Die Aussetzung einer Pfändung des Finanzamts nach Erlass einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist nicht möglich. So jedenfalls entschied das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG Baden Württemberg) bereits am 26.01.2016 (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.01.2016, 11 K 2973/14). Wird die Entscheidung rechtskräftig, dann besteht faktisch kein Raum mehr für Verhandlungen mit dem Finanzamt nach Erlass einer Pfändungsverfügung.

FG Baden-Württemberg: Die Aussetzung und Ruhendstellung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung durch das Finanzamt ist nicht möglich

Die Entscheidung des Finanzgerichts betrifft Fälle, in denen das Finanzamt bereits eine Pfändungs- und EInziehungsverfügung wegen Steuerrückständen erlassen hat. In den allermeisten Fällen wird diese Verfügung einem Kreditinstitut (Bank) zugestellt, um die aktuellen und zukünftigen Kontoguthaben des Steuerschuldners zu pfänden. Zu Gunsten des Steuerschuldners wird man nun zunächst versuchen, mit dem Finanzamt eine Ratenzahlungsvereinbarung auszuhandeln. Gelingt dies, dann stellt das Finanzamt oft die Pfändung ruhend – der Schuldner kann dann so lange wieder frei über sein Konto verfügen, wie er sich an die vereinbarte Ratenzahlung hält.

Ruhendstellung der Pfändung kollidiert mit nachfolgenden Pfändungen

Das vollstreckungsrechtliche Problem: Eine solche Ruhendstellung ist in der ZPO nicht vorgesehen. Die für die Zwangsvollstreckung geltende Zivilprozessordnung kennt (einfach gesagt) nur alles oder nichts in Bezug auf die Wirkungen einer ausgebrachten Pfändung. Zu Problemen mit einer solchen Ruhendstellung kommt es spätestens dann, wenn weitere Gläubiger die selben Ansprüche pfänden, wenn also beispielsweise bei einer Bank ein weiterer Gläubiger eine zusätzliche Pfändung auf die Kontoverbindungen ausbringt. Grundsätzlich wäre nämlich mit der Ruhendstellung der ersten Pfändung diese erledigt und die zweite nachfolgende Pfändung würde an erste Stelle rutschen. Macht der Drittschuldner – also hier die Bank – in solchen Fällen Fehler bei der Beurteilung der Rangfolge, dann sieht er sich Haftungsansprüchen der jeweils benachteiligten Seite ausgesetzt.

Bank klagt gegen Ruhendstellung der Pfändung durch das Finanzamt

In dem Fall, den das Finanzgericht Baden-Württemberg entschieden hat, war das genau so. Das Finanzamt hatte der kontoführenden Bank des Steuerschuldners S eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung zugestellt. Die Bank als Drittschuldnerin hatte diese unter Mitteilung, dass man keine Aussetzungen anerkenne, anerkannt und führte alle Kontoguthaben des Schuldners an das Finanzamt ab. Dieser traf jedoch eine Einigung mit dem Finanzamt, woraufhin dieses der Bank erklärte, sie stelle die Pfändung ruhend, die Bank solle bis auf weiteres dem Schuldner die Verfügung über seine Konten und Guthaben ermöglichen. Die Pfändungsverfügung hielt das Finanzamt jedoch aufrecht und wies die Drittschuldnerin darauf hin, dass die Pfändung in jedem Fall gegenüber später zugestellten Pfändungen bzw. Abtretungen vorrangig bleibe.

Hiergegen legte die Bank als Drittschuldnerin zunächst Einspruch ein. Nun beglich der Schuldner seine vollständigen Steuerschulden und das Finanzamt hob die Pfändung auf. Die Bank erhob nunmehr gegen die Ruhendstellung Klage mit dem Ziel festzustellen, dass die Ruhendstellung rechtswidrig war.

Bank wehrt sich gegen Überwachungspflichten – Ruhendstellung ist rechtswidriger Verwaltungsakt

Die Bank war der Auffassung, die Ruhendstellung durch das Finanzamt stelle einen rechtswidrigen Verwaltungsakt dar, für den es keine Rechtsgrundlage gäbe. Das Interesse der Bank liegt dabei in der Vermeidung von Wiederholungsfällen. Sie trug vor, dass die laufende Überwachung ruhend gestellter Pfändungen einen erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich bringe und die Drittschuldnerin damit trotzdem einem erheblichen Haftungsrisiko, insbesondere gegenüber weiteren Drittschuldnern ausgesetzt sei. Dieses Haftungsrisiko wollte sie vermeiden.

