlers „Simon Brenner“ in der linken Szene von Heidelberg rechtswidrig war.

Einsatz des verdeckten Ermittlers in linker Szene in Heidelberg rechtswidrig

Über Monate hinweg hatte ein verdeckter Ermittler der Polizei sich unter dem Decknamen „Simon Brenner“ unter linke Studenten in Heidelberg gemischt und seiner Einsatzführung über das dortige Treiben berichtet. Die Anordnung zum Einsatz des Ermittlers war ursprünglich vom Polizeipräsidium Mannheim mit dem Ziel der Ausspähung zweier Zielpersonen sowie zweier Kontaktpersonen ergangen. Der eingesetzte Polizeibeamte hatte sich sodann zum Sommersemester 2010 an der Universität in Heidelberg in die Fächer Germanistik und Ethnologie eingeschrieben – unter Vorlage von Abiturzeugnis und Personalausweis. Daraufhin nahm er ganz „normal“ am Unileben teil und freundete sich (gezielt) mit den Mitgliedern diverser linker Studentengruppen an und nahm aktiv an den Veranstaltungen dieser Gruppen teil.

Das Polizeipräsidium Mannheim – Kriminalpolizei Heidelberg – begründete den Einsatz damit, man habe politische Straftaten verhindern wollen. Es habe eine klare Gefährdungsprognose gegeben, welche den ANlass zum Einsatz des Ermittlers gegeben habe. Ein Anlass sei der Fund von Molotowcocktails bei einer Kontaktperson von einem der Kläger im Kraichgau gewesen.

Verdeckter Ermittler „Simon Brenner“ flog auf Party auf

Dem unter Pseudonym „Simon Brenner“ handelnden Ermittler wurde – wie so vielen anderen Heidelberger Studenten wohl in anderer Weise auch – das Heidelberger Nachtleben zum Verhängnis: Im Dezember 2010 begegnet er er dort einer jungen Frau, die er bereits im vorhergehenden Sommer im Frankreich-Urlaub getroffen hatte und ihr dort erzählt hatte, er arbeite für die Polizei.

Klagen vor Verwaltungsgericht erfolgreich – Maßnahme rechtswidrig

Insgesamt sieben Männer und Frauen hatten nach der Aufdeckung der Maßnahme bereits im August 2011 auf die Feststellung deren Rechtswidrigkeit geklagt. Mit Urteilen vom 26.08.2015, deren Begründung nunmehr vorliegt, hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe den Klagen der sieben Klägerinnen und Klägern aus der sogenannten „Linken Szene“ in Heidelberg stattgegeben.

Lediglich einer der sieben Kläger (Verfahren mit dem Aktenzeichen 4 K 2107/11) war in den Anordnungen als eine der Personen genannt, auf die sich die Datenerhebung bezog. In Bezug auf die sechs weiteren Klägerinnen und Kläger, die in den Einsatzanordnungen nicht namentlich genannt worden waren, machte das beklagte Land Baden-Württemberg, im Prozess vertreten durch das Polizeipräsidium Mannheim, im Prozess geltend, deren Klage sei bereits unzulässig, weil der Einsatz des Verdeckten Ermittlers nicht gegen sie gerichtet gewesen sei.

Land argumentierte mit steigender Fallzahl linker Gewalt im Raum Heidelberg

Das Land trug im Verfahren vor, hinsichtlich des Klägers im Verfahren 4 K 2107/11 (der persönlich in der Anordnung der Maßnahme benannt war) sei der Einsatz deswegen gerechtfertigt gewesen, weil im Jahr 2009 bundesweit und auch in Heidelberg ein weiterer Anstieg der Fallzahlen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität festzustellen gewesen sei, insbesondere im Bereich der linksmotivierten Straftaten. Der Einsatz habe sich ausschließlich gegen Personen der linksextremistischen Szene gerichtet, die entsprechenden Gruppierungen nahegestanden hätten beziehungsweise deren Führungspersonal zuzurechnen gewesen seien. Zwei dieser Gruppierungen seien die Antifaschistische Initiative Heidelberg und die Anarchistische Initiative Kraichgau-Odenwald.

Gefundene Molotow-Cocktails gaben Startschuss für verdeckte Ermittlungen

Neben einer Reihe von Ereignissen im Zusammenhang mit Demonstrationen im Zeitraum Juli 2009 bis November 2010 sei auf einen Vorfall am 04.11.2009 zu verweisen. Anlässlich einer Hausdurchsuchung in Räumlichkeiten der „Anarchistischen Initiative Kraichgau-Odenwald“ seien unter anderem sieben gebrauchsfertige Brandsätze (Molotow-Cocktails) sichergestellt worden. Angesichts einer anhaltenden Rechts-Links-Konfrontation im Raum Heidelberg/Rhein-Neckar-Kreis habe zwingend ein Aufklärungsbedürfnis zur weiteren Erforschung der konkret vorliegenden Gefahrenlage bestanden. Wegen der intensiven szenentypischen Abschottung insbesondere gegenüber den Ermittlungsbehörden sei nur noch der Einsatz verdeckter Ermittler erfolgversprechend gewesen.

Verwaltungsgericht: Formelle und materielle Voraussetzungen für Einsatz des verdeckten Ermittlers lagen nicht vor

Dieser Argumentation ist die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts nicht gefolgt und hat den auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Einsatzes gerichteten Anträgen sämtlicher Klägerinnen und Kläger entsprochen. Im Verfahren des Klägers, der in den Einsatzanordnungen namentlich benannt war (4 K 2107/11), führte die Kammer aus, dass die nach Maßgabe von § 22 PolG erforderlichen formellen und materiellen Voraussetzungen für den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers gegen diesen Kläger nicht vorlagen.

Keine hinreichende Bestimmtheit des eingesetzten Mittels – Polizei muss bei Anordnung der Maßnahme ermittelnden Beamten bestimmen

Es fehle an der hinreichenden Bestimmtheit hinsichtlich des eingesetzten Mittels, insbesondere ließen die dem Gericht vorliegenden Kopien der Einsatzanordnungen offen, wer konkret als Verdeckter Ermittler eingesetzt gewesen sei. Der Einsatz des Verdeckten Ermittlers erweise sich aber auch als materiell rechtswidrig. Die vom beklagten Land vorgelegten Unterlagen rechtfertigten nicht die Annahme, dass von diesem Kläger eine konkrete Gefahr für eines der in § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG genannten Rechtsgüter (Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- und Vermögenswerte) ausgegangen sei. So fehle es an konkreten Feststellungen zu der behaupteten Gewaltbereitschaft der Antifaschistischen Initiative Heidelberg.

Keine konkreten Feststellungen zu Gewaltbereitschaft – Anordnung war materiell rechtswidrig

Eine vom Kläger ausgehende konkrete Gefahr lasse sich auch nicht daraus ableiten, dass dieser anlässlich einer Demonstration in Sinsheim am 19.09.2009 bei einer der Anarchistischen Initiative Kraichgau-Odenwald zugerechneten Person gestanden habe, in dessen Wohnung am 04.11.2009 die Molotow-Cocktails gefunden worden seien. Eine konkrete Verbundenheit des Klägers mit dieser Person beziehungsweise mit der Anarchistischen Initiative Kraichgau-Odenwald sei in den vom beklagten Land überlassenen Unterlagen nicht dokumentiert. Letztlich aus den gleichen Gründen lägen auch die Voraussetzungen für eine Datenerhebung nach § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG, also zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung, nicht vor.

Klagen der unbenannten Personen zulässig und begründet

Die Klagen der weiteren sechs Klägerinnen und Kläger hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts für zulässig erachtet. Dem stehe nicht entgegen, dass diese Klägerinnen und Kläger in den Einsatzanordnungen nicht als eine der Personen genannt seien, gegen die sich der Einsatz des Verdeckten Ermittlers habe richten sollen. Diese Kläger hätten – unwidersprochen – vorgetragen, dass sie nicht nur gelegentlichen, sondern intensiven Kontakt mit dem Verdeckten Ermittler gehabt hätten, woraus folge, dass dem Verdeckten Ermittler zwangsläufig Daten über diese Kläger bekannt geworden sein müssten.