Finanzgericht Baden-Württemberg entscheidet: Ruhendstellung ist rechtswidrig

Das Finanzgericht hat nun durch seinen 11. Senat entschieden, dass das Schreiben, mit welchem die Ruhendstellung erklärt wird, ein Verwaltungsakt mit Außenwirkung ist, welcher den Regelungsgehalt der Pfändungs- und EInziehungsverfügung betrifft und abändert. Als solcher sei dieser Verwaltungsakt rechtswidrig. Denn: Ihm fehlt schlicht die Rechtsgrundlage. Zwar bestimmen sich die Formalien für den Erlass der Pfändungs- und Einziehungsverfügung nach den Regelungen der Abgabenordnung (AO), also nach Steuergesetzen. Die Durchführung der Zwangsvollstreckung jedoch bestimmt sich alleine an den Regelungen der Zivilprozessordnung (ZPO).

Zivilprozessordnung kennt keine Ruhendstellung

Die insofern geltende Zivilprozessordnung kennt jedoch keine Ruhendstellung oder Aussetzung einer Pfändung. Hier gibt es schlicht nur „on“ oder „off“. Erlässt das Finanzamt nun einen Verwaltungsakt, mit dem es diese Rechtsinstrumente der ZPO abzuändern versucht, dann ist dies mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig. Dies war hier der Fall, da der Verwaltungsakt des Finanzamts zwar vorsah, dass die sich zu Gunsten des Finanzamts aus der Pfändung ergebenden Vorteile (Auskehr der Kontenguthaben) zwar vorübergehend entfallen sollten (der Schuldner sollte wieder über sein Konto verfügen können). Die Verstrickung der Pfandsache sollte jedoch bestehen bleiben (Sprich: Bei nachfolgenden Pfändungen sollte das Finanzamt weiter an vorderster Stelle stehen bleiben).

Abgabenordnung regelt nur das Verhältnis zwischen Finanzamt und Steuerschuldner – nicht aber Drittschuldner

Das Finanzamt hatte seine Rechtsauffassung mit dem Inhalt von § 258 Abgabenordnung (AO) begründet. Danach kann die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung im Einzelfall einstellen oder beschränken. Das Gericht urteilte jedoch, dass das Finanzamt keine Anordnungen treffen kann, welche nach der ZPO nicht gestattet sind. Eine Ruhendstellung der Pfändung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Verstrickung beeinträchtige jedoch die Rechte Dritter einschließlich der klagenden Drittschuldnerin. Hierfür fehle es jedoch an einer Ermächtigungsgrundlage.

Auswirkung auf alle öffentlichen Vollstreckungsmaßnahmen – auch Krankenkassen?

Das Finanzgericht hat die Revision gegen das Urteil zugelassen, es ist also noch nicht rechtskräftig. Sollte das Urteil jedoch rechtskräftig werden, dann hätte dies erhebliche Konsequenzen für sowohl Steuerschuldner als auch Schuldner sonstiger öffentlicher Kassen, insbesondere die Schuldner von Krankenkassen und Sozialversicherungsträgern. Neben Finanzämtern ist es insbesondere bei Krankenkassen gängig (und nach unserer Auffassung sinnvoll), eine ausgebrachte Pfändung ruhend zu stellen, sofern man sich mit einem Schuldner auf eine Ratenzahlung der bestehenden Rückstände einigen kann. Sollte das hiesige Urteil in Rechtskraft erwachsen dann steht zu vermuten, dass die Chancen für eine derartige Einigung zukünftig erheblich schlechter stehen – was Sanierungsbemühungen erheblich erschweren dürfte.


Sie gelangen HIER zur Pressemitteilung des Finanzgerichts Baden-Württemberg (externer Link).

WULLBRANDT Rechtsanwälte

Anlässlich der Auftaktveranstaltung der Regionalgruppe Rhein-Main des Verbandes der Gründer und Selbständigen e.V. (VGSD e.V.) am 27. Januar 2016 in Hirschberg hierlt Rechtsanwalt Wullbrandt einen kurzweiligen Impulsvortrag zum Thema „Auftrag erledigt, Kunde zahlt nicht – effektives Forderungsmanagement“.

Die versammelten Zuhörer erhielten dabei eine Menge Tipps und Ratschläge, wie sich Zahlungsausfälle auf ein Minimum reduzieren lassen und wie man am besten mit säumigen Kunden umgeht. Rechtsanwalt Wullbrandt, der auf mehrere Jahre Erfahrung als Syndikusanwalt eines der größten deutschen Forderungsmanagementunternehmen zurückblicken kann, gab dabei wichtige Ratschläge, angefallen von der korrekten Rechnungsstellung, der Vereinbarung von Zahlungsmodalitäten und der Auswahl des Inkassopartners.

Die Präsentation zum Vortrag können Sie hier downloaden:

Vortrag Effektives Forderungsmanagement

15.645 „Likes“ auf Instagram nur für das Foto einer demonstrativ in die Kamera gereckten neuen Uhr? Man muss es nicht verstehen oder mögen, aber so ist nun mal der Trend: Selbstdarstellung ist „in“, egal ob auf Facebook, Instagram, Pinterest  oder sonstigen sozialen Portalen. 15-jährige Mädchen haben hunderttausende „Follower“ für Videos, die sie von sich beim Einkaufen mit der Handykamera drehen – nun denn, so sei es.

Sinnlose Selfies und ihre Bedeutung bei einem Einbruch

Uhren-SelfieWas für die meisten von uns Menschen der Ü25-Altersklasse ziemlich sinnlos erscheint, bekommt allerdings nach einem Einbruch eine ganz neue Bedeutung. Sind wir mal ehrlich: Kaum jemand von uns hebt für alle gekauften Wertgegenstände, insbesondere Schmuck, Uhren etc (mal abgesehen von der Rolex, aber auch da…) alle Kaufbelege und Rechnungen auf. gerade bei Geschenken will man meist garnicht, dass entsprechende Quittungen zuhause liegen. Wird nun bei einem Einbruch Schmuck entwendet steht man vor der misslichen Lage, dass die Hausratversicherung zwar das meiste ersetzen würde, allerdings einen Nachweis dafür verlangt, dass man die Wertgegenstände tatsächlich besaß. Gleiches gilt, wenn die Polizei Diebesgut findet und an die jeweiligen Eigentümer zurückgeben möchte – auch hier ist ein Nachweis des Eigentums nötig.

Selfies und Fotos als Eigentumsnachweis

Wenn seitens der Versicherung oder der Polizei Zweifel an der Inhaberschaft von abhanden gekommenen oder eben wiedergefundenen Wertgegenständen bestehen, dann lässt sich diese eben im Einzelfall auch einmal damit begründen, dass man Fotos von sich vorlegen kann, auf welchen man die Schmuckstücke trägt. Ganz ungemein hilft das im Übrigen auch bei der Identifikation von abhanden gekommenen Wertgegenständen.

Man sieht: Ab und an kann es also ganz nützlich sein, das ein oder andere Foto von sich in vollem Ornat zu besitzen. Nicht nur, weil es schön aussieht, sondern auch für den (hoffentlich nie eintretenden) Versicherungsfall.

Fotos nicht auf Kamera lassen!

Vorischt Falle: Wer jetzt ab und an doch einmal ein Selfie macht, um seinen Reichtum bildhaft zu dokumentieren, der muss diese Bilder natürlich auch irgendwo sicher ablegen – am besten also online. Denn wenn die Einbrecher schon einmal im Haus sind, dann nehmen sie in fast allen Fällen eines jedenfalls mit: Die Kamera. Die schönste Bildersammlung bringt also nichts, wenn die Bilder gleich mit gestohlen werden. Daher mein Tipp (gilt im Übrigen auch für Kopien von Zeugnissen und wichtigen Dokumenten): Immer einen Scan oder eine Kopie in einem Online-Speicher ablegen. Im Fall der Fälle besteht so immer Zugriff.


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Rechtsanwalt & Strafverteidiger Tim Wullbrandt

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Wer als Zeuge vor Gericht aussagen soll, egal ob in einem Strafverfahren oder in einer Zivilsache, der kann unter Umständen vor seiner eigentlichen Aussage mit einer ziemlich unangenehmen Sache konfrontiert werden: Wartezeit. Und nicht nur wenig Wartezeit, sondern unter Umständen ziemlich viel Wartezeit.