Verdeckter Ermittler erhob persönliche Daten aller Personen, nicht nur der mit der Anordnung bestimmten

Die Klagen der weiteren Klägerinnen und Kläger seien auch begründet. Aufgrund der glaubhaften Angaben eines der Kläger in der mündlichen Verhandlung sei das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Verdeckte Ermittler über sämtliche weiteren Kläger persönliche Daten erhoben und an das Landeskriminalamt weitergegeben habe. Der darin zu sehende Grundrechtseingriff sei mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig gewesen. Die Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Verlängerungen erfassten die weiteren Klägerinnen und Kläger nicht. Die Datenerhebung über sie lasse sich auch nicht auf § 22 Abs. 4 PolG stützen, wonach Daten auch dann nach § 22 Abs. 3 PolG – also auch durch Einsatz Verdeckter Ermittler – erhoben werden dürften, wenn Dritte unvermeidbar betroffen würden. Dies setze jedenfalls voraus, dass hinsichtlich einer Ziel- beziehungsweise einer Kontakt-/Begleitperson eine Erhebung von Daten rechtmäßig angeordnet worden sei. Dies sei hier nicht der Fall; denn die hierfür allenfalls in den Blick zu nehmende Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Verlängerungen seien aus den im Verfahren 4 K 2107/11 dargelegten Gründen formell und materiell rechtswidrig gewesen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, das beklagte Land Baden-Württemberg kann binnen eines Monats Berufung zum VGH Baden_Württemberg einlegen.

(Quelle: Pressestelle VG Karlsruhe, http://vgkarlsruhe.de/pb/,Lde/Heidelberg_+Einsatz+eines+Polizeibeamten+als+Verdeckter+Ermittlers+war+rechtswidrig/?LISTPAGE=1220792)

 

Landgericht Mosbach verurteilt Gefangenen aus der JVA Adelsheim zu 9 Jahr Haft

Die Randale und Ausschreitungen in der Jugendhaftanstalt Adelsheim im August vergangenen Jahres hatten für großes Aufsehen gesorgt. Nachdem es in der JVA in deren Innenhof zu einer Massenschlägerei gekommen war, wurden unter anderem immense bauliche Veränderungen in der JVA vorgenommen, Ausgänge durften nur noch in Metall- und Zaunkäfigen stattfinden und so weiter und so fort. Nun hat das Landgericht Mosbach den ersten wegen dieser Ausschreitungen verantwortlichen Heranwachsenden Täter verurteilt. Der 21-jährige Angeklagte wurde wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren verurteilt.

Staatsanwalt forderte über 10 Jahre Haft – die Verteidigung forderte Bewährung

Die Staatsanwaltschaft hatte die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren und 3 Monaten wegen versuchten Mordes beantragt

Der Verteidiger hatte die Verhängung einer Jugendstrafe und deren Aussetzung zur Bewährung beantragt.

Anklage lautete auf versuchten Mord in Tateinheit mit Gefangenenmeuterei

Was war geschehen? Wohl um die Machtfrage in der JVA Adelsheim, in welcher ausschließlich Jugendliche und Heranwachsende bis zum 21. Lebensjahr inhaftiert sind, zu klären, war es am 20.08.2014 kurz vor dem Ende des Hofgangs zwischen zwei rivalisierenden Gruppen von Gefangenen zu einer zunächst verbalen und, wie von den Gefangenen beabsichtigt, zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen, an der sich mindestens 17 Gefangene Jugendliche und Heranwachsende beteiligt hätten. Zunächst sei es 7 Justizvollzugsbeamten, die ebenfalls körperlich attackiert worden seien, gelungen, einige Mitglieder beider rivalisierender Gruppen festzuhalten, am Boden zu fixieren und diese so von weiteren Gewalttätigkeiten abzuhalten.

Daraufhin hätten sich der Angeklagte und weitere gesondert verfolgte Gefangene, die sich derzeit in getrennten Verfahren verantworten müssen, entschlossen, Mitglieder jener Gruppe, mit der sie sympathisiert hätten und deren Anführer der Angeklagte gewesen sei, in Verletzungsabsicht mit körperlicher Gewalt und aus den Händen der Vollzugsbeamten zu befreien.

Angeklagter war Gruppenanführer – Mitglieder sollten befreit werden

Einem Vollzugsbeamten, der einen Gefangenen nicht habe loslassen wollen, habe der Angeklagte deshalb unter Geschrei angekündigt, ihn totzuschlagen, wenn er einen Stein in der Hand hätte. Zwar hätten zu Hilfe eilende Beamte den Angeklagten umklammert, dennoch sei es dem Angeklagten gelungen, einen weiteren Beamten mit der Faust ins Gesicht zu schlagen. Kurze Zeit nachdem es dem Angeklagten gelungen sei, sich aus der Umklammerung der Beamten zu loszureißen, habe der Angeklagte auf den Beamten, dem er bereits angekündigt gehabt habe, ihn totzuschlagen, mit der Faust derart heftig gegen den Kopf geschlagen, dass der Kopf des Beamten zur Seite geschleudert worden und der Beamte gestürzt sei. Danach habe der Angeklagte dem nun auf dem Rücken liegenden Beamten mit Schwung und mit dem Fuß gegen die linke Schläfe und das linke Auge getreten, um seine Ankündigung, ihn totzuschlagen, mit Tritten in die Tat umzusetzen.

Angeklagter schlug und trat auf Kopf eines am Boden liegenden Beamten ein

Nur weil der Angeklagte von zwei zu Hilfe gekommenen Beamten festgehalten worden sei, sei es dem Angeklagten nicht gelungen, weitere Tritte gegen den Kopf des auf dem Boden liegenden Beamten zu platzieren und ihn aus Rache für dessen amtspflichtgemäßes und rechtmäßiges Einschreiten zu töten. Der Beamte, den der Angeklagte mit Fußtritten gegen den Kopf traktiert habe, habe ein Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades, Platzwunden, Prellungen und Hämatome im Kopf- und Wirbelsäulenbereich davongetragen. Der Beamte habe sich 3 Tage in stationärer Behandlung befunden, sei anschließend noch eine Woche arbeitsunfähig gewesen und leide seither an einer posttraumatischen Störung.

Jugendstrafkammer verurteilt wegen versuchten Totschlags

Die 1. Große Jugendkammer mit dem Vorsitzenden Richter am Landgericht Haasverurteilte den Angeklagten nun wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Die Höhe der Strafe, welche mit 9 Jahren durchaus hoch ist, ist wohl auch dem Umstand geschuldet, dass sich das gesamte Tatgeschehen in der JVA Adelsheim abgespielt hat.


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Tim Wullbrandt || Strafrecht in Mannheim

Tötet jemand aus einem nichtigen Anlass heraus, so stellt das nicht zwingend gleichzeitig einen niedrigen Beweggrund – und damit ein Mordmerkmal dar. So jedenfalls entschied das der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 04.08.2015 – 1 StR 53/15.

Nichtiger Anlass für Tötung muss kein niedriger Beweggrund sein

Der BGH stellt klar, dass bei einer Tötung aus nichtigem Anlass zwar die Annahme niedriger Beweggründe grundsätzlich in Betracht kommt. Allerdings darf das Tatsachengericht die Gesamtumstände der Tat entsprechend würdigen und die sich daraus ergebende Wertung in die Urteilsfindung einbringen.

Der Fall:

Was war geschehen?

Der bislang unbestrafte Angeklagte lebte seit seiner Geburt in seinem Elternhaus in R. . Nach dem Tod der Eltern bewohnte er das Haus alleine, wobei er die Fenster aus Gründen des Sichtschutzes mit Folie beklebte. Zutritt zum Haus gewährte er anderen nicht. Der Angeklagte hat weder bislang eine Beziehung unterhalten noch Kontakte innerhalb eines Freundeskreises. Eine emotionale Beziehung bestand nur zu einem Dackel, den der Angeklagte 13 Jahre lang besaß. Der Angeklagte ging nie einer Beschäftigung nach; er lebt von Gewinnen aus Aktiengeschäften und den Einnahmen aus der Vermietung mehrerer Wohnungen in Würzburg, die seine Eltern gekauft hatten.

Das Haus des Angeklagten liegt in dem mit freistehenden Häusern bebauten Wohngebiet K. in R. . Hinter der Wohnbebauung beginnen weitläufige Weinberge. Schräg gegenüber vom Haus des Angeklagten steht das im Tatzeitpunkt von dem Tatopfer H. S. und seiner Ehefrau W. S. bewohnte Haus. Wenige Meter rechts vom Haus des Ehepaars S. entfernt führt ein längerer Trampelpfad in ein dicht mit Bäumen, Büschen und Sträuchern bewachsenes Hanggelände, von wo aus ein weiterer, in die Weinberge führender Weg erreicht wird. Diesen Trampelpfad pflegte der Angeklagte und hielt ihn sauber, weil er ihn für seine täglichen Spaziergänge mit seinem Hund nutzte.