Was Zeugen wissen sollten

Bevor das Gericht die Zeugenvernehmungen terminiert und die Ladungen versendet, macht es sich einen groben Überblick davon, was die einzelnen Zeugen wohl sagen werden und wie lange das dauern wird. Es gibt vorsitzende Richter, die tatsächlich ohne Schnörkel und in hohem Tempo Vernehmungen durchführen. Oft passiert es aber, dass unvorhergesehenes passiert, was den gesamten Zeitplan durcheinander wirft.

Immer etwas zu Lesen dabei haben!

Beispiel: Verhandlung einer Strafsache, der Angeklagte sitzt in Haft, Verhandlungsbeginn soll 8.45 Uhr sein, die Zeugen sind im Viertelstunden-Takt geladen. Sie sind der fünfte Zeuge, also auf 9.45 Uhr geladen. Wenn alles schief geht, dann steht der Transport des Angeklagten aus der Justizvollzugsanstalt zum Gericht im Stau, der Angeklagte kommt erst um 9.15 Uhr zum Gericht. Der zweite geladene Zeuge redet statt 15 Minuten 30 Minuten lang. Zwischendrin müssen Formalien geklärt werden. Zeuge Nummer 4 braucht – da er unbekannter Weise mehr gesehen und erlebt hat – 45 Minuten. Jetzt kommt Zeuge Nr. 5 dran – statt um 9.45 Uhr (wie in der Ladung angegeben) erst um 11.15 Uhr. Die Wartezeit bis dahin muss man unter Umständen auf einem kargen Flur des Gerichts verbringen. Wer das einmal erlebt hat, der weiss, wie sich ein Tiger im Zoo fühlt… (bloß dass der noch ein bisschen Spielzeug und einen Baum hat).

Handy im Gericht: Vorsicht Funkloch

Wer jetzt denkt „Macht nichts, ich habe ja immer Mein Handy dabei“, der sei gewarnt: Aus mir nicht bekannten Gründen gibt es in einem Überwiegenden Teil aller Gerichte, vor allem in Altbauten mit meterdicken Mauern, keinen Handyempfang…

Meine Empfehlung also an jeden, der vor Gericht als Zeuge geladen ist: Immer etwas zu Lesen dabei haben!


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Uli Hoeneß ist bald ein freier Mann. Nachdem bereits in der Woche vor Weihnachten vergangenen Jahres bekannt geworden war, dass die Anwälte von Uli Hoeneß einen entsprechenden Antrag beim Landgericht Augsburg eingereicht hatten, hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts nun entschieden: Uli Hoeneß kommt Ende Februar 2016 frei.

Uli Hoeneß nach Verbüßung der Halbstrafe frei – Landgericht bewilligt Entlassung

Das ist eine schöne Sache. Für Fußballdeutschland und für die Familie Hoeneß sowieso. In den (sozialen) Medien und an den Stammtischen fragt man sich allerdings: Wie kann es sein, dass Uli Hoeneß nach gerade einmal der Hälfte der Haftstrafe (er war im Frühjahr 2014 wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden, welche er am 2. Juni 2014 angetreten hatte) schon wieder entlassen wird?

Eine laienhafte Stammtisch-Erklärung ist schnell gefunden – sie lautet „Promibonus“. In Wahrheit ist die Erklärung jedoch eine andere – sie lautet „Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe“ oder kürzer und hier im Detail „Halbstrafenaussetzung“.

Was ist eine Halbstrafenaussetzung?

Die vorzeitige Beendigung der Haft ist im Gesetz geregelt. Der entscheidende Paragraph ist § 57 StGB (Strafgesetzbuch). Dieser Paragraph hat insgesamt 7 Absätze, der Einfachheit halber hier einmal die für uns wichtigen Absätze 1 und 2 im Wortlaut:

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1. zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2. dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3. die verurteilte Person einwilligt.

Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1. die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2. die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,

und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

Unter Strafgefangenen ist vor allem eines bekannt: Die sogenannte „2/3-Regel“. Was das bedeutet lässt sich oben in Absatz 1 des § 57 StGB nachlesen. Stehen keine Sicherheitsbedenken oder sonstigen Hindernisse in der Person des Gefangenen entgegen und hat er sich während der Haft gut geführt, dann erfolgt in einem Großteil der Fälle die Entlassung nach 2/3 der Haftstrafe. Das ist also der „Normalfall“.

Ist mit der Entlassung alles erledigt?