Mit den Nachbarn S. befand sich der Angeklagte, der keinerlei soziale Kontakte pflegte, seit Jahren im Streit. Als Enkelkinder der Eheleute S. auf dem vom Angeklagten gepflegten Trampelpfad Kastanien sammelten, beschimpfte der Angeklagte sie und warf anschließend – vom später Getöteten zur Rede gestellt – einen Stein nach H. S. . Dem von dem Ehepaar S. um Vermittlung gebetenen Bürgermeister gewährte der Angeklagte keinen Zutritt zu seinem Anwesen; auch sonstige Personen wie etwa den Kaminkehrer ließ er nicht in sein Haus. Die letzte verbale Auseinandersetzung gab es Ende August 2013 als der 76-jährige H. S. auf seinem Grundstück die Scheiben seines PKW putzen wollte. Der Angeklagte wies H. S. darauf hin, dass dort kein Autowaschplatz sei und beschimpfte ihn als „alte Drecksau“. Als H. S. seine Tätigkeit fortsetzte, holte der Angeklagte einen Holzknüppel und äußerte etwas später gegenüber seinem Nachbarn, dass er ihn irgendwann erwischen werde.

Wenige Wochen später – am Tattag, einem Mittwoch – begannen die Eheleute S. morgens mit Gartenarbeiten um ihr Haus herum. Während W. S. im Gartenbereich Unkraut jätete, schnitt H. S. mit einer Astschere Äste von Sträuchern und Büschen, die vom benachbarten öffentlichen Hang in den Garten ihres Hauses wuchsen. Um dorthin zu kommen, hatte H. S. den Trampelpfad betreten und war etwa in der Mitte durch eine enge Öffnung im Pflanzendickicht abgebogen. Er war nun nur wenige Meter von seiner Frau entfernt. Aufgrund des dichten Pflanzenbewuchses bestand kein Sichtkontakt, beide unterhielten sich aber.

Der Angeklagte war darüber verärgert, dass H. S. den Trampelpfad betreten hatte; diesen Fußweg beanspruchte er für sich selbst und wollte seinen Nachbarn deshalb zur Rede stellen. Mit seinem Dackel verließ er das Haus und ging den Trampelpfad hoch bis zum Durchgang, der zu der Stelle abbog, wo H. S. seine Schnittarbeiten verrichtete. Um bei einer eventuellen Konfrontation mit dem zwar deutlich älteren, aber rüstigen und körperlich ebenbürtigen Nachbarn gerüstet zu sein, trug der Angeklagte ein Messer mit einer Klingenlänge von mindestens 15 cm bei sich.

Der Angeklagte trat vor H. S. und es kam nicht ausschließbar zu einem kurzen Wortgefecht. Aufgrund seiner fortbestehenden Verärgerung versetzte der Angeklagte nunmehr H. S. mit dem mitgeführten Messer einen kraftvollen Stich in den Rücken, das Messer bogenförmig um den Körper seines Opfers führend. Hierbei nahm er den Tod seines Opfers wenigstens billigend in Kauf.

Aufgrund der Wucht des Stichs drang die Klinge 20 cm in den Körper von H. S. auf der Höhe des linken Schlüsselbeins ein und durchtrennte die Hauptschlagader, was binnen kurzer Zeit zum Tod führte. Im Augenblick des Stichs stieß H. S. einen gellenden Schrei aus, den seine Ehefrau wahrnahm. Sie fragte ihn, was geschehen sei. Als sie keine Antwort erhielt, lief sie zu der Stelle, wo er gearbeitet hatte, und fand ihn leblos am Boden. Der Angeklagte ging derweil mit seinem Hund spazieren und wurde ca. drei Stunden später einige Kilometer vom Tatort entfernt festgenommen.

Landgericht verurteilt wegen Totschlags zu 12 Jahren Haft

Das Landgericht (Schwurgericht) hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Haftstrafe von 12 Jahren verurteilt. Es sah keine niedrigen Beweggründe für die Tat – und damit kein Mordmerkmal – gegeben. Zwar habe der Angeklagte aus nichtigem Anlass gehandelt; entscheidend sei nach Auffassung des Schwurgerichts neben dem jahrelangen Streit die Verärgerung über die vom Tatopfer im Bereich des Trampelpfades durchgeführten Gartenarbeiten gewesen. In diesem Zusammenhang sei aber auch die akzentuierte Persönlichkeit des Angeklagten zu berücksichtigen. In einer Gesamtwürdigung könnten die Beweggründe des Angeklagten nicht als niedrig qualifiziert werden.

Gegen das Urteil des Schwurgerichts legten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte Revision ein.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der BGH hat beide Revisionen verworfen. Zur Frage, ob sich aus dem nichtigen Anlass nicht automatisch ein niedriger Beweggrund und damit ein vollendetes Mordmerkmal ergibt, hat der BGH Stellung bezogen. Zwar komme bei einer Tötung aus – wie hier – nichtigem Anlass, die Annahme niedriger Beweggründe grundsätzlich in Betracht . Die Schwurgerichtskammer durfte im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung aber zur Ablehnung niedriger Beweggründe auf die besonders akzentuierte (schizoide) Persönlichkeit des Angeklagten abstellen. Dieser nahm nach den Ausführungen des Sachverständigen persönlichkeitsbedingt Besitzrechte an dem „Trampelpfad“ für sich in Anspruch und den Weg möglicherweise als eigene Sphäre wahr, den er habe schützen wollen, wobei ihm das Tatopfer zu nahe gekommen sei. Diese Wertung des Schwurgerichts hält sich in dem vom Revisionsgericht bei der Prüfung niedriger Beweggründe hinzunehmenden Beurteilungsspielraum des Tatgerichts


Hier erhalten Sie die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Volltext.

BGH, Urteil v. 04.08.2015 – 1 StR 53/15


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Bundesverfassungsgericht: Durchsuchungen bei Presse unzulässig, wenn gegen Informanten ermittelt wird

In seinem Beschluss vom 13.07.2015, Aktenzeichen 1 BvR 1089/13 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Durchsuchungen in Redaktionsräumen dann nicht verfassungsrechtlich zulässig sind, wenn sie alleine dazu dienen, Straftaten eines Informanten der Presse aufzudecken.

Der Sachverhalt

Was war geschehen? Die Verfassungsbeschwerde wurde von einem Journalisten und einem Verlagshaus geführt. Das Verlagshaus gibt unter anderem die Berliner Morgenpost (MoPo) heraus, der Journalist ist für die MoPo tätig. Der Journalist reiste im Frühjahr 2011 nach Amsterdam, um über das Verschwinden zweier Kinder in den 1990er Jahren zu recherchieren. Der (deutsche) Polizeioberkommissar N. begleitete ihn auf dieser Reise. Der Journalist zahlte dem Polizisten angeblich (!) 100 EUR für die Weitergabe von Informationen. Der Polizist N. stellte nach Abschluss der Reise eine Rechnung über 3.149,07 Euro an die Chefredaktion der MoPo. Auf der Rechnung findet sich die Zahlungsanweisung: „Wegen der Konspirativität in dieser Sache bitte ich um Barauszahlung“.

Polizist stellte Redaktion Rechnung mit Bitte um Barzahlung

Gegen den N. wurde aus anderen Gründen ein Ermittlungsverfahren wegen Geheimnisverrats (§ 353b StGB) eröffnet. N. stand in dem Verdacht, Daten zu einer geplanten Razzia der Berliner Polizei im Rockermilieu an Journalisten weitergegeben zu haben. Über die bevorstehende Razzia hatte jedoch nicht der Zeitungsverlag vorab berichtet, sondern ein mit diesem nicht in Zusammenhang stehendes Online-Portal.Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens stieß man auf die Rechnung an die MoPo.

Ermittlungsverfahren gegen Polizist wegen Geheimnisverrats – und gegen Journalist wegen Beihilfe

Bei N. wurde im Rahmen dieses Strafverfahrens auch noch ein Handy sichergestellt, das auf eine nicht existierende Person angemeldet war und und auf dem ausschließlich die Nummer des beschwerdeführenden Journalisten sowie eines weiteren Journalisten gespeichert waren. Unter anderem fand man auf diesem Handy auch eine SMS an den Beschwerdeführer, in der sich N für die Zahlung von 100 EUR bedankte. Dies nahm die Staatsanwaltschaft zum Anlass, ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat einzuleiten. Im November 2012 wurden auf richterliche Anordnung die Redaktionsräume der MoPo sowie die Privatwohnung des Beschwerdeführers zu 1) durchsucht und dabei verschiedene Datenträger beschlagnahmt, obwohl die MoPo vor Vollstreckung des Durchsuchungsbeschlusses die den Polizeibeamten N betreffenden Abrechnungsunterlagen herausgegeben hatte.