Bedeutet das, dass mit der Entlassung alles erledigt ist? Nein, so einfach ist das nicht. Wie man dem Paragraphen 57 StGB entnehmen kann lässt das Gericht den Gefangenen nicht einfach frei, sondern es setzt die Reststrafe zur Bewährung aus. Das Bedeutet: Das Gericht legt einen Bewährungszeitraum, meistens 2-3 Jahre, fest. Begeht der Entlassene in diesem Zeitraum eine neue Straftat, dann gilt das als Bewährungsbruch. Er wird dann wegen dieser neuen Tat verurteilt und zusätzlich wird die Bewährung widerrufen – er muss also das restliche Drittel der alten Strafe auch noch absitzen.

Entlassung schon nach halber Strafe?

Aber Moment – Uli Hoeneß hat die 2/3 ja noch gar nicht voll. Er wird ja nun bereits nach der Hälfte der Strafe aus der Haft entlassen. Wie ist das möglich? Hat Hoeneß doch einen Promibonus oder hat er sich freigekauft? Nein, hat er nicht.

Uli Hoeneß profitiert von der Regelung des § 57 Abs.2 Nummer 2 StGB.

Nach Absatz 2 Nummer 1 des Paragraphen 57 StGB ist eine Entlassung bereits nach der Hälfte der Strafe dann möglich, wenn die Anforderungen des Absatz 1 erfüllt sind (das sind die Anforderungen an die Entlassung nach 2/3, also keine Sicherheitsbedenken entgegenstehen und der Gefangene sich gut geführt und mit der Tat auseinandergesetzt hat) und die Strafe insgesamt maximal zwei Jahre betragen hätte. Auch das ist bei Uli Hoeneß nicht der Fall – er wurde zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt.

Absatzz 2 Nummer 2 des Paragraphen 57 StGB lässt eine Entlassung nach der Hälfte der Strafe jedoch zu, wenn

die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,

und alle anderen Voraussetzungen (wie erwähnt – keine Sicherheitsbedenken, Auseinandersetzen mit der Tat, gute Führung…) auch erfüllt sind.

Persönlichkeit der verurteilten Person = Promibonus?

Wenn also unter anderem die Persönlichkeit der verurteilten Person mit entscheidend ist – haben wir es dann mit einem gar gesetzlich verankerten Promibonus zu tun? Nein, haben wir nicht. Denn: Das Gericht muss sich bei seiner Bewertung an gewisse Maßstäbe, Anforderungen und Regeln halten. Und genau diese werden wir hier jetzt einmal kurz erläutern.

Verbüßung der Halbstrafe und Einwilligung des Verurteilten

Die am einfachsten zu erklärenden Anforderungen dürften wohl diese beiden sein: Der Gefangene muss bereits die Hälfte der verhängten Strafe verbüßt haben und er muss in die Entlassung einwilligen. Ja, richtig gelesen: Er muss einwilligen. Denn in der Tat, es gibt auch Gefangene, die – oft wegen Obdachlosigkeit und instabilen wirtschaftlichen und familiären Verhältnissen, lieber in Haft sind, als „hilflos“ der Straße ausgesetzt zu sein. Traurig, aber wahr.

Mindestens sechs Monate verbüßt

Von der gesamten Haftstrafe müssen mindestens sechs Monate verbüßt sein. Wenn die Strafe also insgesamt nur 11 Monate beträgt, dann ist eine Entlassung nach der Hälfte – also nach 5 1/2 Monaten nicht möglich, da noch keine 6 Monate verbüßt sind.

Besondere Umstände

Jetzt wird es knifflig: Es müssen besondere Umstände vorliegen. Und damit stellt sich die Frage: Was sind besondere Umstände?Grundsätzlich liegt es am Gericht, hier der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts, daran zu entscheiden, ob besondere Umstände vorliegen. Das Gericht muss sich dabei jedoch an gewissen Vorgaben, die sich aus der bisherigen Rechtsprechung und aus der Kommentarliteratur zum Strafgesetzbuch ergeben, orientieren und kann nicht willkürlich entscheiden. Wann liegen also besondere Umstände vor?

Der nach Ansicht des BGH (Bundesgerichtshof, Beschluß vom 22.10.1980 – 3 StR 376/80) ergeben sich besondere Umstände

aus der Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit des Verurteilten und seiner Entwicklung während des Strafvollzugs ergeben. Dabei handelt es sich um Milderungsgründe von besonderem Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts, der sich in der Strafhöhe widerspiegelt, nicht als unangebracht und als den vom Strafrecht geschützten Interessen nicht zuwiderlaufend erscheinen lassen

Als ausreichend sind nur solche Umstände anzusehen, die im Vergleich mit gewöhnlichen, durchschnittlichen, allgemeinen oder einfachen Milderungsmöglichkeiten besonderes Gewicht besitzen oder eine Strafaussetzung trotz des erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts der Tat als nicht unangebracht und den vom Strafrecht geschützten Interessen nicht zuwiderlaufend erscheinen lassen. Dabei können Umstände, die einzeln lediglich durchschnittliche Gründe wären, durch ihr Zusammentreffen ein solches Gewicht erlangen, dass ihnen in ihrer Gesamtheit die Bedeutung besonderer Umstände zuerkannt werden muss (Quelle: Beck´scher OK zum StGB von Heintschel-Heinegg, § 57, Rn 15.1). Im einzelnen können das sein: Bemühen um Schadenswiedergutmachung, Führung im Vollzug, erhärtete Haftbedingungen etc.).

Bei einer Steuerstraftat können besondere Umstände aufgrund der Höhe des Steuerschadens und aufgrund von Vorstrafen des Verurteilten fehlen, selbst wenn ansonsten zahlreiche ihm günstige Umstände vorliegen (OLG Hamm NStZ-RR 2013, 158). Das bedeutet allerdings im Umkehrschluss, dass bei einer vollständigen Wiedergutmachung des Steuerschadens sehr wohl von besonderen Umständen ausgegangen werden kann.

Uli´s Umstände

Was hat jetzt also bei Uli Hoeneß dazu geführt, dass er schon nach der Hälfte der Strafe entlassen wird? Welche besonderen Umstände liegen vor?

Zum einen hat sie Uli Hoeneß in der Haft, sowohl in der JVA in Landsberg als auch später im Freigängerhaus vorbildlich geführt. Soweit bekannt hat er alle ihm aufgetragenen Arbeiten (unter anderem Kleiderkammer) ohne Murren ausgeführt und sich nie aus dem Kreis der Gefangenen hervorgehoben.

Im Gegensatz dazu hat man bei Uli Hoeneß wohl tatsächlich erhärtete Haftbedingungen anerkannt. Das ist damit zu begründen, dass Hoeneß während der Haft mehrfach Erpressungsversuchen ausgesetzt war. Einer der (versuchten) Erpresser wurde deswegen sogar bereits verurteilt. Darüber hinaus stand er unter permanenter Beobachtung durch Medien und Öffentlichkeit, die ihre Informationen offenbar auch zu großen Teilen von anderen Mitgefangenen heranzogen, was in einer solchen Situation durchaus eine erhärtete Haftsituation darstellt.

Dass von Uli Hoeneß keine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht dürfte einleuchten.

Thema Steuern: Wie wir oben bereits gelesen haben kann die Höhe einer bestehen gebliebenen Steuerschuld der Halbstrafenentlassung entgegenstehen. Hier hatte das Gericht jedoch zu berücksichtigen, dass Uli Hoeneß während der Haftzeit aus seinem Privatvermögen mutmaßlich eine Summe von über 50 Millionen Euro an den Fiskus gezahlt und damit seine Steuerschuld getilgt hat. Damit, im Zusammenspiel mit seiner Selbstanzeige, war die Grundlage für eine Halbstrafenentlassung gegeben.

Also doch ein Promibonus weil er sich frei gekauft hat? Nach meiner Auffassung ein klares „Nein“ dazu. Denn: Uli Hoeneß hat genau den Schaden wieder gut gemacht, den er verursacht hat. Er hat lediglich den Vorteil genutzt, dass er noch über genügend Kapital verfügte, um den durch ihn angerichteten Schaden frühzeitig auszugleichen. Grundsätzlich ist jeder Straftäter verpflichtet, den von ihm verursachten Schaden – gleich in welcher Höhe, ob hunderte oder Millionen Euro – auszugleichen, was jedoch den meisten nicht gelingt, da in den seltensten Fällen aus dem erlangten oder zerstörten Kapitalreserven gebildet werden.

Fazit

Uli Hoeneß kommt nach der Hälfte der Strafzeit auf Bewährung frei. Die hierfür vom Gesetz geforderten besonderen Umstände liegen vor.