Unter anderem hatte die MoPo einen im Dezember 2012 unter dem Titel „in eigener Sache“ erschienenen Artikel an die Staatsanwaltschaft versendet, in welchem es auszugsweise hieß:

Mitte der 90er-Jahre verschwand der zwölfjährige Manuel Schadwald aus Berlin-Tempelhof. Jahrelang gab es Gerüchte, dass er Opfer von Pädophilen geworden sein könnte. Immer wieder tauchte in diesem Fall auch der Name des belgischen Kinderhändlers Marc Dutroux auf. Der Chefreporter der Berliner Morgenpost recherchierte und berichtete zusammen mit einem Kollegen über das Verschwinden des Berliner Jungen.
Vor gut zwei Jahren meldete sich plötzlich ein neuer Informant. Es ergab sich erneut eine Spur, die nach Holland führte. Im Frühjahr 2011 reisten die beiden Journalisten nach Amsterdam. Der Verlag bestand darauf, dass auf der Recherchereise ein besonderer Sicherheitsstandard eingehalten wurde. Denn im Umfeld des Kinderhändlerrings von Marc Dutroux starben schon mehrere Zeugen. Neben zwei Personenschützern einer privaten Sicherheitsfirma wurde auch ein Sicherheitsexperte des Berliner Landeskriminalamts engagiert. Diesen kannte der Chefreporter seit vielen Jahren persönlich und vertraute ihm daher besonders. Der Beamte begleitete die Reporter außerhalb seiner Dienstzeit nach Amsterdam. Dafür erhielt der Polizist einen Tagessatz von 500 Euro. Solche Tagessätze gelten in der Sicherheitsbranche als üblich. Nach Angaben der Berliner Kuhr Security, die auch Personenschutz übernimmt, betragen die Kosten bei Auslandseinsätzen sogar deutlich mehr. Die Recherchen in Amsterdam dauerten vier Tage. Hinzu kamen Kosten für Flugtickets, Mietwagen und Hotel in Höhe von gut 1000 Euro. Damit belief sich die Gesamtsumme auf gut 3000 Euro (…).
Die Staatsanwaltschaft hingegen scheint bei der Fahrt nach Amsterdam von einer Vergnügungsreise auszugehen und leitet daraus den Vorwurf der Bestechung ab. Das der Berliner Polizei übergebene Material lässt aber eindeutig einen anderen Schluss zu: Die Reise war eine Recherchereise – mit persönlichem Risiko für die Reporter der Berliner Morgenpost.
Nach der Übergabe der Unterlagen an die Berliner Polizei passierte lange Zeit nichts. Bis der Beamte, der die Reporter in Amsterdam begleitet hatte, Mitte dieses Jahres in Verdacht geriet, eine geplante Razzia im Rockermilieu an Journalisten verraten zu haben. Die Polizeiführung leitete ein Verfahren wegen Geheimnisverrats an. Auf dem Computer und auf dem Handy des Beamten fanden die Ermittler eine Rechnung für die Recherchereise nach Holland in Höhe von gut 3000 Euro und die Telefonnummer des Morgenpost-Reporters
(.)
Eine Nebenrolle bei den Vorwürfen spielt auch eine SMS, in der sich der Polizist bei dem Reporter für 100 Euro bedankte. Dabei handelte es sich um eine Auslage für zwei Jacken, die der LKA-Beamte in einem Polizei-Shop für den Reporter und einen weiteren Kollegen erworben hatte. Dort können Polizisten einkaufen. Der Morgenpost Reporter gab ihm später das Geld für die Jacken zurück“.

Beschwerde gegen Durchsuchungsbeschluss verworfen

Die MoPo und der Journalist legten gegen die Durchsuchung Beschwerden ein – welche das Landgericht verwarf. Aus den Ermittlungen habe sich ein Anfangsverdacht gegen die Beschuldigten ergeben. Die Ergebnisse der Auswertung eines in dem wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen geführten Ermittlungsverfahren sichergestellten Mobiltelefons des N, welches auf eine nicht existente Person angemeldet gewesen sei und über welches N ausschließlich mit dem Beschwerdeführer zu I. sowie einem weiteren Journalisten Nachrichten mit eindeutig dienstlichem Bezug ausgetauscht habe, zeige eine ausreichende Wahrscheinlichkeit auf, dass dienstlich erlangte Informationen weitergegeben worden seien. Aus dem Ermittlungsverfahren sei ferner bekannt, dass N in der Nacht vom 25. auf den 26. Mai 2012 erhebliche Datenmengen per E-Mail von seinem Dienst- auf seinen Privatcomputer transferiert habe. Einige Tage danach habe Spiegel-Online über eine für kurze Zeit später geplante polizeiliche Maßnahme im Rockermilieu berichtet.

Der Durchsuchung stünden auch keine presserechtlichen Beschlagnahmeprivilegien entgegen. Das Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 5 Satz 1 StPO sei nicht anwendbar. Zwar bedürfe es in diesem Zusammenhang gemäß § 97 Abs. 5 Satz 2 StPO eines dringenden Tatverdachts einer Beteiligung und sei eine Beschlagnahme selbst dann nur zulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der Pressefreiheit nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht und die Erforschung des Sachverhaltes oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Der dringende Tatverdacht ergebe sich schon aus der konspirativen Nutzung des auf eine nicht existente Person angemeldeten „Journalisten-Handys“. Hinzu komme als weiteres Verdachtsmoment, dass N als dienstunfähig Erkrankter und zur Nachtzeit Daten mit dienstlichen Bezügen von seinem Dienst- auf seinen Privatcomputer übermittelt habe.

Gegen diese Beschlüsse des Landgerichts wendeten sich die Beschwerdeführer mit ihrer Verfassungsbeschwerde.

Bundesverfassungsgericht entscheidet: Eingriff in Pressefreiheit ist grundrechtlich unzulässig

Das Bundesverfassungsgericht ist der Ansicht, dass die Verfassungsbeschwerden, soweit sie die Verletzung ihrer Pressefreiheit rügen, offensichtlich begründet sind. Der Eingriff in die Pressefreiheit in Form der Durchsuchung der Redaktion und der Beschlagnahme der dort gefundenen Beweismittel ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

Pressefreiheit umfasst Vertrauensschutz der Informanten

Die Pressefreiheit umfasst den Schutz vor dem Eindringen des Staates in die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit sowie in die Vertrauenssphäre zwischen den Medien und ihren Informanten, hält das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung fest. Die Freiheit der Medien sei konstituierend für die freiheitliche demokratische Grundordnung. Eine freie Presse sei daher von besonderer Bedeutung für den freiheitlichen Staat. Geschützt sind namentlich auch die Geheimhaltung der Informationsquellen und das Vertrauensverhältnis zwischen Presse bzw. Rundfunk und den Informanten. Dieser Schutz ist sei nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts unentbehrlich, weil die Presse auf private Mitteilungen nicht verzichten kann, diese Informationsquelle aber nur dann ergiebig fließt, wenn sich der Informant grundsätzlich auf die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses verlassen kann.

Durchsuchung ist Beeinträchtigung der Pressefreiheit

Die Durchsuchung von Presseräumen stelle wegen der damit verbundenen Störung der redaktionellen Arbeit und der Möglichkeit einer einschüchternden Wirkung eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit dar. Die Beschlagnahme von Datenträgern und der damit einhergehende Zugang zu redaktionellem Datenmaterial greife zudem in besonderem Maße in die vom Grundrecht der Pressefreiheit umfasste Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit ein.

Anordnung der Durchsuchung war verfassungswidrig

Die Anordnung der Durchsuchung der Redaktionsräume und die Beschlagnahme der dort gefundenen Gegenstände waren nach der eindeutigen Auffassung des Bundesverfassungsgerichts verfassungswidrig. Der Tatverdacht gegen die Beschwerdeführer selbst habe unter Berücksichtigung des Grundrechts der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht ausgereicht, um eine Durchsuchung und Beschlagnahme bei ihnen zu rechtfertigen. Das BVerfG weist dabei auf die gesetzlichen Änderungen in § 353b StGB hin, wonach Beihilfehandlungen zum Geheimnisverrat nach Maßgabe des Abs. 3a StGB nicht mehr rechtswidrig sind. Strafbar blieben hingegen die Anstiftung zum Geheimnisverrat sowie Beihilfehandlungen, die der Vollendung der Haupttat vorausgehen oder über das Entgegennehmen und Veröffentlichen der Information hinausgehen. Dazu solle insbesondere die Zahlung eines Honorars für dienstlich erlangte Informationen gehören.

Pressefreiheit findet ihre Grenzen in den allgemeinen Gesetzen

Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet die Pressefreiheit grundsätzlich ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Die Bestimmungen der StPO mit ihrer prinzipiellen Verpflichtung für jeden Staatsbürger, zur Wahrheitsfindung im Strafverfahren beizutragen und die im Gesetz vorgesehenen Ermittlungsmaßnahmen zu dulden, sind sind ein solches allgemeines Gesetz. Sie müssen allerdings ihrerseits im Lichte dieser Grundrechtsverbürgung gesehen werden.