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Anwalt für Strafrecht - Mannheim

Heute einmal etwas aus dem Bereich „Lokales“: Die Mannheimer Polizei führte heute Morgen eine der ersten Razzien in einer sogenannten „Problem-Immobilie“ durch. Das Mehrfamilienhaus, in welchem die Razzia stattfand, befindet sich im Stadtteil Mannheim-Neckarstadt.

Razzia in Mannheim: Verdacht auf Mietwucher, Drogenhandel und Co

In dem Haus in der Mannheimer Neckarstadt leben größtenteils Bulgaren und Rumänen unter teils katastrophalen Bedingungen. Hauptziel der Razzia waren dementsprechend auch die Vermieter der Immobilie beziehungsweise die in der Immobilie herrschenden Mietbedingungen. Nach Angaben der Polizei werden dort selbst kleinste Zimmer und Kellerverschläge zu Wucherpreisen vor allem an osteuropäische Einwanderer untervermietet. Einigen Bewohnern wurde nach Auskunft der Polizei bereits vor längerem der Strom abgestellt, weshalb sie sich illegale Stromleitungen von den Nachbarhäusern und Wohnungen bauten.

Eine Festnahme wegen diverser Straftaten

Bei der Razzia wurden nach Polizeiangaben insgesamt 38 Personen überprüft, eine Person wurde noch vor Ort festgenommen. Der Razzia waren bereits lang andauernde Ermittlungen, unter anderem wegen Mietwucher, Drogenhandel, Diebstählen und Steuerhinterziehung vorangegangen.

Polizeihubschrauber im Einsatz

Aufgrund der baulichen Situation war die Mannheimer Polizei bei der Razzia sogar mit einem Polizeihubschrauber angerückt. Da das Gebäude über einen stark verwinkelten Hinterhof verfügt wollte man auf diese Weise die Flucht von zu kontrollierenden personen vermeiden. Nach Polizeiangaben war die Aktion ein Erfolg.


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Neues Jahr, neues Verfahren: Nachdem ich bereits zum Ende des Vergangenen Jahres in einem Großverfahren gegen eine aus insgesamt sechs Angeklagte bestehende Bande von Einbrechern aus Georgien vor dem Landgericht in Heidelberg verteidigt habe (die daraus ergangenen Urteile sind noch nicht rechtskräftig), beginnt nun morgen, am Dienstag den 15.01.2016 das nächste Verfahren gegen einen Georgier, dem die Beteiligung an diversen Einbrüchen in Heidelberg zur Last gelegt wird.

Weiteres Verfahren gegen Einbrecher aus Georgien am Landgericht Heidelberg

Prozess || Tim Wullbrandt | Rechtsanwalt für StrafrechtAuch in diesem Verfahren, für welches zunächst sechs Verhandlungstage am Landgericht angesetzt sind, geht es um die Beteiligung an einer Serie von Einbrüchen überwiegend in dem Heidelberger Stadtteil Pfaffengrund und Umgebung, bei denen erhebliche Mengen an Elektronik, Schmuck und Bargeld gestohlen wurden.

Bande bereits verurteilt

Das nun beginnende Verfahren birgt eine Besonderheit – es richtet sich nämlich nur noch gegen ein mögliches Mitglied der in Heidelberg agierenden Einbrechergruppe. Die weiteren vier Mitglieder dieser Gruppierung wurden bereits Ende des Jahres 2014 noch in Heidelberg festgenommen und in einem Verfahren im vergangenen Oktober für ihre Taten verurteilt. Dabei wurden Haftstrafen bis zu 5 1/2 Jahren ausgesproichen.

Der jetzt vor Gericht stehende Mann wurde erst kurz vor Beginn des Prozesses gegen die anderen Beteiligten im September 2015 in der Schweiz festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert, weswegen er nun gesondert vor Gericht steht.

Weitere Einbrüche in Lohr am Main

Neben den Taten in Heidelberg wird dem Mandanten auch die Beteiligung an weiteren Einbrüchen in Tankstellen und Autohäuser in Lohr am Main im Frühjahr 2014 vorgeworfen. Bei diesen Taten wurden aus den Verkaufsräumen erhebliche Mengen Zigaretten gestohlen.

Hier die Pressemitteilung des Landgerichts Heidelberg:

Pressemitteilung Landgericht Heidelberg - RA Wullbrandt


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Was tun, wenn die Liebe am Ende ist? Diese Frage stellte sich auch die Redaktion von Wunderweib.de und ging ins Gespräch mit Rechtsanwältin Alexandra Wullbrandt. Im Interview auf Wunderweib.de gibt sie Erfahrungen wieder und erklärt, was es zu einer Scheidung braucht und wie diese im besten – oder im schlechtesten Fall abläuft.