Dieses Erfordernis war nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht erfüllt. Der den gerichtlichen Anordnungen zu Grunde liegende Tatverdacht gegen die Beschwerdeführer reichte unter Berücksichtigung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG für eine auf §§ 102, 94 StPO gegründete Durchsuchung und Beschlagnahme bei den in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO genannten Personen nicht aus. Denn: Dieser Anfangsverdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht (PrStG) die Beihilfe zur Verletzung des Dienstgeheimnisses durch die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des verratenen Geheimnisses straflos gestellt (§ 353b IIIa StGB) hat. Alles, was darüber hinausgeht – beispielsweise also die Zahlung eines Honorars – bleibt strafbar.

Durchsuchungsbeschluss aufgrund bloßer Mutmaßungen reicht nicht aus

Im vorliegenden Fall ging es den Strafverfolgungsbehörden nach Auffassung des Verfassungsgerichts zumindest vorwiegend um die Ermittlung belastender Tatsachen gegen einen Informanten aus Polizeikreisen, was auch in dem angefochtenen landgerichtlichen Beschluss deutlich wird. Diesem sollten Geldbeträge für Informationen im Zusammenhang mit bevorstehenden Ermittlungsmaßnahmen gezahlt worden sein. Dabei handelt es sich bezogen auf dessen Kontakt zu den Beschwerdeführern, deren Redaktionsräume durchsucht wurden, jedoch um bloße Mutmaßungen. Zum einen berichtete nicht die MoPo, für die der beschwerdeführende Journalist. arbeitet, über die bevorstehende Razzia, sondern Spiegel-Online. Weder dem Durchsuchungsbeschluss noch der Beschwerdeentscheidung ist zum anderen zu entnehmen, für welche den Beschwerdeführern übermittelte Informationen das Geld gezahlt worden sein soll. Der Tatbestand der Bestechung (§ 334 StGB) verlangt jedoch schon einfachrechtlich die Vornahme einer hinreichend konkreten Diensthandlung (vgl. BGHSt 15, 217 <222 f.>). Es mangele danach in Bezug auf die Beschwerdeführer an zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine den Beschlagnahmeschutz gemäß § 97 Abs. 5 Satz 1 StPO entfallen lassende Straftat.

Auch aus dem bloßen Umstand, dass der mitbeschuldigte Polizeibeamte ein auf eine fingierte Person angemeldetes „Journalisten-Handy“ nutzte, lässt sich nicht auf einen Tatverdacht der Bestechung gerade seitens der Beschwerdeführer schließen. Das „Journalisten-Handy“, auf dem die Namen des Beschwerdeführers und eines Journalisten von Spiegel-Online gespeichert waren, mag dafür sprechen, dass der Informant dienstliche Geheimnisse an Journalisten weitergegeben hat; wegen des in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Informantenschutzes rechtfertigt das bloße Interesse der Strafverfolgungsbehörden, dies zu erfahren, jedoch keine Durchsuchung in den Redaktionsräumen von Presseorganen. Insbesondere begründet dies noch keinen strafrechtlichen Vorwurf gegenüber den Beschwerdeführern. Warum der Eintrag des Beschwerdeführers in dem Mobiltelefon gerade für eine Weitergabe der betreffenden Informationen hinsichtlich einer Razzia an diesen sprechen soll, obschon demgegenüber das OnlineMagazin, für welches der andere eingespeicherte Journalist tätig ist, über diesbezügliche Ermittlungsmaßnahmen vorab berichtete, bleibt unklar.

Auch aus dem Vermerk auf der Rechnung ließe sich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf eine Bestechung schließen. So bezog sich die Rechnung auf die Reise nach Amsterdam, für deren Ermöglichung sich der Beamte als dienstunfähig gemeldet hatte und nach den amts- und landgerichtlichen Feststellungen auch über keine Nebentätigkeitsgenehmigung verfügte. Es erschien daher nicht fernliegend, dass sich der Vermerk darauf bezog, dass der Beamte disziplinarrechtliche Konsequenzen wegen der falschen Krankmeldung und mangelnden Nebentätigkeitsgenehmigung befürchten musste. Ein Verdacht gegenüber den Beschwerdeführern folgt hieraus jedoch nicht.

Die Verfassungsbeschwerde hatte damit vollen Erfolg.


Hier können Sie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Volltext einsehen:

Bundesverfassungsgericht – Durchsuchung bei Presse darf nicht vorrangig der Aufklärung möglicher Straftaten von Informanten dienen – Wullbrandt Rechtsanwälte – Heidelberg

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Verurteilt das Gericht einen Angeklagten wegen einer festgestellten gefährlichen Begehungsweise wegen gefährlicher statt „normaler“ Körperverletzung, dann darf es die brutale Begehungsweise der Tat im Rahmen der STrafzumessung gesondert würdigen und begeht dabei keinen Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot.

OLG Düsseldorf: Brutalität der Begehungsweise ist nicht mit Gefährlichkeit gleichzusetzen

Die Angeklagten K und W nahmen an einer Demonstration teil. Auf Zuruf und Handbewegung eines Gruppenmitgliedes hin, stürmten schlagartig alle Demonstranten nach vorne zu einem Absperrgitter und versuchten, dieses zu überwinden. Der W stürmte von ganz hinten oben nach vorne, wo zunächst kein Polizeibeamter stand, und begann sofort, auf das Gitter zu steigen. Hierdurch wirkte er an der Überrumpelung der Polizeibeamten mit und band deren Aufmerksamkeit. Sodann folgten Übergriffe anderer Gruppenmitglieder, auch des K, auf die hinter dem Gitter befindlichen Polizeibeamten, vor allem wiederholtes Einschlagen mit Fäusten und mitgeführten Fahnenstangen, wobei einzelne Polizeibeamten verletzt wurden.

Amtsgericht verurteilt Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte

Das Amtsgericht hat K und W wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im besonders schweren Fall verurteilt. Hiergegen richten sich die Angeklagten im Wege der Revision.

Das OLG hat die Revisionen mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Schuldsprüche hinsichtlich der Angeklagten K und W dahin berichtigt werden, dass jeweils die Zusätze „im besonders schweren Fall“ entfallen. Den Schuldsprüchen stet insbesondere nicht entgegen, dass W nicht selbst mit Fahnenstangen auf die Polizeibeamten eingeschlagen habe.

Maßgeblich für gemeinschaftliche Verurteilung ist gemeinsamer Tatplan

Bei unmittelbarer Ausführung nur durch andere Beteiligte müssten deren Handlungen sich als Verwirklichung des gemeinsamen Tatplans darstellen.

Bei unmittelbarer Ausführung nur durch andere Beteiligte müssen deren Handlungen sich als Verwirklichung des gemeinsamen Tatplans darstellen (BGH, NStZ 2009, 25, juris). Maßgeblich ist eine wertende Gesamtbetrachtung.

Abgrenzung zur Teilnahme – Beurteilungsspielraum des Tatrichters nur eingeschränkt überprüfbar

Hinsichtlich der Abgrenzung zur bloßen Teilnahme hat der Tatrichter einen in der Revision nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum (vgl. Fischer, a. a. O., § 25 Rn. 25). Kriterien für die Abgrenzung sind der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, den Umfang der Tatbeteiligung, die objektive Tatherrschaft und den Willen zur Tatherrschaft (vgl. insgesamt zum Maßstab und zur Abgrenzung Fischer, a. a. O., § 25 Rn. 26).

Tatherrschaft setzt dabei voraus, dass der in Rede stehende Beteiligte im Zusammenwirken mit einem oder mehreren Anderen einen für das Gelingen der Tat wesentlichen Beitrag leistet, nicht erforderlich ist eine Mitwirkung am Kerngeschehen (vgl. BGH, NStZ 2009, 292, juris). Ein Mittäter muss seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit der anderen Täter und deren Beitrag als Ergänzung seines eigenen Tatanteils wollen. Dabei ist die Verteilung der Tatbeiträge grundsätzlich ohne Bedeutung, es reicht grundsätzlich jede Form der Förderung der als gemeinsam gewollten Tat, sei es auch nur durch Bestärken im Tatwillen (BGHSt 16,14, juris)

Dies sei im konkreten Fall bei W der Fall gewesen.

Strafschärfende Berücksichtigung der Brutalität kein Verstoß gegen Doppelbestrafungsverbot

In der strafschärfenden Berücksichtigung der erheblichen Brutalität gegenüber den Polizeibeamten liege kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot gem. § 46 III StGB.

Das Verbot der Doppelverwertung von Strafzumessungstatsachen beinhaltet, dass die Merkmale des Tatbestandes, welche die Strafbarkeit begründen und der Bestimmung des gesetzlichen Strafrahmens zugrunde liegen, nicht nochmals bei der Strafzumessung berücksichtigt werden dürfen.

Tatbestand in diesem Sinne sind ebenfalls die Voraussetzungen für die Anwendung eines bestimmten Strafrahmens, mithin von Qualifikationstatbeständen wie auch von Regelbeispielen. Sowohl den Qualifikationen des § 224 I Nr. 2 und 4 StGB ebenso wie dem Regelbeispiel des § 113 II Nr. 1 StGB liegt die erhöhte Gefährlichkeit der Art und Weise der Tatbegehung durch Verwendung eines gefährlichen Werkzeuges bzw. durch gemeinschaftliche Begehungsweise zugrunde. Die strafschärfend berücksichtigte besondere Brutalität der Begehungsweise ist jedoch mit der (bloßen) Gefährlichkeit der Begehungsweise nicht notwendig gleichzusetzen. Sie kennzeichnet vielmehr die konkrete Qualität und Intensität der Einwirkung durch das gefährliche Werkzeug bzw. durch mehrere Beteiligte.

Die Schuldsprüche der erstinstanzlichen Urteile hat der Senat wie tenoriert berichtigt, weil die Aufnahme von Strafzumessungsregeln oder das Vorliegen gesetzlicher Regelbeispiele für besonders schwere Fälle nicht zur rechtlichen Bezeichnung der Tat im Sinne von § 260 IV 1 StPO und damit nicht in den Schuldspruch gehören.


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Die Entscheidung im Volltext:

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.06.2015 – III-3 RVs 18/15

Tenor

  1. Die Revisionen werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass sowohl der Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten K. im erstinstanzlichen Urteil des Amtsgerichts Solingen vom 27. August 2013 als auch der Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten W. im erstinstanzlichen Urteil des Amtsgerichts Solingen vom 7. November 2013 dahin berichtigt werden, dass jeweils die Zusätze (Angeklagter K.) bzw. der Zusatz (Angeklagter W.) „im besonders schweren Fall“ entfallen.
  2. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.

Gründe:

I. Mit Urteil vom 27. August 2013 hat das Amtsgericht – Schöffengericht – Solingen den Angeklagten K. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Landfriedensbruch im besonders schweren Fall und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im besonders schweren Fall sowie wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit Urteil vom 7. November 2013 hat das Amtsgericht Solingen den Angeklagten W. wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Auf die gegen das Urteil des Amtsgerichts – Schöffengericht – Solingen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte K. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt wird. Die gegen das Urteil des Amtsgerichts gerichtete Berufung des Angeklagten W. hat das Landgericht verworfen. Hiergegen richten sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, die sie auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts stützen.

II.

Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Mit ihren Verfahrensrügen dringen die Angeklagten nicht durch.

a) Angeklagter K.
Die von dem Angeklagten K. erhobenen Verfahrensrügen sind sämtlich bereits nicht ordnungsgemäß erhoben (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO) und mithin unzulässig. Eine Verfahrensrüge ist in einer solchen Weise zu begründen, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der abgegebenen Revisionsbegründung prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das Beschwerdevorbringen zutrifft (BGHSt 29, 203, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., 2015, § 344, Rn. 21 m. w. N.). Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung des Angeklagten K. im Hinblick auf keinen der geltend gemachten Verfahrensverstöße.

aa) Dies gilt, soweit der Angeklagte die Rüge nach § 338 Nr. 3 StPO wegen zu Unrecht abgelehnter Befangenheitsgesuche gegen die Vorsitzende der zur Entscheidung berufenen Strafkammer erhebt. Zum notwendigen Revisionsvorbringen gehört die wörtliche, zumindest aber dem ganzen Inhalt nach vollständige Mitteilung des Ablehnungsgesuchs, des ablehnenden Gerichtsbeschlusses, der dienstlichen Äußerung nach § 26 Abs. 3 StPO sowie sonstiges zum Verständnis der Rüge erforderliches Vorbringen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 338, Rn. 29 m. w. N.). Daran fehlt es hier. Das Vorbringen des Angeklagten enthält weder eine inhaltlich vollständige und verständliche Wiedergabe seines ersten Ablehnungsgesuches noch eine ansatzweise Wiedergabe des die Ablehnungsgesuche des Angeklagten zurückweisenden Gerichtsbeschlusses.

bb) Auch die von dem Angeklagten K. auf die Verletzung des § 244 Abs. 4 StPO gestützte Verfahrensrüge wegen zu Unrecht erfolgter Ablehnung eines Beweisantrages genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Zum notwendigen Revisionsvorbringen gehört insoweit nicht nur die Mitteilung des Inhalts des Beweisantrages, sondern auch diejenige des Inhalts des gerichtlichen Ablehnungsbeschlusses (vgl. BGHSt 3, 213, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 244 Rn. 85 m. w. N.). Jedenfalls Letzterer ist in dem Revisionsvorbringen ersichtlich unvollständig wiedergegeben.

cc) Soweit der Angeklagte mit seinem Revisionsvorbringen auch – im Hinblick auf die Verwertung der Aussage des Zeugen PK H. – einen Verstoß gegen § 136a StPO beanstanden will, ist diese Rüge gleichfalls nicht zulässig erhoben. Zum notwendigen Revisionsvorbringen gehört bei einer im Ermittlungsverfahren gewonnenen Aussage vollständiger Tatsachenvortrag sowohl hinsichtlich ihrer Entstehung als auch ihrer Verwertung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 136a Rn. 33 m. w. N.). Daran fehlt es hier. Das Revisionsvorbringen erschöpft sich in der Wiedergabe der vom Angeklagten zu Protokoll gegebenen Erklärung gemäß § 257 Abs. 2 StPO.

b) Angeklagter W.
Die vom Angeklagten W. nach § 338 Nr. 3 StPO wegen zu Unrecht abgelehnter Befangenheitsgesuche des Angeklagten vom 27. und 29. Oktober 2014 angebrachte Rüge ist zwar zulässig erhoben, in der Sache bleibt sie indes ohne Erfolg.

Bei ordnungsmäßiger Ablehnungsrüge hat das Revisionsgericht unter Anwendung von Beschwerdegrundsätzen zu prüfen, ob das Gesuch rechtzeitig vorgebracht und nach den damaligen Verhältnissen sachlich gerechtfertigt war oder nicht (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl. 2013, § 338 Rn. 59 m. w. N.). Diese Überprüfung führt hier dazu, dass die Ablehnungsgesuche des Angeklagten W. durch den Beschluss des Landgerichts vom 29. Oktober 2014 im Ergebnis zu Recht als unbegründet zurückgewiesen wurden. Insoweit wird zunächst auf dessen im Wesentlichen zutreffende Gründe verwiesen.

Ergänzend merkt der Senat an: Insbesondere die vom Angeklagten beanstandeten Äußerungen der Vorsitzenden der zur Entscheidung berufenen Strafkammer im Hauptverhandlungstermin vom 27. Oktober 2014 betreffend die Plakataufschrift „Lies!“ rechtfertigten nicht die Ablehnung der Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß § 24 Abs. 1, 2 StPO. Bei verständiger Würdigung vom – maßgebenden – Standpunkt eines vernünftigen Angeklagten boten sie keinen Grund zu der Annahme, dass die Vorsitzende der Strafkammer gegenüber dem Angeklagten W. eine innere Haltung eingenommen hatte, die ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen konnte (vgl. grds. Meyer-Goßner/Schmidt, a. a. O., § 24 Rn. 8 m. w. N.). Werden die Äußerungen insbesondere in dem verfahrenstechnischen Kontext betrachtet, in dem sie getätigt wurden, nämlich anlässlich der Inaugenscheinnahme von Bildern und der Verlesung eines darauf abgedruckten Wortes, so stellen sich die beanstandeten Äußerungen jedenfalls bei verständiger Würdigung als bloß assoziativ zustande gekommene Lesart des (verlesenen) Wortes in einer Fremdsprache dar, welche nach der reinen Syntax des Wortes nicht ausgeschlossen ist. Dabei verkennt der Senat nicht, dass in der Äußerung dieser Assoziation ein nicht unerhebliches Maß an Gedankenlosigkeit zum Ausdruck kommt. Dieser Umstand rechtfertigt aber noch nicht den Schluss auf eine gegenüber den Angeklagten voreingenommene Haltung. Die angegriffenen Äußerungen lassen letztlich angesichts ihres vor allem assoziativ erklärbaren Inhalts und ungefilterten Charakters die (auch nur „unbewusste“) Kundgabe einer inneren Haltung oder Einstellung gerade nicht erkennen. Der Senat vermag darin insbesondere weder die persönliche Herabwürdigung der Angeklagten unmittelbar oder deren religiöser Überzeugung noch eine unangemessene bzw. unsachliche Art der Verhandlungsführung (vgl. hierzu etwa die dem hiesigen Fall nicht vergleichbaren Beispiele bei Meyer-Goßner/Schmidt, a. a. O., § 24 Rn. 17 m. w. N.) zu erkennen. Auch die Gesamtschau der beanstandeten Äußerungen mit den weiteren in den Ablehnungsgesuchen genannten Umständen gibt zu einer solchen Annahme keinen Anlass.