Hier geht es zum Interview: LINK.

Wann ist beim Tabakschmuggel der Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt und die Tat beendet? Mit dieser Frage hatte sich der BGH in seinem Verfahren 1 StR 461/06 zu beschäftigen. In diesem Fall hatte der BGH über versteckte Zigarettenladungen zu entscheiden, die aus einem anderen Mitgliedstaat ohne Verwendung deutscher Steuerzeichen nach Deutschland verbracht und nicht verzollt wurden. Deutschland diente als Zwischenstation, wo die Zigaretten umgeladen, um – wiederum versteckt unter Tarnladung – durch eine Spedition nach Großbritannien zum dortigen Verkauf weitertransportiert zu werden.

Pflicht zur Erklärung über Tabaksteuer entsteht bei Verbringen nach Deutschland zu gewerblichen Zwecken

Der BGH stellt fest, dass die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung über den transportierten Tabak gemäß § 19 Satz 2 und 3 TabStG aF dann entsteht, wenn die Tabaksteuer aufgrund eines Verbringens der Tabakwaren ohne Verwendung deutscher Steuerzeichen (vgl. § 12 TabStG aF) aus dem freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaates zu gewerblichen Zwecken nach Deutschland gebracht wird. Da die Tabakware jedoch nicht in Deutschland verbleiben sollte, sondern weiter nach Großbritannien transportiert wurde, stellt sich die Frage, wann die Beendigung der Tat vorliegt.

Tat ist beendet, wenn die Ware „zur Ruhe gekommen ist“

Die Hinterziehung von Tabaksteuer unter Verstoß gegen die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung gemäß § 19 Satz 3 TabStG aF ist erst beendet, wenn die Tabakwaren in Sicherheit gebracht und „zur Ruhe gekommen“ sind. Der BGH führt hierzu aus, dass es maßgeblich ist, ob die Tabakwaren die gefährliche Phase des Grenzübertritts passiert haben und der Verbringer sein geplantes Vorhaben erfolgreich abgeschlossen hat. In der Regel wird die Steuerhinterziehung daher erst beendet sein, wenn die Tabakwaren ihren Bestimmungsort erreicht haben. Wenn die Tabakwaren in Deutschland lediglich umgeladen wurden und hauptsächlich für den Verkauf in Großbritannien bestimmt waren, sind sie noch nicht „zur Ruhe gekommen“ (BGH, Urteil vom 14. März 2007 – 1 StR 461/06).

Das LG Bochum hat sich im Urteil vom 29. Oktober mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen den Eltern nach dem Tod ihres Sohnes Schmerzensgeldansprüche gegen den Schädiger zustehen.

Grundsätzlich kein Schmerzensgeld der Eltern für Tod des Kindes

Grundsätzlich ist Schmerzensgeld wegen des erlittenen Todes im deutschen Recht nicht vorgesehen, da der Verlust des Lebens nicht mit Geld auszugleichen ist. Jedoch steht den Eltern als Erben des Getöteten gem. § 823 Abs. 2 BGB eine billige Entschädigung in Geld für die ihrem Sohn zugefügten Schäden zu – also faktisch der Schmerzensgeldanspruch des Kindes.

Eltern erben Schmerzensgeldanspruch des Kindes

Die Entschädigung ist dann „billig“ im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB, wenn sie nach den ethischen Grundsätzen als gerecht empfunden wird. Bei der Schadensbemessung werden mehrere Gesichtspunkte miteinbezogen, insbesondere die vorsätzliche Tatbegehung sowie das bewusste Miterleben des Todeseintritts. Im Vordergrund stehen bei der Schadensbemessung die Genugtuungs- sowie Ausgleichsfunktionen.

Eigener Schmerzensgeldanspruch der Eltern, wenn besondere Schäden nachweisbar

Darüber hinaus hat das Gericht das Bestehen eigener Entschädigungsansprüche auf Schmerzensgeld bejaht, wenn sich erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen, die über das normale Maß der seelischen Erschütterung und traumatischer Schädigungen hinausgehen, medizinisch feststellen lassen und einen gewichtigen Krankheitswert aufweisen.

LG Bochum, Urteil vom 29.10.2015 – 2 O 574/12.