2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen den Schuldspruch hinsichtlich beider Angeklagten ebenso wie den sie betreffenden Rechtsfolgenausspruch rechtsbedenkenfrei.

Zu den Einzelausführungen des Angeklagten W. im Rahmen der Sachrüge bemerkt der Senat Folgendes:

a) Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen eine Verurteilung des Angeklagten wegen mittäterschaftlicher Begehung in objektiver wie auch subjektiver Hinsicht sowohl im Hinblick auf die gefährliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 StGB als auch im Hinblick auf den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, § 113 Abs. 1 StGB und auf das hier vom Landgericht als verwirklicht angesehene Regelbeispiel, § 113 Abs. 2 Nr. 1 StGB.

aa) Die tatsächlichen Feststellungen zum äußeren Kerngeschehen tragen uneingeschränkt den Schluss auf einen konkludent im Wege des arbeitsteiligen Zusammenwirkens gefassten gemeinsamen Tatplan (vgl. hierzu grds. BGHSt 37, 292, juris) der meisten der beteiligten Gruppenmitglieder, unter ihnen auch des Angeklagten W.. Dieser konkludent gefasste gemeinsame Tatplan manifestiert sich nach den Feststellungen in dem spontanen und geschlossenen Zusammenwirken mehrerer Beteiligter, nämlich darin, dass „die meisten Gruppenmitglieder“ (UA S. 17) – zumal im Anschluss an etliche Abstimmungsgesten (zwischen dem Angeklagten K. und anderen Versammlungsteilnehmern, insbesondere dem gesondert Verfolgten Koblitz, vgl. UA S. 16, zweiter und dritter Absatz) – auf einen „Ruf“ (UA S. 17) und die „weit ausholende Handbewegung“ (UA S. 17) eines Gruppenmitgliedes, des „Weißgewandeten“ (UA S. 17), „schlagartig und gleichzeitig nach vorne zum Absperrgitter“ stürmten „und versuchten, es zu überwinden, um das weitere Zeigen der Karikaturen zu verhindern“ (UA S. 17). Dass an diesem Kerngeschehen nicht sämtliche Gruppenmitglieder mitwirkten, hindert die Annahme eines gemeinsamen Tatplanes nicht. Es reicht das bewusste und gewollte Zusammenwirken mehrerer Beteiligter, welches hier gegeben ist, da sich das Geschehen nach den Feststellungen des Landgerichts gerade nicht als das Wirken nur einzelner (gewaltbereiter) Gruppenmitglieder darstellt.

bb) Dass auch der Angeklagte W. diesen Tatplan jedenfalls spontan billigte, hat das Landgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise – durch Feststellungen zur arbeitsteiligen Mitwirkung des Angeklagten belegt – angenommen:

Danach stürmte er „von ganz hinten oben nach vorne unten, und zwar ganz zu einer Seite der Gitterlinie, wo zu diesem Zeitpunkt zunächst kein Polizeibeamter stand, und begann sofort, auf das Gitter zu steigen“ (UA S. 17). Nicht zu beanstanden ist dabei die vom Landgericht vorgenommene Wertung, der Angeklagte W. habe dadurch „an der Überrumpelung der Polizeibeamten“ (UA S. 17) mitgewirkt, dass er „an seinem Gitterabschnitt deren Aufmerksamkeit band und deren Präsenz erforderte“ (UA S. 17). Hierbei handelt es sich um eine Feststellung, die auch durch die weitere Feststellung, dass an dem vom Angeklagten angesteuerten Gitterabschnitt „zunächst kein Polizeibeamter stand“ (UA S. 17), nicht lückenhaft wird. Aus dem vom Landgericht im Übrigen festgestellten Gesamtablauf – Ansturm zum Zwecke der Verhinderung des Zeigens der Karikaturen – erhellt gerade, dass der Angeklagte W. nach Erreichen seines Gitterabschnitts nicht unbemerkt und passiv am Rande des Geschehens verweilte, sondern vielmehr nach Eintreffen am Gitter durch dessen Besteigen aktiv agierte und hierdurch die Aufmerksamkeit und Präsenz von Polizeibeamten auch tatsächlich „band“ und „erforderte“.

cc) Die weiter im Urteil festgestellten tätlichen Übergriffe anderer Gruppenmitglieder auf die hinter dem Gitter befindlichen Polizeibeamten, nämlich das vielfache und wiederholte Einschlagen mit Fäusten und mitgeführten Fahnenstangen, welche in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang („auf breiter Front, entlang der Gitterlinie“) mit dem Erstürmen des Gitters durch den Angeklagten W. stattfanden (UA S. 17) und bei denen einzelne Polizeibeamten konkret verletzt wurden (UA S. 19-20), ebenso wie die weiteren Tätlichkeiten auf dem Rathausvorplatz erfüllen nicht nur objektiv die Merkmale der vom Landgericht zur Anwendung gebrachten Straftatbestände bzw. Regelbeispiele (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 bzw. § 113 Abs. 1, Abs. 2 StGB), sondern sind dem Angeklagten auch gemäß § 25 Abs. 2 StGB als Mittäter zuzurechnen.

Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass der Angeklagte W. nicht selbst mit Fahnenstangen auf die Polizeibeamten eingeschlagen hat. Bei unmittelbarer Ausführung nur durch andere Beteiligte müssen deren Handlungen sich als Verwirklichung des gemeinsamen Tatplans darstellen (BGH, NStZ 2009, 25, juris). Maßgeblich ist eine wertende Gesamtbetrachtung. Hinsichtlich der Abgrenzung zur bloßen Teilnahme hat der Tatrichter einen in der Revision nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum (vgl. Fischer, a. a. O., § 25 Rn. 25). Kriterien für die Abgrenzung sind der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, den Umfang der Tatbeteiligung, die objektive Tatherrschaft und den Willen zur Tatherrschaft (vgl. insgesamt zum Maßstab und zur Abgrenzung Fischer, a. a. O., § 25 Rn. 26). Tatherrschaft setzt dabei voraus, dass der in Rede stehende Beteiligte im Zusammenwirken mit einem oder mehreren Anderen einen für das Gelingen der Tat wesentlichen Beitrag leistet, nicht erforderlich ist eine Mitwirkung am Kerngeschehen (vgl. BGH, NStZ 2009, 292, juris). Ein Mittäter muss seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit der anderen Täter und deren Beitrag als Ergänzung seines eigenen Tatanteils wollen. Dabei ist die Verteilung der Tatbeiträge grundsätzlich ohne Bedeutung, es reicht grundsätzlich jede Form der Förderung der als gemeinsam gewollten Tat, sei es auch nur durch Bestärken im Tatwillen (BGHSt 16,14, juris)

Unter Berücksichtigung vorstehend aufgezeigter Kriterien begegnet die Annahme von Mittäterschaft des Angeklagten W. keinen durchgreifenden Bedenken. Der Angeklagte hatte nicht nur ein deutliches eigenes Interesse am Taterfolg (Herunterreißen der Karikaturen) – dies belegen nicht zuletzt sein aktives arbeitsteiliges Mitwirken an der „Front des Geschehens“ wie auch der Umstand, dass er sich im Vorfeld in der Nähe des unzweifelhaft eine Führungsrolle einnehmenden Angeklagten Keskin aufhielt (UA S. 16), also zu keiner Zeit passiv am Rande des Geschehens war -, sondern er besaß mit Rücksicht auf sein zielstrebiges und funktional keineswegs untergeordnetes Verhalten im Rahmen des konkludent arbeitsteiligen Zusammenwirkens auch objektive Tatherrschaft und den Willen dazu. Hierdurch billigte er im Übrigen die durch die anderen Gruppenmitglieder begangenen Tätlichkeiten.

Eine Überschreitung des dem Tatrichter eingeräumten Beurteilungsspielraums ist auch unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) nicht gegeben. Vorliegend geht es nicht um die Frage einer pauschalen Haftung eines Demonstrationsteilnehmers, der sich (aktiv) an lediglich einzelnen Gewalttaten beteiligt, für alle anlässlich der Großdemonstration entstandenen Schäden, wie sie der vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidung (BGH NJW 1984, 1226) zugrunde lag. Es ist überdies verfassungsrechtlich unbedenklich, Rechtsgutverletzungen, die über die Missachtung behördlicher Maßnahmen – deren Rechtmäßigkeit zwar im Lichte des Art. 8 GG zu beurteilen ist, die mit Rücksicht auf die von der Gruppe der Angeklagten ausgehenden Tätlichkeiten hier aber keinem Zweifel unterliegt – hinausgehen, nach den allgemeinen Grundsätzen des Strafrechts zu ahnden (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 30. April 2007 – 1 BvR 1090/06 -, juris).

b) Im Hinblick auf den Rechtsfolgenausspruch bemerkt der Senat zu den Einzelausführungen:

aa) Keinen durchgreifenden Bedenken begegnet, dass das Landgericht die Strafe dem Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 1. Hs StGB entnommen und das Vorliegen eines minder schweren Falles ohne weitere Erörterung abgelehnt hat. Eine solche Erörterung drängte sich vor dem Hintergrund des keineswegs unbedeutenden, arbeitsteilig sich einfügenden Tatbeitrages des Angeklagten nicht auf.

bb) Auch die konkreten Strafzumessungserwägungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen.
28In der strafschärfenden Berücksichtigung der erheblichen Brutalität gegenüber den Polizeibeamten liegt kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, § 46 Abs. 3 StGB. Insbesondere hat das Landgericht damit nicht das (bloße) Vorliegen der Qualifikationsmerkmale des § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB strafschärfend gewertet. Das Verbot der Doppelverwertung von Strafzumessungstatsachen beinhaltet, dass die Merkmale des Tatbestandes, welche die Strafbarkeit begründen und der Bestimmung des gesetzlichen Strafrahmens zugrunde liegen, nicht nochmals bei der Strafzumessung berücksichtigt werden dürfen. Tatbestand in diesem Sinne sind ebenfalls die Voraussetzungen für die Anwendung eines bestimmten Strafrahmens, mithin von Qualifikationstatbeständen wie auch von Regelbeispielen (vgl. Fischer, a. a. O., § 46 Rn. 76 f.). Sowohl den Qualifikationen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB ebenso wie dem Regelbeispiel des § 113 Abs. 2 Nr. 1 StGB liegt die erhöhte Gefährlichkeit der Art und Weise der Tatbegehung, bei § 224 Absatz 1 Nr. 2 und § 113 Abs. 2 StGB erreicht durch Verwendung eines gefährlichen Werkzeuges, zugrunde, bei § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB bewirkt durch die gemeinschaftliche Begehungsweise. Die vom Landgericht strafschärfend berücksichtigte besondere Brutalität der Begehungsweise ist jedoch mit der (bloßen) Gefährlichkeit der Begehungsweise nicht notwendig gleichzusetzen. Sie kennzeichnet vielmehr die konkrete Qualität und Intensität der Einwirkung durch das gefährliche Werkzeug bzw. durch mehrere Beteiligte.

Ein Rechtsfehler bei der Strafzumessung ist auch nicht insoweit gegeben, als das Landgericht gegen den Grundsatz verstoßen hätte, dass die Strafe für jeden Mittäter grundsätzlich nach dem Maß der jeweiligen individuellen Schuld zu bestimmen ist (vgl. Fischer, a. a. O., § 46, Rn. 22 m. w. N.). Vielmehr hat das Landgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf unterschiedlich hohe Freiheitsstrafen für den Angeklagten W. und den Angeklagten K. erkannt und damit auch den individuellen Tatbeiträgen und sonstigen Zumessungsfaktoren Rechnung getragen.

3. Die Schuldsprüche der erstinstanzlichen Urteile hat der Senat wie tenoriert berichtigt, weil die Aufnahme von Strafzumessungsregeln – um eine solche handelt es sich bei § 125a StGB (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 125a Rn. 1) – oder das Vorliegen gesetzlicher Regelbeispiele für besonders schwere Fälle – wie für § 113 Abs. 2 StGB zutreffend (vgl. Fischer, a. a. O., § 113 Rn. 37) – nicht zur rechtlichen Bezeichnung der Tat im Sinne von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO und damit nicht in den Schuldspruch gehört (Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 260 Rn. 25).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

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Wer bei einer Körperverletzung nur passiv anwesend ist kann die Qualifikation zur gefährlichen Körperverletzung nicht erfüllen.

BGH: Keine gefährliche Körperverletzung durch passive Anwesenheit

Das entschied der Bundesgerichtshof unlängst in seinem Beschlus vom 21.07.2015 – 3 StR 261/15. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Überfall auf Taxifahrer – einer würgt, einer stiehlt

A und B hatten sich entschlossen den Taxifahrer K zu überfallen. Hierzu ließen sie sich an einen von A angegebenen abgelegenen Ort fahren. Dort angekommen griff der hinter dem Taxifahrer sitzende A  – so wie A und B das zuvor gemeinsam geplant hatten –  mit einem rechten Arm von hinten um den auf dem Fahrersitz sitzenden Taxifahrer herum und führte seinen Arm von rechts um den Hals des Taxifahrers herum, so dass er mit der linken Hand seine rechts Faust zu sich heranziehen und den Taxifahrer damit würgen konnte. Die B nutzte diese Situation – der Taxifahrer war gewürgt und bewegungsunfähig – aus und entnahm aus dem Portemonnaie des Taxifahrers 30 EUR sowie dessen Mobiltelefon. Danach flüchteten die Angeklagten.

Landgericht verurteilt wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung

Das Landgericht hat A und die nicht in Revision gegangene Mitangeklagte B jeweils wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Gegen den A hat es deshalb eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verhängt; gegen die B hat die Strafkammer auf eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und elf Monaten erkannt.

BGH hebt Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung auf

Auf die Revision des A wurde das Urteil, auch soweit es die Mitangeklagte B betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass die tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung entfällt und im Strafausspruch aufgehoben wurde. Die weitergehende Revision wurde verworfen.

Der Schuldspruch wegen tateinheitlicher gefährlicher Körperverletzung hielt der revisionsrechtlichen Überprüfung durch den BGH nicht stand. Die vom Landgericht in der ersten Instanz getroffenen Feststellungen belegten nicht, dass die Angeklagten die körperliche Misshandlung des Geschädigten gemeinschaftlich i.S.v. § 224 I Nr. 4 StGB begangen haben.

Grundsätzlich Erfüllung des Qualifikationstatbestandes des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB ohne eigenhändige Mitwirkung jedes Einzelnen an der Verletzungshandlung möglich

Der BGH weist in seiner Entscheidung zwar darauf hin, dass zur Erfüllung dieses Qualifikationstatbestandes grundsätzlich die eigenhändige Mitwirkung jedes Einzelnen an der Verletzungshandlung nicht erforderlich ist. So könne es zur Erfüllung des Qualifikationstatbestands durchaus genügen, dass ein am Tatort anwesender Tatgenosse die Wirkung der Körperverletzungshandlung des Täters bewusst in einer Weise verstärkt, welche die Lage des Verletzten zu verschlechtern geeignet ist. Allein die Anwesenheit einer zweiten Person, die sich die sich jedoch in Bezug auf die Verletzung vollkommen passiv verhält, erfüllt die Qualifikation jedoch nach Auffassung des BGH noch nicht.

Rein passives Verhalten reicht jedoch für Qualifikation nicht aus

Lediglich ein solches passives Verhalten wurde durch das Landgericht aber festgestellt. Das Landgericht hatte lediglich festgestellt, dass ich die B mit im Auto befunden und Geld sowie Mobiltelefon gestohlen habe – an der Verletzungshandlung hatte sie jedoch keinen Tatbeitrag. Die Urteilsgründe zeigten weder auf, dass die bloße Präsenz der Mitangeklagten in besonderer Weise den Geschädigten in seiner Lage beeinträchtigte, noch, dass die Mitangeklagte hinsichtlich der körperlichen Misshandlung überhaupt unterstützungsbereit gewesen sei und hierdurch eine erhöhte Gefährlichkeit der konkreten Tatsituation begründete. Da ergänzende Feststellungen im Rahmen einer nach Rückverweisung an das Landgericht neu durchzuführenden Hauptverhandlung nicht zu erwarten seien, hat der Senat den Schuldspruch selbst geändert und die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung entfallen lassen.

Auch Schuldspruch wegen Körperverletzung entfällt

Eine Abänderung des Schuldspruchs gegen den A auf tateinheitlich verwirklichte Körperverletzung kommt nicht in Betracht. Die Körperverletzung gemäß § 223 StGB wird nach § 230 StGB nur auf Strafantrag hin, oder bei der Bejahung des öffentlichen Interesses durch die Staatsanwaltschaft verfolgt.Beides war nicht der Fall. Eine solche (konkludente) Erklärung, dass die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse bejaht, ist auch nicht der Anklage zu entnehmen, da diese nur den Vorwurf einer tateinheitlich zum Raubtatbestand verwirklichten gefährlichen Körperverletzung zum Gegenstand hat.

Der Wegfall des Schuldspruchs wegen tateinheitlicher gefährlicher Körperverletzung ziehe die Aufhebung des Strafausspruches nach sich. Das Landgericht hatte die tateinheitliche Verwirklichung des § 224 I Nr. 4 StGB zwar nicht bei der Strafrahmenwahl, jedoch im Rahmen der konkreten Strafzumessung ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt. Der Senat konnte deshalb nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Beurteilung auf eine niedrigere Freiheitsstrafe erkannt hätte.


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